1 Einleitung

Das Vorhandensein einer grundlegenden Wirtschaftskompetenz gilt angesichts der Komplexität ökonomischer Prozesse und deren Wirkungen auf verschiedenste Bereiche des gesellschaftlichen Lebens als eine Voraussetzung zum Verständnis und zur Bewältigung von privaten sowie beruflichen Lebenssituationen (Ackermann 2021; Dubs 2013). Die zunehmende Häufigkeit von Krisen mit erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen, wie bspw. die Finanz- und Eurokrise, die COVID-19-Pandemie, wie auch der Krieg in der Ukraine, zeigt, dass der Bedarf an ökonomischem Wissen zur Erklärung von realpolitischen Ereignissen gestiegen ist. Dabei stehen im internationalen bildungspolitischen Fokus insbesondere das Konzept der Financial Literacy, das auf den alltäglichen Umgang mit den persönlichen Finanzen abstellt (OECD 2014, 2019, 2020). Aus didaktischer Perspektive scheint diese Sichtweise zu verengt: Akteure der ökonomischen Bildung verweisen darauf, dass ein breiterer inhaltlicher Zugang für den Aufbau wirtschaftlicher Kompetenzen nötig ist (Engartner et al. 2018; Fridrich 2017; Fridrich et al. 2021b; Seeber und Retzmann 2017; Tafner 2020). Die ökonomische Bildung ist in Deutschland zwar Bestandteil der Allgemeinbildung (KMK 2016b), jedoch ist die Implementierung in den einzelnen Bundesländern höchst unterschiedlich (Marx 2015; Schlösser et al. 2017; Siegfried und Ackermann 2020). Daher bilden informelle Lerngelegenheiten oft den Anlass zum Erwerb ökonomischer Präkonzepte (Schuhen und Kunde 2016). Für den systematischen Aufbau ökonomischer Kompetenz sind dagegen schulische Lerngelegenheiten i. F. v. Curricula der Fächer oder Fächerverbünde, die wirtschaftliche Lerninhalte behandeln, nötig.

Lehrpläne beschreiben typischerweise Bildungsziele, die in einer bestimmten Zeit von gewissen Gruppen erworben und unterrichtet werden sollen (Shulman 1987) und fungieren als Vermittler gesellschaftlicher Wertvorstellungen und Kulturpraxen (Saylor et al. 1981). Die Entwicklung und Implementierung neuer Curricula ist ein zentraler und äußerst komplexer Bestandteil von Schulentwicklung, der mit Herausforderungen verbunden ist (OECD 2018): Als zentrale Aufgabe lässt sich hierbei das „Alignment“ zwischen intendiertem, implementiertem und erreichtem Lehrplan identifizieren (Anderson 2002; Cai 2014; Naumann et al. 2019; Wang und McDougall 2019). Das intendierte Curriculum wird in Deutschland im Rahmen eines komplexen Aushandlungsprozesses zwischen verschiedenen Stakeholdern (bspw. Bildungsadministration, Lehrkräften, Vetreter*innen der entsprechenden Fachwissenschaften und Fachdidaktiken usw.) erlassen. Dieses gibt den Rahmen instruktionalen Handelns vor, räumt aber den Schulen sowie den individuellen Lehrpersonen eine erhebliche Autonomie in Planung und Umsetzung ein. Auf Schulebene zeigt sich, dass insbesondere die Lehrkräfte durch ihren unmittelbaren Kontakt zu Schüler*innen bei der Implementierung curricularer Reformen eine große Rolle einnehmen (Brühwiler und Blatchford 2011; Polikoff und Porter 2014; Porter et al. 2015), da diese die erlassenen Lehrpläne sowohl in Form von schulinternen Lehrplänen als auch durch den Unterricht der einzelnen Lehrkraft rekontextualisieren (Fend 2006, 2008).

Untersuchungen zeigen, dass ein unzureichendes Verständnis der Ziele des intendierten Curriculums bei der Implementierung seitens der Lehrkräfte diese in bestehenden Instruktionspraxen verharren lässt (Donnell und Gettinger 2015; Drew et al. 2016; Priestley et al. 2016b, 2019). In der Folge gelingt die Implementation nur unzureichend (Fullan 2008; Fullan und Quinn 2016; O’Sullivan 2002). Das Schaffen eines gemeinsamen Verständnisses zu den Zielen und Inhalten eines Curriculums durch die frühe Beteiligung der Lehrkräfte an der Implementierung neuer Bildungspläne ermöglicht (1) Die Akzeptanz gegenüber curricularen Reformen (Fullan und Quinn 2016; Gräsel 2010; Hargreaves und Fullan 2015; Hübner et al. 2021) und (2) den Einbezug von Expertise, um dieses Verständnis effektiv umsetzen zu können (Drew et al. 2016; Hargreaves et al. 2009; Priestley et al. 2016a, 2012, 2016b,2019). Zum anderen ist die Notwendigkeit eines gemeinsamen Verständnisses zwischen den intendierten curricularen Zielen der implementierten Instruktionspraxis und dem erreichten Leistungsstand auch aus Sicht valider Assessments relevant (AERA et al. 2014; Bernholt et al. 2020; Naumann et al. 2019; Neumann 2020). Dies ist für die ökonomische Bildung insofern von besonderer Bedeutung, da es im Gegensatz zu den naturwissenschaftlichen Unterrichtsfächern oder sprachlichen Fächern wie Deutsch, Englisch und Französisch keine bundesweit einheitlich geltenden Bildungsstandards gibt und die schulische Ausgestaltung des Fachs höchst heterogen ist (Fortunati und Winther 2021; Schuhen und Kunde 2016; Siegfried 2019; Siegfried und Ackermann 2020; Siegfried und Hangen 2020). Darüber hinaus mangelt es insbesondere in der Sekundarstufe I an Daten zu empirisch fundierten Kompetenzstrukturmodellen und Kompetenzniveaumodellen, die für eine evidenzgestützte Weiterentwicklung von ökonomischer Bildung an Schulen benötigt werden (Ackermann 2019, 2021; Seeber et al. 2015). Gleiches gilt hier für weitere sozialwissenschaftliche Didaktiken wie bspw. die politische Bildung, die Geschichtsdidaktik oder auch die Geografie. Exemplarisch können für die Politikdidaktik neben fachdidaktisch unterschiedlichen Strömungen mit divergierenden Konzeptionen (May und Pohl 2021; Oberle und Weißeno 2017; Weißeno und Massing 2020), eine uneindeutige Abgrenzung der Domäne in Verbindung mit der Kontroversität um die Frage der Leitdisziplin (Detjen et al. 2012; Engartner 2019, 2021; Oberle 2017) und des Wissensbegriffs (Grammes 2011; Körber 2022; Weißeno und Massing 2020) sowie ein Mangel an empirisch fundierten Kompetenzmodellen festgestellt werden (Sander 2021).

Anlass dieses Beitrages ist die curriculare Neuordnung wirtschaftsbezogener Unterrichtsfächer 2019/2020 in Nordrhein-Westfalen. Ziel dieses Beitrages ist es, auf Basis eines Vergleichs von Lehrplänen der ökonomischen Bildung, die übergeordneten inhalts- und kognitionsbezogenen Ziele der intendierten Curricula zu analysieren. Diese Analyse stellt in Domänen mit einem Mangel an allgemein anerkannten Kompetenzmodellen, dem Fehlen bundeseinheitlicher Bildungsstandards sowie diverser fachdidaktischer Strömungen eine Voraussetzung für das Schaffen eines spezifischen curricularen Verständnisses dar, um eine Kohärenz der instruktionalen Aktivitäten entwickeln zu können (Fortus und Krajcik 2012; Neumann 2020). Darüber hinaus stellt der Einbezug kognitionsbezogener Ziele der intendierten Curricula in die Analyse eine Erweiterung bisheriger Analysen innerhalb der Domäne der ökonomischen Bildung dar. So betrachtet Gökbudak (2021) lediglich die Bildungspläne der Sekundarstufe I (Sek I) von zwei Bundesländern und deren grobe inhaltliche Verteilung hinsichtlich Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Macha (2019) bezieht zwar die Lehrpläne der Gymnasien aller 16 Bundesländer in die curriculare Analyse ein, jedoch wird lediglich der Aspekt der „Ökonomisierung“ betrachtet und sich damit auf die normative Setzung eines Unterrichtsfachs beschränkt. Marx (2015) analysiert sowohl für die Sekundarstufe I als auch für die Sekundarstufe II domänenspezifische Inhalte, blendet jedoch kognitionsbezogene Aspekte aus. Schuler und Brahm (2021) betrachten nur den Aspekt der Financial Literacy. Weber (2023) bietet die aktuellste und umfassendste inhaltliche Analyse von Lehrplänen, jedoch auf dem Stand von 2017 ohne Einbezug kognitiver Prozesse. Auch bedarf es durch curriculare Neuordnungen einer aktualisierten Analyse. Allen Analysen fehlt es jedoch an einem übergeordneten Referenzpunkt für die Analyse in Form eines Domänenmodells.

Domänenmodelle dienen als Referenzpunkt für das Schaffen eines gemeinsamen übergeordneten Verständnisses (Ackermann 2021; Winther 2010). Der Vorteil eines Domänenmodells liegt in der Bündelung zentraler fachwissenschaftlicher Konzepte sowie einer spezifischen Vorstellung über die Wissensrepräsentation und den Wissenserwerb innerhalb der Domäne, ohne dieses an einen spezifischen Lehrplan oder an einen Bildungsgang zu koppeln. Somit eröffnet das Modell Raum für die Beschreibung des intendierten (curricularen Kompetenzzielen), implementierten (instruktionalen Praxis) und erreichten Curriculums (Assessment) über Schulformen und Bundesländer hinweg und fungiert dabei als verbindende Klammer im Sinne der Assessment-Curriculum-Triad (Anderson 2002; Pellegrino 2002, 2012). Hierfür wird auf Basis einer Domänenanalyse ein Modell für die ökonomische Domäne literaturbasiert entwickelt und die projektspezifische Konzeption ökonomischer Kompetenz vorgestellt. Darauf aufbauend soll überprüft werden, ob das Domänenmodell in den Kernlehrplänen (KLP) repräsentiert ist und inhalts- wie kognitionsbezogene Unterschiede zwischen den Schulformen aufgezeigt werden. Die Kernlehrpläne fungieren somit sowohl als Analyseobjekt als auch als externes Validitätskriterium für das Domänenmodell. Die Ergebnisse können als Ausgangspunkt für die curriculare Weiterentwicklung schulinterner Bildungspläne sowie die Gestaltung von fachbezogenen Lehrerfortbildungen dienen.

2 Domänenanalyse und -modellierung: Schaffung einheitlicher Bezugspunkte für die curriculare Analyse

2.1 Die Analyse der ökonomischen Domäne

Für die Analyse und Modellierung der ökonomischen Domäne wurde sich am Modell des Evidence-centered-Design (ECD) orientiert (Mislevy und Riconscente 2005), siehe Tab. 1. Das ECD stammt ursprünglich aus der Assessmententwicklung und zielt mit der Zerlegung in einzelne Konstruktionsschritte auf eine Testvalidierung durch logische Beweisketten ab. Die einzelnen Schichten ermöglichen sowohl die kriteriengeleitete Entwicklung von neuen Testinstrumenten als auch die Bewertung bestehender Instrumente (Mislevy und Haertel 2006). Die Anwendung des ECDs bei der Domänenanalyse und Modellierung bietet mehrere Vorteile: Erstens unterstützt die kriterienorientierte Analyse und Modellierung die intersubjektive Nachvollziehbarkeit eines Domänenmodells und zweitens eröffnet dieser Konstruktionsansatz einen unmittelbaren Anschluss an die Entwicklung von Assessments und die Möglichkeit einer validen Testwertinterpretation durch den unmittelbaren Bezug zwischen Domänenmodell, Testinstrument und den erhobenen Daten (Winther 2010).

Tab. 1 ECD Layers als Basis der Modellierung, in Anlehnung an Mislevy und Riconscente (2005, S. 6)

Zur Analyse der Domäne werden bestehende fachdidaktische Konzeptionen sowie deren gemeinsame Bezugspunkte und Unterschiede analysiert. Darüber hinaus erfolgt eine Betrachtung der institutionellen Implementierung der ökonomischen Bildung in der deutschen Schullandschaft. Ebenso werden zentrale Entwicklungen im Bereich der Assessmentkonstruktion und der daraus folgenden Operationalisierung ökonomischer Kompetenz ausgewertet.

Im Zuge der PISA-Debatte und der Entwicklung von Bildungsstandards (Klieme et al. 2007) sowie deren Implementierung an allgemeinbildenden Schulen haben sich in der wirtschaftsdidaktischen Forschungslandschaft die verschiedensten Kompetenzmodelle und -definitionen entwickelt (Beck 1993; Dubs 2011, 2013; Engartner et al. 2018; Engartner und Krisanthan 2013; Hedtke 2015, 2019; Retzmann 2005; Retzmann et al. 2010; Seeber et al. 2012; Weber 2005). Die deutschsprachigen ökonomischen Kompetenzmodelle unterscheiden sich zum Teil erheblich in der Beschreibung der zugrunde liegenden Domäne und der formulierten Kompetenzen und sind empirisch nur teilweise validiert (Ackermann 2019, 2021). Dies lässt sich insbesondere auf das plurale Verständnis von ökonomischer Bildung in der Forschung und die Diversität in der institutionellen Ausgestaltung der Fächerlandschaft in den Bundesländern sowie auf eine unzureichende Lehrerbildung zurückführen (Hedtke und Loerwald 2017; Siegfried 2019; Weber 2019). Im deutschsprachigen Raum lassen sich unterschiedliche fachdidaktische Konzeptionen identifizieren (Arndt 2020; Engartner 2021):

  • Der kategoriale Ansatz fußt auf Klafkis (1985) Konzept der kategorialen Bildung. Die (ökonomischen) Kategorien erfüllen dabei nach Dauenhauer (2001) die Funktion, durch wiederholte Nutzung an unterschiedlichen Kontexten auf allgemeine Prinzipien, Denkschemata und Methoden zu rekurrieren. Dauenhauer (1999) umfassendes und volkswirtschaftlich betontes Kategoriensystem wird laut Arndt (2020) in der Wirtschaftsdidaktik aufgrund seiner Komplexität und fehlenden Reduktionspotenzials wenig rezipiert. Das aus 14 Kategorien bestehende System von May (2007) findet in der Wirtschaftsdidaktik reiten Anklang, ist jedoch teilweise umstritten. So stellen einzelne Kategorien nicht zwingend eine wissenschaftliche Befundlage dar, sondern vielmehr normative Setzungen ([…] Ungleichheit induziert Leistungsstreben, Fortschritt […] May 2007, S. 8), die als einseitig und unreflektiert kritisiert werden. Kruber (2005) differenziert in Basiskategorien wie Knappheit, Systemkategorien wie Nutzenoptimierung, Wettbewerb und ordnungspolitische Kategorien wie das Verstehen von Zusammenhängen zwischen Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik. Zu kritisieren ist, dass anhand der Kategorien per se noch keine Lehr-Lernformate entwickelt werden können, sondern diese erst fachdidaktisch aufbereitet werden müssen (Arndt 2016).

  • Der ordnungstheoretische Ansatz stellt das wirtschaftliche Handeln innerhalb einer Wirtschaftsordnung als Referenz ökonomischen Lernens in den Vordergrund (Kaminski 1996, 2017). Schuhen (2012) kritisiert, dass so das Bildungsziel der ökonomischen Bildung auf eine bloße Legitimationsfunktion bestehender gesellschaftlicher Gegebenheiten reduziert wird.

  • Der disziplinspezifische Ansatz stellt die Volkswirtschaftslehre als Fachdisziplin in den Vordergrund. Ökonomische Bildung zielt auf den Erwerb disziplinenspezifischer Perspektiven auf Problemsituationen und Denkmodelle ab. Dem Ansatz folgend wurden die Kompetenzmodelle der DeGÖB (DeGÖB 2004, 2006, 2009) und von Seeber et al. (2012) und Retzmann et al. (2010) konstruiert. Diese bilden einen wesentlicher Referenzrahmen für das im Jahr 2015 eingeführte Unterrichtsfach „Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung“ (WBS) in Baden-Württemberg.

  • Dem institutionenökonomischen Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass gesellschaftliche Herausforderungen (Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung etc.) und soziale Dilemmata (z. B. die Tragik der Allmende Karpe 2008a) auf institutionelle Rahmenbedingungen zurückzuführen sind (Karpe 2008b; Karpe und Krol 1999). Institutionen müssen vor dem Hintergrund eines sich eigennützig verhaltenden Individuums so konstruiert werden, dass erfolgreich gesellschaftliche Interaktions- und Kooperationsprozesse gelingen können (Karpe und Krol 1999). Der institutionenökonomische Ansatz bietet den Vorteil, gesellschaftliche Phänomene vor dem Hintergrund von Verhaltenstheorien und institutioneller Theoriemodelle zu analysieren und zu beurteilen. Anzumerken ist jedoch der hohe Abstraktionsgrad und die Notwendigkeit, diesen den Lernenden didaktisch reduziert darbieten zu können. Darüber hinaus müssen die Lernenden auf die Grenzen der Denkmodelle und ihre eingeschränkte Aussagekraft sensibilisiert werden (Arndt 2020).

  • Der lebenssituationsorientierte Ansatz orientiert sich an Albers (1988) Verständnis davon, dass Individuen befähigt werden sollen, ökonomisch geprägte Lebenssituationen zu bewältigen. Der Ansatz von Ochs. Dietmar und Steinmann (1994) rekurriert auf Lebenssituationen, die ein Individuum im Alltag und Berufsleben erfährt. Ableitend aus diesen Situationen werden in Bezug auf die Individual‑, Gruppen- und Gesellschaftsebene die möglichen Anforderungen zur Bewältigung der Situation konstruiert (Albers 1995; Steinmann 1997). Ziel ist dabei nicht nur die bloße Bewältigung einer Situation, sondern auch das kritische Hinterfragen. Der lebenssituationsorientierte Ansatz ist durch seine Handlungsorientierung anschlussfähig an die berufliche Bildung, deren normatives Ziel die Entwicklung von Handlungskompetenz ist. Daher ist dieser als Leitidee in Lehrplänen häufig integriert (Arndt 2020).

  • Der sozioökonomische Ansatz begreift sich interdisziplinär und stellt die Wirtschaftswissenschaften nicht als Referenzdisziplin in den Vordergrund und basiert auf der These, dass ökonomische Problemstellungen multidisziplinär unter Einbezug aller Sozialwissenschaften (Politik, Geschichte, Psychologie etc.) betrachtet werden müssen (Engartner 2019; Engartner et al. 2019; Weber 2014, 2019). Darüber hinaus wird explizit auch die berufliche Bildung in diesen Ansatz integriert (Tafner 2015, 2018, 2019).

In der didaktischen Umsetzung zeigen sich Spannungsfelder zwischen den klassisch wissenschaftlich-propädeutischen Schulen der ökonomischen Bildung und der sozioökonomischen Bildung (Weber 2019). Die klassische wissenschaftspropädeutische ökonomische Bildung stellt darauf ab, dass eine Person im funktionalistischen Sinne situationsadäquat handeln soll, um als kompetent zu gelten. Darüber hinaus bezieht sie sich primär auf die Wirtschaftswissenschaften als Referenzdisziplin (Albers 1995; Dubs 1987, 2011, 2013; Kaminski 1996, 2017; Kirchner 2020; May 2010; Retzmann et al. 2010; Rumpold und Greimel-Fuhrmann 2021; Weyland 255,256,a, b). Die sozioökonomische Bildung sieht hierin eine Verengung der ökonomischen Bildung und stellt dem das Prinzip der Sozialwissenschaftlichkeit entgegen, das den Einbezug aller verwandten Sozialwissenschaften als Wissenschaftsgruppe in die sozioökonomische Bildung mit einbezieht (Engartner et al. 2018; Engartner und Krisanthan 2013; Fridrich et al. 71,72,a, b; Hedtke 2015, 2018, 2019). Das zweite wesentliche Prinzip ist das der Subjektorientierung (Fridrich et al. 2021b). Die Subjektorientierung stellt den persönlichen Reifeprozess des Individuums in den Vordergrund, das diesen selbst mit einem hohen Grad an Autonomie gestalten soll (Hedtke 2018). Jedweder Bildungsgegenstand muss einen selbstreflexiven Charakter aufweisen, um den persönlichen Entwicklungsprozess zu fördern. In der wirtschaftspädagogischen Forschung wird mit der reflexiven Wirtschaftspädagogik Bezug auf die sozioökonomische Bildung genommen und ebenfalls ein rein funktionales Kompetenzverständnis kritisiert. Neben dem klassischen ökonomischen Kompetenzverständnis wird ein wirtschaftliches „Sinn-Verstehen“ gefordert, sodass mithilfe eines systemischen Verständnisses wirtschaftliche (Teil‑)Aspekte in den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang gesetzt und kritisch reflektiert werden können (Goldschmidt et al. 2020, 84,85,a, b; Tafner 2018, 2019, 2020). Auch über die Festlegung der Zielgruppe existieren unterschiedliche Vorstellungen. So lassen sich Konzepte der ökonomischen Bildung mit dem Fokus auf allgemeinbildenden Schulen (Hedtke 2018; Kaminski 1996, 2017; Weber 2005) oder den Einbezug berufsbildender Schulen (Dubs 2011, 2013; Eberle 2015; Tafner 2015, 2018, 2019, 2020) unterscheiden.

Weitgehend unumstritten in der Forschungslandschaft ist hingegen der normative Bezugspunkt der ökonomischen Bildung: „der mündige Wirtschaftsbürger“. Dieser soll in ökonomisch geprägten Lebenssituationen tüchtig (sachkundig), selbstbestimmt und verantwortungsvoll handeln (Albers 1988, 1995). Die Eigenschaften der Mündigkeit und der Verantwortung werden auch in verwandten sozialwissenschaftlichen Fachdidaktiken wie der Politik- und Geschichtsdidaktik als normative Setzung genutzt. In den unterschiedlichen Konzeptionen ökonomischer Bildung lassen sich typische Gegenstandsbereiche in Form von lebensbezogenen Situationsfeldern feststellen, in denen ökonomisches Handeln stattfindet; privat, beruflich und gesellschaftlich (Ackermann 2021; Albers 1995). Diese Einteilung findet sich mehr oder weniger in allen Kompetenzmodellen der ökonomischen Bildung wieder. In einigen Modellen wird die Differenzierung über die Rollenübernahme des Individuums bspw. als Verbraucher, Erwerbstätiger, Wirtschaftsbürger (Retzmann et al. 2010; Seeber et al. 2012) modelliert.

Bei der Institutionalisierung ökonomischer Bildung in den Bundesländern zeigen sich erhebliche Unterschiede, was die fachliche und inhaltliche Struktur anbelangt (Fortunati und Winther 2021; Marx 2015). Weber (2023) stellt fest, dass der Umfang an berücksichtigten ökonomischen Inhaltsfeldern und deren Zielsetzung erheblich variiert. So finden sich ökonomische Lerninhalte in Einzelfächern, Fächerverbünden, Fachbestandteilen oder Wahlpflichtfächern wieder. Je nach Bundesland weisen vor allem die Fächerverbünde und Fachbestandteile unterschiedliche Schwerpunkte hinsichtlich volkswirtschaftlicher, berufspropädeutischer und Inhalte der Verbraucherbildung auf (Weber 2023), sodass von einem höchst heterogenen Kenntnisstand der Schüler*innen auszugehen ist. In Bezug auf das Stundenkontingent für die Sekundarstufe I für die Gesellschaftswissenschaften stünden der ökonomischen Bildung mindestens vier Wochenstunden zu (KMK 2020). Befunde der OeBIX-Studie zeigen, dass dies in keinem Bundesland in jeder Schulform gewährleistet ist (Loerwald et al. 2021). Weber (2023) stellt bei der Analyse der Stundentafeln fest, dass gesellschaftswissenschaftliche Stundenanteile überproportional für die Fächer Geschichte und Erdkunde verwendet werden, während politisch-sozialwissenschaftliche Unterrichtsfächer mehrere Fachperspektiven mit geringerer Wochenstundenzahl integrieren müssen.

Im Gegensatz zu den Kernfächern fehlt es in den gesellschaftswissenschaftlichen Unterrichtsfächern, wie Politik, Geschichte und Wirtschaft an verbindlich erlassenen Bildungsstandards. So haben für die ökonomische Bildung Verbände Vorschläge für Kompetenzstandards in unterschiedlichen Schulformen entwickelt, die sich zuweilen auch in einzelnen Kernlehrplänen der Länder widerspiegeln (siehe bspw. Lehrplan „Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung“, Baden-Württemberg). So formulierte die DeGÖB-Kompetenzstandards für die ökonomische Bildung an Grundschulen (DeGÖB 2006), Realschulen (DeGÖB 2004) und der gymnasialen Oberstufe (DeGÖB 2009). Die Vorschläge der DEGÖB weisen jedoch zentrale Mängel auf. Seeber et al. (2015) kritisieren, dass die Beschreibung der Bildungsstandards sich nur eingeschränkt an den Merkmalen operationalisierter Bildungsstandards orientiert und die Verknüpfung von Leistungs- und Inhaltsstandards unklar bleibt. Unklar bleibt ebenfalls, inwieweit sich die genutzten Operatoren für die Beschreibung der Standards in ihrer Bedeutung an Taxonomien der Lehr-Lernpsychologie orientieren. Das ebenfalls breit rezipierte Kompetenzmodell von Retzmann et al. (2010) im Auftrag des Gemeinschaftsausschusses der deutschen gewerblichen Wirtschaft und die überarbeitete Fassung (Seeber et al., 2012) beziehen sich auf einen disziplinspezifischen Ansatz und fokussieren sich einseitig auf volkswirtschaftliche Inhalte. Die Kompetenzdimensionen kombinieren Kategorien wie Effizienz mit spezifischen Lebenssituationen, bspw. als Konsument, Unternehmer und Wirtschaftsbürger. Kritisiert wird, dass der Abstraktionsgrad der formulierten Teilkompetenzen zuweilen deutlich variiert und zunächst losgelöst von jedwedem Kontext definiert wird. Der zentrale Mangel ist jedoch, dass den Bildungsstandards kein empirisch validiertes Kompetenzmodell zugrunde liegt, sondern nur ein hermeneutisch konstruiertes (Ackermann 2019).

Aus internationaler Perspektive ist insbesondere im angloamerikanischen Sprachraum mit dem Konzept der Economic und Financial Literacy wirtschaftliches Wissen seit langem Teil des Bildungskanons (CEE 2010, 2013). Während die Economic Literacy auf volkswirtschaftliches Wissen abstellt (Soper und Walstad 1987; Walstad et al. 2013), thematisiert die Financial Literacy das Verständnis und den Umgang mit persönlichen Finanzen (OECD 2014, 2019, 2020). Befunde aus systematischen Literaturrecherchen (Goyal und Kumar 2021) zeigen international, den Einfluss von Financial Literacy auf den alltäglichen Umgang mit Geld (Hastings et al. 2013; Lusardi und Tufano 2015; Montalto et al. 2019; Santini et al. 2019; Walstad et al. 2010; Williams und Oumlil 2015), die Einflussfaktoren von Sozialisation beim Erwerb von finanziellen Wissens (Drever et al. 2015; Kaiser 2017; Totenhagen et al. 2015), die Rolle der Lehrkräfte beim Erwerb (Compen et al. 2019) sowie die Wirkung von Interventionen auf den Wissenserwerb finanzieller Bildung von Schüler*innen (Kaiser et al. 2022; Kaiser und Menkhoff 2017, 2020). Die Financial Literacy-Konzepte (OECD 2014, 2017, 2019) zielen primär auf das Bewältigen von Handlungssituationen im persönlich-finanziellen Lebensbereich ab, um finanzielles Wissen in variablen Kontexten situationsspezifisch kognitiv verarbeiten, analysieren und anwenden zu können. Weitergehende systemische Konzeptionen von Financial Literacy integrieren auch Elemente aus dem gesellschaftlichen Lebensbereich (Aprea 2014; Aprea und Leumann 2014; Aprea et al. 14,15,a, b) oder beziehen sich auch auf die Berufsausbildung (Aprea 2020).

Aufgrund der zuweilen divergierenden Konzeptionen und der heterogenen institutionellen Verankerung der ökonomischen Bildung ist es nur folgerichtig, dass auch in der empirischen Forschung erhebliche Unterschiede im Verständnis von ökonomischer Bildung und terminologische Begriffsunterschiede zu finden sind (Seeber et al. 2015). In der Empirie wird in der ökonomischen Bildung der Begriff der Economic Literacy zumeist mit einem Verständnis gesamtwirtschaftlicher Zusammenhänge gleichgesetzt, das auf ein Verstehen von ökonomischen Gesellschaftszusammenhängen abstellt (Soper und Walstad 1987). Als bedeutsames Messinstrument gilt der Test of Economic Literacy (TEL) (Soper und Walstad 1987; Walstad et al. 2013) und dessen deutsche Adaption (Beck und Krumm 1998). Der TEL wurde bereits in zahlreichen nationalen wie internationalen Studien eingesetzt und bezieht sich primär auf volkswirtschaftliches Begriffswissen. Im Zuge jüngerer Debatten wird eine Verkürzung der ökonomischen Bildung auf rein volkswirtschaftliche Inhalte kritisiert (Schumann und Eberle 2011; Tramm und Seeber 2006) und es werden zunehmend Inhalte im Bereich der Verbraucherbildung der Financial Literacy als auch der unternehmerischen Sphäre in Form von kaufmännischen Vorwissen als relevant erachtet. Darüber hinaus wird in der Gleichsetzung des Literacy-Begriffs mit der bloßen Reproduktion von Wissen (siehe TEL) eine nicht angebrachte Verkürzung gesehen, die die sozio-konstruktivistischen Aspekte i. S. einer aktiven gesellschaftlichen Partizipation ausblendet (Engartner et al. 2018; Hedtke 2015, 2019). Anknüpfend an die Kritik einer einseitigen volkswirtschaftlichen Betrachtung von ökonomischer Bildung haben sich Kompetenztests für weitere Teilbereiche im deutschsprachigen Raum entwickelt, bspw. für die sozioökonomische Bildung von Schweizer Gymnasiasten (Ackermann 2019; Eberle et al. 2016; Schumann und Eberle 2014), Studierende der Wirtschaftswissenschaften und auch internationale Vergleiche zwischen Studierenden (WiWiKom I & II, WiWiSet) (Federiakin et al. 2022; Förster et al. 2015,. 2017; Kühling-Thees et al. 2020, 2021; Reichert-Schlax et al. 2022), für die Bereiche BWL & VWL (Schumann und Eberle 2011; Schumann et al. 2011; Wuttke et al. 2019). Für die Sekundarstufe I in Deutschland ist als eines der wenigen Assessments das Testinstrument von Macha zu nennen, dass ökonomische Kompetenz für Schüler*innen anhand möglichst alltäglicher Situationen auf Grundlage von „Big Ideas“ (siehe hierzu PISA-Konzeptionen) modelliert (Macha 2011, 2015; Macha und Schuhen 2012, 2013). Die Studie fußt auf einem Kompetenzoktagon (Macha und Schuhen 2011, 2012). Die Konzeption des Oktagons kann insofern kritisiert werden, da Facetten der Testentwicklung wie das Aufgabenformat und die Repräsentanz einzelner Inhaltsbereiche mit individuellen kognitiven, motivationalen und volitionalen (Leistungs‑)Dispositionen gleichgesetzt werden. Seeber et al. (2015, S. 172) beschreiben das Kompetenzoktagon daher nicht als Kompetenzmodell, sondern als „heuristische Systematisierung von Anforderungsmerkmalen für Kompetenzmessung“. Für die Messung ökonomischer Kompetenzen in der Sekundarstufe I stellt jedoch die ECOS-Studie einen Meilenstein dar. Die empirischen Ergebnisse der WIKO-BW-Studie für die Sekundarstufe I in Baden-Württemberg von Seeber und Kollegen – basierend auf dem Kompetenzmodell von Retzmann – zeigen entgegen der im Modell normativ-hermeneutisch formulierten Dreidimensionalität nur eine Dimension an (Kaiser et al. 2020; Seeber et al. 2018). Begründet wird dies auch mit der Herausforderung, geeignete Items für die Teildimensionen zu entwickeln (Oberrauch 2019). Es fehlt zudem ein Anschluss an bestehende Lernzieltaxonomien, die eine kognitive Differenzierung hinsichtlich der angenommenen kognitiven Komplexität von Aufgaben bei der Operationalisierung ökonomischer Inhalte erklären. Die Bedeutung der Studie liegt insbesondere in der repräsentativen Stichprobe von Schüler*innen in Baden-Württemberg sowie den Ergebnissen bzgl. der Einflüsse soziodemografischer Merkmale auf die ökonomische Kompetenz (Kaiser et al. 2020; Oberrauch 2019). Für den Bereich der Financial Literacy gibt es neuere Testinstrumente für die Sekundarstufe I und II (Ackermann und Eberle 2016; Rumpold und Greimel-Fuhrmann 2016) als auch Testinstrumente für die berufliche Bildung (Förster et al. 2018; Wuttke et al. 2019, 2020).

Darüber hinaus zeigen sich innerhalb des nationalen wie internationalen Forschungsfeldes zunehmend Ausdifferenzierungstendenzen in einzelne Literacy-Konzepte wie bspw. Tax-Literacy (Cechovsky und Steininger 2020), Spezifizierung im Bereich der Altersvorsorge (Aprea et al. 2020; Schuetz et al. 2022), Digital Financial Literacy (Lyons und Kass-Hanna 2021; Morgan 2022) und Entrepreneurship Education (Lindner 2018), die lediglich hochspezifischen Teilbereiche ökonomischer Bildung abbilden.

Die Wirtschaftspädagogik zeigt ebenfalls ein empirisches Interesse an der ökonomischen Bildung und bindet diese über das Konstrukt der domänenverbundenen Kompetenzen als berufliche Vorbildung an die berufsspezifischen Kompetenzen. Hier deuten Befunde regelmäßig die Bedeutung des ökonomischen Vorwissens für den Erfolg in der beruflichen Erstausbildung an (Baumert et al. 2017; Köller et al. 2017; Retelsdorf et al. 2017). Ackermann (2019) differenziert hierbei drei Strömungen: (1) Ökonomische Allgemeinbildung wird im Sinne einer ökonomischen Grundbildung als bspw. Economic- und Financial Literacy verstanden, um ökonomische Alltagssituationen erfolgreich bewältigen zu können (Aprea 2014; Aprea et al. 2015; Beck 1993; Schumann und Eberle 2014; Schumann et al. 2017), (2) Die zweite Strömung adressiert primär kaufmännische Kompetenzen. Die ökonomische Domäne fungiert hierbei als domänenverbindendes Element zwischen berufsspezifischer und allgemeiner Kompetenz (Eberle et al. 2016; Guggemos und Schönlein 2015; Holtsch und Eberle 2018; Klotz und Winther 2016; Klotz et al. 2015; Nickolaus et al. 2015, 2018; Rohr-Mentele und Forster-Heinzer 2021; Winther 2010), (3) Die dritte Strömung fokussiert sich auf die Professionalisierungsforschung im Bereich der Lehrerbildung kaufmännischer Berufsschullehrer*innen (Aprea et al. 2021; Eberle und Holtsch 2018; Findeisen 2017; Kuhn et al. 2014). Anzumerken ist jedoch, dass sich die empirischen Befunde zumeist auf die Sekundarstufe II fokussieren und nur ausgewählte berufsrelevante Facetten ökonomischen Wissens betrachten und somit ökonomische Bildung in ihrer Breite nicht abgedeckt wird.

In der Gesamtschau zeigt sich, dass bis auf wenige Ausnahmen keine hinreichende Evidenz für die ökonomische Kompetenzstruktur in der Sekundarstufe I vorliegt. Es fehlt vor allem an Assessments, die mehrere Teilbereiche ökonomischer Kompetenz abbilden, als auch an der Entwicklung geeigneter Kompetenzniveaumodelle.

2.2 Kompetenzkonzeption und Modellierung der wirtschaftlichen Domäne

Mit der Einführung nationaler Bildungsstandards als Steuerungs- und Monitoringinstrument, basierend auf der Klieme-Expertise, stieg die Relevanz sowohl für die inhaltliche Beschreibung als auch empirische Fundierung von Kompetenzmodellen (Maag-Merki 2016; Maaz et al. 2019). Der Kompetenzbegriff in der Bildungsforschung erfüllt zwei Funktionen: (1) Er definiert situative, inhaltliche und kognitive Anforderung an Personen (Klieme und Hartig 2007b) und dient (2) als Rahmen für die empirische Überprüfung der beschriebenen Anforderungen in Form der Kompetenzmessung (Naumann et al. 2022). Demzufolge sollte einer Kompetenzdefinition eine Kontextspezifität zugrunde liegen, die sich auf einen zu definierenden Bereich, eine Domäne, bezieht. Die Domäne fungiert somit als das kontextuelle Eingrenzungskriterium einer Kompetenzdefinition und zielt auf die Strukturierung fachwissenschaftlicher, fachdidaktischer sowie lehr-lerntheoretischer Theorien und Konzeptionen ab. Dies ermöglicht eine Operationalisierung dessen, wie Lehren und Lernen in der Domäne antizipiert wird und eröffnet die Möglichkeit, domänenspezifische Anforderungssituationen zu entwickeln. Diese indizieren, dass bei einer erfolgreichen Bewältigung auf das Vorhandensein von Kompetenz in der Domäne allgemein geschlossen werden kann (Hartig 2008; Koeppen et al. 2008; Naumann et al. 2022). Auf Grundlage dessen können theoretisch fundierte und empirisch überprüfbare Kompetenzstrukturmodelle konzipiert werden, die domänenspezifische, ähnlich gelagerte Anforderungssituationen in Teilkompetenzen bündeln (Klieme und Hartig 2007a). Darüber hinaus sind normative Setzungen der Domäne zu berücksichtigen, da diese das Bildungs- und Kompetenzverständnis einer Domäne prägen. Insbesondere für die Fachdidaktiken ohne übergeordnete Vergleichspunkte ergibt sich demzufolge die Herausforderung, strukturierte Modelle für das Lehren und Lernen innerhalb einer Domäne zu entwickeln, um Rückschlüsse auf die Kompetenzstruktur sowie den Kompetenzerwerb ziehen zu können (Naumann et al. 2022).

Für die ökonomische Bildung ist es aufgrund der divergierenden fachdidaktischen und kompetenztheoretischen Konzeptionen von besonderer Relevanz, das eigene Verständnis der ökonomischen Domäne und wirtschaftlicher Kompetenz transparent darzulegen. Das zugrunde gelegte Verständnis von Kompetenz und die Strukturierung der Domänen ergeben sich aus normativen Setzungen und einer Synthese der literaturbasierten Auseinandersetzung mit der ökonomischen Domäne. Das Domänenmodell fungiert neben der Funktion als kontextuelles Eingrenzungskriterium auch als nützliche Heuristik zur deduktiven Entwicklung eines Kategoriensystems zur Analyse der Curricula der ökonomischen Bildung.

In der Forschung können unterschiedliche Kompetenzparadigmen festgestellt werden (Blömeke et al. 2015; Norris 1991). Diese lassen sich in (1) generische, (2) behavioristische und (3) kognitive Kompetenzkonzepte gruppieren. In der empirischen Bildungsforschung in Deutschland wird zumeist auf das kontextspezifische kognitive Kompetenzkonzept abgestellt (Hartig und Klieme 2006; Weinert 2001). Kognitive Kompetenzkonzeptionen differenzieren zwischen Performanz und Kompetenz (Chomsky 1965). Kompetenz wird in dieser Konzeption als Voraussetzung (traits) für Performanz in spezifischen Situationen (staits) betrachtet. Die beobachtbare Ausprägung von Kompetenz kann daher in einer konkreten Situation variabel sein (Blömeke et al. 2015). Die Kompetenz wird als kognitive Leistungsdisposition in Bezug auf eine Domäne verstanden (Weinert 2001). Daher muss sowohl bei der Entwicklung von Kompetenztests als auch bei Lehr-Lerndesigns die Reichweite der Domäne definiert und eingegrenzt werden.

Im Hinblick auf ein kognitives Eingrenzungskriterium zur Bestimmung der Reichweite der Domäne differenzieren Gelman und Greeno (1989) in domänenverbundene und domänenspezifische Kompetenzen. Das wesentliche Unterscheidungskriterium stellt die Generalisierbarkeit der zugrunde liegenden Kompetenz dar und stellt auf die Hypothese Domänenspezifität des Lehrens und Lernens ab (Stevens et al. 2005). Hierbei wird angenommen, dass bei einer zunehmenden domänenspezifischen Kompetenz der Lernenden Unterschiede zwischen allgemeinen kognitiven Dispositionen und domänenspezifischem Wissen und Können bei der Bewältigung domänenspezifischer Anforderungssituationen zu beobachten sind (Gelman und Greeno 1989). Als domänenverbundene Kompetenzen werden allgemeine Fähigkeiten und Fertigkeiten wie das Lesen, Schreiben und Rechnen verstanden, welche die Bewältigung von Anforderungen in einer spezifischen Domäne begünstigen und unterstützen sollen. Die domänenspezifische Kompetenz bezieht sich explizit auf die Bewältigung von Anforderungen einer definierten Domäne. Gelman und Greeno (1989) differenzieren hierbei in eine interpretative-, conceptual- und procedural competence. Die Handlungssituation wird zunächst in ihrem Anforderungsspektrum hinsichtlich Zielrichtung und Reichweite kognitiv erfasst (interpretative competence) und stellt die Voraussetzung für das Zeigen von Performanz dar. Über das mentale Anforderungsmodell wird die wirtschaftliche Problemstellung mittels deklarativer (conceptual competence) oder prozeduraler Wissensbestände (procedural competence) bearbeitet. Im Anschluss wird das Arbeitsprodukt auf die situationsbezogene Anwendbarkeit bewertet und reflektiert (interpretative competence). Die Lösungsbewertung und -reflexion setzen somit die Verfügbarkeit, die adäquate Verwendung und Anwendung domänenspezifischer, konzeptioneller und prozeduraler Wissensbestände voraus (Shavelson 2008; Winther 2010). Für die Entwicklung von Lehr-Lerndesigns und Testinstrumenten zur Erhebung spezifischer Kompetenzen muss daher bei der Konstruktion von Anforderungssituationen definiert werden, welches spezifische Zugriffswissen und welche unterstützenden kognitiven Strukturen zur Bewältigung erforderlich sind. Der Übergang von domänenverbundenen Kompetenzen zu domänenspezifischen Kompetenzen ist eng an die Kontextualisierung einer Anforderungssituation gebunden (Winther 2010). So zeigen bspw. Befunde von Hering et al. (2020) und Hering et al. (2021), dass bei inhaltlich gleichen mathematischen Aufgaben je nach Kontext unterschiedliche kognitive Bearbeitungsprozesse genutzt werden. Dies hat für die didaktische Aufbereitung und den Kompetenzerwerb Konsequenzen. So müssen domänenspezifische Inhalte instruktional kontextsensitiver als domänenübergreifende Inhalte vermittelt werden (Mierwald et al. 2018; Zinn 2019).

Als kontextuelles Eingrenzungskriterium gilt es, die Reichweite der Kompetenzdefinition assoziierten Domäne zu bestimmen. Hinsichtlich der Domänenreichweite schreiben Klieme und Hartig (2007b), dass sich diese über einen Bereich von Anforderungssituationen definieren lässt und in ihrer Breite je nach Kompetenzkonzeption variieren kann. Für die wirtschaftliche Domäne stellt sich bei der Eingrenzung der Reichweite ein besonderes Problem. Wirtschaftliche Inhalte werden sowohl an allgemeinbildenden Schulen als auch an berufsbildenden Schulen unterrichtet und unterliegen hier unterschiedlichen Unterrichtssystematiken (Fächersystematiken vs. Lernfeldsystematik) (Sloane und Dilger 2005). Diese haben Einfluss auf die Instruktion von Lerninhalten der Domäne. So werden in der kaufmännischen Berufsbildung ausgehend von Lernfeldern authentische Lernsituationen, angelehnt an Arbeits- und Geschäftsprozesse, didaktisch aufbereitet und handlungsorientiert unterrichtet (Wilbers 2020, 2023). Innerhalb einer Lernsituation können verschiedenste Inhalte aus unterschiedlichen Fächern integriert sein, sodass eine andere Zusammenarbeit innerhalb der Fachkollegien notwendig wird. Darüber hinaus stellt für die berufliche Bildung die Realität die handlungsnahen Situationen schon bereit, während im allgemeinbildenden Bereich authentische Situationen erst kreiert werden müssen (Wilbers 2020, 2023). Die Frage der Domänenreichweite wie auch die Konstruktion von domänenspezifischen Anforderungssituationen spielt daher im Bereich der ökonomischen Bildung eine besondere Rolle. Im Rahmen dieses Beitrags kann dieser Dualismus insofern aufgelöst werden, als dass sich das hier entwickelte Domänenmodell auf die ökonomische Bildung an allgemeinbildenden Schulen beschränkt.

Im Domänenmodell ebenfalls unberücksichtigt bleibt die Entrepreneurship-Education, da (1) die theoretisch-konzeptionellen Grundlagen nicht kohärent aufgearbeitet sind (siehe hierzu bspw. EntreComp als transversales Kompetenzkonzept) und sich Konzepte des Entrepreneurship mit dem Innopreneurship sowie dem Employability-Konstrukt vermengen (Bijedić 2019). Darüber hinaus werden die ökonomischen und kaufmännischen Grundlagen der Entrepreneurship-Education bereits in der ökonomischen und beruflichen Bildung adressiert (Retzmann und Seeber 2019) und der normative Anspruch des „unternehmerischen Denkens und Handelns“ ist nicht zwingend konform mit dem der ökonomischen Allgemeinbildung (siehe hierzu auch die Diskussion um den kategorialen Ansatz bei Hedtke (2002)). Die Definition ökonomischer Kompetenz orientiert sich am Situations- und Wissenschaftsprinzip (Ochs. Ochs und Steinmann 1994; Reetz 1984, 2003) und soll somit auch für die kaufmännisch-berufliche Forschung anschlussfähig sein. Die Gegenstandsbereiche leiten sich aus den ökonomisch geprägten Lebenssituationen des Individuums ab, die über die Lebensspanne hinweg in ihrer Vielfalt und Intensität variieren (Albers 1988, 1995; Kaminski 2017; Winther 2010). In der ökonomischen Bildung wird zumeist zwischen unterschiedlichen Lebensbereichen ökonomischen Handelns differenziert (Ackermann 2021). Auf der Strukturebene definiert das Domänenmodell daher drei verschiedene Lebensbereiche, in denen ein Individuum mit ökonomisch geprägten Handlungssituationen konfrontiert ist:

  1. 1.

    Der persönlich-finanzielle Lebensbereich zielt auf individuelle Handlungsentscheidungen und deren Folgenabschätzungen im Privatleben eines Individuums ab. Dabei stehen ökonomisch geprägte Handlungssituationen als Verbraucher, Konsument, Sparer, Anleger, Kredit- und Versicherungsnehmer im Vordergrund (Fridrich 2017; Hedtke 2016; Kaminski 2017; KMK 2013; MSB 2017; OECD 2020; Schütte 2020; Seeber et al. 2012).

  2. 2.

    Der beruflich-unternehmerische Lebensbereich stellt auf berufsallgemeine und berufsübergreifende Handlungssituationen ab (Ackermann 2019, 2021). Während berufsübergreifende Handlungssituationen bei Erwerbstätigen mit kaufmännischem Bezug in ähnlicher Art und Weise auftreten können und sich an Wertschöpfungsprozessen orientieren (bspw. Rechnungswesen, Kosten- und Leistungsrechnung, die Rolle des Unternehmers etc.) greifen berufsallgemeine Situationen, Beziehungen zwischen den Unternehmen und ihrer Umwelt auf (bspw. Rechte und Pflichten des Arbeitgebers und Arbeitnehmers, berufliche Orientierung, Tarifverhandlungen, Gewerkschaften o. Ä.).

  3. 3.

    Der gesellschaftlich-volkswirtschaftliche Lebensbereich betrifft das Individuum als Staatsbürger oder Einwohner eines Landes. Hier ist das Individuum mit ökonomisch geprägten Handlungssituationen konfrontiert, welche die gesamte Gesellschaft betreffen. Gesamtwirtschaftliche Problemstellungen treten in diversen (wirtschaftspolitischen) Feldern auf (bspw. Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, Fiskal- und Finanzmarktpolitik, Steuern, internationale Wirtschaftsbeziehungen, Migrationsfragen usw.) (Dubs 2013, 2014; Eberle et al. 2016; Schumann und Eberle 2014).

Die ökonomisch geprägten Handlungssituationen ergeben sich wissenschaftspropädeutisch primär aus den Referenzdisziplinen der Volkswirtschafts- und Betriebswirtschaftslehre, beziehen jedoch multidisziplinär verwandte Bezugsdisziplinen der Sozialwissenschaften sowie deren Methodik und Beurteilungsmaßstäbe mit ein. Dies zielt auf möglichst multiperspektiv konstruierte Handlungssituationen, die zu einem Verstehen ökonomischer Konzepte und Theorien beitragen sowie ein differenziertes ökonomisches Urteilen und Reflektieren ermöglichen (Kirchner 2020; Weyland 255,256,a, b). Eine Trennung zwischen ökonomischer Kompetenz und einem reflexiven „Sinn-Verstehen“ (Goldschmidt et al. 84,85,a, b) wird nicht vorgenommen. Vielmehr stellt die Reflexionsfähigkeit einen integralen Bestandteil ökonomischer Kompetenz dar. Jeder der Lebensbereiche wird zudem durch den Einbezug von Bewertungsmaßstäben der Nachhaltigkeitsforschung erweitert. Nachhaltigkeit als Querschnittsthema gewinnt sowohl aus gesellschaftlicher (Corsten und Roth 2012) als auch aus fachdidaktischer Sicht an Bedeutung (BMBF 2017a; Grundmann 2017) und wird zunehmend sowohl in der beruflichen (de Haan und Holst 2021; Melzig et al. 2021; Michaelis 2017; Pfeiffer und Weber 2023; Rebmann und Schlömer 2020) als auch sozioökonomischen Bildung (Henicz und Winther 2023; Michelsen und Overwien 2020; Schank und Lorch 2018) integriert. Im Domänenmodell wird auf das ganzheitliche Konzept von Nachhaltigkeit (United Nations 1987, 2015) abgestellt: Neben der sozialen, ökonomischen und ökologischen Dimension von Nachhaltigkeit wird auch die intra- und intergenerationale Nachhaltigkeit berücksichtigt. Das Anlegen als Querschnittsthema orientiert sich an den Beschlüssen der KMK zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BMBF 28,29,a, b; KMK 2016a).

Im Hinblick auf die Multidisziplinarität der ökonomischen Bildung ist zudem von Bedeutung, wie auf fachliche Inhalte zur Bewältigung ökonomischer Handlungssituationen zugegriffen wird. Befunde aus der kaufmännischen (Vor‑)Bildung stellen für den fachlichen Zugang zu domänenbezogenen Anforderungssituationen fest, dass diese sich in einen sprachlich-argumentativen und einen mathematisch-analytischen Zugang differenzieren lassen (Winther 2010). Der sprachlich-argumentative Zugang erfolgt über den Einsatz von vorwiegend text- und bildsprachlichen Kenntnissen bei domänenbezogenen Anforderungssituationen. Der mathematisch-analytische Zugang zu domänenbezogenen Anforderungssituationen beschreibt den Einsatz vorwiegend mathematischer Kenntnisse und Fähigkeiten und hier insbesondere auf das Verständnis von quantitativen Werten und Verhältnissen zur Lösung eines domänenbezogenen Problems. Für die ökonomische Bildung ist diese Konzeption ebenfalls von Bedeutung, da die Mathematik als eine bedeutende Hilfswissenschaft zur Bewertung ökonomischer Problemstellungen gilt. Die verschiedenen Zugangswege haben zentralen Einfluss auf die Methoden der Instruktion im Fach und folglich auf den Kompetenzerwerb.

Ableitend aus der Domänenanalyse und der Beschreibung kontextueller und kognitiver Eingrenzungskriterien wird die ökonomische Kompetenz wie folgt definiert:

Die ökonomische Kompetenz bezieht sich auf die erfolgreiche Bewältigung ökonomisch geprägter Handlungssituationen, die im persönlich-finanziellen, beruflich-unternehmerischen und gesellschaftlich-volkswirtschaftlichen Lebensbereich unter Einbezug der Nachhaltigkeit zu verorten sind. Diese zeigt sich durch das Wissen und die Fähigkeiten, das Anforderungsspektrum einer ökonomischen Problemstellung in einem spezifischen ökonomischen Kontext zu erfassen, zu verstehen, systematisch zu analysieren, Lösungen zu entwickeln, zu beurteilen, begründet handeln und reflektieren zu können. Der Zugang zur Domäne kann sprachlich-argumentativ oder mathematisch-analytisch erfolgen.

Die Kompetenzdefinition orientiert sich strukturell an Ackermann (2021), unterscheidet sich jedoch im Einbezug der Nachhaltigkeit, der Ausgestaltung der kognitiven Prozesse sowie der fachlich determinierten Zugänge (Winther 2010). Die ökonomische Domäne wird ableitend aus der Kompetenzdefinition modelliert (siebe Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Modell der ökonomischen Domäne, eigene Darstellung

Die in der Domäne vorherrschenden fachlichen Inhalte sowie die fachsystematischen Zugänge lassen sich über deren Zielsetzungen, die kognitive Struktur wie auch die eingesetzten Arbeitstechniken und Methoden komprimieren und in domänentypische Lern- und Handlungsanforderungen übersetzen (Winther 2010). Auf diese Weise ist ein Kategoriensystem für die Analyse der Bildungspläne ableitbar. Ein derart strukturiertes Erschließen der Domäne wäre allerdings auch grundlegend für die Entwicklung schulischer Lehrpläne, da sich instruktionale Hinweise so besser verankern und begründen ließen:

  1. 1.

    Die Zielsetzung/Leistungsspektrum beschreibt die curricularen Lern- und Handlungsziele. Essenziell ist dabei, dass diese Zielsetzung in operationalisierter Form (Kompetenzziele) vorhanden sein muss, um für eine Untersuchung zugänglich sein zu können. Die Kompetenzziele geben Aufschluss über das Lern- und Anforderungsniveau sowie die inhaltliche Breite und Tiefe im jeweiligen Unterrichtsfach.

  2. 2.

    Die kognitive Struktur umfasst die Wissensrepräsentation und den Wissenserwerb bei der Bewältigung von Handlungssituationen. Dabei wird analysiert, über welches Wissen und über welche Fähigkeiten Schüler*innen verfügen müssen, um eine Handlungssituation bewältigen zu können (Gelman und Greeno 1989; Greeno 1998; Marzano und Kendall 2007, 2008; Winther 2010).

  3. 3.

    Die Arbeitstechniken und -methoden beschreiben domänentypische Materialien, theoretische Modelle, Handlungsroutinen und Arbeitsweisen, die als typisch für spezifische Handlungssituationen gelten (bspw. Kaufvertrag bei einem Einkauf in Form einer Rechnung oder eines Kassenbons, Kontenrahmen bei der Bilanzierung usw.).

Gerade mit Blick auf die instruktionale Ausgestaltung zeigt die empirische Bildungsforschung schulformspezifische Unterschiede auf, die sich auch in unterschiedlichen Leistungen der Schüler*innen manifestieren (Baumert et al. 2003, 2004; Köller und Baumert 2001, 2002). Zur Abbildung schulform- bzw. bildungsgangspezifischer Unterschiede fließen in das Domänenmodell konkret unterrichtliche Artefakte ein, die inter- und intraindividuelle Unterschiede zwischen den Lernenden vor dem Hintergrund lernpsychologischer Konzepte erklären können:

  1. 1.

    Der Wissenserwerb beschreibt die beim Lernen proximal beteiligten Faktoren und Prozesse.

  2. 2.

    Die Wissensrepräsentation benennt, welcher Gebrauch vom Erlernten gemacht werden soll. Hierbei sind die Gewichtungen von Wissensabruf, Wissensakquisition und Wissensargumentation bedeutsam.

3 Forschungsdesign, Methoden und Daten oder: Wie das Konzept ökonomischer Kompetenz in curriculare Vergleiche einfließt

3.1 Forschungsfragen und deduktives Kategoriensystem

Die diversen Konzeptionen von Curricula national wie international sind von normativen Sichtweisen und Überzeugungen geprägt, die die Rolle der Lehrpläne in Schule sowie die Art des Lehrens und Lernens prägen (Adamson und Morris 2014). Vor dem Hintergrund der Heterogenität bzgl. der institutionellen Rahmenbedingungen sowie der inhaltlichen Ausgestaltung der ökonomischen Bildung in Deutschland ist es für die Untersuchung von Bildungsplänen unerlässlich, präzise zu definieren, welche Ziele die Analyse verfolgt.

Die Zielsetzung der Analyse richtet sich auf die folgenden Fragestellungen:

  1. 1.

    Ist curricular-übergreifend eine Repräsentanz des Domänenmodells in den wirtschaftsbezogenen Curricula der ausgewählten Bundesländer zu finden? (FF1)

  2. 2.

    Wie unterscheidet sich die Repräsentanz der Prozess- und Strukturebene des Domänenmodells zwischen den Schulformen? (FF2)

Den Fokus der Untersuchung bilden die in den Curricula beschriebenen (Teil‑)Kompetenzziele. Die Kernlehrpläne fungieren als Analyseobjekt sowie als ein externes Validitätskriterium für das Domänenmodell. Methodisch werden die Daten auf Basis der qualitativ-strukturierenden Inhaltsanalyse nach Mayring (2016) über ein deduktiv entwickeltes Kategoriensystem gesammelt. Das entwickelte Kategoriensystem leitet sich von der Prozess- und Strukturebene des Domänenmodells sowie der formulierten Kompetenzdefinition ab. Unterrichtliche Artefakte beschreiben, dass die Erreichung der Kompetenzziele von instruktionalen Prozessen beeinflusst ist, die sich (a) lernpsychologisch (Prozessebene) und (b) fachwissenschaftlich (Strukturebene) beschreiben lassen.

  1. 1.

    Aus fachwissenschaftlicher Perspektive sind dies die drei benannten Lebensbereiche der Strukturebene des Domänenmodells, in denen ein Individuum mit wirtschaftlich geprägten Handlungssituationen konfrontiert ist und der fachsystematische Zugang zur Domäne. Der persönlich-finanzielle Bereich orientiert sich sowohl am PISA Financial Literacy Framework (OECD 2014, 2019, 2020) als auch an Richtlinien zur Verbraucherbildung (KMK 2013; MSB 2017). Für die Kategorienbildung des gesellschaftlich-volkswirtschaftlichen Bereichs wird die Konzeption des Frameworks for Teaching Basic Economic Concepts aufgegriffen (CEE 2010, 2013; Saunders und Gilliard 2005) verwendet. Die Kategorisierung des beruflich-unternehmerischen Lebensbereichs bezieht sich auf die Differenzierung zwischen einem domänenverbundenen wirtschaftsbürgerlichen beruflichen Grundlagenwissen (berufsallgemeines Wissen bspw. Berufsorientierung, Tarifpolitik, Arbeitsrecht usw.) und einem domänenverbundenen kaufmännischen Grundlagenwissen (berufsübergreifendes Wissen bspw. Grundlagen Unternehmensführung, Kostenkalkulationen usw.) (u. a. Eberle et al. 2016).

  2. 2.

    Für die Analyse der Prozessebene des Domänenmodells werden Klassifikationen aus dem Taxonomiemodell von Marzano und Kendall (2007) genutzt. Mithilfe von Taxonomien lassen sich kognitive Prozesse des Wissenserwerbs und der Wissensrepräsentation identifizieren, auf die der Kompetenzerwerb im Unterricht ausgerichtet ist (Marzano und Kendall 2008). Diese nimmt keine kumulativ hierarchische Struktur an, sondern geht von einer zunehmenden Komplexität kognitiver Prozesse aus. Die Komplexität ist dabei zum einen vom Grad der Vertrautheit bzgl. der gestellten Anforderungen in einer Handlungssituation und zum anderen von der Anzahl der eingebundenen und voneinander beeinflussten Bearbeitungsschritte abhängig (siehe hierzu Auszüge aus dem Codierleitfaden im Anhang).

3.2 Stichprobe und Codes

Die Curricula wurden im Juli 2021 von den Webseiten der einzelnen Schulministerien der Länder gewonnen und in Word-Dokumente umgewandelt. Zunächst wurden 32 wirtschaftsbezogene Lehrpläne aus elf Bundesländern analysiert, davon 19 von zwei Codierenden (siehe Tab. 2). Bei der Ergebnisdarstellung wurden nur 31 Lehrpläne aus zehn Bundesländern einbezogen, da für einen Lehrplan keine ausreichende Intercoder-Übereinstimmung festgestellt wurde. Mit der Auswahl der Bundesländer wurde versucht, über kontrastierende Merkmale wie Geografie (Ost-West, Nord-Süd), Fläche (Flächenland vs. Stadtstaat) und Politik (Bundesländer mit unterschiedlichen Regierungskonstellationen) ein möglichst breites Spektrum der ökonomischen Bildung abzudecken. Eine Besonderheit betrifft die Bundesländer Berlin und Brandenburg, die mit dem Lehrplan Wirtschaft/Arbeit/Technik ein gemeinsames Curriculum verwenden. Darüber hinaus wurde auch die institutionelle Ausgestaltung wirtschaftsbezogener Unterrichtsfächer als Auswahlkriterium einbezogen. Dabei wurde zwischen dem Einzelfach, Fächerverbund, Fachbestandteil und dem Wahlpflichtfach differenziert. Bei Betrachtung der Fächerstruktur zeigt sich, dass wirtschaftsbezogene Fächer überwiegend nicht als verpflichtendes Einzelfach, sondern als Fächerverbund mit anderen gesellschaftswissenschaftlichen Unterrichtsfächern, als Fachbestandteil oder als Wahlpflichtfach angeboten werden.

Tab. 2 Übersicht der analysierten Curricula ökonomischer Bildung

Die Analyse der Curricula erfolgte in Form von Segmenten. Die Segmente bilden die einzelnen (Teil‑)Kompetenzziele der Bildungspläne ab. Für jedes Kompetenzziel wurden die zugehörigen Codes vergeben. Für die Codierung der Wissenserwerbsprozesse wurden die vorgeschlagenen Operatoren von Marzano und Kendall (2008) benutzt und deren curriculaspezifische Verwendung berücksichtigt. An einem Segmentbeispiel soll exemplarisch aufgezeigt werden, wie die Codes des Kategoriensystems vergeben wurden (siehe Tab. 3).

Tab. 3 Beispiele für die Codierung von Codesegmenten in der curricularen Analyse

Die Analyse der Lehrpläne wurde mithilfe der Software MAXQDA Analytics Pro 2022 (Version 20.3.0) durchgeführt. Insgesamt wurden 11.692 Codierungen herangezogen.

Die Bestimmung der Intercoder-Reliabilität erfolgte in zwei Schritten: (1) Codierungen, die inhaltlich identisch, aber aufgrund unterschiedlicher Zeichenlänge als different markiert wurden, sind manuell angeglichen worden. Codierungen, die inhaltlich von den Kategorienbeschreibungen in einem hohen Maße abweichen, wurden manuell umcodiert. (2) Codierungen, die inhaltlich durch beide Codierenden begründet different codiert wurden, wurden entweder nach einem diskursiven Prozess konsensual umcodiert oder different belassen. Als Cut-off-Wert wird für Cohens Kappa und Krippendorffs-Alpha 0,67 definiert (O’Connor und Joffe 2020).

Insgesamt zeigt sich, dass Cohens Kappa systematisch höhere Reliabilitätswerte angibt, die sich zumeist auch außerhalb der oberen Grenze des 95 %-Konfidenzintervalls von Krippendorffs Alpha befinden. Die Spannweite der Reliabilitätswerte für Krippendorffs Alpha liegt zwischen 0,52 und 0,90 und bei Cohens Kappa zwischen 0,61 und 0,94. Sowohl bei Krippendorffs Alpha als auch bei Cohens Kappa ist die Intercoder-Reliabilität beim Curriculum Wirtschaft-Politik Schleswig-Holsteins nicht hinreichend gegeben, sodass dieser Lehrplan von der weiteren Analyse ausgeschlossen wird. Der Lehrplan Wirtschaft-Arbeit-Technik von Berlin-Brandenburg wird aufgrund des ausreichend hohen Werts von Cohens Kappa (κ = 0,74) in die Untersuchung aufgenommen. Alle anderen Curricula liegen deutlich über dem Cut-off-Wert.

3.3 Verwendete Analysemethoden und Datenauswertung

Für die Beantwortung von FF1 wird zunächst die prozentuale Verteilung der codierten Häufigkeiten der einzelnen Kategorien des Kategoriensystems für alle untersuchten Lehrpläne betrachtet. Hierfür wird hier zwischen einer aggregierten Analyse und einer Feinanalyse unterschieden. Die aggregierte Analyse subsumiert die Codes der Subkategorien in die entsprechende Oberkategorie. Diese Betrachtung erlaubt einen Überblick über die Verteilung der Codehäufigkeiten auf der Struktur- und Prozessebene des Domänenmodells über alle Lehrpläne hinweg. Die Feinanalyse hingegen betrachtet die prozentuale Verteilung auf Ebene der einzelnen Subkategorien und erlaubt einen detaillierten Einblick in die Manifestation der Struktur- und Prozessebene des Domänenmodells in den Curricula.

Die Beantwortung von FF2 erfolgt in zwei Schritten. Zunächst werden mithilfe einer Ähnlichkeitsanalyse Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Codierungen der Lehrpläne auf curricularer Ebene gezeigt. Die Ähnlichkeitsanalyse wird eingesetzt, um zu überprüfen, wie ähnlich sich verschiedene Dokumente hinsichtlich der Häufigkeit der vergebenen Codierungen sind. Die Wahl des Ähnlichkeitsmaßes ist abhängig von der Anzahl und Konstellation der vergebenen Codierungen (Gizzi und Rädiker 2021; Rädiker und Kuckartz 2019). Die Anzahl an Codierungen variiert in den einzelnen Dokumenten deutlich. Deshalb wird der Koeffizient von Russel & Rao gewählt, da dieser das Nicht-Vorhandensein von Codes nicht als Übereinstimmung wertet, sondern die Ähnlichkeit reduziert. Der Koeffizient nimmt Werte zwischen 0 (keine Übereinstimmung) und 1 (vollkommene Übereinstimmung) an. Für die Untersuchung wurden alle Codierungen der Feinanalyse einbezogen. Die Ergebnisse werden in einem Boxplot für jedes Curriculum dargestellt. Der Boxplot zeigt an, wie ähnlich ein spezifischer Lehrplan im Vergleich zu den 30 übrigen Lehrplänen ist.

Um die in der Ähnlichkeitsanalyse beobachtete Varianz in den Codeverteilungen der Curricula näher zu untersuchen, wurden die Codehäufigkeiten der einzelnen Kategorien der Struktur- und Prozessebene des Domänenmodells in prozentuale Werte, bezogen auf die absolute Häufigkeit der Codierungen des entsprechenden Bildungsplans, umgewandelt. Dies dient einer besseren Vergleichbarkeit der Curricula, da die Anzahl an Codierungen pro untersuchtem Dokument deutlich variiert (Min. 79, Max. 1049). Für die Ermittlung schulformspezifischer Unterschiede wurden die Curricula in die Kategorien Haupt‑, Real‑, Gesamtschule und Gymnasium differenziert. Curricula von Schulformen, an denen verschiedene Bildungsabschlüsse erworben werden können, werden je nach Zugang zu einer gymnasialen Oberstufe in die Kategorie „Realschule“ oder „Gesamtschule“ eingeordnet. Die Oberschule in Bremen wird in die Kategorie der Gesamtschule integriert, da dort neben dem Haupt- und Realschulabschluss auch die allgemeine Hochschulreife erworben werden kann und dies dem Konzept einer Gesamtschule entspricht. An der sächsischen Oberschule können hingegen nur der Haupt- und Realschulabschluss erworben werden, sodass dieser der Kategorie der Realschule zugeordnet wird. Die Stadtteilschulen in Hamburg entsprechen ebenfalls dem Gesamtschulkonzept.

4 Ergebnisse

4.1 Curricular-übergreifende Repräsentanz des Domänenmodells in den Curricula (FF1)

Für die Beantwortung von Forschungsfrage 1 werden die Codierungen der Lehrplanuntersuchung zunächst auf Ebene der Oberkategorien analysiert. Diese zeigen auf Struktur- und Prozessebene des Domänenmodells im Mittel eine ähnlich hohe Repräsentanz zwischen den Lebensbereichen des Domänenmodells (Tab. 4).

Tab. 4 Deskriptive Statistik der inhaltlichen Dimensionen (aggregiert) und der fachsystematischen Zugänge aller Curricula

Die drei inhaltlichen Lebensbereiche (persönlich-finanzieller, beruflich-unternehmerischer sowie gesellschaftlich-volkswirtschaftlicher Lebensbereich) sind aggregiert im Mittel ungefähr gleich häufig codiert worden. Die Kategorie Nachhaltigkeit ist über alle Curricula hinweg vertreten, jedoch deutlich weniger häufig als die wirtschaftsbezogenen Inhaltsbereiche. Nachhaltigkeitsbezogene Inhalte finden sich entweder in mehreren Inhaltsfeldern als Querschnittsthema wider oder werden einem eigenen Inhaltsfeld zugeordnet. Nachhaltigkeitsbezogene Inhalte werden in beiden Konstellationen jedoch nicht unabhängig von wirtschaftlichen Inhalten thematisiert sondern hinsichtlich ihrer sozialen und ökologischen Implikationen betrachtet. Der fachsystematische Zugang zu den curricularen Inhalten ist im Mittel deutlich häufiger sprachlich-argumentativ als mathematisch-analytisch (Tab. 5). Die Ergebnisse für die Prozessebene des Domänenmodells zeigen, dass die in der Taxonomie von Marzano und Kendall (2007) beschriebenen Wissensrepräsentationsformen sowie Wissenserwerbsprozesse in den Curricula codiert werden können.

Tab. 5 Deskriptive Statistik, Inhaltsdimensionen (Feinanalyse) aller Curricula

In der Feinanalyse der Strukturebene des Domänenmodells zeigt sich im gesellschaftlich-volkswirtschaftlichen Lebensbereich ein Fokus auf die Vermittlung basaler ökonomischer (ökonomische Prinzipien, Wirtschaftsordnung und -kreislauf, Produktivität, Arbeitsteilung etc.) und makroökonomischer Konzepte (Einfluss staatlicher Wirtschaftspolitik, Konjunktur, Inflation etc.). Mikroökonomische Inhalte sowie internationale Wirtschaftsbeziehungen (Außenhandel, Kostenvorteile, Handelshemmnisse etc.) konnten hingegen nur halb so oft codiert werden. Beim beruflich-unternehmerischen Lebensbereich werden berufsübergreifende Inhalte (Rechnungswesen, Grundzüge der Unternehmensführung, betriebliche Wertschöpfungs- und Mitbestimmung) häufiger adressiert als berufsallgemeine Inhalte (Tarifkonflikte, Gewerkschaften, Arbeitsrecht, Berufsorientierung, Berufsvorbereitung). Der persönlich-finanzielle Lebensbereich thematisiert überwiegend den übergreifenden Bereich (Bedürfnisse und Bedarf, Konsumgewohnheiten, Verbraucherschutz und Verbraucherrechte, Wirkung von Marketing etc.). Die Bereiche der Einkommens- und Vermögensbildung (Umgang mit Finanzprodukten, private Absicherung, Überschuldung etc.) sowie der privaten Haushaltsführung werden in den Curricula im Vergleich deutlich weniger häufig thematisiert. Das Querschnittsthema Nachhaltigkeit wird in den Curricula zumeist in Breite vertreten, sodass eine eindeutige Ausdifferenzierung in ökologische, soziale, ökonomische sowie intra- und intergenerationale Nachhaltigkeit nur eingeschränkt möglich ist (Tab. 5).

Auf der Prozessebene des Domänenmodells zeigt sich bei der Wissensrepräsentation curricular eine Fokussierung auf deklaratives Wissen (Faktenwissen und konzeptionelles Wissen). Dies erscheint in Bezug auf die wirtschaftliche Domäne geeignet, da deklaratives Wissen i. F. v. Details, Generalisierungen und Prinzipien für das Verständnis wirtschaftsbezogener Inhalte bspw. bei der Modellbildung oder der Folgeabschätzung von wirtschaftspolitischen Maßnahmen unerlässlich ist. Die Fokussierung auf deklaratives Wissen deckt sich mit der deutlich häufigeren Codierung des sprachlich-argumentativen Zugangs zu wirtschaftlichen Inhalten. Prozedurales Wissen, z. B. das Nutzen von Rechenoperationen spezifischer Arbeitsmittel wie Tabellenkalkulationen, ist im Mittel über alle untersuchten Curricula hinweg weniger häufig codiert worden. Dies deckt sich mit der selteneren Codierung des mathematisch-analytischen Zugangs zu wirtschaftlichen Inhalten (Tab. 5). Hinsichtlich des Wissenserwerbs lässt sich eine Fokussierung auf das Abrufen von Wissen (Fakten, Generalisierungen (wieder‑)erkennen und beschreiben können), das Verstehen (Erörtern, (Wirkungs‑)Beziehungen beschreiben, Modelle und Diagramme nutzen etc.) und das Analysieren (Vergleichen und Kontrastieren, Klassifizieren, Generalisieren und Spezifizieren). Die Kategorie Wissensnutzung (Probleme lösen, Entscheidungen treffen, untersuchen, experimentieren) wird in den Curricula deutlich weniger häufig adressiert. Metakognitive Elemente wie das Reflektieren des eigenen Arbeitsprozesses werden nur selten thematisiert.

4.2 Bundesland und schulformspezifische Unterschiede der Curricula (FF2)

In der Ähnlichkeitsanalyse können überwiegend Werte zwischen 0,40 und 0,95 (siehe Abb. 2) ermittelt werden. Es wird deutlich, dass die bayrischen Curricula sich deutlich häufiger von den untersuchten Curricula der anderen Bundesländer unterscheiden. Die Curricula von Baden-Württemberg, Berlin-Brandenburg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sind sich mit Werten zwischen 0,60 und 0,95 deutlich ähnlicher. Als Ausreißer können das bayrische Curriculum der Mittelschule für Buchführung sowie der sächsische Lehrplan der Oberschule für Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung identifiziert werden. Letzteres zeigt bei genauerer Betrachtung, dass wirtschaftliche Themen zwar enthalten sind, jedoch eher als Beiwerk zur Erklärung politischer Entscheidungen verstanden werden. Der Bildungsplan „Buchführung“ für die Mittelschule ist insofern ein „Ausreißer“, da dort bewusst ausschließlich berufsübergreifende Inhalte wie das Rechnungswesen behandelt werden.

Abb. 2
figure 2

Ähnlichkeit der Curricula der ökonomischen Bildung

Die Ergebnisse der bundeslandspezifischen prozentualen Codeunterschiede in den Kategorien zeigen auf der Strukturebene Unterschiede in der Schwerpunktsetzung zwischen den Lebensbereichen des Domänenmodells. So kann für die Bundesländer Bayern, Berlin-Brandenburg und Bremen ein im Vergleich zu den anderen Bundesländern deutlicher Fokus auf beruflich-unternehmerische Inhalte konstatiert werden (siehe Abb. 3). Curricular lässt sich dies am Vorhandensein mehrerer Inhaltsfelder identifizieren. So weisen bayrische Lehrpläne 2 oder mehr Inhaltsfelder mit beruflich-unternehmerischem Bezug auf (Bayern, Gymnasium Wirtschaft-Recht, Jahrgangsstufe 8 und 9 „Ökonomisches Handeln im Unternehmen“, „Unternehmerisch denken und entscheiden“), während in Nordrhein-Westfalen zumeist nur ein entsprechendes Inhaltsfeld ausgewiesen ist (NRW, Gymnasium. Wirtschaft-Politik, „Unternehmen und Gewerkschaften in der Sozialen Marktwirtschaft“).

Abb. 3
figure 3

Bundeslandspezifische Unterschiede auf Strukturebene in Prozent

Eine annähernde Gleichverteilung zwischen den Lebensbereichen des Domänenmodells ist nur in den KLPs von Nordrhein-Westfalen zu beobachten. Die meisten Curricula fokussieren auf den gesellschaftlich-volkswirtschaftlichen Lebensbereich. Der prozentuale Anteil des persönlich-finanziellen Bereichs variiert im Vergleich zu den anderen Lebensbereichen weniger stark. Der Codeanteil an nachhaltigkeitsbezogenen Inhalten liegt zumeist unter 10 %, außer in Nordrhein-Westfalen und Sachsen.

In Bezug auf die Prozessebene zeigt sich in allen Bundesländern ein hoher Anteil an Codierungen des konzeptionellen Wissens. Die Bedeutung prozeduraler Wissensbestände variiert zuweilen deutlich. So kann bei den KLP in Baden-Württemberg nur ein Anteil von 18,80 % festgestellt werden, während der Anteil in Bayern bei 44 % und in Hessen über 55 % liegt (siehe Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Bundeslandspezifische Unterschiede auf Prozessebene (Wissensrepräsentation) in Prozent

Bei Betrachtung der Codierhäufigkeiten der Wissenserwerbsprozesse sind zwischen den Bundesländern ebenfalls Unterschiede festzustellen. So fokussieren Baden-Württemberg, Bremen und Nordrhein-Westfalen auf die Analyse ökonomischer Zusammenhänge und Inhalte, während, Hessen und Sachsen auf das Abrufen und Ausführen von (prozeduralen) Wissensbeständen priorisieren. Die Bundesländer Bayern, Berlin-Brandenburg, Hamburg und Niedersachsen weisen ähnlich verteilte Codierhäufigkeiten in Bezug auf die intendierten Wissenserwerbsprozesse auf (siehe Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Bundeslandspezifische Unterschiede auf Prozessebene (Wissenserwerb) in Prozent

Die Ergebnisse der schulformspezifischen prozentualen Codeunterschiede in den Kategorien zeigen auf der Strukturebene, dass der fachliche Zugang zum domänenspezifischen Wissen in allen Schulformen überwiegend sprachlich-argumentativ erfolgt. Der Anteil des mathematisch-analytischen Zugangs ist in der Hauptschule mit 27 % am höchsten und sinkt für alle weiteren Schulformen kontinuierlich auf unter 10 % beim Gymnasium ab.

Für den Codeanteil der Lebensbereiche des Domänenmodells kann beobachtet werden, dass insbesondere die Gesamtschulen und das Gymnasium inhaltlich verstärkt auf den gesellschaftlich-volkswirtschaftlichen Lebensbereich abstellen, während die Hauptschule primär auf den beruflich-unternehmerischen Lebensbereich Bezug nimmt und die Realschule beide Lebensbereiche nahezu gleichwertig tangiert (siehe Abb. 6). Dies könnte insofern erklärbar sein, da insbesondere letzter genannte Schulformen einen stärkeren Fokus auf die Berufsvorbereitung der Schüler*innen legen. Der persönlich-finanzielle Lebensbereich ist in allen Schulformen prozentual ähnlich häufig (zwischen 21 und 27 %) codiert. Bei Betrachtung der Subkategorien der einzelnen Lebensbereiche des Domänenmodells kann festgestellt werden, dass im gesellschaftlich-volkswirtschaftlichen Lebensbereich über alle Schulformen hinweg 30 bis 50 % aller Codierungen basale ökonomische Kenntnisse betreffen. Gesamtschulen und Gymnasien haben im Vergleich zu Real- und Hauptschulen häufiger Codierungen in den Bereichen Makroökonomische Konzepte und internationale Wirtschaftsbeziehungen. Beim persönlich-finanziellen Lebensbereich ist der überwiegende Anteil an Codierungen für die Gesamtschule (63 %) und Gymnasien (67 %) der Kategorie der übergreifenden Verbraucherbildung zuzuordnen. Für die Haupt- und Realschulen spielt hingegen die Kategorie Einkommens- und Vermögensbildung mit knapp 50 % eine ebenso wichtige Rolle wie der Bereich der übergreifenden Verbraucherbildung. Beim beruflich-unternehmerischen Bereich zeigt sich, dass für die Haupt- und Realschulen berufsübergreifende Inhalte im Sinne kaufmännischen und unternehmerischen Vorwissens (69 %/53 %) deutlich häufiger codiert werden als bei den Gesamtschulen (44 %) und den Gymnasien (42 %). Auch hier könnte sich eine durch den früheren Eintritt ins Erwerbsleben induzierte Inhaltsfokussierung abzeichnen.

Abb. 6
figure 6

Schulformspezifische Unterschiede auf Strukturebene in Prozent

Themen der Nachhaltigkeit spielen in allen Curricula eine eher untergeordnete Rolle und treten in Verbindung mit wirtschaftlichen Inhalten in Erscheinung. So werden zumeist wirtschaftliche Entscheidungen unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bewertet. So zeigt sich bspw. im Inhaltsfeld 8 „Handeln als Verbraucherinnen und Verbraucher“ im KLP-Wirtschaft-Politik des Gymnasiums in NRW, dass die Schüler*innen ihr Konsumentenverhalten im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und nachhaltige Entwicklung analysieren sollen (KLP-Wirtschaft-Politik NRW, S. 32).

Hinsichtlich der Wissensrepräsentation sind für die Schulformen klare Unterschiede zu erkennen. Bei Gesamtschule und Gymnasium werden deutlich häufiger deklarative Wissensbestände (Faktenwissen, konzeptionelles Wissen) als prozedurale Wissensbestände codiert, während bei der Haupt- und Realschule prozedurale Wissensbestände im gleichen Maße relevant sind (Abb. 7). Auffällig ist der deutlich häufigere Bezug der Curricula zu beruflich-unternehmerischen Inhalten. Diese adressieren vermehrt prozedurale Wissenskomponenten, z. B. durch das Berechnen des Unternehmensgewinns, das Aufstellen einer Bilanz usw. (siehe bspw. KLP BWL/Rechnungswesen Lernbereich 3: Einführung in die Geschäftsbuchführung: „Die Schülerinnen und Schüler erfassen Ein- und Verkaufsvorgänge unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer buchhalterisch.“).

Abb. 7
figure 7

Schulformspezifische Unterschiede auf Prozessebene (Wissensrepräsentation) in Prozent

Bei Betrachtung der Codierhäufigkeiten der Wissenserwerbsprozesse der Prozessebene des Domänenmodells zeigt sich über die Schulformen hinweg eine gleichgewichtete Verteilung (Abb. 8). Während bei der Hauptschule insbesondere das Abrufen (wiedererkennen, wiedergeben) von deklarativem Wissen und das Ausführen prozeduraler Wissensbestände im Vordergrund stehen, so ist beim Gymnasium die Analyse von deklarativen Wissensbeständen relevant. Bei Real- und Gesamtschule sind prozentual alle Wissenserwerbsprozesse ungefähr gleich häufig codiert worden. Der Bereich Metakognition (Reflexion der eigenen Arbeitsweise, Arbeitsergebnisse) ist in den Curricula insgesamt nicht sehr präsent, jedoch doppelt so häufig in den Gesamtschulen und Gymnasien wie in den Haupt- und Realschulen.

Abb. 8
figure 8

Schulformspezifische Unterschiede auf Prozessebene (Wissenserwerb) in Prozent

5 Diskussion

Der Beitrag hat zum Ziel, Curricula aus zehn Bundesländern komparativ auf Basis eines Domänenmodells zu analysieren. So soll eine Grundlage für eine bessere Deutung der curricular intendierten kognitiven Prozesse und Fachinhalte bei der Operationalisierung von Kompetenzzielen für die Umsetzung in Schule und Unterricht ermöglicht werden. Dies ist besonders in Domänen vonnöten, die forschungsseitig eine Vielzahl an unterschiedlichen Kompetenzmodellen und heterogenen didaktischen Strömungen aufweisen und aus institutioneller Perspektive über keine bundesweiten Bildungsstandards verfügen. Aus diesem Blickwinkel ist die Entwicklung von curricularer Kohärenz der instruktionalen Aktivitäten abhängig von einem profunden Verständnis der intendierten Ziele des entsprechenden Curriculums (Fortus und Krajcik 2012; Fortus et al. 2015; Neumann 2020). Zur Gewinnung eines besseren Verständnisses der inhalts- und kognitionsbezogenen Ziele der intendierten Curricula der ökonomischen Bildung wurde geprüft, ob (1) die Struktur- und Prozessebene des entwickelten Domänenmodells in den Lehrplänen repräsentiert ist und (2), wie sich die Ausgestaltung der Prozess- und Strukturebene hinsichtlich der Schulformen und der Bundesländer unterscheidet.

Die Ergebnisse der Curriculaanalyse bestätigen, dass sich das der Untersuchung zugrunde liegende Domänenmodell in allen Lehrplänen der ökonomischen Bildung in den untersuchten Bundesländern repräsentieren lässt. Auf der Strukturebene kann gezeigt werden, dass im Mittel die Lebensbereiche des Domänenmodells ähnlich häufig codiert werden können und der fachliche Zugang zur Domäne überwiegend sprachlich-argumentativ erfolgt. In der Analyse der Subkategorien der einzelnen Lebensbereiche sind Auffälligkeiten in der prozentualen Verteilung der Codes zu beobachten. So kann beim gesellschaftlich-volkswirtschaftlichen Lebensbereich festgestellt werden, dass insbesondere basale ökonomische Kenntnisse (bspw. Kenntnisse über die Wirtschaftsordnung, Wirtschaftskreislauf, Knappheit) im Vordergrund stehen. Spezialisierte Felder der Mikro- und Makroökonomie sowie internationale Wirtschaftsbeziehungen kommen hingegen eher randständig vor. Dieser Befund deckt sich mit den Ergebnissen von Weber (2023) für wirtschaftsbezogene Curricula der Sekundarstufe I. Der Inhaltsbereich „Internationale Wirtschaftsbeziehungen“ konnte hier allenfalls an Gymnasien festgestellt werden. Dies könnte zum einen an der grundlegenden Fachausrichtung an Haupt- und Realschulen mit einer verstärkten Arbeits- und Berufsorientierung liegen. Internationale Wirtschaftsbeziehungen werden nur im regionalen Wirtschaftsraum und dessen wirtschaftliche Verflechtungen im internationalen Welthandel verstanden (bspw. regionale mittelständische Unternehmen als „Hidden Champions“). Zum anderen könnte die Fächerstruktur an Gesamtschulen und Gymnasien Einfluss nehmen. So werden ökonomische Inhalte häufig in einen Fächerverbund oder Fachbestandteil integriert, in denen diese Themenbereiche Schnittmengen zu anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen aufweisen, wie z. B. der Politikwissenschaft, während an Haupt- und Realschulen häufiger Einzelfachlösungen vorherrschen (Loerwald et al. 2021; Weber 2023). Gerade hier wäre es interessant, zukünftig auch die Lehrpläne der Sekundarstufe II in den Blick zu nehmen, um etwaige Veränderungen der inhaltlichen Ausrichtung untersuchen zu können. Im persönlich-finanziellen Lebensbereich stehen übergreifende Themen der Verbraucherbildung (Konsumentscheidungen, Bedürfnisse und Bedarf, Wirkung von Werbemaßnahmen) im Mittelpunkt. Darüber hinaus werden Inhalte der Einkommens- und Vermögensbildung im Sinne der Mittelverwendung (Qualität von Finanzprodukten, Anlageentscheidungen, Altersvorsorge, Vermeidung von Überschuldung) adressiert. Curricular zeigt sich, dass durch die Nähe des Lebensbereichs zu den Schüler*innen ein handlungsorientierter Unterricht ermöglicht wird und weist damit Parallelen zu den Konzeptionen von „PISA Financial Literacy“ (OECD 2014, 2020; Wuttke et al. 2019, 2020) auf. Vertreter der sozioökonomischen Bildung kritisieren den Mangel an kritischer Reflexion zu Rollenbildern in der Einkommensgewinnung oder auch die gesellschaftliche Funktion des Konsums im Sinne einer Identitätsbildung (Fridrich 2017; Fridrich et al. 2017; Hedtke 2019; Weber 2023; Wittau 2019, 2021). Der beruflich-unternehmerische Bereich konnte von allen Lebensbereichen im Mittel prozentual am häufigsten codiert werden, was jedoch schulform- und fachabhängig ist. Inhaltlich sind berufsübergreifende Inhalte (kaufmännisches Vorwissen) und berufsallgemeine Inhalte (Arbeitsmarktpolitik, Tarifkonflikt, Arbeitsrecht, Berufsorientierung) curricular ähnlich häufig vertreten.

Der Einbezug von Bewertungsmaßstäben der Nachhaltigkeit ist in den jüngeren Lehrplänen bspw. im Bundesland Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zu finden. Dies lässt sich insofern erklären, dass der Erkenntnisgewinn der Forschung im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) verstärkt bei der curricularen Weiterentwicklung berücksichtigt wird (Hantke 2021; Hübner 2017; Rebmann und Schlömer 2020; Schank und Lorch 2018). Häufig wird der Inhaltsbereich der Nachhaltigkeit zusammen mit dem persönlich-finanziellen Lebensbereich in Form von nachhaltigen Konsumentscheidungen adressiert (Hübner 2017).

Auf Prozessebene des Domänenmodells zeigt sich auch in der prozentualen Verteilung der Codehäufigkeiten, dass bei der Wissensrepräsentation deklarative Wissensbestände mehr als doppelt so häufig codiert werden als die Prozeduralen. Beim Wissenserwerb stehen insbesondere die Prozesse des Abrufens von Informationen, das Verstehen sowie die Analyse im Vordergrund. Die Wissensnutzung in Form von Entscheidungen treffen oder zwischen Alternativen abwägen sowie die Metakognition im Sinne der Reflexion eigener Arbeitsweisen und Arbeitsergebnisse werden deutlich weniger häufig codiert.

Neben einer allgemeinen Beschreibung der Codierungen auf Ebene aller Curricula wurden auch schulformspezifische Unterschiede herausgearbeitet (FF2). Die Curricula der einzelnen Schulformen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer inhaltlichen Schwerpunktsetzung. Die Curricula der Gesamtschulen und Gymnasien weisen einen gesellschaftlich-volkswirtschaftlichen Schwerpunkt auf, während die Haupt- und Realschulen einem beruflich-unternehmerischen Fokus unterliegen. Diese Befunde zeigen sich auch bei Marx 2015; Weber 2023. Der fachliche Zugang zu den Inhalten der Domäne erfolgt in allen Schulformen überwiegend sprachlich-argumentativ. Ein mathematischer Zugang erfolgt nur eingeschränkt. Dies ist insofern problematisch, da ökonomische Modelle und Prinzipien sowie deren Annahmen und Limitationen ohne einen mathematischen Zugang nur unzureichend verstanden werden können. Der im Vergleich höhere relative Anteil des mathematisch-analytischen Zugangs in den Haupt- und Realschulen lässt sich auf die höhere Relevanz von kaufmännischem Grundwissen sowie Inhalten der Financial Literacy (Einkommens- und Vermögensbildung) erklären. Auf Basis der Kompetenzbeschreibungen der Lehrpläne ist nicht immer ersichtlich, ob bei der Vermittlung bspw. ökonomischer Prinzipien wie Angebot und Nachfrage auch das mathematische Modell aufgegriffen wird. Fraglich wäre zudem, ob bei der heterogenen Ausbildung der Lehrkräfte sowie dem Einsatz von Lehrer*innen, die zumeist eine Sozialwissenschaft (Politik, Geschichte, Geographie) studiert haben, überhaupt eine ausreichende professionelle Kompetenz für eine mathematische Perspektive ökonomischer Inhalte vorhanden ist (Retzmann und Seeber 2022; Siegfried 2019; Siegfried und Ackermann 2020; Siegfried und Hangen 2020; Siegfried et al. 2019). Gerade hier ist auch ein Dissens in den Fachdidaktiken zu beobachten. Während Vertreter der sozioökonomischen Bildung eine formal mathematisch-modellorientierte Ausbildung der Lehrkräfte aufgrund des geringen Praxisbezugs sowie der Notwendigkeit des Einbezugs einer allgemein sozialwissenschaftlichen Perspektive ablehnen (Fridrich et al. 2020; Hedtke 2019; Weber 2023), betonen Vertreter einer klassisch wissenschaftspropädeutischen ökonomischen Bildung die Notwendigkeit des auch mathematischen Verständnisses von ökonomischer Bildung, um kritisch reflektierend Urteilen zu können (Eberle 2022; Retzmann und Seeber 2022; Seeber et al. 2022). Hinsichtlich der schulformbezogenen Unterschiede für den gesellschaftlich-volkswirtschaftlichen Lebensbereich bestätigen sich die Befunde von Weber, dass generell in Haupt- und Realschulen weniger häufig volkswirtschaftliche Inhalte vermittelt werden und wenn auf basalerem Niveau. An den Gesamtschulen und Gymnasien werden makroökonomische Inhalte wie auch der Komplex „internationale Wirtschaftsbeziehungen“ zumindest häufiger adressiert. Für den beruflich-unternehmerischen Lebensbereich kann für die Haupt- und Realschulen zunächst eine generell hervorgehobene Stellung attestiert werden. Der inhaltliche Fokus liegt vornehmlich auf dem kaufmännischen Vorwissen. Bei den Gesamtschulen dominiert hingegen das berufsallgemeine Wissen. Im persönlich-finanziellen Bereich spielen bei Real- und Hauptschulen die Einkommens- und Vermögensbildung eine gleich gewichtete Rolle im Vergleich zu allgemeinen Verbraucherthemen: Dies lässt sich darauf zurückführen, dass aus Perspektive der Bildungsziele ein früherer Eintritt in das Erwerbsleben zu erwarten ist als bei Gymnasien oder Gesamtschulen.

Auf Prozessebene zeigt sich bei den verschiedenen Schulformen in der Wissensrepräsentation eine steigende Relevanz des konzeptionellen Wissens, während das bloße Erlernen von Faktenwissen wie auch das Erlernen prozeduraler Fähigkeiten tendenziell abnimmt. Hinsichtlich des Wissenserwerbs lässt sich bei den Hauptschulen ein Fokus auf das Abrufen von deklarativen und Ausführen von prozeduralen Wissensbeständen ermitteln, während bei den Gymnasien die Analyse konzeptionellen Wissens im Vordergrund steht. Insgesamt kristallisiert sich jedoch eine prozentual ähnlich hohe Bedeutung in der Verteilung der Codehäufigkeiten der Wissenserwerbsprozesse heraus. Dies deutet darauf hin, dass für den curricular intendierten Kompetenzerwerb ein ganzheitliches Ansprechen verschiedenster Wissenserwerbsprozesse nötig ist, um eine Progression über den Zeitverlauf der schulischen Ausbildung entwickeln zu können.

In der Gesamtschau weisen im Vergleich die Schulformen der Haupt- und Realschule mit denen der Gesamtschulen und Gymnasien Unterschiede auf, die sich auf unterschiedliche didaktische Traditionen und normative Zielsetzungen zurückführen lassen. Normativ stellt Baethge (2007) ein „Bildungs-Schisma“ durch eine institutionelle Trennung zwischen beruflicher und allgemeiner Bildung bei gleichzeitiger Höherbewertung allgemeiner Bildung fest. Institutionell äußerte sich dies in der Implementierung des Faches „Arbeitslehre“ an den Hauptschulen, das zumeist einen Fächerverbund aus Arbeitsorientierung, Wirtschaft und Technik beschreibt (Friese 2018). Curricular ist als zentrale Aufgabe die Berufsorientierung verankert. Diese wird fachdidaktisch über einen konstruktivistischen Ansatz der Handlungsorientierung sowohl in der beruflichen Bildung als auch im Fach „Arbeitslehre“ und verwandten Fächern didaktisch implementiert (Friese 2023). Durch die weitgehend fehlende Implementierung der Arbeitslehre an Gymnasien und Gesamtschulen erfährt auch die Handlungsorientierung einen fachdidaktisch geringeren Stellenwert, was Unterschiede in den Anteilen des prozeduralen Wissens sowie des beruflich-unternehmerischen Lebensbereichs erklären könnte. Der wissenschaftspropädeutische Charakter der Gymnasien wird in der Analyse durch den Fokus auf konzeptionelle Wissensbestände und deren Analyse deutlich. Hinsichtlich des Instruktionsgegenstandes wird der in Kapitel 2.2 aufgeworfene Gegensatz in Bezug auf die Konstruktion von domänenspezifischen Anforderungssituationen in der kaufmännisch-beruflichen und der allgemeinbildenden ökonomischen Bildung sichtbar. Zu prüfen wäre, ob der Kompetenzerwerb in der ökonomischen Domäne über authentisch konstruierte, handlungsorientierte Situationen besser gelingen kann und Prinzipien der Berufsbildungsforschung in die Allgemeinbildung integrierbar sind.

Neben dem inhaltlichen Beitrag zur Forschung sind für die Bewertung der Ergebnisse Limitationen anzuführen. Alle Befunde der komparativen Lehrplananalyse beruhen zunächst auf einer spezifischen Vorstellung ökonomischer Kompetenz und einem resultierenden Domänenmodell. Je nach unterstellter Konzeption von Kompetenz und Domäne sind Ergebnisunterschiede zu erwarten. Es wurde daher versucht, das hier unterstellte Domänenmodell innerhalb der Konzeptionen der ökonomischen Forschung zu verorten, um es intersubjektiv nachvollziehen zu können. Mit der gewählten Methodik kann kein Aufschluss über die qualitativen Unterschiede in den Inhalten der Strukturebene zwischen den Schulformen gegeben werden. Dieselben fachlichen Inhalte eines Kompetenzziels können in den verschiedenen Schulformen, was ihre inhaltliche Tiefe anbelangt, unterschiedlich unterrichtet werden. Weiterhin liegt dem Beitrag die Annahme zugrunde, dass sich die Lehrpläne mit unterschiedlichen Konzeptionen und Vorstellungen über ökonomische Bildung unter einem gemeinsamen Kategoriensystem analysieren lassen. Dies kann insofern kritisch betrachtet werden, als dass die Einordnung von Textstellen durch Missinterpretationen verzerrt werden könnte. So zeigen die Curricula bspw. bei den Operatoren der Kompetenzziele Unterschiede in ihrer Bedeutung auf. Dies konnte bei der Untersuchung der Lehrpläne berücksichtigt werden, da zumeist eine Beschreibung der Operatoren in den Curricula enthalten ist und somit ein Abgleich mit dem Kategoriensystem möglich ist. Einschränkend ist anzumerken, dass die Studie nur zehn der 16 Bundesländer inkludiert. Bei der Auswahl wurde daher auf eine geografisch, politisch, demografisch und fachstrukturell ausgewogene Verteilung geachtet. Für die Prüfung instruktionaler Kohärenz im Sinne der Kohärenz instruktionaler Aktivitäten wäre es in einem weiteren Schritt relevant, schulinterne Curricula auf Grundlage des hier verwendeten Kategoriensystems zu analysieren. Dies würde Aufschluss über den Grad der Umsetzung der intendierten curricularen Ziele in den verschiedenen Schulformen geben.

Die hier vorgestellten Ergebnisse sind zudem stetigen Veränderungen unterworfen. Curriculare Neufassungen in den Bundesländern können die Befunde verändern. Deshalb ist eine fortlaufende Analyse nötig. Diese eröffnet jedoch eine Längsschnittperspektive, die es erlaubt, die inhaltlichen und kognitiven Veränderungen in den Kompetenzzielen der Lehrpläne über die Zeit zu beobachten. Neben methodischen Limitationen ist anzumerken, dass durch curriculare Untersuchungen nur Inhaltsbereiche betrachtet werden können, die in diesen auch enthalten sind. So stellt sich die Frage nach der fachwissenschaftlichen Aktualität von Lehrplänen.

Neben den Limitationen in der inhaltlichen Vergleichbarkeit der Kernlehrpläne müssen auch die Rahmenbedingungen der Unterrichtsfächer in den Blick genommen werden. Die Fächerverankerung reicht von der konsequenten Etablierung von Einzelfächern in zum Beispiel Baden-Württemberg und Bayern bis hin zu einer Mischung aus Einzelfächern, Fächerverbünden und Fachbestandteilen (bspw. Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen). Hinsichtlich der Stundentafel zeigen sich ebenfalls große Unterschiede, bezogen auf die Bundesländer. Gemäß KMK (2020) sollen auf die gesellschaftswissenschaftlichen Unterrichtsfächer prinzipiell 16 Wochenstunden und für die Hauptschule 13 Wochenstunden entfallen. In Anbetracht dessen, dass zum gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht neben dem Fach Wirtschaft die Schulfächer Geschichte, Politik und Geographie gehören, müssten durchschnittlich vier Wochenstunden auf das Fach Wirtschaft entfallen. Loerwald et al. (2021) stellen jedoch fest, dass kein Bundesland diese Anforderungen zu erfüllen vermag. Weber (2023) konstatiert, dass ein Großteil des Stundenkontingents auf das Fach Geschichte und Erdkunde entfällt. Ferner ist davon auszugehen, dass in Fächerverbünden oder Fachbestandteilen die zur Verfügung stehende Wochenstundenanzahl für wirtschaftliche Inhalte nochmals geringer ausfällt. Der hohe Anteil an fachfremd erteiltem Unterricht in Schulfächern mit wirtschaftlichem Bezug wirft zudem die Frage auf, inwieweit das intendierte Curriculum in der Instruktionspraxis fachdidaktisch adäquat umgesetzt werden kann (Gökbudak und Hedtke 2018; Kirchner 2016). Die Ergebnisse zu den codierten Häufigkeiten unterliegen somit insofern Verzerrungen, als dass die Häufigkeitswerte der einzelnen Lehrpläne gleichwertig in die Analyse eingeflossen sind. Künftig sollte eine Gewichtung nach Anzahl der Wochenstunden vorgenommen werden, wobei diese bei Fächerverbünden oder bei Fachbestandteilen nur geschätzt werden können.

Die Ergebnisse geben darüber hinaus aber auch Anlass dazu, curriculare Entwicklungsprozesse stärker in den Blick zu nehmen. Curricula legen Ziele und Inhalte des Fachunterrichts fest; In diesen werden übergeordnete Bildungsziele mit fachlichen Kompetenzanforderungen verknüpft. Die Deutung der Curricula und ihre instruktionale Umsetzung in didaktisch-methodischen Lehr-Lernsettings findet oft auf Ebene der einzelnen Schule statt. Damit dies gelingt, muss Klarheit über die Intension und die Intention eines Curriculums bestehen. Domänenmodelle, die fachinhaltliche Strukturen, fachsystematische Zugänge sowie lernpsychologische Faktoren zusammenfassend berücksichtigen, können praktische Hilfestellungen bei der Evaluation von Curricula auf Ebene eines Bundeslandes und einer Schulform, aber auch – dies hat die vorliegende Untersuchung gezeigt – über Landes- und Schulformgrenzen hinweg geben. Aus unserer Perspektive eignen sich Domänenmodelle (1) als Referenzpunkt für den Dialog zwischen Akteuren, die an der Lehrplanentwicklung beteiligt sind und solchen, die Lehrpläne in schulinterne Curricula übersetzen. Sie schaffen (2) eine gemeinsame Basis für die Gestaltung von fachbezogenen Lehrerfortbildungen und sie erlauben (3) einen systematischen Einblick in aktuelle Fachdiskurse als Grundlage für curriculare Modernisierungen. Die Weiterentwicklung der Curricula obliegt in der Regel den Landesinstituten. Die Bildungsforschung kann über wissenschaftlich fundierte Analysen der Domäne dabei unterstützen, die angestrebte Intention und Intension curricularer Arbeit zu implementieren und so einen Beitrag dazu leisten, dass curriculare Inhalte in erfolgreiche Instruktionsprozesse überführt werden können, um eine Kohärenz der instruktionalen Aktivitäten zu entwickeln.

Neben Beiträgen zur Curriculumforschung eröffnen Domänenmodelle und deren Befunde zur curricularen Repräsentanz in geringstrukturierten Domänen die Möglichkeit, diese als Grundlage zur Konstruktion von Testinstrumenten zu nutzen. Die Analyse von sowohl Fachinhalten als auch der in den Curricula angelegten intendierten kognitiven Prozesse kann ein nützlicher Baustein sein, um das Testinstrument hinsichtlich seiner inhaltlichen Ausgestaltung und kognitiven Komplexität schüleradäquat zu operationalisieren. Hierzu könnten diese quantitativ in Zusammenhang gestellt werden. So könnten sich typische Zusammenhangsmuster und Unterschiede hinsichtlich des intendierten Kompetenzerwerbs in den Curricula der wirtschaftlichen Bildung identifizieren, die neben der Testkonstruktion auch für eine valide Testwertinterpretation der Befunde hinsichtlich der curricularen wie auch der Konstruktvalidität von Bedeutung sein können.