Vorwort

Der Begriff „Notfallmedizin“ wird in Deutschland bis heute häufig mit der Tätigkeit im Rettungsdienst assoziiert. Jedoch ist die Notfallmedizin in Deutschland heutzutage weit mehr und umfasst neben der prähospitalen Notfallmedizin – dem Rettungsdienst oder besser der Rettungsmedizin – die sektoren- und gebietsübergreifende klinische Akut- und Notfallmedizin in Notfallzentren, Notaufnahmen und Notfallkliniken.

Die Bedeutung der klinischen Akut- und Notfallmedizin im Gesundheitssystem zeigt sich bei der wichtigen Weiterentwicklung der Strukturen in Anlehnung an den Beschluss des gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zu einem gestuften System von Notfallstrukturen [1]. Der in der Notaufnahme tätige Arzt muss ein breites Spektrum an fächerübergreifendem theoretischem Wissen (Methoden- bzw. kognitive Kompetenzen) und praktischen Fähigkeiten (Handlungskompetenzen) beherrschen.

In einigen europäischen Ländern existiert ein „Facharzt für Unfall- und Notfallmedizin“, in anderen ein „Facharzt für Notfallmedizin“. Die europäischen notfallmedizinischen Gesellschaften haben dafür ein Curriculum erstellt, in dem stichwortartig das breite Spektrum der Notfallmedizin symptomen- und befundorientiert dargestellt ist; eine deutsche Curriculumversion hat die Deutsche Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin e. V. (DGINA) ausgearbeitet [2]. In Deutschland basiert dagegen die Weiterbildung zur Tätigkeit in der Notfallmedizin auf einer Facharztqualifikation – z. B. Innere Medizin – ergänzt durch die Zusatz-Weiterbildung (Z-WB) „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ (erwerbbar nach der Facharztweiterbildung) und die am prähospitalen Rettungsdienst orientierte Z‑WB „Notfallmedizin“ (erwerbbar bereits während der Facharzt-Weiterbildung; siehe 1.3.1. und 1.3.2.). Die erforderlichen Qualifikationen sind in den beiden Z‑WB der Bundesärztekammer (BÄK) stichwortartig aufgeführt.

Eine zentrale Säule in der gebietsübergreifenden Versorgung stellt das Gebiet der Inneren Medizin mit seinen Schwerpunkten dar. In großen zentralen Notaufnahmen oder Notfallzentren fällt mindestens die Hälfte aller Patienten entsprechend ihrer Diagnosen in den internistisch-konservativen Bereich [3,4,5]. Die Bedeutung der Inneren Medizin in der klinischen Akut- und Notfallmedizin [6] wird aufgrund der demografischen Entwicklung mit einer zunehmenden Zahl betagter Notfallpatienten an Bedeutung weiter zunehmen [3, 7]. Viele Akut- und Notfallpatienten weisen in der Regel mehrere prognoserelevante internistische Begleiterkrankungen auf, die im Rahmen der Behandlung ebenfalls berücksichtigt werden müssen.

Die BÄK wird dem Stellenwert der Inneren Medizin in der klinischen Akut- und Notfallmedizin insofern gerecht, als dass die (Muster‑)Weiterbildungsordnung ([M-]WBO) zum Facharzt für Innere Medizin bzw. für Innere Medizin und Schwerpunkt einen gut fundierten, ausführlichen notfall- und intensivmedizinischen Weiterbildungsblock vorsieht, mit einer verpflichtenden 6‑monatigen Tätigkeit unter Anleitung in der klinischen Akut- und Notfallmedizin und einer 6‑monatigen Tätigkeit unter Anleitung in der Intensivmedizin.

Allerdings kann der Weiterbildungsblock im Rahmen der internistischen Weiterbildung nicht das gesamte Spektrum der klinischen Akut- und Notfallmedizin abbilden, sodass der Internist, der zukünftig im Bereich der Notfallmedizin tätig sein möchte, im Anschluss an die Facharztqualifikation die bereits genannte Z‑WB „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ und ggf. auch schon während seiner Facharztweiterbildung die Z-WB „Notfallmedizin“ zu absolvieren hat (siehe 1.3.1. und 1.3.2).

Das vorliegende Curriculum „Klinische Akut- und Notfallmedizin – Schwerpunkt Innere Medizin“ zu Ausbildungsinhalten der Inneren Medizin in der Notaufnahme der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) samt deren Schwerpunktgesellschaften sowie des Berufsverbands Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI) unter Einbeziehung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) dient einerseits dazu, Empfehlungen zu Ausbildungsinhalten der Inneren Medizin in der Notaufnahme zu geben. Insbesondere dient es aber dazu, die internistischen Inhalte der Zusatz-Weiterbildung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ (siehe 1.3.2.) „mit Leben zu füllen“, die relevanten internistischen akut- und notfallmedizinischen Themen zu benennen, die Lerninhalte zu deklarieren und letztendlich einen umfassenden Überblick über die internistischen Inhalte der Akut- und Notfallmedizin zu geben. Auch die Weiterbildungsinhalte der Z‑WB „Notfallmedizin“ (siehe unter 1.3.1.) werden im Curriculum ausgewiesen und benannt. Dieses Curriculum kann zudem als Leitfaden für den Erwerb der erforderlichen Kenntnisse genutzt werden und es definiert und kategorisiert die notwendigen praktischen Fähigkeiten für eine bestmögliche Versorgung der akut- und notfallmedizinischen Patienten aus internistischer Sicht.

Das Curriculum repräsentiert umfassend die Position und das Verständnis der DGIIN, der DGIM samt Schwerpunktgesellschaften sowie des BDI, welche Expertise, Kenntnisse, Fertigkeiten und auch berufsethische Qualitäten künftige Notfallmediziner in der Inneren Medizin besitzen sollen. Die Gliederung des Curriculums in einen allgemeinen und einen schwerpunktspezifischen Teil ermöglicht es dem Weiterzubildenden, die Notfallmedizin nicht nur als Beseitigung eines akuten „Problems“ zu sehen, sondern als möglichst früher Beginn – bereits in der Notaufnahme – der Behandlung der dem „Problem“ zugrunde liegenden internistischen Erkrankung. Die Autoren erhoffen sich zudem, dass dieses Curriculum auch bei berufspolitischen und standesorganisatorischen Fragestellungen sowie Diskussionen entsprechende Berücksichtigung finden wird.

Für die Vorstände der DGIIN, der DGIM und deren Schwerpunktgesellschaften sowie des BDI inkl. DGG und DGP (Palliativmedizin).

  • Prof. Dr. Matthias Kochanek, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin e. V. (DGIIN)

  • Prof. Dr. Andreas Neubauer, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM)

  • Prof. Dr. Wulf Ito, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin e. V. (DGA)

  • Prof. Dr. Günter Stalla, Past-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie e. V. (DGE)

  • Prof. Dr. Heiner Wedemeyer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e. V. (DGVS)

  • Prof. Dr. med. univ. Markus Gosch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie e. V. (DGG)

  • Prof. Dr. Hermann Einsele, Geschäftsführender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. (DGHO)

  • Prof. Dr. Bernd Salzberger, Past-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie e. V. (DGI)

  • Prof. Dr. Holger Thiele, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK)

  • Prof. Dr. Hermann Pavenstädt, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie e. V. (DGfN)

  • Prof. Dr. Claudia Bausewein, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin e. V. (DGP)

  • Prof. Dr. Wolfram Windisch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP)

  • Prof. Dr. Christof Specker, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e. V. (DGRh)

  • Christine Neumann-Grutzeck, Präsidentin des Berufsverbands Deutscher Internistinnen und Internisten e. V. (BDI)

Inhaltsverzeichnis

1.:

Weiterbildung „Klinische Akut- und Notfallmedizin – Schwerpunkt Innere Medizin“

1.1.:

Die (Muster‑)Weiterbildungsordnung ([M-]WBO) der Bundesärztekammer

1.2.:

Klinische Akut- und Notfallmedizin in der (M-)WBO zum Facharzt für Innere Medizin und zum Facharzt für Innere Medizin und Schwerpunkt

1.3.:

Akut- und notfallmedizinische Zusatz-Weiterbildungen (Z‑WB) der Bundesärztekammer (BÄK)

1.3.1.:

Zusatz-Weiterbildung (Z‑WB) „Notfallmedizin“

1.3.2.:

Zusatz-Weiterbildung (Z‑WB) „Klinische Akut- und Notfallmedizin“

1.4.:

Empfehlung zu Weiterbildungsinhalten der Inneren Medizin in der Notaufnahme

2.:

Adressaten des Curriculums „Klinische Akut- und Notfallmedizin – Schwerpunkt Innere Medizin“

2.1.:

Weiterzubildende

2.2.:

Weiterbilder

2.3.:

Gremien und Ärztekammern

3.:

Erforderliche Qualifikationen

3.1.:

Theoretische Kenntnisse – praktische Fähigkeiten – professionelles Verhalten

3.2.:

Kompetenzgraduierung – Level I, II und III

4.:

Durchführung der Z‑WB für Internisten und Schwerpunktinternisten unter Einbeziehung des Curriculums

4.1.:

Weiterbildungsinhalte und Weiterbildungsdauer

4.2.:

Aktivitätsnachweise und Einbindung von DGIIN, DGIM und BDI

4.3.:

Mindestmengen

5.:

Curriculum: Anforderungen an den Weiterzubildenden

6.:

Curriculum: Anforderungen an den Weiterbilder und an die Weiterbildungsstätte

7.:

Curriculum: Dokumentation der Zusatz-Weiterbildung

8.:

Curriculum: Akkreditierung der Weiterbildungsstätte

9.:

Zertifizierung des Weiterzubildenden

10.:

Vorgesehene Aktualisierung des Curriculums

11.:

Ziele des Curriculums: internistische Weiterbildungsinhalte der Akut- und Notfallmedizin umfassend und aktuell präsentieren!

11.1.:

Allgemeine Aspekte der Klinischen Akut- und Notfallmedizin – Schwerpunkt Innere Medizin

11.1.1.:

Allgemeiner Teil – Struktur- und Prozessqualität (Tab. 1)

11.1.2.:

Allgemeiner Teil – Erstdiagnostik, Initialtherapie und Indikationsstellung zur weiterführenden Behandlung (Tab. 2)

11.1.3.:

Allgemeiner Teil – Schockraumversorgung (Tab. 3)

11.1.4.:

Allgemeiner Teil – Diagnostik und Monitoring (Tab. 4)

11.1.5.:

Allgemeiner Teil – generelle Therapieverfahren (Tab. 5)

11.1.6.:

Allgemeiner Teil – Hygienemaßnahmen (Tab. 6)

11.1.7.:

Allgemeiner Teil – Pharmakotherapie (Tab. 7)

11.2.:

Angiologische Aspekte in der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 8)

11.3.:

Endokrinologische, diabetologische und metabolische Aspekte in der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 9)

11.4.:

Gastroenterologische Aspekte in der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 10)

11.5.:

Geriatrische Aspekte in der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 11)

11.6.:

Hämatoonkologische Aspekte in der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 12)

11.7.:

Infektiologische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 13)

11.8.:

Kardiologische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 14)

11.9.:

Nephrologische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 15)

11.10.:

Palliativmedizinische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 16)

11.11.:

Pneumologische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 17)

11.12.:

Rheumatologische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 18)

11.13.:

Toxikologische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 19)

1. Weiterbildung „Klinische Akut- und Notfallmedizin – Schwerpunkt Innere Medizin“

1.1. Die (Muster‑)Weiterbildungsordnung ([M-]WBO) der Bundesärztekammer

  • Der Begriff „Weiterbildung“ im engeren Sinne ist ein Terminus der (Muster‑)Weiterbildungsordnung ([M-]WBO) mit Prüfungsabschluss, für die die Bundesärztekammer und die Landesärztekammern verantwortlich zeichnen. Die Präambel der (M-)WBO führt dazu Folgendes an [8]: „Ärztliche Weiterbildung beinhaltet das Erlernen spezieller ärztlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten nach abgeschlossenem Studium der Humanmedizin und nach Erteilung der Erlaubnis zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit. Im Interesse der Patienten werden die in der Ausbildung geprägten ärztlichen Kompetenzen und Haltungen während der Weiterbildung vertieft. Kennzeichnend für die Weiterbildung ist die vertiefende Anwendung ärztlicher Kenntnisse in der Berufsausübung. Die Weiterbildung erfolgt in strukturierter Form, um in Gebieten die Qualifikation als Facharzt, darauf aufbauend eine Spezialisierung in Schwerpunkten oder in einer Zusatz-Weiterbildung zu erhalten … Die Weiterbildung wird in angemessen vergüteter hauptberuflicher Ausübung der ärztlichen Tätigkeit an zugelassenen Weiterbildungsstätten durchgeführt. Sie erfolgt unter Anleitung befugter Ärzte in praktischer Tätigkeit und theoretischer Unterweisung sowie teilweise durch die erfolgreiche Teilnahme an anerkannten Kursen … Die Weiterbildungsbezeichnung ist der Nachweis für erworbene Kompetenz. Sie dient der Qualitätssicherung der Patientenversorgung und der Bürgerorientierung.“

  • Die Novellierung der (Muster‑)Weiterbildungsordnung ([M-]WBO) der Bundesärztekammer ist im November 2018 mit der Publikation [8] erfolgreich zum Abschluss gebracht worden. Die (M-)WBO beinhaltet neben der Gebiets‑, Facharzt- und Schwerpunkt-Weiterbildung auch die darauf aufbauenden Zusatz-Weiterbildungen (Z‑WB), die gebietsübergreifend erworben werden können. Derzeit erarbeitet die Bundesärztekammer für alle Weiterbildungsordnungen inkl. der Zusatz-Weiterbildungen den sog. fachlich empfohlenen Weiterbildungsplan (FEWP) zur Konkretisierung der Weiterbildungsinhalte. Die FEWPs werden nach Fertigstellung in die Weiterbildungsordnungen als Ergänzung der kognitiven und Methodenkompetenz- und Handlungskompetenzspalten integriert werden.

  • Die Fachgesellschaften haben die Möglichkeit, bei einer Aktualisierung der (M-)WBO („Novellierung“) durch die BÄK beratend die Weiterbildungsinhalte mit zu definieren: In Vorbereitung einer Novellierung der (M-)WBO durch die BÄK werden die Fachgesellschaften von der BÄK aufgefordert, Vorschläge hinsichtlich der Weiterbildungsinhalte zu unterbreiten. Nach Fertigstellung der Novellierung durch die BÄK legt diese die (M-)WBO-Novellierung dem Ärztetag zur Beschlussfassung vor. Nach Zustimmung des Ärztetags leitet die BÄK die novellierte (M-)WBO als „Muster“-Vorschlag den Landesärztekammern zur Umsetzung zu, wobei diese die Möglichkeit haben, durch Modifikationen die (M-)WBO der BÄK in die definitive Weiterbildungsordnung für ihren jeweiligen Ärztekammerbereich (WBO) umzugestalten. In dieser Phase besteht wiederum für Mitglieder der Fachgesellschaften, die in Gremien der Landesärztekammer mitarbeiten, die Möglichkeit – dieses Mal auf der Ebene der jeweiligen Landesärztekammer – beratend Modifikationen der Weiterbildungsinhalte vorzuschlagen.

1.2. Klinische Akut- und Notfallmedizin in der (M-)WBO zum Facharzt für Innere Medizin bzw. zum Facharzt für Innere Medizin und Schwerpunkt

  • In der (M-)WBO zum Facharzt für Innere Medizin bzw. zum Facharzt für Innere Medizin und Schwerpunkt [8] ist festgelegt, dass jeder zukünftige Facharzt im Rahmen seiner 60- bzw. 72-monatigen Weiterbildungszeit unter Befugnis im Gebiet Innere Medizin 6 Monate in der Notfallaufnahme und 6 Monate in der Intensivmedizin ableisten muss.

Die notfallmedizinische Weiterbildung im Rahmen der Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin und zum Facharzt für Innere Medizin und Schwerpunkt ist eine gute Basis für die Mitarbeit im Bereich der Akut- und Notfallmedizin zur Behandlung internistischer Patienten und zur Mitbehandlung internistischer Komorbiditäten bei nichtinternistischen Patienten.

  • Notfall- und intensivmedizinische Maßnahmen im Gebiet Innere Medizin:

    Die gemeinsamen Inhalte der Facharztweiterbildungen im Gebiet Innere Medizin sind für die Notfall- und Intensivmedizin im Folgenden zusammengefasst.

    • Kognitive und Methodenkompetenz (Kenntnisse):

      • Differenzierte Beatmungstechniken.

    • Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten):

      • Stufendiagnostik und Therapie bei akut einsetzenden Leitsymptomen, z. B. Dyspnoe, Thoraxschmerz, Bauchschmerz, passagere und persistierende Bewusstseinsstörungen, Fieber, Erbrechen, Durchfall;

      • Diagnostik und Therapie akuter und vital bedrohlicher Erkrankungen und Zustände insbesondere respiratorische Insuffizienz, Schock, kardiale Insuffizienz, akutes Nierenversagen, sonstige Ein- und Mehrorganversagen, Koma und Delir, akute Enzephalopathie, Sepsis und Intoxikationen;

      • Kardiopulmonale Reanimation;

      • intensivmedizinische Behandlung von Patienten mit Funktionsstörungen von mindestens 2 vitalen Organsystemen;

      • Analgosedierung von intensivmedizinischen Patienten;

      • atemunterstützende Maßnahmen bei intubierten und nichtintubierten Patienten einschließlich Beatmungsentwöhnung bei langzeitbeatmeten Patienten;

      • Therapie von Stoffwechselentgleisungen;

      • Notfallsonographie;

      • Notfallbronchoskopie;

      • passagere Schrittmacheranlage;

      • Punktions- und Katheterisierungstechniken (insbesondere zentralvenöse Zugänge und arterielle Gefäßzugänge).

  • Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie: Neben den gemeinsamen Inhalten zur Notfall- und Intensivmedizin für alle internistischen WBOs (siehe oben) enthält die WBO für den Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie noch zusätzlich einen Weiterbildungsblock für kardiovaskuläre Notfall- und Intensivmedizin.

    • Kognitive und Methodenkompetenz (Kenntnisse):

      • Herzunterstützende Verfahren.

    • Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten):

      • Behandlung des Herz-Kreislauf-Versagens in der Akutphase;

      • Management der Postreanimationsphase;

      • Akutbehandlung von Patienten mit akuten und bedrohlichen Herz-Kreislauferkrankungen, insbesondere akutes Thoraxschmerzsyndrom, auch in Notaufnahme und Chest Pain Unit, Intermediate Care und internistischer Intensivmedizin;

      • invasives hämodynamisches Monitoring;

      • Organ-unterstützende Verfahren, z. B. nichtinvasive und invasive Beatmung, intraaortale Ballongegenpulsation, perkutane Herz-Lungen-Maschine, extrakorporale Membranoxygenierung, perkutane Herzunterstützungssysteme;

      • Akutbehandlung des Herz-Kreislauf-Schocks, insbesondere des kardiogenen Schocks;

      • Mitbehandlung des Multiorgan-Dysfunktions-Syndroms.

  • Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie: Neben den gemeinsamen Inhalten zur Notfall- und Intensivmedizin für alle internistischen WBOs (siehe oben) enthält die WBO für den Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie noch zusätzlich einen Weiterbildungsblock für Infektiologische Notfälle.

    • Kognitive und Methodenkompetenz (Kenntnisse):

      • Akute lebensbedrohliche Infektionen und infektiologische Notfälle.

    • Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten):

      • Beurteilung des Schweregrads von Infektionen;

      • Erkennung und Behandlung einschließlich Erstversorgung von Infektionen mit hoher Kontagiosität;

      • interdisziplinäre Beratung und Akutbehandlung bei lebensbedrohlichen Infektionen;

      • Erkennung und Therapie der Sepsis und des septischen Schocks, auch in interdisziplinärer Zusammenarbeit.

1.3. Akut- und notfallmedizinische Zusatz-Weiterbildungen (Z-WB) der Bundesärztekammer (BÄK)

Für die Tätigkeiten in der prähospitalen und klinischen Akut- und Notfallmedizin hat die Bundesärztekammer 2 Zusatz-Weiterbildungen geschaffen, die Z‑WB „Notfallmedizin“ und die Z-WB „Klinische Akut- und Notfallmedizin“. Die Z‑WB „Notfallmedizin“ kann bereits während einer Facharztausbildung absolviert werden und fokussiert mit den 50 Notarzteinsätzen vor allem auf die „Erkennung drohender oder eingetretener Notfallsituationen und die Behandlung von Notfällen sowie die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung akut bedrohter Vitalfunktonen.“ Dagegen vermittelt die Z‑WB „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ einem fertigen Facharzt die zusätzlichen interdisziplinären Kompetenzen zur „Erstdiagnostik und Initialtherapie von Notfall- und Akutpatienten im Krankenhaus sowie zur Indikationsstellung und Koordination der weiterführenden fachspezifischen Behandlung in interdisziplinärer Zusammenarbeit.“

1.3.1. Zusatz-Weiterbildung (Z-WB) „Notfallmedizin“ [8]

  • Definition: „Die Zusatz-Weiterbildung Notfallmedizin umfasst die Erkennung drohender oder eingetretener Notfallsituationen und die Behandlung von Notfällen sowie die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung akut bedrohter Vitalfunktionen.“

  • Die Mindestanforderungen gemäß § 11 MWBO für diese Z‑WB sind 24 Monate Weiterbildung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung im stationären Bereich unter Befugnis an Weiterbildungsstätten, davon 6 Monate in der Intensivmedizin oder Anästhesiologie plus 80 h-Kurs-Weiterbildung gemäß § 4 Abs. 8 in allgemeiner und spezieller Notfallbehandlung plus anschließend 50 Notarzteinsätze im öffentlichen Rettungsdienst (Notarzteinsatzfahrzeug oder Rettungshubschrauber) unter Anleitung eines verantwortlichen Notarztes, davon können bis zu 25 Einsätze im Rahmen eines standardisierten Simulationskurses erfolgen.

  • Die Weiterbildungsinhalte der Z‑WB gliedern sich in

    • organisatorische, einsatztaktische Grundlagen;

    • die Untersuchung des Notfallpatienten;

    • Leitsymptome: Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten) in der Einleitung einer symptomorientierten Erstbehandlung bei → Bewusstseinsstörungen/neurologischen Defiziten, → akuter Atemnot, → Brustschmerz, → Blutungen, → Schock, → Herzrhythmusstörungen, → akutem Abdomen/Bauchschmerzen, → psychischen Störungen, → Fieber;

    • diagnostische Maßnahmen: Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten) → Durchführung und Befunderstellung des Elektrokardiogramms im Notfall, → Applikation und Bewertung des Basismonitorings einschließlich Besonderheiten des kindgerechten Monitorings beim Transport, Messung und Bewertung der Kapnometrie und Kapnographie;

    • therapeutische Maßnahmen: kognitive und Methodenkompetenz (Kenntnisse) u. a. in Grundlagen der transkutanen Schrittmachertherapie; Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten) u. a. bei der Durchführung von Defibrillation oder Kardioversion, auch als Simulation.

1.3.2. Zusatz-Weiterbildung (Z-WB) „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ [8, 9]

  • Definition: „Die Zusatz-Weiterbildung Klinische Akut- und Notfallmedizin umfasst in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz die Erstdiagnostik und Initialtherapie von Notfall- und Akutpatienten im Krankenhaus sowie die Indikationsstellung und Koordination der weiterführenden fachspezifischen Behandlung in interdisziplinärer Zusammenarbeit.“ [8].

  • Die Mindestanforderungen gemäß § 11 MWBO für diese Z‑WB sind die Facharztanerkennung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung plus 6 Monate Intensivmedizin, die auch während der Facharztweiterbildung abgeleistet werden können, plus 80 h-Kurs-Weiterbildung gemäß § 4 Abs. 8 in allgemeiner und spezieller Notfallbehandlung plus 24 Monate klinische Akut- und Notfallmedizin in einer interdisziplinären Notfallaufnahme unter Befugnis an Weiterbildungsstätten [8].

  • Die Weiterbildungsinhalte der Z‑WB gliedern sich in

    • übergreifende Inhalte;

    • symptomorientierte Erstdiagnostik und Initialtherapie;

    • alters- und geschlechtsspezifische Notfälle (Kindes- und Jugendalter, Schwangerschaft, geriatrische Patienten);

    • notfallmedizinische Kernverfahren;

    • organbezogene und spezifische Notfallsituationen.

      Die Weiterbildungsinhalte zu organbezogenen und spezifischen Notfallsituationen beinhalten keine Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten), wohl aber kognitive und Methodenkompetenz (Kenntnisse) in Form der Differenzialdiagnostik und Therapieoptionen organbezogener Notfälle:

      → kardiovaskuläre Notfälle, → hämatologische und onkologische Notfälle; → immunologische Notfälle, → Infektionskrankheiten und Sepsis, → endokrine und metabolische Notfälle, → Flüssigkeits- und Elektrolytstörungen; → gastrointestinale und hepatologische Notfälle, → respiratorische Notfälle; → nephrologische und urologische Notfälle, → dermatologische Notfälle; → Notfälle im Hals‑, Nasen‑, Ohren‑, Mund- und Nackenbereich; → gynäkologische Notfälle, → muskuloskelettale Notfälle, → neurologische Notfälle, → neurochirurgische Notfälle, → ophthalmologische Notfälle; → psychiatrische Notfälle und Verhaltensstörungen, → Trauma (stumpf/penetrierend), → akute Notfälle durch Umwelteinflüsse, thermische, hyper- und hypobare Exposition und elektrischen Strom.

1.4. Empfehlung zu Weiterbildungsinhalten der Inneren Medizin in der Notaufnahme

  • Das vorliegende Curriculum beschreibt die internistischen Weiterbildungsinhalte der präklinischen und klinischen Akut- und Notfallmedizin, die für die Betreuung internistischer akut- und notfallmedizinischer Patienten zu erwerben sind, aber auch für die Mitbetreuung nichtinternistischer Akut- und Notfallpatienten – Patienten mit internistischen Komorbiditäten und bei internistischen Notfällen – beherrscht werden sollen. Das Curriculum wurde gemeinsam von Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensiv- und Notfallmedizin (DGIIN), der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) samt deren Schwerpunktgesellschaften sowie des Berufsverbands Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI) erstellt. Das Curriculum soll dem Facharzt für Innere Medizin bei der Absolvierung der Zusatz-Weiterbildung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ die Weiterbildungsinhalte aus dem Bereich der Inneren Medizin aufzeigen. Das Curriculum inkludiert auch die internistischen Weiterbildungsinhalte der auf die präklinische Notfallmedizin fokussierten Zusatz-Weiterbildung „Notfallmedizin“. Selbstredend umfasst dieses Curriculum nur die internistischen Weiterbildungsinhalte und nicht das gesamte restliche notfallmedizinische Spektrum.

  • Die aufgeführten Weiterbildungsinhalte berücksichtigen auch die entsprechenden Weiterbildungsinhalte des European Core Curriculum for Emergency Medicine der European Society for Emergency Medicine und der Section for Emergency Medicine der European Union of Medical Specialists (UEMS; [2] sowie internationale Weiterbildungskonzepte [10]).

2. Adressaten des Curriculums „Klinische Akut- und Notfallmedizin – Schwerpunkt Innere Medizin“

2.1. Weiterzubildende

Ziel dieses Curriculums ist es, aus Sicht der DGIIN, der DGIM samt deren Schwerpunktgesellschaften, des BDI und unter Einbeziehung der Palliativmedizin aufzuzeigen, welche Kompetenzen auf dem Gebiet der internistischen Akut- und Notfallmedizin heutzutage benötigt werden. Dem in den Z‑WB „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ oder „Notfallmedizin“ Weiterzubildenden soll das Curriculum die Möglichkeit geben, seine Zusatzweiterbildungszeit hinsichtlich der internistischen Weiterbildungsinhalte so effizient wie möglich zu strukturieren, sich gut auf die Prüfung vorzubereiten und das Erlernte anschließend im Sinne eines „berufslebenslangen“ Qualifizierens zu bewahren und auszubauen. Wie bereits im Vorwort ausgeführt erlaubt die Gliederung des Curriculums in einen allgemeinen und einen schwerpunktspezifischen Teil es dem Weiterzubildenden, die Notfallmedizin nicht nur als Beseitigung eines akuten „Problems“ zu sehen, sondern als möglichst früher Beginn der Behandlung der dem „Problem“ zugrunde liegenden internistischen Erkrankung bereits in der Notaufnahme.

2.2. Weiterbilder

Das Curriculum möchte aber nicht nur die Weiterzubildenden, sondern auch die Weiterbilder in den Z‑WBs „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ sowie „Notfallmedizin“ erreichen und aufzeigen, welche internistischen Inhalte und Fertigkeiten nach Ansicht von DGIIN, DGIM und BDI in den Z‑WB vermittelt werden sollen, um alle Aspekte der Inneren Medizin in der Akut- und Notfallmedizin für die Patienten bestmöglich einsetzen zu können.

2.3. Gremien und Ärztekammern

Und schließlich soll das Curriculum den für die Zusatz-Weiterbildungen verantwortlichen Gremien der Ärztekammern das breite Spektrum der internistischen Akut- und Notfallmedizin aufzeigen, das nach Ansicht von DGIIN, DGIM und BDI in die Z‑WBs „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ bzw. „Notfallmedizin“ einfließen soll.

3. Erforderliche Qualifikationen

3.1. Theoretische Kenntnisse – praktische Fähigkeiten – professionelles Verhalten

Die Qualifikation der Weiterzubildenden wird durch „theoretische Kenntnisse“ („knowledge“; TK), „praktische Fähigkeiten“ („skills“; PF) und beruflich-professionelles Verhalten („behaviours and attitudes“; BV) erworben und aufrechterhalten. Diese Klassifizierung „knowledge“, „skills“ und „behaviours and attitudes“ ist international akzeptiert [11, 12] und auch auf nationaler Ebene – z. B. in Deutschland [13] – im Einsatz. Die Bundesärztekammer [8] verwendet in der (M-)WBO die Begriffe „Kognitive und Methodenkompetenz – Kenntnisse“ und „Handlungskompetenz – Erfahrungen und Fertigkeiten“, die unschwer mit den in diesem Curriculum verwandten Begriffen „theoretische Kenntnisse“ und „praktische Fähigkeiten“ gleichgesetzt werden können. Dagegen ist der für den Berufsalltag wichtige Weiterbildungsinhalt „beruflich-professionelles Verhalten“ in der (M-)WBO nicht explizit abgebildet.

Die TK-PF-BV-Einteilung bildet die Basis der Klassifikation dieses Curriculums. Dieses standardisierte Vorgehen erleichtert den Vergleich der Zusatzweiterbildungsinhalte der Akut- und Notfallmedizin mit den Weiterbildungsinhalten der internistischen Intensivmedizin [14] und der internistischen Schwerpunkte, z. B. der Kardiologie [13, 15, 16]:

  • Die „theoretischen Kenntnisse“ (TK, „knowledge“) definieren sich aus den stichwortartig aufgeführten Themenschwerpunkten bzw. den kognitiven und Methodenkompetenzen der internistischen Weiterbildungsinhalte der Z‑WB „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ und der Z‑WB „Notfallmedizin“ (siehe Tab. 119). Die theoretischen Wissensanteile sind das essenzielle Fundament der Kompetenzentwicklung.

  • Die „praktischen Fähigkeiten“ (PF, „skills“) bzw. Handlungskompetenzen beschreiben die effektive Anwendung von theoretischem Wissen zur Lösung von Problemen, zu klinischen Entscheidungsfindungen und – aufbauend auf Erfahrung und Training – zur Durchführung von Prozeduren. Simulationstraining (siehe Kurse der DGIIN) im Team stellt eine sinnvolle Ergänzung in der kompetenzorientierten Zusatz-Weiterbildung dar und führt zu einer vertrauensvollen interdisziplinären und interprofessionellen Zusammenarbeit. Die „skills“ sollten sich allerdings nicht allein auf die fachpraktischen, die sog. „hard skills“, beschränken, sondern persönliche, soziale und methodische Kompetenzen, sog. „soft skills“, mit einschließen.

  • Das „beruflich-professionelle Verhalten“ (BV, „behaviours and attitudes“) muss der Akut- und Notfallmediziner lernen und beruflich „leben“ im Umgang mit Patienten und Angehörigen, allen beteiligten Berufsgruppen – sowohl interdisziplinär als auch interprofessionell – und anderen Akteuren im Gesundheitswesen.

3.2. Kompetenzgraduierung – Level I, II und III

Das sehr aufgefächerte gesamte Methodenspektrum der internistischen Inhalte in der Akut- und Notfallmedizin muss zwar von jedem Weiterzubildenden „gewusst“ werden, nicht jeder Akut- und Notfallmediziner kann aber alle Spezialkenntnisse bzw. Techniken der integrierten internistischen Schwerpunktfächer – wie z. B. die Behandlung eines dekompensierten Vitiums oder die extrakorporale Reanimation (eCPR) – selbständig durchführen. Insofern muss hinsichtlich der „Eindringtiefe“ im Beherrschen praktischer Fähigkeiten zwangsläufig eine Selektion vorgenommen werden zwischen dem selbständigen bzw. nichtselbständigen Beherrschen der breiten Palette notfallmedizinischer Methoden und Techniken und dem Wissen um erweiterte Methoden und Techniken im Speziellen. Letztere können einerseits anhand weiterführender, auf dem Curriculum „Klinische Akut- und Notfallmedizin – Schwerpunkt Innere Medizin“ aufbauender Curricula der internistischen Schwerpunktfächer erworben werden, z. B. dem Curriculum „Kardiovaskuläre Intensiv- und Notfallmedizin“ der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK; [15]); andererseits dienen dazu die Empfehlungen fächerübergreifender Konsensuspapiere unter Einbeziehung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), z. B. die Empfehlungen zur extrakorporalen Reanimation (eCPR; [17]).

Hinsichtlich der Kompetenzgraduierung orientiert sich das vorliegende Curriculum ebenfalls an der von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) beschriebenen Graduierung [11] mit den Kompetenzlevels I–III:

  • Kompetenzlevel I für praktische Fähigkeiten („skills“):

    • Erfahrung bei der Auswahl der geeigneten diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen und der Interpretation der erhaltenen Ergebnisse;

    • Erfahrung bei der Suche nach einer geeigneten Behandlung, zu der der Patient überwiesen werden soll;

    • Level I erfordert zwar umfassende theoretische Kenntnisse der Methoden, jedoch keine Beherrschung der Techniken.

  • Kompetenzlevel II für praktische Fähigkeiten („skills“):

    • Level II geht über Level I hinaus: Zusätzlich zur Level-I-Kompetenz soll der Weiterzubildende sich praktische Erfahrungen aneignen und bewahren, aber nur als nichtselbständiger und nicht als eigenverantwortlicher Untersucher (der Weiterzubildende assistiert oder führt eine spezielle Technik oder Prozedur unter Anleitung durch).

  • Kompetenzlevel III für praktische Fähigkeiten („skills“):

    • Level III geht über Level I und Level II hinaus. Der Weiterzubildende soll lernen und die Kompetenz bewahren, eigenständig für ein diagnostisches oder therapeutisches Verfahren die Indikation zu erkennen, die Technik oder die Prozedur durchzuführen, die Daten zu interpretieren und Komplikationen zu beherrschen.

In den Tab. 119 sind die Level-Angaben mit einem * gekennzeichnet.

4. Durchführung der Z‑WBs für Internisten und Schwerpunktinternisten unter Einbeziehung des Curriculums

4.1. Weiterbildungsinhalte und Weiterbildungsdauer

Weiterbildungsinhalte und -dauer für die Z‑WB „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ und die Z‑WB „Notfallmedizin“ sind unter 1.3. beschrieben. Die von DGIIN, DGIM und BDI im Einklang mit den Z‑WB empfohlenen internistischen Weiterbildungsinhalte finden sich im Curriculum.

4.2. Aktivitätsnachweise und Einbindung von DGIIN, DGIM und BDI

  • Obligat ist die Dokumentation der erworbenen Weiterbildungsinhalte für die Z‑WB „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ und die Z‑WB „Notfallmedizin“ entsprechend der WBO der zuständigen Ärztekammer.

  • Der Besuch nationaler und internationaler Fachtagungen/Kongresse mit internistisch-akutmedizinischen und internistisch-notfallmedizinischen Programmteilen ist empfehlenswert. Auf nationaler Ebene bieten sich dabei die Kongresse und Kurse der DGIIN/ÖGIAIN, der DIVI und DGINA an.

  • Die Weiter- und Fortbildungsveranstaltungen und -kurse der DGIIN gehen gezielt auf die im Curriculum genannten Zusatzweiterbildungsinhalte ein.

4.3. Mindestmengen

  • Beim Erlernen von Techniken spielen das persönliche Handanlegen und die praktische Erfahrung eine große Rolle. Zwar ist die Zahl der durchgeführten Untersuchungen keine Garantie dafür, dass die Prozedur vom Weiterzubildenden kompetent beherrscht wird; dennoch vermittelt die Durchführung einer bestimmten Anzahl bei ausgewählten Prozeduren eine gewisse Sicherheit, die in Bezug auf den Patienten gefordert werden muss.

  • Die notfallmedizinischen Weiterbildungsinhalte für das Fachgebiet Innere Medizin enthalten keine entsprechenden Richtzahlen, ebenso wenig wie die Z‑WB „Klinische Akut- und Notfallmedizin“. In der Z‑WB „Notfallmedizin“ werden folgende Richtzahlen genannt: Indikationsstellung und Durchführung von Repositionen bei Frakturen und Luxationen: 5 sowie Sicherung der Atemwege durch endotracheale Intubation einschließlich Videolaryngoskopie: 50.

5. Curriculum: Anforderungen an den Weiterzubildenden

  • Jeder Facharzt, wie z. B der Facharzt für „Innere Medizin“ bzw. „Innere Medizin und Schwerpunkt“, der die Z‑WB „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ anstrebt und anschließend als Akut- und Notfallmediziner arbeiten möchte, soll sich im Rahmen seiner Z‑WB-Zeit die von den Ärztekammern in der WBO geforderte Kognitive und Methodenkompetenz (Kenntnisse) und Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten) aneignen. Das vorliegende Curriculum versucht, die von den Ärztekammern vorgeschriebenen internistischen Weiterbildungsinhalte entsprechend den Vorstellungen von DGIIN, DGIM und BDI anhand der geforderten theoretischen Kenntnisse, der praktischen Fähigkeiten und des beruflich professionellen Verhaltens „mit Leben zu füllen“.

  • Hilfreich – sowohl für die Teamarbeit als auch für die Patientensicherheit – sind auch das Lernen mit digitalen Medien [18] und Ausbildungskonzepte, die eine Simulation von Fällen und Szenarien aller Art anbieten [19,20,21].

  • Die zugehörige Qualifikationen sind die Z‑WB-Prüfungen „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ und „Notfallmedizin“ durch die jeweilige Landesärztekammer.

6. Curriculum: Anforderungen an den Weiterbilder und an die Weiterbildungsstätte

  • Der Weiterbilder für die Inhalte des Curriculums „Klinische Akut- und Notfallmedizin – Schwerpunkt Innere Medizin“ arbeitet in Vollzeit- bzw. in überwiegender Tätigkeit in einer/einem interdisziplinären Notaufnahme/Klinik für Akut- und Notfallmedizin/Zentrum für Notfallmedizin, in der/dem sich der fachärztliche Weiterbilder „Innere Medizin“ besonders für die internistischen Akut- und Notfallpatienten verantwortlich zeichnet.

  • Die Weiterbildungsstätte sollte – unterstützt von der Klinikleitung [22] – mit einer adäquaten Prozess- und Strukturqualität ausgestattet sein, um den Weiterzubildenden die in Abschn. 11 aufgeführten Weiterbildungsinhalte zu ermöglichen. Sehr zu begrüßen ist die staatlich finanzierte notfallmedizinische Weiterbildung in manchen Ländern wie Schweden [23].

  • Anzustreben ist hinsichtlich des Erstellens eines Qualitätskriterienkatalogs für Weiterbilder und Weiterbildungsstätten eine Kooperation der DGIIN mit den Landesärztekammern, wie dies im Fall der Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie bereits realisiert ist.

7. Curriculum: Dokumentation der Weiterbildung

  • Das Curriculum gibt dem in klinischer Akut- und Notfallmedizin Weiterzubildenden die Möglichkeit, sich systematisch die internistischen Weiterbildungsinhalte zu erarbeiten und sie mit den internistischen Inhalten der Z‑WB „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ und der Z‑WB „Notfallmedizin“ abzugleichen. Die erlernten und geübten Weiterbildungsinhalte sollen entsprechend der Z‑WB-Version der zuständigen Ärztekammer anhand des (elektronischen) Logbuchs und der Zeugnisse der Weiterbilder dokumentiert werden.

  • DGIIN, DGIM und BDI unterstützen die Weiterzubildenden beratend und anhand des Fortbildungs- und Kursangebots bei der strukturierten Z‑WB entsprechend dem Curriculum. Eine zusätzliche Zertifizierung der in diesem Curriculum vorgeschlagenen Weiterbildungsinhalte ist nicht vorgesehen.

  • Der Weiterbilder wird gebeten, im Weiterbildungszeugnis nicht nur die Erfüllung der in der Z‑WB geforderten Weiterbildungsinhalte zu dokumentieren, sondern auch die in diesem Curriculum vorgelegten Weiterbildungsinhalte.

8. Curriculum: Akkreditierung der Weiterbildungsstätte

  • Hinsichtlich der Akkreditierung der Weiterbildungsstätte gilt das unter Abschn. 6 Gesagte.

  • Eine darüber hinaus gehende Akkreditierung durch die DGIIN als Fachgesellschaft ist nicht vorgesehen.

9. Zertifizierung des Weiterzubildenden

  • Die zuständige Landesärztekammer dokumentiert die erfolgreich abgeleistete Z‑WB „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ und die Z‑WB „Notfallmedizin“ mit einer Prüfung.

  • Eine zusätzliche Prüfung der Curriculumweiterbildungsinhalte ist nicht vorgesehen.

  • Dem in der klinischen Akut- und Notfallmedizin Tätigen und mit der Zusatz-Weiterbildung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ Qualifizierten obliegt die Verantwortung für das „berufslebenslange“ Aufrechterhalten dieser Qualifikation durch Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen und Kursen (z. B. der DGIIN, DIVI, DGINA), durch Kongressbesuche (z. B. Jahrestagung der DGIIN/ÖGIAIN, DIVI, DGINA) und mit kontinuierlichem Fachliteraturstudium [24].

  • Eine darüber hinaus gehende Zusatzqualifizierung internistischer Schwerpunktgesellschaften [15] erweitert das Spektrum im Sinne einer weiterführenden Spezialisierung.

10. Vorgesehene Aktualisierung des Curriculums

Eine Aktualisierung des Curriculums ist spätestens in 5 Jahren (2029) vorgesehen.

11. Ziele des Curriculums: internistische Weiterbildungsinhalte der Akut- und Notfallmedizin umfassend und aktuell präsentieren!

Ziel des Curriculums ist es, die in der Akut- und Notfallmedizin tätigen Ärztinnen und Ärzte in die Lage zu versetzen, bei ihrer Tätigkeit das gesamte Spektrum der Inneren Medizin in Bezug auf Diagnostik, Monitoring und Therapie kompetent beim Patienten anzuwenden. Dies schließt umfassende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in der Gesprächsführung mit Patienten und Angehörigen mit ein. Besondere Kenntnisse und praktische Erfahrungen soll der Akut- und Notfallmediziner auch bezüglich der Anwendung von Arzneimitteln bei Notfallpatienten erwerben, da häufig Arzneimittelmetabolismus und -elimination infolge von Organdysfunktionen des Notfallpatienten alteriert sind. Dies gilt insbesondere auch für alte und geriatrische Patienten in der Notaufnahme/in der Notfallklinik, mit Frailty, Sarkopenie, geriatrischen Syndromen, kognitiver Dysfunktion, Polypharmazie und Polypragmasie [25]. Und schließlich wird die zunehmende Digitalisierung in der Akut- und Notfallmedizin auch die Weiterbildungsinhalte und damit auch zukünftige Auflagen dieses Curriculums entscheidend prägen.

11.1. Allgemeine Aspekte der klinischen Akut- und Notfallmedizin – Schwerpunkt Innere Medizin

11.1.1. Allgemeiner Teil – Struktur- und Prozessqualität (Tab. 1)

Tab. 1 Allgemeiner Teil – Struktur- und Prozessqualität

Grundlagen und Standards.

Die Qualität der Zusammenarbeit in dem interprofessionellen und interdisziplinären Team einer Notaufnahme/Notfallklinik/einem Notfallzentrum hat einen erheblichen Einfluss auf die Qualität der dortigen Patientenversorgung und die Patientensicherheit.

Das soll gewusst und gekonnt werden.

  • Verständnis dafür, welche strukturellen Faktoren und Prozesse diese Qualität beeinflussen und welche Ergebnisse als relevant eingestuft werden müssen. Dazu gehören auch medikolegale Aspekte, wie die Einwilligung in medizinische Eingriffe, das Betreuungsrecht und die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen sowie die allgemeinen Rechtsgrundlagen und Haftungsfragen.

  • Kenntnisse im Qualitätsmanagement, im Risikomanagement und in der Fehlerkultur in der Notaufnahme sowie Kenntnisse der unterschiedlichen Sektoren und Schnittstellen in der klinischen Akut- und Notfallmedizin.

  • Umfassender Überblick und Kenntnis der Patientenersteinschätzung, einem der wichtigen organisatorischen Systeme.

11.1.2. Allgemeiner Teil – Erstdiagnostik, Initialtherapie und Indikationsstellung zur weiterführenden Behandlung (Tab. 2)

Tab. 2 Allgemeiner Teil – Erstdiagnostik, Initialtherapie und Indikationsstellung zur weiterführenden Behandlung

Grundlagen und Standards.

Kernelemente der Arbeit des klinischen Akut- und Notfallmediziners ist die differenzialdiagnostische Abklärung von zur Vorstellung führenden Leitsymptomen unter Berücksichtigung einer zeitkritisch einzuleitenden Notfalltherapie.

Das soll gewusst und gekonnt werden.

Nach Stellung einer Arbeitsdiagnose ist die folgende Notfalldiagnostik leitlinienkonform durchzuführen. Weiterhin ist die Entscheidung für oder gegen eine stationäre Aufnahme bzw. eine ambulante Weiterbehandlung zu treffen. Im Fall einer stationären Aufnahme soll der Notfallmediziner die Indikationen/Kriterien für die Notwendigkeit einer engmaschigen Überwachung der Patienten auf einer geeigneten Behandlungseinheit (z. B. Beobachtungsstation) kennen bzw. erkennen [26].

11.1.3. Allgemeiner Teil – Schockraumversorgung (Tab. 3)

Tab. 3 Allgemeiner Teil – Schockraumversorgung

Grundlagen und Standards.

Die Anzahl kritisch kranker, nichttraumatologischer Schockraumpatienten, die in Notaufnahmen bzw. Notfallzentren eingewiesen werden, ist bis zu 4‑mal höher als die Anzahl schwerverletzter Patienten [19]. Ein entsprechendes Weißbuch „Nichttraumatologisches Schockraummanagement“ ist verfügbar [89].

Das soll gewusst und gekonnt werden.

Die Wahl einer geeigneten Behandlungseinrichtung, der Einsatz einer adäquaten bildgebender Diagnostik, die Etablierung von Algorithmen und Behandlungspfaden sowie die Koordination und Abstimmung der Übergabe sind unabdingbare Bestandteile der Kenntnisse und Fähigkeiten eines Akut- und Notfallmediziners. Insbesondere die Übergabe von Notfallpatienten bedarf einer gewissen Strukturierung und Vereinheitlichung [29, 30] unter Einbeziehung und Beachtung aller beteiligter Berufsgruppen und Prozesse.

11.1.4. Allgemeiner Teil – Diagnostik und Monitoring (Tab. 4)

Tab. 4 Allgemeiner Teil – Diagnostik und Monitoring

Grundlagen und Standards.

  • Standardrepertoire: Die Akutdiagnostik und das Monitoring gehören zum Standardrepertoire der notfallmedizinischen Betreuung von Notfallpatienten inkl. kritisch kranker Patienten. Im Rahmen der Diagnostik soll die gezielte (Fremd‑)Anamnese sowie die körperliche Untersuchung und damit der „klinische Blick“ stets die Basis bei der Aufnahme eines Notfallpatienten darstellen. Bei der Anamneseerhebung hat die Interaktion mit dem Rettungsdienst inkl. das Verständnis für die im Rettungsdienst eingesetzten Übergabealgorithmen eine besondere Bedeutung. Wesentliche Fähigkeiten des Notfallmediziners sind das rasche Stellen einer Arbeitsdiagnose unter Berücksichtigung zeitkritischer und potenziell lebensbedrohlicher Differenzialdiagnosen, das schnelle Einleiten geeigneter Notfalltherapien sowie die Entscheidung über die Notwendigkeit einer stationären Weiterbehandlung und die Festlegung eines geeigneten Stationstyps [26].

  • Diagnostik: In der Notfallmedizin findet die bildgebende Diagnostik überwiegend am Krankenbett statt – „bedside ultrasonography“ (fokussierte Sonographie [31]), da Transporte ggf. mit einem erhöhten Patientenrisiko oder einer Zeitverzögerung verbunden sind. Alle diagnostischen Verfahren sollten stets im klinischen Kontext sowie im interdisziplinären fachärztlichen Team erfolgen.

  • Monitoring:

    • Für das Monitoring stehen dem Notfallmediziner sowohl nichtinvasive als auch invasive Werkzeuge zur Verfügung. Die Europäische Gesellschaf für Intensivmedizin (ESICM) empfiehlt ein klinisches sowie ein hämodynamisches Monitoring auch zur Identifizierung der Schockursache und zur Überprüfung der therapeutischen Maßnahmen und des Ansprechens auf die Therapie [32]. Das Basismonitoring soll die klinische Untersuchung (z. B. Symptome/Zeichen von Stauung und Hypoperfusion bei akuter Herzinsuffizienz) und nichtinvasive Überwachungsverfahren (z. B. die Messung der peripheren Sauerstoffsättigung) beinhalten. Das erweiterte Monitoring reduziert sich in der Notaufnahme zumeist auf eine kontinuierliche invasive Blutdruckmessung. Ergänzende hämodynamische Messverfahren sollen auf der Intensivstation durchgeführt werden.

    • Das Basismonitoring soll immer 2 unabhängig voneinander agierende Vitalparameter des Patienten einbeziehen und beinhaltet neben der Bestimmung der Atemfrequenz, der Körpertemperatur sowie der peripheren Sauerstoffsättigung die nichtinvasive Blutdruckmessung (ggf. invasiv), die Beurteilung des 12-Ableitungs-Elektrokardiogramms (EKG) und auch Grundkenntnisse in der leitsymptomorientierten Notfallsonographie.

    • Ziel der fokussierten Notfallsonographie inkl. Echokardiographie ist das frühzeitige Erkennen bzw. der Ausschluss wichtiger kritischer Diagnosen. Bei den allermeisten Leitsymptomen kann die bettseitige Notfallsonographie hier eine rasche Diagnose z. B. des Pneumothorax bei Dyspnoe oder der Cholezystitis bei akutem Abdomen ermöglichen. Die strukturierte Ultraschallausbildung in der internistischen Intensiv- und Notfallmedizin (SIN) basiert auf einem 2‑Stufen-Konzept, das von den 3 nationalen Fachgesellschafen DGIIN, DGK und DEGUM vertreten wird [33,34,35]. Das Konzept umfasst ein Basislevel (SIN-I) und ein Expertenlevel (SIN-II), die – aufeinander aufbauend mithilfe moderner Lehrmethoden – eine leitsymptomorientierte Sonographie für die Notfall- und Intensivmedizin vermitteln. Es werden sowohl theoretische Kenntnisse als auch praktische Fertigkeiten gelehrt und im Rahmen einer Prüfung kontrolliert. Ziel ist es, die in nationalen und internationalen Leitlinien empfohlenen Vorgaben zum Einsatz der Sonographie in der Notfall- und Intensivmedizin in der klinischen Praxis standardisiert zu etablieren.

Das soll gewusst und gekonnt werden.

  • Anamnese, körperliche Untersuchung und sämtliche bettseitige Untersuchungen, wie EKG, Labordiagnostik (u. a. „Point-of-care-testing“[POCT]-Verfahren), fokussierte Sono‑/Echokardiographie sowie das Monitoring, bilden die Basis der notfallmedizinischen Betreuung von Notfallpatienten inklusive der kritisch kranken Patienten. Neben diesen Inhalten sollen die Grundlagen sämtlicher radiologischer Untersuchungsverfahren (Röntgen, Computertomographie, Magnetresonanztomographie) von der Überprüfung der Indikation bis hin zur Planung bzw. Durchführung eines Patiententransports (Intra- und Interhospitaltransport) nach den Regeln eines Intensivtransports (inklusive Komplikationsmanagement) in der Zusatz-Weiterbildung vermittelt werden.

  • Der Akut- und Notfallmediziner soll in der Lage sein, selbstständig und eigenverantwortlich eine fokussierte Sonographie inkl. Echokardiographie, abhängig vom jeweiligen Ausbildungslevel (beginnend von „focused echocardiography in emergency life support“ [FEEL] bis hin zu Grundzügen der transösophagealen Echokardiographie) durchzuführen. Weiterhin sollte er eine flexible Bronchoskopie im Rahmen des Atmungs- und Beatmungsmanagements durchführen können. Häufige Punktionen – insbesondere Pleura- und Aszitespunktion – sollen selbstständig durchgeführt werden. Hinsichtlich der Hirntoddiagnostik zur Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls soll er über die theoretischen Kenntnisse verfügen, um gemeinsam mit dem interdisziplinären Team die Indikation für eine organerhaltende Therapie initiieren zu können.

11.1.5. Allgemeiner Teil – generelle Therapieverfahren (Tab. 5)

Tab. 5 Allgemeiner Teil – generelle Therapieverfahren

Grundlagen und Standards.

Die Betreuung eines Notfallpatienten erfordert ein breites Spektrum an allgemeinen Therapieverfahren, das weit über das übliche Spektrum bei der Behandlung einer speziellen internistischen Erkrankung im stabilen Zustand des Patienten hinausgeht. Die Entscheidung zur Therapie hat dabei rasch und gezielt zu erfolgen und erfordert den Erwerb spezieller manueller Fähigkeiten.

Das soll gewusst und gekonnt werden.

  • Kathetertechnik: Die sonographieunterstützte Anlage zentralvenöser (V. jugularis, V. subclavia, V. femoralis) und arterieller (A. femoralis, A. radialis, A. brachialis) Zugänge sowie verschiedene Punktionstechniken und Drainageanlagen (Pleura, Perikard, Aszites, Liquor) sollen während der Z‑WB erlernt und sicher beherrscht werden.

  • Hämodynamische Therapie: Einer differenzierten hämodynamischen Therapie mit verschiedenen Volumenersatzstoffen und vasoaktiven Substanzen kommt bei den verschiedenen Schockformen vor allem in der Akutphase einer kritischen Erkrankung eine zentrale Rolle zu. Zur hämodynamischen Therapie gehört eine profunde klinische Einschätzung ebenso dazu wie ein leitlinienorientiertes hämodynamisches Monitoring (Tab. 4, Top 4.3) unter Einbeziehung von Zielparametern der Organperfusion [32, 38]. Die sonographische Point-of-care-Evaluation ist ein elementarer Bestandteil (Tab. 4, Top. 4.4). Eine kardiale Elektrotherapie (Defibrillation, Schrittmacher, Kardioversion) soll der Notfallmediziner sicher durchführen können. Bezüglich der venoarteriellen extrakorporalen Membranoxygenierung im Rahmen der Reanimation (eCPR) sind theoretische und praktische Kenntnisse Bestandteil dieses Curriculums. Notfallmediziner in Notaufnahmen, in denen diese mechanische Herz-Kreislauf-Unterstützungssysteme unter Reanimationsbedingungen oder im kardiogenen Schock eingesetzt werden, sollen sich die für die Mitbetreuung dieser Patienten erforderlichen praktischen Fähigkeiten strukturiert aneignen (extrakorporaler Life Support: [43]; extrakorporale Reanimation: [17]).

  • Respiratorische Therapie: O2-Therapie [44] und ein modernes Atemwegsmanagement spielen häufig eine zentrale Rolle in der Akutversorgung eines Notfallpatienten. Hier sollen die notfallmäßige Sicherung der Atemwege einschließlich endotrachealer Intubation sowie der Algorithmus bei schwieriger Intubation, inkl. alternativer Atemwege wie z. B. Larynxtubus und Larynxmaske, aber auch die Koniotomie sicher beherrscht werden. Eingehende Kenntnisse in der Atemphysiologie bis hin zum leitlinienorientierten und differenzierten Atmungs- und Beatmungsmanagement sind zentrale Ziele der Z‑WB. Hiermit gehen auch Kenntnisse in der modernen Analgosedierung einher.

  • Organersatzverfahren: Zentraler Bestandteil der Notfallmedizin ist das Erkennen der Notwendigkeit des Einsatzes von Organersatzverfahren. Während es in der klinischen Akut- und Notfallmedizin primär um die Prävention/Abmilderung des Organversagens geht, beschäftigt sich der Intensivmediziner mit dem Ersatz der Organfunktion bis zu deren Rekompensation. Dennoch soll auch der Notfallmediziner die wichtigsten Indikationen zum Nierenersatzverfahren (z. B. Intoxikation, lebensbedrohliche Hyperkaliämie) kennen. (siehe auch Abschn. 11.9, Tab. 15). Auch die Anlage verschiedener Zugänge zur Durchführung entsprechender extrakorporaler Verfahren unter Reanimationsbedingungen oder im kardiogenen Schock gehört zum Tätigkeitsfeld.

  • Infektions‑/Sepsistherapie: Eine zentrale Rolle in der klinischen Akut- und Notfallmedizin kommt schweren Infektionskrankheiten bis hin zur Sepsis und zum septischen Schock zu (siehe auch Abschn. 11.7, Tab. 13). Hier soll der internistische Notfallmediziner eine entsprechend rasche Diagnostik und Therapieeinleitung gemäß den „sepsis bundles“ und Sepsisleitlinien [45] initiieren und durchführen können. Hier kommt gerade der ersten Stunde nach Sepsisdiagnose eine große Bedeutung zu („1 h bundle“), um die noch immer hohe Letalität in der Sepsis zu reduzieren. Indikation, Auswahl und Dauer einer antiinfektiven Therapie bei primären und sekundären Infektionen sollen auch bei kalkuliertem Ansatz beherrscht werden, ebenso wie Prinzipien der Hämodynamik und Herz-Kreislauf-Therapie im septischen Schock.

  • Therapie mit Blutprodukten: Der Notfallmediziner soll sicher Blutprodukte einsetzen können.

  • Organspendemanagement: Er muss einen potenziellen Organspender erkennen, über die theoretischen Kenntnisse für einen irreversiblen Hirnfunktionsausfall verfügen und gemeinsam mit dem interdisziplinären Team die Indikation zur organerhaltenden Therapie stellen können (siehe auch Tab. 4, Top 4.13).

  • Notfalltherapie am Lebensende: Die Gesundheitssysteme in Ländern mit hohem Einkommen sind mit einer wachsenden Zahl von älteren Patienten mit zunehmenden Komorbiditäten und der steigenden Nachfrage nach technologisch fortschrittlicher Versorgung konfrontiert. Die Hälfe aller Sterbefälle in Deutschland ereignet sich im Krankenhaus und nicht selten in der Notaufnahme. Die Weichen für die Aufnahme auf eine Beobachtungsstation oder eine Intensivstation werden oft in der Notaufnahme gestellt. Somit stellt sich die Frage nach einer angemessenen Inanspruchnahme einer Akuttherapie am Lebensende. Für eine qualitativ hochwertige Versorgung am Lebensende („end-of-life care“) sind Kompetenz in der Entscheidungsfindung, kommunikative Fähigkeiten sowie die Zusammenarbeit eines gut funktionierenden interdisziplinären Teams erforderlich [46]. Dabei nehmen die ärztliche Indikation und der Patientenwille eine zentrale Rolle in einem komplexen multiprofessionellen und interdisziplinären Entscheidungsprozess ein. Eine der Kernaufgaben von Ärztinnen und Ärzten der Notaufnahme ist in der Beachtung und der Umsetzung ethischer Grundprinzipien zu sehen [47]. Begleitung, Unterstützung und Führung der Angehörigen schwerstkranker Patienten ist ebenfalls Kernelement ärztlicher Prozesse im medizinischen Alltag.

11.1.6. Allgemeiner Teil – Hygienemaßnahmen (Tab. 6)

Tab. 6 Allgemeiner Teil – Hygienemaßnahmen

Grundlagen und Standards.

Auch Selbstschutz! In Zeiten zunehmender ambulanter und nosokomialer Infektionen und der steigenden Zahl resistenter Erreger rückt die Bedeutung der Hygiene im Arbeitsalltag eines Mediziners, insbesondere aber eines Notfallmediziners, zunehmend in den Vordergrund. Der hygienische Selbstschutz ist ebenso wichtig wie das unbedingte Vermeiden einer Übertragung potenziell tödlicher Keime.

Das soll gewusst und gekonnt werden.

  • Der Akut- und Notfallmediziner soll sich nicht nur theoretisches Wissen und praktische Fähigkeiten, wie keimarmes oder steriles Arbeiten, aneignen, sondern auch die Fähigkeit besitzen, die Aufmerksamkeit eines jeden Mitarbeiters zu schärfen und seine Patienten und deren Angehörige zu schulen.

  • Das Wissen um resistente Erreger, Isolationsmaßnahmen und grundsätzliche Hygienemaßnahmen kann die Prognose der Patienten entscheidend verbessern. Dabei ist eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern und Krankenhaushygienikern unerlässlich.

11.1.7. Allgemeiner Teil – Pharmakotherapie (Tab. 7)

Tab. 7 Allgemeiner Teil – Pharmakotherapie

Grundlagen und Standards.

Die gestörten Organfunktionen des Notfallpatienten können sowohl Pharmakokinetik als auch Pharmakodynamik erheblich beeinträchtigen. Auch die Pharmakotherapie in der Schwangerschaft und im höheren Alter ist mit zu berücksichtigen.

Das soll gewusst und gekonnt werden.

  • Pharmakokinetik und Pharmakodynamik: Der Akut- und Notfallmediziner soll bei seinen Patienten auf Besonderheiten bei der Pharmakotherapie gefasst sein und eine sichere und wirksame Arzneimittelbehandlung unter Berücksichtigung der Besonderheiten von Pharmakokinetik und Pharmakodynamik durchführen können. Hierzu gehört auch das Verständnis von Verteilungsvolumina, Proteinbindung und Eliminationskinetiken sowie deren Veränderungen besonders bei kritisch kranken Patienten. Weiterhin muss er Standarddosierungen, Applikationsformen, Nebenwirkungsprofile, Interaktionen und Toxizitäten notfallmedizinischer Pharmaka kennen.

  • Antiinfektiva: Besonders wichtig in der Notaufnahme sind profunde Kenntnisse der Antibiotikatherapie zur Infektionsprophylaxe sowie zur Infektions- und insbesondere Sepsistherapie. Eine empirische, oft kalkulierte Primärtherapie soll selbstständig indiziert werden können. Von großer Bedeutung ist die Pharmakokinetik spezifischer Antibiotika, konzentrations- und zeitabhängiger Antibiotika und der Antibiotika mit unterschiedlicher Gewebegängigkeit. Ebenso wichtig sind Kenntnisse zu Dosisanpassungen, Dosierungsintervallen und prolongierten Laufzeiten. Probleme der Antibiotikatherapie bei Multiresistenzen, Antibiotikaprophylaxen vor operativen Eingriffen und der Einfluss der kritischen Erkrankung auf Plasmaspiegel und Gewebegängigkeit sollen von notfallmedizinischer Seite in Zusammenarbeit mit ABS-Programmen [51] adressiert werden können.

11.2. Angiologische Aspekte in der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 8)

Tab. 8 Angiologische Aspekte in der Akut- und Notfallmedizin

Grundlagen und Standards.

Das Weiterbildungsziel ist der Erwerb der für die Betreuung von akut- und notfallmedizinischen Patienten erforderlichen gefäßmedizinischen Kenntnisse.

Das soll gewusst und gekonnt werden.

  • Thromboembolische Erkrankungen: Tiefe Venenthrombose (TVT) und Lungenarterienembolie (LAE): Diagnostik und Therapie der TVT sowie der LAE erfordern rasches und leitlinienorientiertes Handeln unter Berücksichtigung der Klinik und der sonographischen sowie angiologischen oder radiologischen (CT-)Gefäßdiagnostik, ggf. unter Einbeziehung interventioneller bzw. operativer Therapieverfahren. Erforderlich sind ein adäquates Standardmonitoring sowie die kontinuierliche Überwachung von Patienten mit instabilen Kreislaufverhältnissen (z. B. intermediär hohes Risiko). Zudem müssen seltenere, aber akut lebensbedrohliche Krankheitsbilder, wie die obere Einflussstauung bei Verschluss der V. cava superior oder die Phlegmasia coerulea dolens, erkannt und unmittelbar der Therapie zugeführt werden.

  • Akute und kritische Extremitätenischämie: Rasches interdisziplinäres Handeln ist bei der kritischen Extremitätenischämie – insbesondere der akuten Arm- oder Beinischämie – erforderlich unter Einbeziehung der konservativ-medikamentösen, interventionellen bzw. operativen Therapieverfahren. Er soll die Dringlichkeit der Therapie anhand klinischer Parameter einschätzen und eine akute Ischämie, die eine unmittelbare Therapie erfordert, von einer kritischen Extremitätenischämie abgrenzen können.

  • Akute Mesenterialischämie: Die akute mesenteriale Ischämie ist ein in höherem Alter häufiges Krankheitsbild, das Überleben der Patienten hängt entscheidend von der raschen Diagnosestellung und Einleitung gezielter radiologischer (CT-)Diagnostik ab. Die interdisziplinäre Therapieeinleitung ist zu koordinieren.

  • Akut entzündliche Gefäßerkrankungen (Vaskulitiden) (siehe auch Abschnitt 11.12 inkl. Tab. 18): Differenzialdiagnostisch sind bei schwerkranken Gefäßpatienten auch Vaskulitiden in Betracht zu ziehen. Die frühzeitige Diagnostik und adäquate Therapie, ggf. durch Einbezug von Kollegen mit einer fundierten angiologischen Fachexpertise, sind oft ausschlaggebend für die Vermeidung oder Begrenzung schwerwiegender Organschäden.

11.3. Endokrinologische, diabetologische und metabolische Aspekte in der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 9)

Tab. 9 Endokrinologische, diabetologische und metabolische Aspekte in der Akut- und Notfallmedizin

Grundlagen und Standards.

Das Weiterbildungsziel ist der Erwerb der für die Betreuung von akut- und notfallmedizinischen Patienten erforderlichen Kenntnisse der Klinik, Diagnostik und Therapie relevanter endokriner, diabetologischer und metabolischer Störungen.

Das soll gewusst und gekonnt werden.

  • Zu erkennen sind Regulationsstörungen integrativer neuroendokriner Signalpfade beim kritisch kranken Patienten, wie Diabetes insipidus, hypophysäres Koma, Insuffizienz adenohypophysärer Achsen, insbesondere der kortikotropen Achse, und das Non-thyroidal-illness-Syndrom; zum anderen Nebennierenerkrankungen wie die Addison-Krise, mineralokortikoide Insuffizienz (auch z. B. bei adrenogenitalem Syndrom) und Phäochromozytom. Wichtig ist auch die leitlinienorientierte Hydrokortisonsubstitution bei absoluter oder relativer Nebenniereninsuffizienz, z. B. bei Patienten mit septischem Schock oder bei diagnostischen oder operativen Eingriffen.

  • Weiterhin von Relevanz sind Schilddrüsenerkrankungen, wie thyreotoxische und Myxödemkrise, der Diabetes mellitus mit hypoglykämischer sowie hyperosmolarer hyperglykämischer Entgleisung und diabetischer Ketoazidose sowie die Besonderheiten bei schwerer Adipositas und nach bariatrischen Operationen.

  • Differenzialdiagnostisch sollte der Akut- und Notfallmediziner auch an seltene, aber gravierende Stoffwechselstörungen denken, wie beispielsweise Gicht, metforminassoziierte Laktatazidose, arzneimittelbedingte Ketoazidose oder auch akute hepatische Porphyrien.

11.4. Gastroenterologische Aspekte in der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 10)

Tab. 10 Gastroenterologische Aspekte in der Akut- und Notfallmedizin

Grundlagen und Standards.

Das Weiterbildungsziel ist der Erwerb der für die Betreuung von akut- und notfallmedizinischen Patienten erforderlichen Kenntnisse der Klinik, Diagnostik und Therapie relevanter gastroenterologischer Störungen [52].

Das soll gewusst und gekonnt werden.

  • Gastrointestinale Blutungen: Fähigkeit zur Diagnose und nichtinterventionellen Therapie von gastrointestinalen (GI-)Blutungen [28]: Differenzierung zwischen oberer und unterer GI-Blutung und Kenntnis der verschiedenen Ursachen gastrointestinaler Blutungen. Die Unterschiede in der Risikobewertung und im Management von akuten varikösen und nichtvarikösen Blutungen sind dem Akut- und Notfallmediziner vertraut. Er beherrscht die initiale pharmakologische Behandlung bei akuten GI-Blutungen [53], die Kreislaufstabilisierung und das differenzierte Volumen- sowie das Blutprodukte- und Gerinnungsmanagement. Das Wissen um die Möglichkeiten der endoskopischen Blutungsstillung sowie der interventionellen Radiologie und der chirurgischen Intervention ist ein wichtiger Bestandteil der Tätigkeit. Er kennt die Maßnahmen zur Vorbereitung zur Endoskopie und der periinterventionellen Betreuung bei endoskopischen Eingriffen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist eng und umfasst die Schwerpunkte Gastroenterologie, interventionelle Radiologie und Viszeralchirurgie.

  • Akute und chronische Lebererkrankungen: Erforderlich ist die Fähigkeit zur Diagnose und Therapie von akuten und chronischen Lebererkrankungen. Von besonderer Bedeutung sind die korrekte klinische Einordnung erhöhter Leberwerte sowie Kenntnisse über Definition, Diagnostik, Ursachen, spezifische Therapieoptionen und Risikostratifizierung des akuten und akut-auf-chronischen Leberversagens. Weitere wichtige Bestandteile der Tätigkeit sind die Diagnostik und Therapie der Komplikationen der dekompensierten Leberzirrhose, insbesondere von Aszites, spontan-bakterieller Peritonitis, hepatorenalem Syndrom, hepatischer Enzephalopathie, und das nichtinterventionelle Management der varikösen Blutung [54, 55]. Fundierte Kenntnisse der Schockbehandlung und des differenzierten Blutprodukte- und Blutgerinnungsmanagement sind notwendig. Die Abdomensonographie mit den Schwerpunkten Leber und Lebergefäße soll beherrscht werden. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit erfolgt insbesondere mit der Gastroenterologie.

  • Erkrankungen der Gallenwege: Erforderlich ist die Fähigkeit zur Diagnose und Therapie von Erkrankungen der Gallenwege. Der Akut- und Notfallmediziner beherrscht die Differenzialdiagnostik des rechtseitigen Oberbauchschmerzes und des prä-/intra-/posthepatischen Ikterus. Die Behandlung der akuten Cholezystitis und Cholangitis als Erkrankungen der Gallenwege steht in der Notaufnahmestation im Vordergrund. Eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Gastroenterologie und der Viszeralchirurgie ist unabdingbar. Das Wissen um die Indikationsstellung und das richtige Timing von Cholezystektomie und notfallmäßiger endoskopischer retrograder Cholangiographie (ERC) ist notwendig. Die Abdomensonographie mit den Schwerpunkten Leber, Gallenblase, Gallenwege soll beherrscht werden.

  • Pankreatitis: Der Akut- und Notfallmediziner kennt die Prinzipien der Diagnostik und Therapie der akuten Pankreatitis und des akuten Schubs einer chronischen Pankreatitis. Er ist vertraut mit den Diagnosekriterien und Ursachen der akuten Pankreatitis und kennt die Verlaufsformen und Komplikationen der akuten Pankreatitis. Er beherrscht die differenzierte Volumentherapie bei akuter Pankreatitis und kennt Maßnahmen zur Beurteilung des intravasalen Volumens. Er weiß um die Prinzipien der Schmerztherapie bei akuter Pankreatitis. Wichtig ist das Wissen um die Indikationen zur CT-Diagnostik bei akuter Pankreatitis im Hinblick auf diagnostische bzw. prognostische Fragestellungen. Er hat profunde Kenntnisse der Abdomensonographie mit den Schwerpunkten Pankreas, Gallenwege, Gallenblase und beherrscht die Messung und Interpretation des intraabdominellen Drucks. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit erfolgt schwerpunktmäßig mit der Gastroenterologie.

  • Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts: Der Akut- und Notfallmediziner soll die Fähigkeit zur Diagnose und Therapie von Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts besitzen. Im Vordergrund steht die differenzialdiagnostische klinische Beurteilung abdomineller Schmerzen sowie von Erbrechen und Diarrhö. Er hat profunde Kenntnisse von Diagnostik und Therapie des mechanischen und paralytischen Ileus, der gastrointestinalen Ischämie, der Divertikulitis, des akuten Schubs chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen und von Hohlorganperforationen und konsekutiver Peritonitis. Eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Fachbereichen Gastroenterologie, Viszeralchirurgie und Radiologie ist notwendig. Er ist mit den Indikationen und Verfahren der radiologischen Abdominaldiagnostik vertraut und beherrscht die Abdomensonographie. Er kennt die Indikationen zur endoskopischen Bolus- bzw. Fremdkörperextraktion und ist mit der periinterventionellen Betreuung bei endoskopischen Eingriffen vertraut.

11.5. Geriatrische Aspekte in der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 11)

Tab. 11 Geriatrische Akut- und Notfallmedizin

Grundlagen und Standards.

Der Anteil der über 70-jährigen Notfallpatienten liegt in der Notaufnahme bei 30 % [56]. Insofern ist es für den klinischen Notfallmediziner wichtig, Spezifika dieser Patienten zu kennen [57]. Dazu zählen unter anderem das Verständnis von Grundbegriffen der Geriatrie und Gerontologie, wie Sarkopenie und Frailty [58], altersspezifische Einschränkungen der Organfunktionen, geriatrische Syndrome, kognitive Dysfunktion, Multimorbidität, Polypharmazie und Polypragmasie sowie Arzneimittelinteraktionen und die häufigsten Verordnungskaskaden [59, 60].

Das soll gewusst und gekonnt werden.

  • Besonderheiten in Symptomatik und Diagnostik:

    • Bei geriatrischen Patienten zeigen sich akute Erkrankungen meist durch unspezifische Symptome wie funktionelle oder kognitive Veränderung, Stürze oder Delir. Bis zu 20 % der älteren Patienten geben im Notfall unspezifische Beschwerden an und 51–59 % dieser Älteren mit unspezifischen Beschwerden haben ein akut behandlungsbedürftiges Problem [61].

    • Auch in der Diagnostik sind die Besonderheiten beim geriatrischen Patienten zu beachten. Durch die meist vorbestehende Multimorbidität können Akutsymptome überlagert und Befunde fehlinterpretiert werden. Dies kann auch Auswirkungen auf die Beurteilung der Behandlungsdringlichkeit haben [62].

  • Realistische Therapieoptionen, Patientenwünsche und Vorsorgeplanung: Wesentlich ist es, die machbaren Therapieoptionen in der Akut- und Notfallmedizin mit den Patientenwünschen in Kooperation mit dem Patienten abzugleichen, ggf. auch mit Angehörigen, betreuenden Ärzten und Pflegeeinrichtungen und auch in Absprache mit Geriatern und Palliativmedizinern. Die vorausschauende Vorsorgeplanung („advance care planing“) stellt einen wichtigen Pfeiler der adäquaten Behandlung dar.

11.6. Hämatoonkologische Aspekte in der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 12)

Tab. 12 Hämatoonkologische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin

Grundlagen und Standards.

Obwohl es für Deutschland keine Zahlen gibt, zeigt eine internationale Studie [75], dass länderspezifisch 24–42,5 % der Krebsfälle in der Notaufnahme diagnostiziert werden. Zusätzlich stellen sich aber auch viele Patienten mit einer schon bekannten Krebserkrankung in der notfallmedizinischen Versorgung vor, aufgrund von Komplikationen entweder im Rahmen der Krebserkrankung oder therapieassoziiert.

Das soll gewusst und gekonnt werden.

  • Der Akut- und Notfallmediziner soll nicht nur die typischen Komplikationen von Krebserkrankungen und deren Therapie, sondern auch Krebsneuerkrankungen erkennen und entsprechende diagnostische und therapeutische Schritte in Kooperation mit einem Hämatoonkologen bzw. anderen Fachdisziplinen einleiten können.

  • Psychoonkologie: Patienten stellen sich entweder mit Komplikationen der Krebserkrankung, deren Therapie oder mit ersten Symptomen einer Krebserkrankung vor. Die Versorgung dieser Patienten stellt häufig eine besondere psychische Belastung für alle Beteiligten dar. Eine entsprechende empathische Kommunikation im notfallmedizinischen Setting sollte sowohl im Team als auch mit dem Patienten und den Angehörigen durchgeführt werden. Auch palliativmedizinische Aspekte einer Versorgung in der Notfallaufnahme (siehe Tab. 16 zu Abschn. 11.10.) sollten bekannt sein und umgesetzt werden.

11.7. Infektiologische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 13)

Tab. 13 Infektiologische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin

Grundlagen und Standards.

Infektionserkrankungen gehören nach wie vor zu den häufigsten Ursachen für eine Vorstellung von Patienten in der Notaufnahme. Das Spektrum reicht von Bagatellinfektionen bis hin zu schweren, akut lebensbedrohlichen Infektionen. Gerade bei schweren Infektionen, wie z. B. der Sepsis, ist die zeitnahe Diagnose und der Beginn einer adäquaten Therapie essenziell. Die Komplexität der Erkrankungen steigt dabei nicht zuletzt aufgrund des Alters und zunehmender Komorbiditäten der versorgten Patienten weiter an. Zusätzlich ist die Notaufnahme für viele Patienten mit der Frage einer Prophylaxe nach möglicher Exposition gegenüber einem infektiösen Erreger die erste Anlaufstelle.

Das soll gewusst und gekonnt werden.

  • Es ist wichtig, dass der Akut- und Notfallmediziner Erfahrung in der klinischen Präsentation, schnellen, aber rationalen Diagnostik und adäquaten Therapie der häufigsten Infektionserkrankungen besitzt.

  • Neben dem Erkennen des klinischen Bilds spielt nicht nur das Behandeln einer akuten Infektion eine wichtige Rolle, sondern auch das Bahnen eines weiteren stationären Aufenthalts durch die initiale Diagnostik und Therapie.

  • Neben dem Behandeln von Infektionen muss der Akut- und Notfallmediziner auch Kenntnisse in der Indikationsstellung und Durchführung der wichtigsten Postexpositionsprophylaxen besitzen.

  • Es wird außerdem vorausgesetzt, dass der Akut- und Notfallmediziner Kenntnisse über die wichtigsten antiinfektiven Therapien hat. Er soll in der Lage sein, letztere an lokale Gegebenheiten sowie im Rahmen von „Antibiotic Stewardship“ in Zusammenarbeit mit Kollegen anderer Fachrichtungen anzupassen.

11.8. Kardiologische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 14)

Tab. 14 Kardiologische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin

Grundlagen und Standards.

  • Die kardiovaskuläre Notfall‑, Akut- und Intensivmedizin [15] macht aufgrund der Häufigkeit kardiovaskulärer Erkrankungen einen beträchtlichen Teilbereich dieser Disziplinen aus. Bei einem relevanten Anteil der Patienten ist eine kompetente Versorgung zeitkritisch, um die bestmögliche Diagnostik und Therapie zu gewährleisten. Bei den kardialen Erkrankungen ist von besonderer Bedeutung, dass nicht nur einige eigenständige Krankheitsbilder von zentraler Relevanz sind, sondern auch kardiovaskuläre Erkrankungen als Begleitumstände anderer Krankheitsbilder hochprävalent sind.

  • Erforderlich sind grundlegende Kenntnisse der kardiovaskulären Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie, Kenntnisse der für die klinische Akut- und Notfallmedizin relevanten akuten und chronischen kardialen Erkrankungen als eigenständige Krankheitsbilder und auch deren Relevanz als Komorbiditäten, der Verfahren zur Diagnosestellung (inkl. bildgebender Verfahren) und Kenntnisse der Therapie akuter Funktionsstörungen. Das Erkennen eines kardialen Problems (myokardial, strukturell, rhythmologisch) muss gewährleistet sein mit dem Ziel, häufige zeitkritische Therapiemaßnahmen und nachgeschaltete kardiologische Spezialdiagnostik und/oder -therapie einzuleiten. Insbesondere sollen notwendige medikamentöse Therapiestrategien selbstständig angewendet und Sofortmaßnamen, wie kardiopulmonale Reanimation, Kardioversion und Defibrillation, eigenständig durchgeführt werden können. Kenntnisse der (Notfall‑/Basis‑)Echokardiographie sollen vorhanden sein, ebenso wie grundlegende Kenntnisse der Sonographie und der Befundung konventioneller Röntgenaufnahmen des Thorax sowie der thorakalen Computertomographie und kardialen Magnetresonanztomographie.

  • Hypertensive Dringlichkeit und hypertensiver Notfall [76, 77]: Bei einer Prävalenz der arteriellen Hypertonie von 30–50 % in Deutschland ist es nicht verwunderlich, dass jeder 10. Hochdruckpatient im Lauf seines Lebens eine hypertensive Notfallsituation erleidet. Bei etwa 5 von 1000 Fällen ist eine hypertensive Notfallsituation der Aufnahmegrund in der Notaufnahme. Blutdruckwerte > 180/110 mm Hg mit Organschädigung (akutes Lungenödem: 30 %; Schlaganfall: 20 %; Myokardinfarkt: 20 %; akute Nierenschädigung: 5 %) werden als hypertensiver Notfall klassifiziert und bedürfen einer sofortigen Behandlung in der Notaufnahme. Die Letalität eines nicht adäquat behandelten hypertensiven Notfalls wird auf etwa 10 % innerhalb der nächsten 5 Jahre geschätzt. Blutdruckwerte > 180/110 mm Hg ohne Endorganschädigung werden als hypertensive Dringlichkeit bezeichnet; hierbei wird eine zeitnahe ambulante Abklärung empfohlen.

Das soll gewusst und gekonnt werden.

  • Kardiologische(s) Notfalldiagnostik, -behandlung und -monitoring: Für die zeitgerechte Diagnostik, Überwachung und Therapie von Akut- und Notfallpatienten ist eine Reihe von Fähigkeiten von besonderer Relevanz. Dazu gehören die Notfallechokardiographie/-sonographie, das hämodynamische (Basis‑)Monitoring [78] und das Management der akuten Herzinsuffizienz (inklusive des akuten Rechtsherzversagens und infolge eines dekompensierten Vitiums), das Erkennen und Versorgen des akuten Koronarsyndroms (ACS) inkl. des Patienten mit Myokardinfarkt (NSTEMI und ST-Hebungs-Infarkt [STEMI]), das Management des (infarktbedingten) kardiogenen Schocks [79], das Erkennen und die Behandlungsinitiierung eines Perikardergusses bzw. einer Perikardtamponade, Kenntnisse zu mechanischen Kreislaufunterstützungsverfahren sowie Notfallrhythmusdiagnostik und akutes Arhythmiemanagement. Darüber hinaus sind die Fähigkeiten zur Reanimation/Advanced Life Support (ALS) essenziell, ebenso wie diejenigen zu den Leitsymptomen der Themenkomplexe „Dyspnoe und Brustschmerz“, „Hypertensive Notfälle“, „Hypotonie und Synkope“ und „Herzerkrankung bei speziellen Patientengruppen“ (HIV, Schwangerschaft, Tumorpatienten, Patienten mit pulmonalarteriellem Hochdruck, Transplantationspatienten, akutes Rechtsherzversagen). Die Pharmakotherapie in der kardiovaskulären Notfallmedizin soll beherrscht werden, ebenso wie das Basismanagement bei notfälligen Devicepatienten mit Herzschrittmacher oder Defibrillator [80].

  • Spezifische diagnostische und therapeutische Fähigkeiten: Der Akut- und Notfallmediziner soll über Kenntnisse verfügen, die es ihm ermöglichen, eigenständig oder in Kooperation folgende diagnostische und therapeutische Maßnahmen in Bezug auf oben genannte Krankheitsbilder anzuwenden.

    • Die diagnostischen Fähigkeiten beinhalten:

      • die EKG-Beurteilung [40];

      • die transthorakale Echokardiographie sowie Grundzüge der transösophagealen Echokardiographie [39];

      • den fokussierten Gefäßultraschall [33];

      • Indikation zur Linksherzkatheteruntersuchung;

      • Indikation zur Rechtsherzkatheteruntersuchung;

      • Basiskenntnisse in der Herzschrittmacher- und Deviceabfrage;

      • Indikation zur Perikardpunktion und Myokardbiopsie;

      • kardiale Biomarker;

      • Basiskenntnisse in der Indikationsstellung und Diagnostik mittels Kardio-CT und Kardio-MRT.

    • Die therapeutischen Fähigkeiten beinhalten:

      • die Absprache mit einem Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie zur Indikationsstellung zur akuten perkutanen Koronarintervention (PCI);

      • die leitliniengerechte Initiierung einer Inotropika‑/Vasopressorentherapie;

      • die passagere perkutane Schrittmachertherapie, Kardioversion, Defibrillation und Überstimulation;

      • die Postreanimationsphase einschließlich des zielgerichteten Temperaturmanagements;

      • die Indikationsstellung mechanischer Herz-Kreislauf-Unterstützungssysteme nach Anlegen in einem Herzkatheterlabor oder im Schockraum;

      • die systemische Thrombolyse sowie Grundprinzipien der Thrombektomie und Thrombusfragmentierung inklusive der Indikationsstellung in Absprache mit dem jeweiligen Fachkollegen;

      • ein adäquates medikamentöses Therapiemanagement des hypertensiven Notfalls.

11.9. Nephrologische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 15)

Tab. 15 Nephrologische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin

Grundlagen und Standards.

Grundlagenkenntnisse der Nierenphysiologie, Nierenfunktion und Urindiagnostik sind erforderlich, ebenso das Wissen um die für die Akutmedizin relevanten akuten und chronischen Nierenerkrankungen.

Das soll gewusst und gekonnt werden.

  • Die akute Nierenfunktionseinschränkung („acute kidney injury“, AKI) ist das häufigste sepsisassoziierte Organversagen in der Notfall- und Intensivmedizin. Dafür werden Kenntnisse und Handlungskompetenz benötigt:

    • zur spezifischen Pathophysiologie des AKI sowie des Organ-Crosstalks;

    • zur Diagnostik, Differenzialdiagnostik und Therapie kardiorenaler, hepatorenaler sowie pulmorenaler Syndrome als Manifestation von Systemerkrankungen;

    • vertieft zur Indikation und Durchführung einer medikamentösen Akuttherapie des AKI sowie der Indikationen zur Einleitung einer Nierenersatztherapie;

    • zur Beherrschung der standardisierten Nierensonographie, unter anderem zum Ausschluss prä- und postrenaler Ursachen des AKI;

    • zum Verständnis für Langzeitfolgen eines AKI einschließlich der Notwendigkeit einer nephrologischen Nachsorge.

  • Chronische Nierenerkrankung:

    • Einteilung der chronischen Nierenerkrankung („chronic kidney disease“, CKD) in Schweregrade und der sich daraus ergebenden medizinischen Konsequenzen;

    • Kenntnisse der sich daraus ergebenden Labor- sowie Urindiagnostik;

    • Verständnis, dass Patienten mit chronischer Dialysetherapie rasch an Zentren mit Dialysemöglichkeit und Nephrologie weiterzuvermitteln sind.

  • Thrombotische Mikroangiopathie (TMA):

    • Diagnostik und Therapie der verschiedenen Formen einer mit einem AKI einhergehenden TMA, insbesondere einer thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura (TTP) und eines hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS) anhand der klinischen Trias „Thrombopenie, Hämolyse und Fragmentozyten“;

    • Verständnis, dass Patienten mit einem TMA-Verdacht sofort in nephrologische oder hämatologische Behandlung weiter verwiesen werden müssen.

  • Elektrolytstörungen:

    • Physiologie und Pathophysiologie der Volumen- und Osmoregulation sowie der Homeostase des Kalium‑, Kalzium‑, Phosphat- und Magnesiumhaushalts;

    • Elektrolytstörungen und die damit verbundenen akut bedrohlichen Krankheitsbilder der Notfallmedizin;

    • Akuttherapie vital bedrohlicher Elektrolytstörungen einschließlich der Indikationen zur Durchführung einer Akutdialyse [84].

  • Störungen des Säure-Basen-Haushalts:

    • Bedeutung der Aufrechterhaltung eines konstanten pH-Werts für Zellphysiologie und Elektrolythaushalt sowie der Kompensationsmechanismen zur Konstanthaltung des pH-Werts;

    • zielführende Diagnostik einer Störung des Säure-Basen-Haushalts inkl. der Durchführung einer arteriellen oder venösen Blutgasanalyse und deren Interpretation, auch mit Bestimmung der Anionenlücke.

11.10. Palliativmedizinische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 16)

Tab. 16 Palliativmedizinische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin

Grundlagen und Standards [85].

Die demographische Entwicklung und die Weiterentwicklung medizinischer Behandlungsmöglichkeiten führen dazu, dass insbesondere die Innere Medizin mit einer zunehmenden Zahl an multimorbiden Patienten mit komplexen Erkrankungssituationen und palliativmedizinischem Behandlungsbedarf konfrontiert ist. Neben den onkologisch/hämatologisch Erkrankten betrifft dies auch die große Gruppe der Patienten mit progredientem Organversagen (COPD, Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz) sowie hochaltrige, gebrechliche und demente Patienten. In Bezug auf eine angemessene Therapiezielfindung stellen die sehr unterschiedlichen Krankheitsverläufe die Behandler – insbesondere in Akut- und Notfallsituationen – häufig vor große Herausforderungen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Typische Krankheitsverläufe in palliativer Situation

Notfälle bei Patienten in palliativer Situation lassen sich in folgende Konsultationsanlässe clustern [86]:

  • Probleme ohne Zusammenhang zur Grunderkrankung;

  • neu aufgetretene Probleme im Zusammenhang mit der Grunderkrankung;

  • therapieassoziierte Probleme;

  • Exazerbation bekannter Symptome;

  • „total pain“;

  • Überforderung des sozialen Umfelds.

Es gilt in diesen Situationen – basierend auf der mutmaßlichen Prognose – neben dem üblichen notfallmedizinischen Therapieziel „Hilfe zum Leben“, auch weitere mögliche Ziele zu eruieren, wie „Hilfe im Sterben“ oder „Hilfe zur rechten Zeit zu sterben, bis dahin aber bestmöglich zu leben“ [86].

Das soll gewusst und gekonnt werden.

Um den in „Grundlagen und Standards“ genannten Anforderungen an eine palliativmedizinisch orientierte Notfallbehandlung gerecht zu werden, sollen die in Tab. 16 aufgeführten Weiterbildungsziele (WZ; siehe auch [87]) berücksichtigt werden.

11.11. Pneumologische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 17)

Tab. 17 Pneumologische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin

Grundlagen und Standards.

Erforderlich sind grundlegende Kenntnisse der Lungenanatomie, -physiologie und -pathophysiologie, Kenntnisse der für die klinische Akut- und Notfallmedizin relevanten akuten und chronischen Lungenerkrankungen, der Verfahren zur Diagnosestellung (inkl. Materialentnahme) und Kenntnisse der Therapie akuter Funktionsstörungen des Organs. Das Erkennen eines A(temwegs)- und B(eatmungs)-Problems soll gewährleistet sein und die Diagnose einer akuten Lungenerkrankung inkl. der Lungenarterienembolie soll selbständig gestellt werden. Notwendige Therapieverfahren, wie Maskenbeatmung, nichtinvasive Beatmung, Notfallintubation und invasive Beatmung, sowie grundlegende Beatmungseinstellungen sollen selbstständig durchgeführt werden können. Grundlegende Kenntnisse der Lungen- und Pleurasonographie sollen vorhanden sein, ebenso wie grundlegende Kenntnisse der Echokardiographie und der Befundung konventioneller Röntgenaufnahmen des Thorax.

Das soll gewusst und gekonnt werden.

  • Er soll selbstständig einen Pneumothorax/Hämatothorax diagnostizieren, Kenntnisse der klinischen und radiologischen Zeichen einer Spannungskomponente bei Pneumothorax haben und stadienadaptiert therapieren können (inkl. Anlage einer Thoraxdrainage).

  • Die Indikationsstellung für die diagnostische und therapeutische Bronchoskopie (z. B. bei der Aspiration von Fremdkörpern, aber auch z. B. bei Polytrauma) soll beherrscht werden; ggf. kann die Durchführung in Kooperation mit einem Pneumologen erfolgen.

  • Bei respiratorischem Versagen jedweder Art und Genese sind grundlegende Kenntnisse der Pathophysiologie und der Behandlung zur Sicherstellung der Oxygenierung und Dekarboxylierung erforderlich.

  • Bei obstruktiven Ventilationsstörungen sind Kenntnisse zu Indikationen und Kontraindikationen einer antiobstruktiven Therapie erforderlich, ebenso Kenntnisse und praktische Erfahrungen mit verschiedenen Möglichkeiten der Beatmung (nichtinvasiv, invasiv). Die Fähigkeit zur Einleitung einer nichtinvasiven Beatmung und Kenntnisse grundsätzlicher Beatmungseinstellungen zur Oxygenierung und Dekarboxylierung, insbesondere zur Therapie der Hyperkapnie, sollen vorhanden sein. Kenntnisse des typischen Verlaufs, der Akut- und Langzeitprognose und akuter und mittel-/langfristiger therapeutischer Optionen bei obstruktiven Ventilationsstörungen sind erforderlich.

  • Bei restriktiven Ventilationsstörungen sind Kenntnisse erforderlich zu Indikationen und Kontraindikationen einer Beatmungstherapie, bezüglich des typischen Verlaufs, der Akut- und Langzeitprognose und akuter und mittel-/langfristiger therapeutischer Optionen.

  • Bei Lungenblutungen sollen im Kontext der Grunddiagnose gekannt und beherrscht werden: Ätiologie und Pathogenese, Ersteinschätzung, therapeutische Optionen (in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit interventionellen Radiologen und Thoraxchirurgen) sowie deren stadienadaptierte Therapie zur akuten Sicherung des Gasaustauschs.

  • Interstitielle Lungenerkrankungen, Vaskulitiden, Lungenblutungen und pulmonal-arterielle Hypertonie sollen in enger Zusammenarbeit mit dem Pneumologen und/oder Rheumatologen behandelt werden können.

  • Er soll Lungenarterienembolien erkennen und behandeln können und Kenntnisse der Pathophysiologie und der Risikostratifizierung haben. Ebenso sind eingehende Kenntnisse der Therapieoptionen bis hin zu interventionellen Therapieverfahren und der Indikation zur venoarteriellen ECMO erforderlich.

  • Entzündliche und infektiöse Lungenerkrankungen (Bronchitis, Bronchiolitis, Pneumonien mit und ohne Erguss/Empyem und schwere Pneumonien mit septischem Verlauf) sind häufige akutmedizinische Krankheitsbilder. Hier soll die Fähigkeit zur risikoadaptierten (Differenzial‑)Diagnosestellung und oft rasch notwendigen Therapieeinleitung, v. a. einer effektiven kalkulierten antiinfektiven Therapie, vorhanden sein.

  • Wichtig sind auch Kenntnisse häufiger und akuter Komplikationen von malignen Erkrankungen der Lunge und des Thorax sowie von Lungenmetastasen und deren Prognose.

11.12. Rheumatologische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 18)

Tab. 18 Rheumatologische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin

Grundlagen und Standards.

Entzündlich rheumatische Erkrankungen sind durch autoimmunologische bzw. autoinflammatorische Prozesse des Immunsystems gekennzeichnet, die mit einer entkoppelten immunologischen Entzündungsreaktion und folgender Zerstörung des körpereigenen Gewebes einhergehen. Zusätzlich werden auch nichtentzündliche Gelenkerkrankungen wie die Arthrose der Rheumatologie zugeordnet.

Das soll gewusst und gekonnt werden.

  • Entscheidend für die bestmögliche Betreuung von Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen in der Notaufnahme ist eine fundierte Diagnostik.

  • Zu den akutmedizinisch relevanten rheumatologischen Erkrankungen zählen entzündliche Gelenkerkrankungen, Kollagenosen, das Antiphospholipidantikörpersyndrom (APS), die Polymyalgia rheumatica, die Riesenzellarteriitis (inkl. Arteriitis temporalis), die Kleingefäßvaskulitiden (ANCA-assoziierte Vaskulitiden) und autoinflammatorische Syndrome inkl. kristallinduzierter Arthritiden.

  • Die antiinflammatorische, immunsuppressive und immunmodulatorische Therapie rheumatologischer Erkrankungen birgt für die Patienten die Gefahr infektiöser Komplikationen. Dies erfordert Kenntnisse über die Besonderheiten der Diagnostik und Therapie bei Infektionen unter immunsuppressiver Therapie.

11.13. Toxikologische Aspekte der Akut- und Notfallmedizin (Tab. 19)

Tab. 19 Toxikologische Akut- und Notfallmedizin

Grundlagen und Standards.

Relevant sind diejenigen Kenntnisse in klinischer Toxikologie, die für eine selbstständige Diagnostik und (Primär‑)Behandlung der häufigsten und gefährlichsten Intoxikationen nötig sind. Bei der zielführenden Diagnostik und Therapie der zahlreichen und komplexen Medikamentenintoxikationen empfiehlt sich die Kooperation mit den Giftnotrufzentralen.

Das soll gewusst und gekonnt werden.

  • Toxidrome, Antidote, primäre Giftelimination: Der Akut- und Notfallmediziner benötigt insbesondere das Wissen um Toxidrome (sympathomimetisch, anticholinerg, Opiat, Serotonin, cholinerg) und der toxidromspezifischen Therapie.

  • Der Akut- und Notfallmediziner soll auch einen Überblick über die wichtigsten Antidote und deren Dosierung sowie über die Möglichkeiten der primären Giftelimination haben.