Theoretische Bezugspunkte

Digitale MedienFootnote 1 besitzen zunehmend eine zentrale Bedeutung in Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen (u. a. Spanhel, 2021; mpfs, 2022). In diesem Zusammenhang ist es eine allgemeinbildende Aufgabe von Schulen, medienpädagogische Fragestellungen systematisch aufzugreifen, um Schule einerseits nicht als analogen Gegenentwurf zur Lebensrealität von Schüler*innen zu gestalten und sie andererseits auf eine mündige Teilhabe an einer durch Digitalisierung geprägten Welt vorzubereiten.

Medienpädagogische Fragestellungen im Kontext von Schule und Unterricht können unter den Perspektiven eines Lehrens und Lernens mit und über Medien subsumiert werden (u. a. Tulodziecki, Herzig, & Grafe, 2021; Rummler, Koppel, Aßmann, Bettinger, & Wolf, 2020). Das Lehren und Lernen mit Medien konzentriert sich dabei auf mediendidaktische Fragestellungen, also insbesondere darauf, wie digitale Medien lernförderlich in den Unterricht integriert werden können. Damit einhergehende Mehrwerte beschreiben Heinen und Kerres (2017, S. 133) unter anderem in der Unterstützung selbstgesteuerter Lernprozesse und kooperativer Szenarien sowie in der Gestaltung flexiblerer Angebote hinsichtlich einer Individualisierung von Lernangeboten. Demgegenüber zielt das Lehren und Lernen über Medien auf die Wahrnehmung von Erziehungs- und Bildungsaufgaben ab (Tulodziecki et al., 2021). Dahingehend benennen Tulodziecki et al. (2021, S. 199) „ein sachgerechtes, ein selbstbestimmtes, ein kreatives und ein sozial verantwortliches Handeln als Zielperspektiven für die Bildung in einer von Medien mitgestalteten Welt“. Um dies zu ermöglichen, sollten unterrichtliche Bemühungen „nicht nur auf das unterrichtliche Lernen mit Medien im Sinne einer Gerätenutzung oder auf die Vermittlung bestimmter Fähigkeiten oder Fertigkeiten zum Mediengebrauch“ (Bastian, 2017, S. 149) ausgerichtet sein. Vielmehr müssen Lehrkräfte den Lernenden z. B. auch (negative) Einflüsse von Medien verdeutlichen oder sie dazu anleiten, Medienangebote und -beiträge kritisch zu beleuchten (dazu ausführlich Tulodziecki et al., 2021).

Aus bildungspolitischer Sicht zeigt sich die Relevanz medienpädagogischer Zielsetzungen in der Schule nicht zuletzt an milliardenschweren Investitionen wie dem „DigitalPakt Schule“ (BMBF, 2019) und entsprechenden Strategiepapieren (z. B. KMK, 2016). Zwei zentrale Zielsetzungen der Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ der Kultusministerkonferenz (KMK) für den Bereich Schule sehen die Implementation digitaler Lernumgebungen und die Berücksichtigung von überfachlichen Medienkompetenzbereichen als integrativen Bestandteil aller Fächercurricula vor (KMK, 2016). Damit greift dieses Strategiepapier wesentliche zuvor beschriebene medienpädagogische Bereiche eines Lehrens und Lernens mit und über Medien auf.

Medienpädagogische Ziele und Inhalte sollten innerhalb der Implementation in Schule und Unterricht in enger Verzahnung zur programmatischen Grundlegung des Faches gedacht werden (dazu GFD, 2018, S. 4).Footnote 2 Im Sportunterricht in Deutschland ist dies geprägt durch das Konzept des Erziehenden Sportunterrichts, das nach wie vor sowohl in der curricularen als auch in der fachdidaktischen Diskussion eine wichtige Rolle spielt (u. a. Ruin, 2021; Stibbe, 2013).Footnote 3 Das Konzept wird durch den Doppelauftrag als allgemeine Zielsetzung bestimmt (u. a. Stibbe, 2016). Hierbei geht es in bildungstheoretischer Sicht um relationale Bildung, bei der Bewegungsbildung (Erziehung zum Sport) und Allgemeinbildung (Erziehung durch Sport) eine einheitliche Aufgabe mit dem Ziel darstellen, bei Heranwachsenden eine Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit anzubahnen (Prohl, 2012). Möglichkeiten einer Verzahnung von fachdidaktischen und medienpädagogischen Zielen wurden bereits in theoretisch-konzeptionellen Beiträgen (u. a. Greve et al., 2020a; Meier & Ruin, 2021; Vogt, Rehlinghaus, & Klein, 2019) sowie in mediengestützten Unterrichtsinterventionen (u. a. Greve et al., 2020b; Thumel et al., 2020) aufgezeigt. So beschreiben Meier und Ruin, (2021) z. B. vielfache Potenziale einer Thematisierung digitaler Medien im Rahmen mehrpespektivischer Zugänge im Fach Sport, indem z. B. digitale Tools nicht nur zur Erfassung sportlicher Parameter zur Verbesserung der konditionellen Leistungsfähigkeit (Lehren und Lernen mit Medien) genutzt werden, sondern auch hinsichtlich des vermittelten  im Kontext pädagogischer Überlegungen verkürzten  Gesundheitsverständnisses kritisch mit den Schüler*innen analysiert werden (Lehren und Lernen über Medien; ebd., S. 14).

Eine aktuelle Analyse curricularer Vorgaben für das Fach Sport (Meier & Poweleit, 2023) zeigt jedoch, dass sich fachspezifische Curricula überwiegend auf das Lehren und Lernen mit Medien konzentrieren. Insgesamt weniger Berücksichtigung findet das Lernen über Medien und damit eine kritisch-reflexive Sicht auf Medien. Wie bereits aufgezeigt, sollte jedoch im Sinne einer umfassenden Inszenierung oben beschriebener medienpädagogischer und fachdidaktischer Aufträge auch im Sportunterricht eine gleichberechtigte Akzentuierung der Perspektiven eines Lehrens und Lernens mit und über Medien erfolgen (u. a. Greve et al., 2020a).

Für den Transfer von bildungspolitisch geforderten Innovationen [hier: medienpädagogischer Aufgaben] in die pädagogische Praxis schreibt Gräsel (2011) Lehrkräften eine wichtige Rolle zu. So könne die Bereitschaft von Lehrkräften eine Innovation zu realisieren beispielsweise dadurch beeinflusst werden, ob sie „die Bedeutsamkeit bzw. den Vorteil der Maßnahme“ (ebd., S. 11) erkennen. Für eine konstruktive Bearbeitung medienpädagogischer Aufgaben im Schulsport erscheinen SichtweisenFootnote 4 von Sportlehrkräften daher von großer Bedeutung. Insofern stellt der vorliegende Beitrag eben jene Sichtweisen mit Hilfe einer Interviewstudie mit Sportlehrkräften in den Fokus des Erkenntnisinteresses.

Forschungsstand

Ein umfassendes Review von Jastrow, Greve, Thumel, Diekhoff, und Süßenbach, (2022) zeigt auf, dass bislang empirische Untersuchungen im Kontext medienpädagogischer Aspekte im Sportunterricht überwiegen, die den Effekten von digitalen Medien auf die körperliche Aktivität, Motivation und motorischen Fähigkeiten von Schüler*innen nachgehen. Das Review zeigt ebenso auf, dass dagegen Sichtweisen handelnder Akteur*innen im Sportunterricht seltener im Fokus des Forschungsinteresses stehen.

Für die vorliegende Studie ist dabei insbesondere empirisches Wissen über Sichtweisen von Sportlehrkräften von Interesse. Grundlegend zeigt hier eine in 2019 im deutschsprachigen Raum durchgeführte Interviewstudie von Roth (2022a), dass Sportlehrkräfte in Nordrhein-Westfalen eine gewisse Skepsis gegenüber dem Einfluss der Digitalisierung auf Schüler*innen äußern. So weisen die 16 befragten Lehrkräfte darauf hin, dass mit der Nutzung digitaler Medien ein „Realitätsverlust“ (ebd., S. 235) von Schüler*innen verbunden sei. Gleichzeitig stehen für die Lehrpersonen Bewegungsmangel und motorische Defizite in enger Verbindung mit dem Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen (Roth, 2022a, S. 238). In einer anderen Studie rekonstruiert Roth (2022b) metaphorische Konzepte von Sportlehrkräften im Zusammenhang mit der Digitalisierung. Die rekonstruierten Konzepte weisen ebenfalls auf eine große Zurückhaltung gegenüber „digitalisierungsbezogenen Transformationsprozessen“ im Allgemeinen und den Potenzialen von digitalen Medien im Sportunterricht im Speziellen hin (ebd., S. 198).

Im Vergleich zu den wenigen deutschen Studien (Roth, 36,37,a, b; Rehlinghaus, 2023; Kretschmann, 2015) liegen im internationalen Raum deutlich mehr Untersuchungen vor, die sich mit Sichtweisen von Lehrkräften auf digitalen Medien im Sportunterricht beschäftigen (u. a. Hill & Valdez-Garcia, 2020; Tou, Kee, Koh, Camiré, & Chow, 2020; Rojo-Ramos et al., 2020; Koh, Tan, Camiré, Paculdar, & Chua, 2021; Marttinen, Landi, Fredrick, & Silverman, 2020). Die Ergebnisse in den unterschiedlichen Ländern zeichnen hier allerdings kein einheitliches Bild. So deuten die Ergebnisse von Rojo-Ramos et al. (2020) aus einer quantitativen Studie mit spanischen Sportlehrer*innen beispielsweise darauf hin, dass vor allem jüngere Lehrkräfte digitale Medien in ihren Unterricht einbeziehen (ähnlich Lupton, 2021, bei australischen Sportlehrkräften). Tou et al. (2020) kommen hingegen in ihrer schriftlichen Befragung mit Lehrkräften aus Singapur zur Erkenntnis, dass berufserfahrenere Lehrkräfte eine größere Akzeptanz gegenüber digitalen Medien besitzen als ihre jüngeren Kolleg*innen.

Was Chancen und Grenzen des Einsatzes digitaler Medienangebote im Sportunterricht betrifft, deutet sich studienübergreifend eine ambivalente Sichtweise von Sportlehrer*innen an. Die Interviewten schreiben dem mediengestützten Sportunterricht durch den lebensweltlichen Bezug ein motivationsförderndes Potenzial zu (u. a. Rehlinghaus, 2023; Lupton, 2021; Marttinen et al., 2020). Zugleich befürchten sie, dass Schüler*innen durch den Einsatz digitaler Medien vom Unterrichtsgeschehen abgelenkt werden könnten (u. a. Lupton, 2021). Weiterhin sehen die Befragten in der videogestützten Bewegungsanalyse einen besonderen Mehrwert digitaler Medien (u. a. Koh et al., 2021; Lupton, 2021), verweisen dabei aber auch auf die Notwendigkeit unmittelbarer Körpererfahrungen (Lupton, 2021). Eine ambivalente Sichtweise zeigt sich ebenso im Hinblick auf den Einfluss digitaler Medien im Rahmen der Unterrichts- und Bewegungszeit. Demzufolge äußern Lehrkräfte zum einen, dass mobile Endgeräte vor allem einen erhöhten Aufwand mit sich bringen, deren Berücksichtigung im Unterricht zur Reduktion der Bewegungszeit von Schüler*innen führe (u. a. Koh et al., 2021; Lupton, 2021), zum anderen aber Bewegungszeit gewonnen werden könne, wenn z. B. theoretische Inhalte durch digitale Medienangebote aus dem Unterricht ausgelagert (Sargent & Casey, 2020), längere Erklärphasen der Lehrkraft durch Erklärvideos komprimiert oder durch digitale Tools die Unterrichtsorganisation ökonomischer gestaltet werden können (Koh et al., 2021). Eine der größten Herausforderungen in der Realisierung eines mediengestützten Sportunterrichts stellt für viele Lehrkräfte jedoch die fehlende digitale Infrastruktur dar (u. a. Hill & Valdez-Garcia, 2020; Rehlinghaus, 2023; Villalba, Gonzáles-Rivera, & Díaz-Pulido, 2017; Marttinen, 2020).

Hinsichtlich der Inszenierung eines mediengestützten Sportunterrichts gibt es bislang nur wenige empirische Befunde. Aus überwiegend internationalen Studien lässt sich ableiten, dass Lehrkräfte digitale Medien vor allem zur Unterstützung des Bewegungslernens nutzen, indem Apps wie Coach’s Eye zur Aufzeichnung und Analyse von Bewegungen genutzt werden (u. a. Koh et al., 2021; Sargent & Casey, 2020; Lupton, 2021). Studien zum Distanzlernen im Sportunterricht (Rehlinghaus, 2023; Mercier et al., 2021) ist zu entnehmen, dass Lehrende von einem Einsatz digitaler Medien zur Aufrechterhaltung des Sportunterrichts berichten. Dafür nutzten Lehrkräfte beispielsweise im Internet verfügbare Lernvideos, um ihre Schüler*innen im Distanzunterricht zu kleineren Geschicklichkeits- und Koordinationsübungen anzuleiten.

So lässt sich bilanzieren, dass empirische Ergebnisse zu Sichtweisen von Sportlehrkräften auf einen mediengestützten Sportunterricht vor allem für den internationalen Raum vorliegen. Die wenigen empirischen Erkenntnisse aus Deutschland stammen dabei auch aus Interviewstudien, welche vor bzw. während der Pandemie (u. a. Rehlinghaus, 2023, Roth, 2022b) durchgeführt wurden. So erscheint es notwendig, das empirische Wissen, insbesondere nach den Erfahrungen aus dem Distanzunterricht, in dem digitale Medien eine wichtige Rolle gespielt haben, zu erweitern und dabei auch Sichtweisen von Sportlehrkräften hinsichtlich ihrer Inszenierung medienpädagogischer Aufgaben (Lehren und Lernen mit und über Medien) in den Fokus zu rücken. Daher soll im vorliegenden Beitrag folgenden zwei Forschungsfragen nachgegangen werden:

  1. 1.

    Welche Chancen und Grenzen werden von Sportlehrkräften im Hinblick auf ein Lehren und Lernen mit und über digitale Medien im Sportunterricht geäußert?

  2. 2.

    Was berichten Sportlehrkräfte über die Inszenierung eines Lehrens und Lernens mit und über digitale Medien im Sportunterricht?

Methodisches Vorgehen

Flick, von Kardorff, und Steinke (2013, S. 14) heben den Anspruch qualitativer Forschungsansätze hervor, die „Lebenswelten von ‚innen heraus‘ aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben“. Insofern wurden in der Studie qualitative Interviews genutzt, um die Sichtweisen von Sportlehrkräften auf medienpädagogische Aspekte im Sportunterricht zu rekonstruieren, die für die Implementation dieser bildungspolitischen Aufgabe von großer Bedeutung sind. Zugleich wird aber auch deutlich, dass mit diesem Forschungszugang im Sinne von Flick et al. (2013) kein „Status quo“ der Inszenierung medienpädagogischer Aufgaben dargestellt werden kann.

Vor diesem Hintergrund wurden leitfadengestützte Einzelinterviews (dazu Misoch, 2019) mit nordrhein-westfälischen Lehrkräften von Gesamtschulen und Gymnasien (N = 20) geführt. Die Interviews wurden im Zeitraum Juli bis Dezember 2022 digital über eine Videokonferenzplattform geführt und aufgezeichnet. Die Auswahl der Stichprobe (Tab. 1) erfolgte entlang der soziodemografischen Kriterien Alter, Geschlecht, Berufserfahrung, Schulform, Regierungsbezirk und Zweitfach. In Anlehnung an die Statistik zur Lehrer*innenschaft in Nordrhein-Westfalen (MSB NRW, 2021) weist die Stichprobe einen etwas größeren Anteil an weiblichen Lehrkräften und Gymnasiallehrkräften auf. Dadurch sollte eine gewisse Vielfalt der Lehrer*innenschaft in NRW zumindest näherungsweise abgebildet werden. Die Lehrkräfte (w = 11; m = 9) wurden über ihre dienstlichen E‑Mail-Adressen und Kontakte von bereits interviewten Lehrkräften akquiriert. Die Befragung wurde nach 20 Interviews unter Berücksichtigung der oben genannten soziodemografischen Kriterien und aus arbeitsökonomischen Gründen abgeschlossen.

Tab. 1 Darstellung der Stichprobe

Das Durchschnittsalter der interviewten Sportlehrkräfte liegt bei 39,2 Jahren, die durchschnittliche Berufserfahrung bei 11,7 Jahren. Insgesamt sind nahezu alle Zweitfächer und unterschiedliche Regierungsbezirke in Nordrhein-Westfalen vertreten. Die Interviews dauerten im Schnitt 46,6 min.

Das Erhebungsinstrument wurde in zwei Probeinterviews getestet und für die Hauptphase leicht modifiziert (u. a. Misoch, 2019). In einer Einstiegsphase wurden die Befragten zu Vorerfahrungen mit digitalen Medien im privaten Bereich interviewt. In der Hauptphase der Interviews folgten Fragen darüber, welche Möglichkeiten der Inszenierung medienpädagogischer Aufgaben sie im Sportunterricht sehen und welche Chancen und Grenzen sie darin wahrnehmen.Footnote 5

Die Ergebnisse wurden mit Hilfe des Tools Amberscript zunächst automatisiert transkribiert, anschließend manuell in Anlehnung an Dresing und Pehl (2018) bereinigt und anonymisiert. Um eine systematische Analyse des Datenmaterials zu ermöglichen, erfolgte die Auswertung der Daten mittels eines deduktiv-induktiven Vorgehens in Anlehnung an die qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz und Rädiker (2022). Die deduktiven Kategorien leiten sich dabei aus dem theoretischen Wissen (Kelle & Kluge, 2010) zur InszenierungFootnote 6, Chancen und Grenzen eines Lehrens und Lernens mit und über Medien ab. Daran anschließend wurden die induktiven thematischen Kategorien über eine fokussierte Zusammenfassung am Material gebildet. Die Kategorienbildung orientierte sich an festen Codierregeln, Ankerbeispielen und Code-Beschreibungen, die in einem Codierbuch zusammengefasst wurden (Kuckartz & Rädiker, 2021). Die Überprüfung der Güte des Kategoriensystems (Tab. 2) erfolgte jeweils parallel durch zwei wissenschaftliche Mitarbeitende anhand einer Grobcodierung innerhalb eines ersten Codierdurchgangs und einer Feincodierung im zweiten Durchgang. Über wenige Abweichungen der Kategorienzuordnungen wurde abschließend in Anlehnung an das konsensuelle Codieren (dazu u. a. Guest, MacQueen, & Namey, 2012) mit einem weiteren wissenschaftlichen Mitarbeiter der Arbeitsgruppe entschieden.

Tab. 2 Darstellung des Kategoriensystems

Ergebnisdarstellung

Im Folgenden werden wesentliche Ergebnisse der Studie vorgestellt, die sich auf die Aussagen der Lehrkräfte zu Chancen und Grenzen sowie zur Inszenierung eines Lehrens und Lernens mit und über Medien im Sportunterricht konzentrieren.

Aussagen zu Chancen medienpädagogischer Aufgaben

Eine besondere Chance für einen mediengestützten Sportunterricht sehen die Interviewten vor allem in einer verbesserten Bewegungsanalyse von Schüler*innen. Diese sei ein „Riesenvorteil“ (B04, Pos. 64), „bereichernd“ (B19, Pos. 56) und helfe den Schüler*innen „enorm“ (B04, Pos. 46), ihre Bewegungsausführungen zu verbessern. Im Gegensatz zu einem rein verbalen Feedback würden visuelle Videofeedbacks die Schüler*innen dabei unterstützen, ihre Selbstwahrnehmungen zu überdenken (B15, Pos. 44). Weiterhin heben die Lehrkräfte die Vermittlung von Bewegungsleitbildern hervor, die mit Hilfe mobiler Endgeräte im Unterricht unterstützt werden könne. Im Unterschied zu einer „verpixelten Bilderreihe“ (B17, Pos. 62) sei der Einsatz von Videos nicht nur anschaulicher, sondern ermögliche es Technikleitbilder in langsamer Geschwindigkeit abzuspielen, anzuhalten und durch Apps auch bestimmte Aspekte durch Markierungsfunktionen hervorzuheben oder auf einem Tablet einzuzeichnen (u. a. B05, Pos. 66). Gleichzeitig berichten die Befragten vereinzelt auch von der Nutzung von (Tanz‑)Videos aus sozialen Netzwerken wie TikTok, die in den Augen der Befragten als Inspirationsquelle für eigene tänzerische Gestaltungen nützlich seien (u. a. B06, Pos. 70). Die Interviewten erwähnen zudem, dass sie aufgrund von Verletzungen oder fehlenden eigenen Bewegungserfahrungen nicht immer korrekte Bewegungsausführungen in verschiedenen Sportarten vormachen könnten. Als Ersatz dafür können dann Bewegungsleitbilder durch Videosequenzen im Unterricht gezeigt werden. Die eigenmotorischen Kompetenzen müssten somit „nicht in jeder Sportart exzellent sein“, so eine Lehrkraft (B09, Pos. 68).

Viele Interviewte sehen eine weitere Chance, und auch Notwendigkeit, eines durch digitale Medien gestützten Sportunterrichts vor allem in der Anknüpfung an die Lebenswelt der Schüler*innen. So unterstreicht eine Lehrkraft, dass digitale Medien „einfach zur Natur der Heranwachsenden“ gehören (B 15, Pos. 58). Auch sei es nach Ansicht der Befragten der Anspruch an einen „modernen“ und „zeitgemäßen“ Sportunterricht (B15, Pos. 58), sich digitalen Medien nicht zu verschließen. Des Weiteren sehen die Lehrer*innen durch den lebensweltlichen Bezug besondere Möglichkeiten zur Motivationssteigerung der Schüler*innen (u. a. B03, Pos. 72).

Überdies erkennen die interviewten Lehrkräfte im mediengestützten Sportunterricht Chancen zur Förderung eines differenzierten und selbstständigen Arbeitens. Mit dem Einsatz digitaler Medien könnten die Sportlehrer*innen „aus dem Fokus genommen“ (B02, Pos. 76) und dadurch die „klassische[n] Lehrerzentrierung“ (B17, Pos. 62) reduziert werden. Demnach sei es möglich, „viel mehr Arbeit auch in die Hände der Schüler zu legen“ (B10, Pos. 38) und zu differenzieren (u. a. B17, Pos. 54).

Einige Lehrpersonen verweisen zudem darauf, dass mit digital verfügbaren Unterrichtsmaterialien (u. a. Erklärvideos zu sportbezogenen Themen) die Einbindung von Theorie im Sportunterricht erleichtert werden könne (u. a. B04, Pos. 66), weil die „Informationsbeschaffung (…) deutlich einfacher als früher“ (B05, Pos. 50) sei.

Einen weiteren Vorteil in der Nutzung von digitalen Medien sehen die Sportlehrer*innen in einer optimierten Nutzung von Unterrichtszeit im Fach Sport. So unterstreichen die Lehrkräfte, dass Arbeitsergebnisse von Schüler*innen über mobile Endgeräte „schneller“ (B02, Pos. 80) und „praktischer“ (B13, Pos. 44) im Unterricht gesammelt und über einen Beamer visualisiert werden können (u. a. B02, Pos. 80). Durch die schnelle Verarbeitung von Daten ließen sich kurzfristig mit Hilfe von digitalen Tools Umfragen im Sportunterricht durchführen und mit der Klasse zeitnah besprechen.

Aussagen zu Grenzen medienpädagogischer Aufgaben

Als größtes Hindernis bei der Inszenierung medienpädagogischer Aufgaben im Sportunterricht erweist sich aus der Sicht der Sportlehrer*innen eine bislang fehlende oder unzureichende (digitale) Infrastruktur. Zwar geben viele Befragte an, dass der Ausbau des WLANs oder die Ausstattung mit mobilen Endgeräten an den Schulen vorankomme (B10, Pos. 32), doch seien die Sporthallen häufig von den infrastrukturellen Maßnahmen ausgenommen oder deutlich schlechter ausgestattet als andere Gebäudeteile (u. a. B07, Pos. 50). In diesem Kontext verweisen die Lehrkräfte u. a. auf bislang fehlende Smartboards oder festinstallierte Beamer und WLAN-Zugänge in den Sporthallen (B01, Pos. 30). Weitergehend schätzen die Interviewten auch den Einsatz von an der Schule verfügbaren iPads in der Sporthalle als wenig praktikabel und zeitaufwendig ein (B09, Pos. 50), da die Geräte z. B. aus anderen Gebäudeteilen geholt werden müssen (B07, Pos. 86). Zudem wird in den Interviews darauf hingewiesen, dass es in der Sporthalle „viel wuseliger“ (B09, Pos. 80) und mit „Risiko behaftet“ (B03, Pos. 82) sei, mobile Endgeräte wie iPads im Sportunterricht zu verwenden. In diesem Kontext äußern die Lehrkräfte auch Sorgen hinsichtlich des Versicherungsschutzes: „Ich denke, dass es schon Probleme geben wird, wenn es [das Tablet] dann irgendwie im Sportunterricht mal kaputt gehen sollte“ (B03, Pos. 82).

Darüber hinaus werden datenschutzrechtliche Vorgaben im Sportunterricht von vielen Sportlehrkräften als „limitierender Faktor“ (B07, Pos. 76) benannt. Diese würden sich insbesondere daraus ergeben, dass Schüler*innen im Sportunterricht gefilmt werden: „(…) durch die Körperlichkeit im Sportunterricht (…) ist das so ein Aspekt, aufgrund dessen ich auch immer noch vorsichtig bin, gerade im Sportunterricht die Schülerinnen und Schüler mit eigenen digitalen Endgeräten arbeiten zu lassen“ (B14, Pos. 78). Nicht zuletzt betonen die Interviewten auch den erhöhten Zeitaufwand, der mit dem Einholen von Einverständniserklärungen von Eltern und Schüler*innen für das Filmen im Sportunterricht einhergehe (B12, Pos. 58).

Als weitere Hürde für die Inszenierung – insbesondere hinsichtlich eines Lehrens und Lernens über Medien – geben Lehrkräfte unzureichende inhaltliche Zugänge im Sportunterricht an. Insgesamt sehen sie „mehr Möglichkeiten“ (B04, Pos. 60) und „mehr Potenzial“ (B08, Pos. 94) zur Thematisierung medienpädagogischer Aspekte in ihren Zweitfächern. Hier falle es ihnen leichter, über Medien mit den Schüler*innen ins Gespräch zu kommen, da die Themen bessere fachliche Anknüpfungspunkte bieten würden (B12, Pos. 52). Daneben betonen die Befragten, dass medienpädagogische Inhalte im Fach Sport „nicht so eine große Gültigkeit“ (B04, Pos. 60) besitzen. Hinsichtlich des Lehrens und Lernens über Medien fehle ihnen häufig der Bezug zur Bewegungspraxis, weshalb sie damit eine „geistige Arbeit“ (B06, Pos. 66) assoziieren, deren Potenziale aus Sicht der Befragten eher in anderen Fächern liegen.

In diesem Zusammenhang heben fast alle Sportlehrkräfte in den Interviews den Primat der Bewegung hervor (u. a. B05, Pos. 50). Der Sportunterricht sei demnach aus ihrer Sicht ein Ort, an dem die Schüler*innen „einfach mal abschalten können und mal ein bisschen wirklich nur Zeit haben, sich, ihren Mitschüler*innen, ihrem Körper, ihren Bewegungen und dem Miteinander“ (B09, Pos. 94) zuzuwenden. Für viele der Lehrkräfte gehe die Nutzung digitaler Medien allerdings mit einer Reduzierung von Bewegungszeit einher: „(…) wenn ich einen Beamer aufgebaut habe und sage, ich möchte was zeigen, bis der wieder abgebaut ist, bis dann wieder anständig Sport in der Sporthalle gemacht werden kann, geht halt Bewegungszeit einfach verloren“ (B03, Pos. 82).

Auch eigene mangelnde medienpädagogische Kompetenzen erweisen sich, insbesondere aus der Sicht interviewter berufserfahreneren Lehrkräften als Hinderungsgrund, digitale Medien häufiger im Sportunterricht zu integrieren. Die Interviewten äußern zudem, dass sie sich noch nicht ausreichend mit der Nutzung und Thematisierung von digitalen Medien im Sportunterricht auseinandergesetzt hätten bzw. sich nicht ausreichend dafür gewappnet fühlten (B17, Pos. 58). Dabei wird von einzelnen Lehrkräften auch ein fehlender Einblick in Medienwelten von Schüler*innen als Herausforderung betont:

„Ich gebe auch zu (…), dass ich in diesen ganzen Medienprozessen selber nicht so drin bin. Ich müsste da auch erst mal ein bisschen Input reinstecken, damit ich da wirklich auch irgendwie gezielt und so für mich so sicher und gewinnbringend irgendwie sagen könnte: Da mache ich jetzt mal was zu (…). Ich bin in diesen ganzen sozialen Kanälen nicht unterwegs. Ich kenne das alles nur vom Hörensagen so ein bisschen.“ (B17, Pos. 58)

Insgesamt wird vielfach auf bislang noch fehlende Fortbildungsangebote zum Aufbau eigener medienpädagogischer Kompetenzen im Fach Sport hingewiesen (B11, Pos. 82).

Aussagen zur Inszenierung medienpädagogischer Aufgaben

Hinsichtlich der Inszenierung eines Lehrens und Lernens mit Medien erweist sich die Einbindung von Videos für Bewegungs- und SpielvorstellungenFootnote 7 als weit verbreitet (u. a. B15, Pos. 44). Dabei verweisen die Lehrkräfte auf einen Einsatz verfügbarer Videomaterialien, um beispielsweise grundlegende Bewegungsmerkmale des Handstützüberschlages im Turnen (B03, Pos. 74), elementare Regeln von Sportarten (B20, Pos. 64) oder Raumformationen im Tanz zu vermitteln (B06, Pos. 72). Auch in der Gestaltung von Choreografien berichten die Interviewten über den Einsatz von Videos, um den Schüler*innen Anregungen für die eigene Inszenierung zu geben (u. a. B05, Pos. 62). Der Abruf der unterschiedlichen Videos und Inhalte erfolge über Apps (z. B. Turnlehrer-App), soziale Netzwerke (u. a. B06, Pos. 74) und Videoplattformen wie YouTube (u. a. B04, Pos. 66). Selbst erstellte Videos und Inhalte spielen bei den befragten Lehrkräften hingegen bislang keine Rolle.

Des Weiteren äußern fast alle Lehrkräfte, eine mediengestützte Bewegungsanalyse in vielfältigen Sport- und Bewegungsbereichen einzubinden. Bewegungsausführungen von Schüler*innen würden beispielsweise beim Aufschlag im Badminton (B01, Pos. 46), im Hochsprung (u. a. B04, Pos. 46), beim Skifahren (B17, Pos. 62), aber auch für die Analyse von Tanzchoreografien (u. a. B18, Pos. 40) zunächst digital aufgezeichnet und anschließend durch die Einbindung von Apps wie z. B. Coach’s Eye (B09, Pos. 66) analysiert werden. Weiterhin verweisen die Sportlehrer*innen auf die Nutzung unterschiedlichster Funktionen von Bewegungsanalyseapps wie z. B. einer Zeitlupen-Funktion (B19, Pos. 68), dem Produzieren von Standbildern (B16, Pos. 64), aber auch der Hervorhebung einzelner Bewegungssequenzen (u. a. B08, Pos. 82). Im Hinblick auf die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben heben die Befragten die Nutzung von Delay-Funktionen hervor, durch die im Unterricht aufgezeichnete Videos zeitversetzt angesehen werden können und nicht auf den Tablets gespeichert werden müssen (B09, Pos. 66).

Darüber hinaus werden datenschutzrechtliche Bedeutungen im Unterricht thematisiert. In diesem Kontext führt eine Sportlehrkraft aus: „(…) was muss ich an Daten weitergeben? Was gebe ich an Daten weiter? An wen gebe ich Daten weiter? (…) was für Daten werden benötigt? Muss ich das eingeben? (…) Das spielt auch im Sportunterricht eine Rolle (…).“ (B01, Pos. 40). Ein Grund für die Thematisierung eines verantwortungsvollen Umgangs mit digitalen Medien im Sportunterricht scheint auch darin zu liegen, dass die Interviewten im Schulalltag bereits Erfahrungen mit dem Missbrauch sensibler Daten gemacht haben. Eine Lehrerin schildert beispielsweise von einem Fall, bei dem Persönlichkeitsrechte missachtet und zum Gegenstand des Sportunterrichts gemacht wurden:

„Mit so was haben wir natürlich in der Schule total zu kämpfen, aktuell auch, weil es auch Fälle gibt, wo Lehrer heimlich gefilmt wurden, Videos manipuliert, verändert und rumgeschickt und auch tatsächlich im Sportunterricht. Für mich natürlich die Vollkatastrophe, wenn ich auch noch beim Reckturnen gefilmt werde, wenn es rumgeschickt wird. Also das macht man natürlich schon zum Thema und das ist absolute Medienkompetenz.“ (B18, Pos. 64)

Weiterhin berichten die Lehrkräfte – auch gestützt aus Erfahrungen mit dem Distanzlernen in der Corona-Pandemie – gemeinsam mit ihren Schüler*innen, bewegungs- und gesundheitsbezogene Daten im Sportunterricht zu erfassen. Dabei würden Bewegungs- und Laufdaten während und nach dem Unterricht z. B. zur Schulung der Ausdauer oder zur Reflexion des individuellen Bewegungsverhaltens im Alltag durch die Unterstützung von Tracking-Apps erhoben. Die Daten, so eine Lehrkraft, könnten dann wiederum in Lauftagebücher übertragen und mit den Schüler*innen laufend reflektiert werden (u. a. B06, Pos. 86). In zwei Interviews äußern die Befragten außerdem, Trackingdaten für die Bewertung heranzuziehen:

„Also wir hatten gelegentlich den Fall, dass Schüler (…) nicht am Schwimmunterricht teilnehmen konnten, aber die müssen die Note kriegen. Und dann habe ich es ein-, zwei-, dreimal gemacht, dass die genau ebenso ein Lauftagebuch erstellen sollten und als Beweis, dass sie laufen, eben das tracken sollten und Ausdrucke dann da rein heften mussten.“ (B02, Pos. 100)

Insgesamt scheinen gesundheitsbezogene Aspekte für einige Lehrkräfte besonders geeignet zu sein, auch medienkritische Momente anzusprechen. So berichtet eine Lehrkraft davon, dass sie unterschiedlichen Apps hinsichtlich ihres Nutzens für das außerschulische Sporttreiben im Unterricht analysiere und bewerte (B15, Pos. 52). In Bezug auf eine kritische Reflexion von Körperidealen erläutert eine Sportlehrerin: „(…) Also es war jetzt ein Unterrichtsvorhaben, es hieß fit und entspannt ins Abitur, also dass die auf der einen Seite eigene Yogasequenzen entwickeln zu verschiedenen Schwerpunkten, auf der anderen Seite aber auch einen kritischen Umgang da mitbekommen haben, was Mady Morrison oder was, wer auch immer da im Internet postet in Bezug auf Körperideale. Also das ist vielleicht so in Bezug auf Sport schon ein Thema, was ab der Mittelstufe anfängt, was wichtig ist. Also was denke ich für uns schon gezielt ins Auge gefasst werden sollte, um gesunde junge Erwachsene dann auch zu entlassen.“ (B10, Pos. 46).

Ferner äußern mehrere Lehrkräfte in den Interviews, dass Lernmanagementsysteme wie Moodle oder Teams im Sportunterricht seit dem Distanzlernen häufiger genutzt werden. So würden die Interviewten von den Schüler*innen entwickelte Fitnessworkouts (B13, Pos. 64), Spielideen (B07, Pos. 84), Audio-Feedback der Schüler*innen zu tänzerischen Bewegungen (B10, Pos. 40) oder Informationen zur Gestaltung von Choreografien (B13, Pos. 64) in solche Lernmanagementsysteme hochladen und im Unterricht besprechen. Weitergehend dienen Lernmanagementsysteme nach Aussagen der Lehrkräfte auch dafür, eigene Materialien zur Vorbereitung auf den Unterricht oder zur Nutzung im Unterricht den Schüler*innen zur Verfügung zu stellen (B04, Pos. 70).

Diskussion

Ähnlich wie in anderen Studien mit Lehrkräften (u. a. Rehlinghaus, 2023; Lupton, 2021) oder Fachleiter*innen (Rehlinghaus, Sarwari & Poweleit, 2024), offenbaren auch die vorliegenden Ergebnisse ambivalente Sichtweisen von Sportlehrkräften auf medienpädagogische Aufgaben. So nehmen viele Interviewte einen mediengestützten Sportunterricht durch einen lebensweltlichen Bezug als motivationsfördernd wahr, sehen in digitalen Medien aber gleichzeitig einen Ablenkungsfaktor vom Unterrichtsgeschehen im Fach Sport, den sie als bewusstes Gegengewicht zum mediatisierten Alltag der Kinder und Jugendlichen begreifen. Insgesamt scheinen allerdings allgemein bekannte Mehrwerte mediengestützter Lernarrangements wie der Förderung eines selbstgesteuerten Lernens durch von den Schüler*innen durchgeführten Bewegungsanalysen oder mehr Möglichkeiten in der Gestaltung individualisierter Lernangebote z. B. durch den Abruf digitaler Lernmaterialien für die Lehrkräfte bereits erfahrbar (dazu Heinen & Kerres, 2017).

Hinsichtlich der Inszenierung medienpädagogischer Aufgaben zeigt sich in den Interviews, dass nahezu alle Lehrkräfte von ersten eigenen Unterrichtserfahrungen berichten können. So weisen die Erzählungen der Interviewten doch im Kern daraufhin, dass der Sportunterricht hier keinesfalls mehr als „analoge Blase“ (Wendeborn, 2019, S. 11) angesehen werden kann. Im Fokus eines Lehrens und Lernens mit Medien im Sportunterricht erweist sich in den Interviews besonders die Analyse und Demonstration von Bewegungen (ähnlich Koh et al., 2021; Lupton, 2021) als bedeutsam, die für viele Interviewte häufig mit einer Förderung der Selbstständigkeit von Schüler*innen verbunden ist. Damit geht jedoch die Gefahr einher, dass ein solcher Einsatz digitaler Medien ein enges, fachkulturell tradiertes Unterrichtsverständnis begünstigt, das sich einseitig an normierten Bewegungs- und Technikleitbildern häufig weltbester Athlet*innen orientiert und sich damit – zumindest tendenziell – auf die Verbesserung der körperlich-motorischen Leistungsfähigkeit der Schüler*innen konzentriert (dazu u. a. Ruin & Stibbe, 2016; Meier & Stibbe, 2023).

In der Vorstellung, digitale Medien überwiegend nur als Werkzeuge zur Optimierung der sportlichen Leistungsfähigkeit der Schüler*innen zu nutzen, spiegeln sich (bekannte) fachkulturelle Vorstellungen von Sportlehrkräften wider (dazu Ernst, 2018; Poweleit, 2021). Dazu passen auch Aussagen zahlreicher Lehrkräfte, die befürchten, mit dem vermehrten Einsatz digitaler Medien im Sportunterricht könne die Bewegungszeit zu stark eingeschränkt werden. Insbesondere wenn digitale Medien jedoch der Verbesserung sportmotorischer Fertigkeiten dienen, halten viele Lehrkräfte ihren Einsatz für gerechtfertigt. Dementsprechend solle die Reflexion über Medien im Sportunterricht nach Ansicht der meisten Befragten nachrangig behandelt und/oder anderen Fächern überlassen werden. Damit scheint sich Wendeborns (2019, S. 11) Vermutung, dass der Sportunterricht hinsichtlich der Digitalisierung zum Erhalt einer intensiven Bewegungspraxis offenbar von einer „schützenden Barriere“ (ebd., S. 11) umfasst wird, zumindest in Teilen zu bewahrheiten.

In diesem Sinne zeigt sich bei der Mehrzahl der Befragten – analog zur Verkürzung der Perspektive eines Lehrens und Lernens über Medien in bildungspolitischen Vorgaben (Bastian, 2017; Meier & Poweleit, 2023) – eine tiefe Skepsis gegenüber eines kritisch-reflexiven Umgangs mit Medien in der unterrichtlichen Praxis. Dafür verantwortlich scheint neben fachkulturell-konzeptionellen Überzeugungen, einer wahrgenommenen Überfrachtung unterrichtlicher Aufgaben und schlechten infrastrukturellen Rahmenbedingungen häufig auch ein fehlendes Wissen darüber, wie eine kritisch-reflexive Thematisierung von digitalen Medien inszeniert werden kann. So überrascht es kaum, dass die Perspektive eines Lehrens und Lernens über Medien in den Berichten der Interviewten über die Inszenierung häufig auf ein funktionales Wissen über digitale Medien (z. B. über die Bedienung von iPads oder Apps) reduziert wird. Daneben gibt es nur wenige Lehrkräfte, die die Notwendigkeit einer kritisch-reflexiven Thematisierung z. B. über die Reflexion von in sozialen Medien vermittelten Körperidealen betonen.

Zukünftige Fortbildungsangebote, die die Lehrkräfte in den Interviews mehrfach gefordert haben, sollten also zum einen unterschiedliche Zielbereiche eines Lehrens und Lernens mit und über Medien aus medienpädagogischer Sicht aufzeigen (dazu Tulodziecki et al., 2021) und zum anderen Anknüpfungspunkte hinsichtlich fachdidaktischer Zielsetzungen im Kontext einer „Bewegungskultur der Digitalität“ (Wibowo, Genfeld, Hofmann, & Wolters, 2023, S. 151) ansprechen. Erste wissenschaftlich begleitete Unterrichtsinterventionen, in denen medienpädagogische und fachdidaktische Zielsetzungen im Einklang stehen, können dabei Mehrwerte aus der Sicht von Schüler*innen bereits belegen (u. a. Greve et al., 2020b).

Was Limitationen der Studie betrifft, sei auf die Zusammensetzung der Stichprobe verwiesen: So ist denkbar, dass Lehrkräfte in der Stichprobe wenig vertreten sind, die medienpädagogischen Inhalten und Zielen im Sportunterricht explizit kritisch gegenüberstehen, sich hierauf bezogen als nicht kompetent wahrnehmen und/oder sich bislang aufgrund fehlender digitaler Infrastrukturen an ihren Schulen noch nicht mit der Thematik auseinandergesetzt haben. Auch beziehen sich die Erkenntnisse lediglich auf Gymnasial- und Gesamtschullehrkräfte aus Nordrhein-Westfalen. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass durch die Rekonstruktion der Sichtweisen nicht erkennbar wird, wie umfänglich digitale Medien im Sportunterricht der Befragten tatsächlich verwendet werden. Um dies zu untersuchen, sind weiterführende Unterrichtsbeobachtungen notwendig.

Fazit

Im Beitrag wurden 20 Sportlehrer*innen anhand leitfadengestützter Einzelinterviews dazu befragt, wie sie die medienpädagogischen Perspektiven eines Lehrens und Lernens mit und über Medien im Sportunterricht inszenieren und welche Chancen und Grenzen sie darin sehen. Die auf bildungspolitisch-curricularer Ebene festgestellte Verkürzung der Perspektive eines Lehrens und Lernens über Medien spiegelt sich auch in den Aussagen der interviewten Lehrkräfte über deren unterrichtliche Praxis wider. Bei zukünftigen Überlegungen hinsichtlich medienpädagogischer Fragestellungen im Sportunterricht sollten somit auch die fachkulturellen Zielsetzungen von Sportlehrenden, insbesondere das Problem der vermeintlichen Vernachlässigung der Bewegungszeit, mitgedacht werden. Ähnlich wie bei der Fachdiskussion zur reflektierten Praxis (Serwe-Pandrick, Jaitner, & Engelhardt, 2023) scheint den interviewten Lehrkräften die Bedeutung und der Nutzen einer kritischen Auseinandersetzung sportlicher Phänomene in Bezug auf digitale Medien nicht umfassend bewusst zu sein. Zukünftig bedarf es weiterer Maßnahmen, um Sportlehrkräften die Bedeutung von (wertvollen) Reflexionsanlässen hinsichtlich eines Lehrens und Lernens über Medien zu verdeutlichen, die auch im Einklang mit dem Konzept des erziehenden, mehrperspektivischen Sportunterrichts stehen. Dazu ist es notwendig, die Perspektive in exemplarischen Unterrichtsvorhaben stärker zu berücksichtigen. Gleichzeitig sollte auch der Sportunterricht bei infrastrukturellen Maßnahmen mitbedacht werden, damit Lehrkräfte, wie in der KMK-Strategie (2016) gefordert, vielfältige digitale Lehr- und Lernformate im Sportunterricht inszenieren können.