1 Einleitung

Der Reflexionsbegriff ist seit den 1980er-Jahren in der Lehrer*innenbildung präsent (Wyss und Mahler 2021). Nach wie vor stellt Reflexion ein zentrales Element der Lehrer*innenbildung dar, um Professionalisierungsprozesse systematisch anzustoßen und ist daher insbesondere aus dem Bereich der Unterrichts(qualitäts)entwicklung nicht wegzudenken. Schließlich ist Reflexion auch in den Standards für die Lehrer*innenbildung fest verankert (Kultusministerkonferenz der Länder 2019). Obwohl der Reflexionsbegriff in Praxis und Forschung sehr häufig vorkommt und mit berufsbezogener Reflexion große Wirkungshoffnungen verbunden sind, wird die Reflexionskompetenz von (angehenden) Lehrkräften als eher gering ausgeprägt dargestellt (z. B. Collier 1999; Gutzwiller-Helfenfinger et al. 2017; Körkkö et al. 2016; Pultorak 1993; Windt und Lenske 2015; Wunder 2003; Wyss 2013). Allerdings wird in der Fachliteratur ersichtlich, dass das Konstrukt noch unzureichend geklärt bzw. der Begriff Reflexion vielfältig definiert und operationalisiert ist (z. B. Aeppli und Lötscher 2016; Berndt und Häcker 2017; Stender et al. 2021; Williams und Grudnoff 2011; Wyss und Mahler 2021) und im Sinne eines Umbrella Terms verwendet wird, indem nahezu alles, was ein vertieftes Nachdenken über Unterricht oder kohärenzbildende Denkprozesse beinhaltet, als Reflexion oder Reflexionsprozess beschrieben wird (z. B. Calderhead 1989; von Aufschnaiter et al. 2019). Außerdem erfolgt selten eine strukturierte Explikation des konkreten Reflexionsverständnisses (vgl. auch Bengtsson 2003). So scheint es ratsam, eine für die Lehrkräfteprofessionalisierung viable Definition als Strukturierungsvorschlag zu erarbeiten, welche in der Fachliteratur beschriebene reflexionsbezogene Kernelemente inkludiert und zugleich aber eine gewisse Exklusivität aufweist bzw. nicht zu allgemein formuliert ist, um eine Abgrenzung zu anderen, ggf. verwandten, Begriffen (wie Analyse oder Feedback) zu ermöglichen (vgl. Collin et al. 2013).

Das DFG-Netzwerk Net:Flex wurde gegründet, um den Begriff Reflexion näher zu beleuchten und dabei unter anderem eine Reflexionsdefinition auf Grundlage bisheriger Theorie- und Forschungsleistungen zu erarbeiten. Im Abstraktionsniveau wurde eine Definition ähnlich der Kompetenzdefinition von Weinert (2001) angestrebt: „action competence […] specifies the prerequisites required to fulfil the demands of a particular professional position“ (S. 51). Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, die Arbeitsdefinition des Netzwerks als Definitionsvorschlag vorzustellen, die Anschlussfähigkeit an bisherige Theorie- und Forschungsleistungen zu skizzieren, den Mehrwert einer solchen Definition herauszuarbeiten und zum Diskurs des Definitionsvorschlags in der Community anzuregen. Nach der Einführung der Definition erfolgt im Anschluss eine Unterteilung in Kernmerkmale. Unter Rekurrenz auf renommierte Arbeiten im Bereich Reflexion wird die Anschlussfähigkeit an bisherige Arbeiten aufgezeigt, indem die der Definition immanenten Kernmerkmale sich in bereits bestehenden Modellen wiederfinden. Um neben den Bezügen zu renommierten Arbeiten zu überprüfen, inwiefern Kernelemente der vorgeschlagenen Definition in aktueller Forschung zu Reflexion in der Lehrer*innenbildung sowohl auf analytischer als auch auf operationaler Ebene beinhaltet sind, wurde ein systematisches Review durchgeführt. Hierbei wurde sich auf aktuelle deutschsprachige Interventionsstudien der letzten 10 Jahre zum Thema Reflexion konzentriert.

Im Rahmen der vorgeschlagenen Definition geht es explizit nicht darum, Reflexion neu zu denken, sondern bisheriges Gedankengut aufzugreifen, um einen Strukturierungsvorschlag zu erarbeiten. Durch formulierte Kernelemente begegnet der Strukturierungsvorschlag der Umbrella Term Problematik und lässt zugleich eine weitere Ausdifferenzierung der einzelnen Kernelemente zu. Darüber hinaus wird durch die Formulierung von Kernelementen eine Abgrenzung von Reflexion zu verwandten Konstrukten ermöglicht. Hierin besteht ein wesentlicher Mehrwert der vorgeschlagenen Definition. Der Stichwortbeitrag schließt mit einem Ausblick über weitere Arbeitsfelder und Forschungsdesiderata unter der Zielsetzung der weiteren Ausschärfung des Konstrukts Reflexion und lädt zum Diskurs über die vorgeschlagene Definition ein.

2 Definition von Reflexion als interdisziplinärer Minimalkonsens

2.1 Reflexion als Begriff in der Lehrer*innenbildung

An dieser Stelle möchten wir zunächst auf die 80er-Jahre blicken, also den Beginn der frequentierten Verwendung von Reflexion im Rahmen pädagogischer Professionalisierung, und damit auf Donald Schön zu sprechen kommen, der mit seinem Buch „The Reflective Practitioner“ (1983) die Bedeutung von Reflexion für die Professionalisierung unter Bezugnahme auf den Lehrberuf eingehend beschrieben hat. Seither ist Reflexion aus Berufen in pädagogischen Kontexten nicht mehr wegzudenken. Schön (1983) macht deutlich, dass Praktiker*innen komplexe oder ambiguose Situationen bzw. Probleme reflektieren müssen, um Zusammenhänge zu verstehen, Handlungen zu überdenken und letztlich alternative, adäquatere Handlungsmöglichkeiten zu finden. Schön (1983, 1987) unterteilt dabei das pädagogische Handeln in drei Typen: Knowing in action beschreibt das immanente, teils intuitive Wissen, eine Handlung auszuführen bzw. eine Situation zu meistern, ohne bei der Durchführung bewusst darüber nachdenken zu müssen. Reflection in action bedeutet, während einer Situation bereits die relevanten Dinge zu reflektieren, um unmittelbar in der Situation reflektiert zu handeln. Dies erfordert einen hohen professionellen Status, da das bewusste Wahrnehmen einer Situation, das Überdenken möglicher Handlungsalternativen und das Handeln in der Situation nahezu simultan bzw. nur minimal zeitlich versetzt stattfinden müssen. Das von ihm als reflection on action bezeichnete Konzept beschreibt hingegen das Nachdenken über bereits stattgefundene Handlungen (und Situationen), die Beweggründe und Folgen sowie die Schlüsse daraus für zukünftige Handlungen. Dieses Konzept bzw. das Reflektieren über eine vergangene Situation wird i. d. R. adressiert, wenn über Reflexion in pädagogischen Kontexten gesprochen wird. Deshalb werden wir in diesem Beitrag auch auf das Reflektieren bzw. die Reflexion außerhalb der zu reflektierenden Situation fokussieren und das Konzept der reflection in action aussparen.

Die Reflexion eigener Erfahrungen gilt seit dieser Zeit als zentraler Bestandteil der Lehrer*innenbildung (z. B. Calderhead 1989; Hatton und Smith 1995; Zeichner und Liston 1987), insbesondere in einer Zeit mit schnell wechselnden Herausforderungen und der Prämisse des lebenslangen Lernens: „Um das professionelle Handeln angehender Lehrer*innen vorzubereiten, ist eine reflexive Auseinandersetzung mit ihrem eigenen beruflichen Handeln unabdingbar. Reflexivität und professionelles Handeln gehen dabei Hand in Hand. Aktuell manifestiert sich das z. B. im Umgang mit gesellschaftlich relevanten Themen wie Inklusion oder die schulische Nutzung digitaler Medien“ (Völschow und Kunze 2021, S. 10). Auch wenn die empirische Forschung zur Wirkung von Reflexion in Bezug auf die Professionalisierung von pädagogischem Fachpersonal noch als dürftig zu beschreiben ist, gibt es empirische Befunde zu positiven Effekten (z. B. Rahm und Lunkenbein 2014; Svojanovsky 2017; Wyss 2013) und kaum Zweifel an der Wirkungsmacht.

2.2 Reflexion als Umbrella-Term mit hoher Vielfalt und wenig Explikation

Trotz der normativen und in Teilen empirisch nachgewiesenen Bedeutsamkeit von Reflexion für die Professionalisierung von Lehrkräften, kann Reflexion als ein unscharfer Begriff (vgl. Scheunpflug und Affolderbach 2019) bezeichnet werden, der aufgrund seiner Vielfältigkeit einer weiterführenden Explikation bedarf. Reflexion wird grundsätzlich als eine mentale Tätigkeit verstanden (Grimmett 1988; Hatton und Smith 1995; McNamara 1990; Sparks-Langer et al. 1990); d. h. diesbezüglich liegt eine ausreichende Begriffsschärfe vor. Nicht gänzlich unumstritten, aber dennoch mehrheitlich geteilt, gilt Reflexion darüber hinaus als intentional (z. B. Hatton und Smith 1995; Loughran 1996; Mezirow 1991; Moon 1999). D. h. Reflexion wird in professionellem Kontext nicht zu ihrem Selbstzweck ausgeübt, vielmehr wird durch Reflexion ein Ziel verfolgt, z. B. etwas tiefer ergründen, ein Problem lösen, etwas optimieren, etwas verändern etc (z. B. Aeppli und Lötscher 2016; Beauchamp 2015; Dewey 1938; Korthagen und Vasalos 2005; Schön 1983). Auch wenn in der Fachliteratur Einigkeit dahingehend besteht, dass Reflexion ein mentaler (intentionaler) Prozess ist, wird zugleich die Unzulänglichkeit einer auf diesen einen Aspekt hin reduzierten Begriffsexplikation, welche selbst diesen Aspekt nicht ausschärft, stark kritisiert (z. B. Aeppli und Lötscher 2016; Bates et al. 2009; Korthagen et al. 2001).

Die Unschärfe des Konzepts der Reflexion kritisiert bereits Calderhead (1989), indem er auf die ungeheure Anzahl von variierenden Konzeptualisierungen hinweist. Das Review von Larrivee (2008) bringt die Breite des Reflexionsverständnisses wie folgt auf den Punkt: „Throughout the literature the term reflection, and consequently reflective practice, is being used to describe practices ranging from analyzing a single aspect of a lesson to considering the ethical, social and political implications of teaching practice. Practice refers to one’s repertoire of knowledge, dispositions, skills, and behaviors.“ (S. 341).

Der Umgang mit dem Begriff Reflexion in Theorie und Praxis und dessen Unschärfe wird dabei selbst als unreflektiert bezeichnet (Bengtsson 2003; von Aufschnaiter et al. 2019). Vielfältig werden Begriffe, welchen ebenfalls mentale Prozesse als ein Kernmerkmal ihrer Definition immanent sind (z. B. Videoanalyse), mit Reflexion in Verbindung gebracht, jedoch nicht voneinander abgegrenzt und eher synonym verwendet, ohne jedoch eine Kongruenz zu explizieren. So zeigt sich, dass Unterrichtsanalysen über fremden Unterricht zum Teil auch als Reflexion bezeichnet werden und eine Trennung vom Konstrukt der professionellen Wahrnehmung nicht explizit vorgenommen wird (z. B. bei Stender et al. 2021; Treisch et al. 2015; Weber et al. 2020). Auch finden sich Publikationen, in denen Feedbackgespräche als Reflexion(sgespräche) tituliert werden (z. B. Beckmann und Ehmke 2020; Winter und Junker 2020). Durch unterschiedliche Formen der Reflexion (z. B. Kollegiale Reflexion) oder unterschiedliche Methoden (z. B. Reflecting Team) werden in Zusammenhang mit der Besprechung eigener Unterrichtsvideos neben Überlappungen zum Feedback auch Überlappungen zur Beratung deutlich (z. B. Göbel und Gösch 2019).

Trotz der jahrzehntelangen Kritik an dieser Unschärfe des Reflexionsbegriffs und damit einhergehender Limitationen für Wissenschaft und Praxis, gilt Reflexion sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis nach wie vor als uneinheitlich genutzter Begriff (Umbrella Term; Stender et al. 2021; von Aufschnaiter et al. 2019; Wyss und Mahler 2021). Dies stellt per se kein Problem dar, sondern spiegelt unterschiedliche Perspektiven und den wissenschaftlichen Diskurs wider. Hierfür ist es allerdings notwendig, dass das jeweilige Verständnis des Begriffs (in diesem Fall der Reflexion) expliziert wird. Wie an späterer Stelle deutlich werden wird, ist dies in empirischen Studien nur zum Teil der Fall. Aus der Vielfältigkeit des Reflexionsverständnisses in Kombination mit einer fehlenden Explikation des tatsächlichen Verständnisses innerhalb von empirischen Studien resultiert dann deren mangelhafte Vergleichbarkeit (Rodgers 2002).

Weiterführend spricht Rodgers (2002) aus der Kritik an der begrifflichen Unklarheit bezüglich des Terms Reflexion drei weitere resultierende Probleme an: (1) Wenn unklar ist, was Reflexion von anderen Typen des Denkens abgrenzt, ist auch unklar, was angehende Praktiker*innen tatsächlich tun sollen, um zu reflektieren. (2) Für ein vages Konstrukt können keine spezifischen Qualitätskriterien abgeleitet werden. (3) Über ein vages Konstrukt lässt sich nur bedingt (präzise) sprechen. Auch wenn sich teilweise für eine gewisse begriffliche Unschärfe ausgesprochen wird, um Kommunikationsökonomie zu erzielen und zugleich vor einem „übertriebenen Sauberkeitsbedürfnis“ hinsichtlich begrifflicher Definitionen gewarnt wird (vgl. Scheunpflug und Affolderbach 2019, S. 192), betrachten wir die aktuelle begriffliche Unschärfe in Bezug auf Reflexion in Anlehnung an Rodgers (2002) als problematisch für die empirische Lehrer*innenbildungsforschung.

2.3 Desiderat

Es gibt in der Literatur bereits etliche Bestrebungen, Reflexion zu konzeptualisieren bzw. zu operationalisieren (z. B. Aeppli und Lötscher 2016; Hatton und Smith 1995; Larrivee 2008; von Aufschnaiter et al. 2019). Zu diesem Zweck wurden unterschiedliche Prozess- und Stufenmodelle entwickelt, die Spezifika von Reflexion kennzeichnen. Diese Modelle sind jedoch zum Teil recht komplex und es ist häufig keine begriffliche Definition zusätzlich zum Modell formuliert, welche zitiert werden kann.

Schließlich wird in zahlreichen aktuellen empirischen Artikeln (z. B. Bohndick 2016; Völschow et al. 2021), die Reflexion zum Forschungsgegenstand haben, ungeachtet dieser Modelle die Verwendung des Reflexionsbegriffs nicht klar expliziert. Daher möchten wir nachfolgend mit dem Vorschlag einer Definition eine Strukturierungshilfe anbieten, mit Hilfe derer Kernelemente – je nach Reflexionsverständnis und Forschungsinteresse – weiter auszuschärfen sind.

2.4 Definitionsvorschlag

Im Folgenden wird zunächst die Arbeitsdefinition des Netzwerks in stringenter Form dargestellt. Daran anschließend werden die theoretischen und empirischen Bezüge der Definition hinsichtlich ihrer Kernmerkmale ausführlicher hergeleitet.

Professionelle Reflexion in pädagogischen Kontexten ist ein anlassbezogener mentaler Prozess, der unter explizitem Selbstbezug auf ein erweitertes Verständnis pädagogischer Praxis abzielt .

Der Begriff professionell wird gewählt, um dem berufsbezogenen Kontext gerecht zu werden bzw. eine Abgrenzung zu eher alltäglichen reflexiven Momenten ohne Bezug zur Profession zu verdeutlichen. Somit bezieht sich der Definitionsvorschlag ausschließlich auf Reflexionen, die schulpraktische Erfahrungen zum Gegenstand haben. Inkludiert sind dabei auch Anlässe in der ersten, zweiten und dritten Phase der Lehrer*innenbildung.

Reflexion ist stets inhaltsbezogen und in einen Kontext eingebettet, der Anlass bietet (z. B. eine Irritation), Beweggründe eigenen oder fremden Handelns zu vergegenwärtigen und ggf. kritisch zu hinterfragen (z. B. Aeppli und Lötscher 2016; Clarà 2015). Somit wird Reflexion stets durch einen Anlass initiiert. Dieser kann internal ausgelöst werden, indem z. B. eine rätselhafte, beunruhigende, interessante oder auch überraschende Erfahrung gedanklich in den Fokus gerät (Schön 1983) aber auch external z. B. von Dozierenden veranlasst werden (Leonhard und Abels 2017). Unter mentalem Prozess verstehen wir in diesem Zusammenhang sämtliche Denkaktivitäten, die zur Stabilisierung oder Veränderung des Verständnisses pädagogischer Praxis beitragen (z. B. Aeppli und Lötscher 2016; Hatton und Smith 1995). Der mentale Prozess wird in der Literatur unterschiedlich beschrieben bzw. werden unterschiedliche Begriffe für Teilprozesse genannt (z. B. Beobachtungen oder Erfahrungen explizieren, Beschreiben, Problem(e) benennen, Interpretieren, Bewerten, Begründen, Analysieren, Hypothesen formulieren, Alternativen finden, Schlussfolgerungen ziehen, Handlungsplan entwerfen, etc., vgl. Abschn. 3.1). Die Frage, ob und wie einzelne mentale Teilprozesse eine Zuordnung zu Niveaustufen von Reflexion im Sinne einer Reflexionstiefe erlauben, wird in der Fachliteratur nicht eindeutig beantwortet. Während dies beispielsweise in Stufenmodellen die Regel ist, wird eine hierarchische Ordnung zum Teil auch kritisiert (z. B. Leijen et al. 2012; Valli 1997). So sprechen sich auch Aeppli und Lötscher (2016) bewusst gegen eine hierarchische Ordnung von Denkprozessen aus und folgen dem Vorschlag von Zeichner (1994), allen Denkprozessen Bedeutung beizumessen, indem sie anstelle einer Einteilung in Stufen eine Differenzierung nach Kategorien vornehmen. Da es unserer Recherche nach an dieser Stelle noch an weiterer Forschung bedarf, um mentale Teilprozesse explizit zu inkludieren oder explizit zu exkludieren bzw. mentale Teilprozesse spezifischen Stufen zuzuordnen, ist unsere Definition hier (noch) nicht auf bestimmte Teilprozesse festgelegt.

Auch wenn es unserer Ansicht nach noch keine empirische Grundlage gibt, um Reflexion auf gewisse mentale Teilprozesse einzuschränken, kann dennoch auf Basis des jetzigen Wissensstands der Begriff mentaler Prozess im Sinne einer begrifflichen Explikation weiter präzisiert werden. So erachten wir es in einer Reflexion für notwendig, dass die dort beinhalteten Denkprozesse über eine reine Beschreibung hinausgehen, da ansonsten eine Reflexion nicht von Begriffen wie Beschreibung oder Zusammenfassung abzugrenzen wäre (vgl. descriptive writing bei Hatton und Smith 1995). Darüber hinaus setzen wir bei professioneller Reflexion voraus, dass die Denkprozesse aus reflexiver Distanz unter Einbezug von Theorie und Erfahrung bzw. Wissen ausgeführt werden. Wir sprechen demnach nicht von Reflexion, wenn auf Basis von niedrigschwelligem Nachdenken über eine nicht erfolgreiche Handlung im Sinne von trial-and-error, d. h. ohne jegliche Theorie- und Erfahrungsanbindung im Sinne einer gedanklichen Fundierung bzw. komplexer Denkprozesse, eine Handlungsalternative eher willkürlich ausgewählt wird (vgl. surface reflection bei Larrivee 2008). Reflexion in unserem aktuellen Verständnis umfasst demnach Denkprozesse, die es ermöglichen, einen Sachverhalt zu durchdringen und Fragen zu stellen. Somit bedarf es aufbauend auf dem Beschreiben weiterer mentaler Teilprozesse, die eine Entscheidungsfindung nachvollziehbar machen, wie z. B. das begründete Bewerten oder das Aufstellen von Hypothesen. Demnach ist eine Reflexion einer Analyse durchaus ähnlich, da auch eine Analyse der tiefergehenden Durchdringung eines Sachverhalts dient.

Über eine reine Durchdringung des Sachverhalts aus objektiver Distanz hinausgehend, soll der Reflexionsgegenstand unserer Definition nach unter Rückbezug auf die eigene Person (Selbstbezug) auf einer Metaebene beleuchtet werden. Hierbei können – je nach Anlass und Bedeutung für die eigene Person – subjektive Theorien, Emotionen, Motive, Einstellungen, Haltungen, Identität und Mission bewusst gemacht und hinterfragt werden (z. B. Aeppli und Lötscher 2016; Korthagen und Vasalos 2005; Schön 1983). So kann es beispielsweise darum gehen, erlebte Emotionen, wie Ärger, mit Bezug zur Situation (auch erlebte Emotionen bei der Videobetrachtung im Zuge von Fremderfahrung) auf deren Herkunft zu hinterfragen, zu überdenken, inwieweit diese Emotionen förderlich bzw. hinderlich für die berufliche Praxis sind und was ggf. getan werden sollte, um diese Emotionen künftig zu regulieren. D. h. allein die Tatsache, dass beispielsweise über den eigenen Unterricht nachgedacht wird bzw. das eigene pädagogische Handeln mental durchdrungen bzw. analysiert wird, stellt noch keinen Selbstbezug in diesem Sinne und somit noch keine Reflexion dar. Der Selbstbezug ist dann gegeben, wenn Analyseergebnisse oder Gegenstände einer Analyse auf die eigene Professionalisierung explizit rückbezogen werden, im Sinne eines Blickes nach innen (Aeppli und Lötscher 2016). Dabei kann z. B. hinterfragt werden, inwiefern die abgeleitete Handlungsalternative für die eigene Person bereits umsetzbar ist oder ob es Motive oder Haltungen gibt, die der Handlungsalternative ggf. im Wege stehen. D. h. Analyseergebnisse werden bewusst an die eigene Person im Hier und Jetzt rückgekoppelt und gehen dabei über eine reine Analyse hinaus. Die bewusste Rückkopplung bzw. der Blick nach innen erlaubt es, Aspekte, die die Umsetzung einer Handlung erschweren, zu identifizieren und tiefgreifende Aspekte wie die eigene Mission zu beleuchten (Aeppli und Lötscher 2016; Korthagen und Vasalos 2005). So explizieren beispielsweise Merkert et al. (2023) in einer Studie mit Lehramtsstudierenden den Selbstbezug hinsichtlich des thematisierten Aspekts (z. B. eigene Fähigkeiten, Emotionen, Handlungen) sowie hinsichtlich der Tiefe des Selbstbezugs (dreistufig).

Als ein erweitertes Verständnis pädagogischer Praxis werden (Um‑)Strukturierungsprozesse sowie Festigungs- bzw. Veränderungsprozesse auf kognitiver und/oder emotionaler Ebene verstanden. Zwar sollen durch Reflexion Veränderungen auf Handlungsebene angeregt werden, es bedarf unserem Verständnis nach jedoch zunächst eines erweiterten Verständnisses pädagogischer Praxis, um Veränderungen im eigenen Handeln bewusst und zielgerichtet anstoßen zu können (Aeppli und Lötscher 2016; Boud et al. 1985; Hatton und Smith 1995). Denn durch Reflexion werden zugrundeliegende Faktoren wie professionelles Wissen oder Überzeugungen expliziert und damit ins Bewusstsein gerückt. Somit ist es möglich, aktive und bewusste Entscheidungen hinsichtlich zukünftigen Handelns zu treffen, während bei unbewussten Prozessen die aktive und bewusste Einflussnahme nicht gegeben ist (Boud et al. 1996). An dieser Stelle kommen jedoch weitere Variablen hinzu, die die Transformation eines erweiterten Verständnisses pädagogischer Praxis in spezifisches Handeln beeinflussen (z. B. motivationale state und trait Variablen sowie Rahmenbedingungen). Es ist also denkbar, dass Reflexion zwar beispielsweise zu einer Umstrukturierung von Wissen führt, die alternatives Handeln offeriert, dies jedoch nicht (direkt) zu alternativem Verhalten führt. Wir gehen demnach davon aus, dass Reflexion Veränderungen im Handeln begünstigen kann, hier jedoch kein linearer Pfad gegeben ist und zunächst Veränderungen im pädagogischen Verständnis vorgelagert sind.

3 Anschlussfähigkeit an Reflexionsmodelle

In Bezug auf die vorgeschlagene Definition lassen sich somit drei Kernelemente identifizieren:

  • Anlassbezogener mentaler Prozess,

  • Expliziter Selbstbezug,

  • Ziel des erweiterten Verständnisses pädagogischer Praxis.

Im Folgenden soll zunächst dargelegt werden, inwiefern die Kernelemente an bisherige Reflexionsmodelle anschlussfähig sind. Dabei wird auf renommierte bzw. vielfach zitierte Arbeiten rekurriert. Es werden Gemeinsamkeiten – im Sinne von Anschlussstellen – aber auch Unterschiede aufgezeigt. Dieser Überblick über verschiedene Reflexionsmodelle soll verdeutlichen, dass zentrale Bestandteile der Definition in Form der drei Kernelemente sich aus diesen Modellen jeweils ableiten lassen und die vorliegende Definition damit gewissermaßen anschlussfähig ist.

Zunächst werden Modelle beschrieben, die den Reflexionsprozess skizzieren bzw. operationalisieren. Anschließend werden Stufenmodelle vorgestellt, welche beispielsweise häufig grundgelegt werden, um Kategoriensysteme zur Bestimmung bzw. Messung von Reflexionsqualität (bzw. Reflexionstiefe und/oder Reflexionsbreite) zu entwickeln. In einem weiteren Schritt werden integrative Modelle aufgeführt, welche sowohl Prozesse als auch Stufen (oder Kategorien) differenzieren. Dabei haben wir nicht den Anspruch, sämtliche Modelle, die in der Literatur verfügbar sind, abzubilden, sondern vielmehr einen groben Überblick über renommierte bzw. häufig zitierte Modelle zu geben. Zugleich ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass Spezifika einzelner Modelle zum Teil unberücksichtigt bleiben, da es uns zunächst um einen Strukturierungsvorschlag zur Explikation eines konkreten Reflexionsverständnisses im Sinne einer abstrakten begrifflichen Definition geht. Die Kernelemente gilt es künftig im weiteren wissenschaftlichen Diskurs näher zu spezifizieren. Hierzu gibt es bereits theoretische Grundlagen, die es jedoch unserer Ansicht nach empirisch noch zu prüfen oder hinreichend zu untermauern gilt.

3.1 Anschlussfähigkeit an Prozessmodelle

Die vorgeschlagene Definition enthält das Kernelement des mentalen Prozesses und stellt damit die Anschlussfähigkeit an Prozessmodelle der Reflexion her, in denen Reflexion grundsätzlich als mentaler Prozess betrachtet wird, der verschiedene Teilaktivitäten umfasst. Diesen Teilaktivitäten wird im Rahmen von Prozessmodellen eine zeitliche Abfolgelogik grundgelegt. Der Reflexionsprozess wird sozusagen operationalisiert, indem eine Unterteilung in verschiedene (aufeinander aufbauende) Teilaktivitäten bzw. Phasen erfolgt. Die grundlegende Idee ist dabei, durch die Klassifikation ein (tiefergehendes) Verständnis über den Ablauf und das Ineinandergreifen von Teilaktivitäten zu gewinnen. Mit den einzelnen Teilaktivitäten gehen in der Regel auch unterschiedliche mentale Teilprozesse einher.

Mit dem ALACT-Modell präsentieren Korthagen und Kessels (1999) ein im Kontext der Lehrer*innenbildung mittlerweile viel beachtetes Prozessmodell. Dabei formulieren sie einen zirkulären Prozess, welcher mit der Handlung (Action) seinen Anfang nimmt. Anschließend erfolgt eine retrospektive Vergegenwärtigung der Situation (Looking back at action). Die anschließende Fokussierung auf spezifische Aspekte eigenen Handelns, der Handlungen anderer Personen oder der Situation (Awareness of essential aspects) einschließt, bildet den Ausgangspunkt, um sich mit alternativen Vorgehensweisen in zukünftig ähnlich gestalteten Situationen zu befassen (Creating alternative methods of action). Die Umsetzung veränderter Handlungsweisen (Trial) bildet im Sinne eines zirkulären Prozesses wiederum die Basis für einen nächsten Reflexionszyklus (vgl. auch das EDAMA-Modell von Aeppli und Lötscher 2016, Abschn. 3.3). Unserem Definitionsvorschlag nach wird Reflexion durch einen Anlass ausgelöst und beginnt somit in Bezug auf den hier dargestellten Zyklus mit dem Explizieren der Situation bzw. des Problems (Awareness of essential aspects). Hier spielen unterschiedliche mentale Denkprozesse eine Rolle wie beispielsweise das Beschreiben und Interpretieren. In Zuge der nächsten Phase werden mögliche Alternativen eruiert (Creating alternative methods of action). D. h. hier stehen nun weniger die Konditionen und somit vielmehr mögliche Lösungen bzw. Optimierungsmöglichkeiten im Fokus. Diese beiden Phasen sind anschlussfähig an unseren Definitionsvorschlag. Die daran anschließende Phase der Umsetzung der ausgewählte(n) Alternative(n) (Trial) zählt unserer Definition nicht mehr zur Reflexion. Sie ist vielmehr das Ergebnis bzw. die Folge der Reflexion, welche aus einem veränderten Verständnis pädagogischer Praxis resultiert bzw. resultieren kann.

Der Reflective Cycle von Gibbs (1988) besteht aus sechs Phasen bzw. Teilaktivitäten. In der ersten Phase Description erfolgt das Beschreiben der Situation oder des im Rahmen der Reflexion im Fokus stehenden Ereignisses, wobei alle relevanten Fakten aufzuführen sind, um einen möglichst klaren und umfassenden Hintergrund für die Reflexion zu schaffen. In der zweiten Phase Feelings werden Emotionen, die während des im Fokus stehenden Ereignisses aufgetreten sind, erkundet und expliziert. Hier wird also bewusst die emotionale Ebene mit in den Reflexionsprozess aufgenommen und gewissermaßen ein Selbstbezug hergestellt. In der dritten Phase Evaluation findet eine begründete Bewertung der Situation bzw. des Ereignisses statt, wobei einzelne Handlungen detailliert betrachtet werden, um Stärken und Schwächen zu identifizieren. In der vierten Phase Analysis erfolgt eine tiefergehende Durchdringung des Sachverhalts, indem Bedingungen und Prozesse genau untersucht und – wenn möglich – mit Theorien und Konzepten in Verbindung gebracht werden. Ziel hierbei ist es, ein besseres Verständnis für die pädagogische Praxis zu entwickeln. In der fünften Phase Conclusion werden mögliche Handlungsalternativen formuliert und Schlussfolgerungen gezogen. Diese werden schließlich in der sechsten Phase Action Plan festgehalten bzw. in einen Handlungsplan transformiert, um positive Veränderungen zu begünstigen. An diesen Zyklus ist unsere Definition vollumfänglich anschlussfähig, da alle enthaltenen Phasen unserem Verständnis nach Reflexion abbilden, die dort erforderlichen Denkprozesse integrierbar sind, das erweitere Verständnis pädagogischer Praxis als Ziel formuliert und ein Selbstbezug durch den Blick nach innen auf die begleiteten Emotionen inkludiert ist.

Einen Ansatz, der Action und Trial ebenfalls ausspart, formulieren Kleinknecht und Gröschner (2016) mit dem dreischrittigen mentalen Reflexionsprozess von Beschreiben, Erklären und Alternativen formulieren im Kontext von Videoreflexionen bzw. strukturierter Auseinandersetzung mit Unterrichtsvideos im Rahmen von Lehrer*innenfortbildungen. Auch Weber et al. (2020) bezeichnen ein schrittweises Vorgehen bei der videobasierten Professionalisierung als zielführend. Die in beiden Beiträgen skizzierte Schrittfolge lässt sich logisch aus den Teilfähigkeiten der kognitionspsychologischen Perspektive zu professioneller Unterrichtswahrnehmung ableiten (vgl. Blömeke et al. 2015; König et al. 2022; Seidel 2022; Seidel und Stürmer 2014).Footnote 1 Empirisch gibt es jedoch auch Evidenz dafür, dass mentale Teilprozesse teilweise nicht vollständig durchlaufen werden und auch ein Hin- und Herspringen zu beobachten ist (Holler-Nowitzki et al. 2018; Windt und Lenske 2015). Genau aus diesem Grund wird sich in unserem Definitionsvorschlag noch nicht explizit auf Teilprozesse und deren Abfolge festgelegt.

Husu et al. (2008) identifizieren in Interviews und Diskussionen im Kontext strukturierter Reflexionen verschiedene Formen der Reflexion (Habituation, Introspection, Association, Integration, Validation, Appropriation und Transformation), welche man auch als Teilprozesse deuten kann. In einer weiteren Studie analysieren Toom et al. (2015) dann, in welcher Reihenfolge diese Teilprozesse auftreten bzw. welche Muster sich identifizieren lassen (patterns of reflection). Auch hier sehen wir unseren Definitionsvorschlag als anschlussfähig in Bezug auf die mentalen Prozesse.

Zusammenfassend eint die hier als Prozessmodelle betitelten Klassifikationen die Zerlegung des komplexen Reflexionsprozesses in verschiedene Phasen bzw. Teilprozesse, auch wenn aktuell empirisch noch unklar ist, welche Teilprozesse ablaufen (können) und welche Teilprozesse in welchem Muster für eine höhere Qualität sprechen bzw. der Professionalisierung dienlicher sind. Wir erachten es zentral, dass innerhalb von empirischen Studien eine Explikation der angenommenen Teilprozesse vorgenommen wird, damit Studien, die eine prozesshafte Sicht auf Reflexion einnehmen, in ihren Ergebnissen vergleichend betrachtet werden können. Betont werden soll an dieser Stelle noch einmal, dass durch die mentalen Prozesse das Reflexionsergebnis fundiert werden soll und somit basale mentale Prozesse (im Sinne von trial-and-error – ohne jegliche Theorie- und Erfahrungsanbindung, siehe Abschn. 2.4), die jegliche Explikation einer Fundierung vermissen lassen, nicht der Reflexion zuzuordnen sind.

3.2 Anschlussfähigkeit an bestehende Stufenmodelle

Stufenmodelle differenzieren die Tiefe von Reflexionen und postulieren qualitativ unterschiedliche Formen der Auseinandersetzung mit berufsbezogenen Erfahrungen. Die vorgeschlagene Definition zeigt die Anschlussfähigkeit dahingehend, an welchen Stufen der jeweiligen Modelle Kernelemente thematisiert werden. Maßgeblich geht es dabei um den expliziten Selbstbezug sowie um ein erweitertes Verständnis pädagogischer Praxis.

In Stufenmodellen wird theoretisch davon ausgegangen, dass die Wirkung von Reflexion von der Tiefe der Reflexion beeinflusst wird. So wird letztlich auch davon ausgegangen, dass die Reflexionstiefe die Abstimmung zwischen Theorie und Praxis bzw. eigener praktischer Umsetzung bestimmt. Bereits van Manen weist in seinem Beitrag Linking Ways of Knowing with Ways of Being Practical (1977) darauf hin, dass Professionalisierungsprozesse in pädagogischen Kontexten Reflexion benötigen, um Theorie und Praxis adäquat zu verbinden bzw. um Theoriewissen als praxistauglich sowie handlungsleitend zu erfahren, professionelle Handlungsskripte abzuspeichern und diese zugleich professionell zu hinterfragen und sich weiterzuentwickeln. Sein Stufenmodell ist inspiriert durch Arbeiten von Habermas (1974), welcher in seinem kritischen Paradigma zum Beschreiben, Verstehen und Optimieren menschlichen Lebens konstante Kritik sowie fundamentale Selbstkritik als zentrale Grundvoraussetzungen erachtet. So betont van Van Manen (1977), dass professionelles pädagogisches Agieren mehr ist als das automatisierte Abspulen technischer Handlungsskripte, die auf Effektivität ausgerichtet sind. Für ihn sind mögliche Fragen nach der Effektivität von Unterricht innerhalb von Reflexionen durchaus berechtigt, aber nicht allein ausschlaggebend: „The point is not that these are bad questions, but that there are other questions to be asked“ (Van Manen 1977, S. 210). Sein Modell umfasst insgesamt drei Stufen: Auf der ersten Stufe streben Lehrkräfte nach der effizientesten Lösung, wobei das Curriculum den Bezugsrahmen darstellt, welcher dabei nicht hinterfragt wird. Auf der zweiten Stufe werden pädagogische Entscheidungsprozesse als von Werten beeinflusst wahrgenommen. Dabei werden das Curriculum und dessen Entstehungsprozess (gesellschaftliche, kulturelle Rahmenbedingungen, Zeitgeist, etc.) sowie individuelle Erfahrungen, Annahmen, Stereotype und Vorurteile berücksichtigt bzw. hinterfragt. Auf der dritten und damit höchsten Stufe werden Fragen gestellt, die die Wertigkeit der Institution Schule samt ihrer hierarchischen Rollen und Ziele in den Blick nehmen. Dabei werden Hierarchien und soziale Rollen, inklusive der eigenen, überdacht. Reflexive Distanz bedeutet hierbei möglichst frei zu sein von irreführenden bzw. verzerrenden Einflüssen durch beispielsweise Autoritäten oder die Gesellschaft, wobei die Werte Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit maßgeblich bzw. leitend sind bzw. sein sollen. Diese Stufenmodellierung verdeutlicht, dass ab Stufe zwei der Blick nach innen bzw. ein Selbstbezug immanent ist. In Bezug auf die vorgeschlagene Definition, sind somit ab Stufe zwei deutliche Anknüpfungspunkte an unser Verständnis von Reflexion gegeben. Die erste Stufe bei van Manen ist laut dem vorgeschlagenen Verständnis von Reflexion jedoch zu exkludieren, da das Nachdenken rein auf Effizienz gerichtet ist und kein Selbstbezug vorausgesetzt wird.

Hatton und Smith (1995) kommen ähnlich wie Van Manen (1977) zu einer dreistufigen Einteilung von Reflexion, fügen jedoch noch eine weitere Stufe (als eine Art Vorstufe) hinzu, die ähnlich der ersten Stufe bei Van Manen (1977) definiert ist. Diese Stufe – betitelt als technical – beinhaltet das Diskutieren bzw. das Sprechen über wahrgenommene (fehlende) Strategien bzw. Techniken bezüglich des (Unterrichts‑)Handelns. Sie findet insbesondere in angeleiteten Settings statt. Dabei wird seitens der Dozierenden in der Regel auf theorie- und forschungsbasierte Strategien bzw. Techniken fokussiert, wobei seitens der angehenden Lehrkräfte eigene Erfahrungen sowie Ängste und Sorgen die Grundlage des Gesprächs bilden. Diese werden allerdings nicht auf der Metaebene im Sinne eines Rückbezugs auf sich selbst tiefgehender betrachtet oder hinterfragt. Sie bilden vielmehr die Grundlage der Argumentation, da es auf dieser Stufe noch an anschlussfähigem Wissen fehlt. Hierbei wird das Aneignen von relevanten Strategien und Techniken forciert. Auf der nächsten (bzw. zweiten) Stufe – names descriptive – wird die (eigene) Performanz analysiert, wobei hier nochmals unterschieden werden kann in descriptive writing und descriptive reflection. Descriptive writing gilt als Vorstufe der Reflexion und beinhaltet lediglich das Beschreiben von Ereignissen oder von gelesener Literatur, es fehlt jedoch an Begründungen. Erst wenn Begründungen beinhaltet sind (auf dieser Stufe i. d. R. persönliche Urteile oder auf Basis von gelesener Literatur gefällte Urteile), wird von Reflexion (descriptive reflection) gesprochen. Stufe drei, dialogic, geht über das Begründen und Bewerten hinaus, indem das eigene Handeln und die eigenen Beweggründe und Annahmen durch das Einnehmen unterschiedlicher Perspektiven hinterfragt werden und nach Alternativen gesucht wird. D. h. hier wird reflexive Distanz vorausgesetzt, um ein Problem multidimensional zu denken und möglichst objektiv, aber zugleich auch unter Rückbezug auf sich selbst auf einer Metabene zu bearbeiten. Auf Stufe vier, critical, werden das eigene Handeln und eigene Ziele sowie soziale, kulturelle und politische Rahmenbedingungen unter ethischen Gesichtspunkten beleuchtet und kritisch hinterfragt.

Bezogen auf dieses Modell ist die vorgeschlagene Definition anschlussfähig ab Stufe dialogic. Zuvor fehlt auch hier der Blick nach innen bzw. die Rückkopplung zu sich selbst (Selbstbezug). Die Stufe descriptive reflection sehen wir als notwendigen Teil einer Reflexion in pädagogischen Kontexten, wenn analytisch unter Rückgriff auf Literatur bzw. Theorie und Empirie Situationen be- oder gar durchleuchtet werden. Per vorgeschlagener Definition wird aber der Rückbezug auf sich selbst als zusätzliches Kernelement gefordert. Somit wird erst von Reflexion gesprochen, wenn der Blick nach innen angeschlossen wird. Fehlt andererseits jegliche analytische Phase, wie sie in descriptive reflection dargestellt ist, und es erfolgt lediglich ein Blick nach innen, kann per vorgeschlagener Definition auch nicht von Reflexion gesprochen werden: Es bedarf also der analytischen, tiefgehenden Auseinandersetzung in Form eines Blickes nach außen (mentaler Prozess) und eines Blickes nach innen (expliziter Selbstbezug).

Ähnlich der Einteilung bei Van Manen (1977) und Hatton und Smith (1995) wird Reflexion auch bei anderen Autor*innen in drei distinkte Stufen unterteilt (z. B. Day 1993; Farell 2004; Handal und Lauvas 1987; Jay und Johnson 2002). Dabei kann die erste Stufe zusammenfassend als oberflächlich technisch bzw. eher deskriptiv betitelt werden, indem einzelne Ereignisse – eher losgelöst aus dem größeren Ganzen – fokussiert und mit Blick auf Effizienz und Funktion bewertet werden. Begründungen werden dabei weitestgehend ausgespart. Die zweite Stufe beinhaltet den Abgleich mit der Theorie und aktuellen pädagogischen Überzeugungen und lässt sich damit als elaborierter betiteln. Auf der dritten Stufe kommen moralische Aspekte hinzu, indem ethische, politische und soziale Konsequenzen des eigenen Handelns, der eigenen Rolle, aber auch der Institution Schule auf einer Metaebene kritisch betrachtet werden.

Larrivee (2008) kommt in ihrem Modell ebenfalls zu einer Dreistufung, ergänzt jedoch eine Vorstufe der Reflexion, sodass sich insgesamt vier Stufen ergeben, wobei die erste Stufe als pre-reflection bezeichnet und demnach definitorisch nicht der Reflexion zuzuordnen ist. Diese Stufe kennzeichnet, dass Handlungen gar nicht in Frage gestellt werden bzw. Situationen einfach als für die pädagogische Fachkraft unveränderlich hingenommen werden. Personen, welche sich vorwiegend auf dieser Stufe befinden, sehen sich laut Larrivee (2008) mehr als Reagierende oder Opfer verschiedener Rahmenbedingungen, wobei alternative Ursachen oder Handlungsmöglichkeiten nicht in Erwägung gezogen werden. D. h. die zu Beginn angesprochene Eigenschaft der Reflektivität, Handlungsmöglichkeiten abzuwägen, wird hier vermisst. Die weiteren Stufen betitelt sie in Anlehnung an Van Manen (1977) und damit kompatibel zu dreistufigen Modellen (siehe oben) als surface reflection, pedagogical reflection und critial reflection (Larrivee 2008). In ihren weiteren Ausführungen zu diesem Stufenmodell (Larrivee 2008) wird deutlich, dass die surface reflection – wie ihr Wortlaut erahnen lässt – nicht in die Tiefe geht. D. h. mit der Handlung verbundene Werte, Überzeugungen und (subjektive) Annahmen werden nicht adressiert. Auf dieser Stufe wird lediglich geprüft, was funktioniert, wobei Methoden bzw. Handlungen ausschließlich durch die eigene Erfahrung begründet werden und damit nicht objektiv auf Basis von Theorie oder Forschung. Hier kann zwar Entwicklung bzw. ein Suchen nach Alternativen durch den mentalen Prozess angeregt werden, aber mehr auf der Basis eigener Erfahrungen und dem Motto trial-and-error. D. h. es fehlt die theoretische Wissenbasis oder der Link dazu wird nicht (bewusst) hergestellt. Im Zuge der pedagogical reflection wird die eigene Erfahrung mit Theorie und/oder Forschung abgeglichen und der Reflexionsgegenstand in einen größeren Kontext eingebettet bzw. nicht losgelöst und vielmehr multidimensional analysiert. Bei der critical reflection werden bewusst persönliche Überzeugungen, Werte, Annahmen, familiäre und kulturelle Prägungen und deren Wirkung auf die eigene Rolle und das pädagogische Handeln hinterfragt. Ferner werden philosophische Ideale, ethische und soziale Implikationen von Unterrichtspraktiken oder schulischen Rahmenbedingungen einbezogen. An dieser Stelle wird deutlich, dass diese Stufe der Reflexion die bewusste Auseinandersetzung mit sich selbst darstellt, d. h. der Rückbezug auf die eigene Person inkludiert ist bzw. die damit verbundenen Annahmen und Prägungen bewusst expliziert werden. Auch wenn dieses Stufenmodell große Ähnlichkeit zu dem von Van Manen (1977) erkennen lässt, zeigt sich ein bedeutsamer Unterschied: Bei Van Manen (1977) wird der Bezug auf sich selbst (z. B. eigene Annahmen, Vorurteile) bereits auf Stufe zwei als relevanter Bestandteil ersichtlich. Beiden Modellen gemein ist, dass die erste Stufe ohne Selbstbezug stattfindet. Dort wird zwar auf eigene Erfahrungen rekurriert, aber ohne reflexive Distanz und ohne Rückbezug zu sich selbst auf der Metaebene. D. h. die Erfahrungen werden nicht infrage gestellt, noch wird darüber nachgedacht, worauf diese Erfahrungen basieren (z. B. Prägungen, etc.), vielmehr dient der eigene Erfahrungsschatz lediglich als Entscheidungshilfe. Diese Stufe wird somit auch in Bezug auf das Modell von Larrivee (2008) der hier vorgeschlagenen Definition von Reflexion nicht gerecht. Anschlussfähig zeigt sich das Modell ab Stufe critical, wobei auch die Stufe pedagogical Teil von Reflexion ist, sofern ein Rückbezug der analytischen Auseinandersetzung zur eigenen Person angeschlossen wird.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die vorgeschlagene Definition anschlussfähig an die Stufenmodelle ist, indem mentale Denkprozesse, welche sich rein auf beschreibender Ebene befinden, nicht als professionelle Reflexion, sondern bestenfalls als Vorstufe bezeichnet werden. Allerdings betrachten wir auch rein technisierte Auseinandersetzungen, ohne explizite gedanklich tiefergehende Fundierung nicht als Reflexion. Dies kann als kohärent zu der Modellierung nach Hatton und Smith betrachtet werden, verdeutlicht jedoch einen Unterschied zu den anderen skizzierten Stufenmodellen. Es wird ersichtlich, dass in den Stufenmodellen Reflexion stets als Mittel der Professionalisierung betrachtet wird, indem Wissen bzw. das eigene Verständnis pädagogischer Praxis umstrukturiert, erneuert oder auch untermauert wird. Auch hier ist die vorgeschlagene Definition anschlussfähig. Mit höherer Stufe werden die Inhalte persönlicher, indem eigene Haltungen, Einstellungen, Rollen etc. bewusst hinterfragt und neben Kognitionen auch Emotionen adressiert werden. Die vorgeschlagene Definition setzt den persönlichen Bezug durch den Selbstbezug voraus, ist zugleich jedoch offen für eine Differenzierung von Stufen hinsichtlich der Reflexionstiefe. D. h. hier zeigt sich einerseits ein Unterschied zu Reflexionsdefinitionen, welche hinter den skizzierten Modellen stehen, indem der Selbstbezug innerhalb der vorgeschlagenen Definition als obligatorisch gesetzt wird. Andererseits besteht in Bezug auf die Annahme von Stufungen hinsichtlich der Reflexionstiefe durchaus Anschlussfähigkeit. Es wurde jedoch bewusst keine Ausdifferenzierung innerhalb der Definition vorgenommen, da es hierzu weiterer Forschung bedarf: induktiv oder deduktiv gewonnene Stufungen sollten deshalb künftig mit Variablen, die Professionalisierungsprozesse abbilden, in Verbindung gebracht werden, um die theoretischen Annahmen über Wirkungsgrade weiter zu erforschen. Im Sinne der Explikation kann die vorgeschlagene Definition mit den enthaltenen Kernelementen dabei unterstützen, die qualitativ unterschiedlichen Stufen hinsichtlich der relevanten mentalen Prozesse, der Bedeutsamkeit des Selbstbezugs sowie der Erweiterung des Verständnisses über pädagogische Praxis strukturiert zu charakterisieren.

3.3 Anschlussfähigkeit an integrative Modelle

Integrative Modelle kombinieren Prozess- mit Stufenmodellen. Aus der damit verbundenen Komplexität entsteht aus unserer Sicht die Notwendigkeit einer strukturierten Betrachtung des in den Modellen hinterlegten Reflexionsverständnisses. Anhand der Kernelemente der Definition können die entsprechenden Modelle eingeordnet werden.

Mit der Tiefe der Reflexion haben sich auch Korthagen und Vasalos (2005) auseinandergesetzt, wobei sie das Prozessmodell ALACT (Korthagen und Kessels 1999) mit Aspekten der Reflexionstiefe integrieren. Hierbei unterscheiden sie zunächst zwischen einer Reflexion, wie sie ihrer Erfahrung nach häufig im Schulalltag vollzogen wird und einer strukturierten Reflexion. Der Unterschied liegt laut der Autoren darin begründet, dass die innerhalb des Schulalltags stattfindenden Reflexionen an der Oberfläche bleiben und dabei lediglich nach einer schnellen Lösung für ein Problem gesucht wird, ohne die möglicherweise dahinterliegenden und ggf. problemgenerierenden Aspekte in den Blick zu nehmen. In Anlehnung an die bislang vorgestellten Stufenmodelle, kann hierbei auch von einer technischen, oberflächlichen Auseinandersetzung, mit dem Ziel möglichst schnell ein Problem zu lösen bzw. Handlungsalternativen zu entwickeln, gesprochen werden (siehe bspw. Hatton und Smith 1995; Larrivee 2008). Der Begriff oberflächlich wird gewählt, weil häufig der Schritt des Begründens – zumindest in elaborierter Form – ausbleibt. Korthagen und Vasalos (2005) gehen davon aus, dass diese Form der gedanklichen Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln weniger zur Weiterentwicklung beiträgt, sondern mit Stagnation einhergeht. Sie sprechen sich deshalb für eine strukturierte Reflexion im Sinne des zuvor skizzierten Prozessmodells ALACT aus. Die Abgrenzung zur technischen, oberflächlichen Auseinandersetzung liegt in Anlehnung an das ALACT-Modell insbesondere darin, dass bei der Wahrnehmung bzw. Identifikation essentieller Aspekte (Schritt 3) horizonterweiternde Aspekte in den Denkprozess inkludiert werden. Leitfragen gehen hier über rein technische und kognitive Impulse hinaus, indem beispielsweise die eigenen Gefühle und die eigenen Gedanken sowie die Rahmenbedingungen inklusive der Schüler*innenperspektive gezielt adressiert werden.

Des Weiteren räumen die Autoren ein, dass die strukturierte Reflexion in unterschiedlicher Tiefe geführt werden kann. Die Tiefe der Reflexion ist laut der Autoren ein entscheidender Faktor für die Weiterentwicklung: Je tiefgehender die Reflexion, desto wahrscheinlicher die Weiterentwicklung. Die Tiefe der Reflexion wird – ähnlich wie in den zuvor skizzierten Stufenmodellen bei der Unterscheidung zwischen Stufe zwei und drei – an Inhalten und dem (teilweise damit verbundenen) Selbstbezug festgemacht. Je weiter der Inhalt vom Kern bzw. der eigenen Person (Identität) und ihrer Mission entfernt ist, desto weniger tiefgehend gestaltet sich die Reflexion. Die in ihrem Zwiebelmodell differenzierten Inhalte sind (beginnend an der äußeren Schicht) das (1) Verhalten bzw. das Handeln, (2) die eigenen Kompetenzen, (3) eigene Überzeugungen, (4) die eigene Identität und (5) die eigene Mission. Die Grundidee hierbei ist, im Zuge professioneller Reflexion an den Kern vorzudringen, da die inneren Schichten jeweils die äußeren bedingen:

“In other words, promoting core reflection is about facilitating the process whereby the inner levels influence the outer levels. In line with our previous discussion of the pivotal role of non-rational factors in a teacher’s functioning, we wish to stress that this actualization of core qualities is not just a cognitive process.” (Korthagen und Vasalos 2005, S. 58).

Die Autoren betonen hierbei die Bedeutung der affektiv-emotionalen Ebene, da Handlungen häufig mit Überzeugungen, Vorurteilen, Motiven und Gefühlen verknüpft sind und eine grundlegende Verhaltensänderung häufig mehr bedarf als einem Wissenszuwachs auf rein kognitiver Ebene. Aufgrund der Wirkungsmacht der innenliegenden Schichten sprechen Korthagen und Vasalos (2005, 2010) beim Adressieren der Schichten Identität und Mission auch von core-reflection. Die Ideen von Korthagen und Vasalos (2005) resümierend kann festgestellt werden, dass im Zuge der Professionalisierung von pädagogischen Fachkräften Reflexionen möglichst strukturiert ablaufen, über die rein kognitive Ebene hinausgehen und den Bezug zur eigenen Person (möglichst tiefgehend) beinhalten sollten. Reflexion wird hier als ein Mittel der Professionalisierung und damit ebenfalls als intentionaler Prozess betrachtet. Zusammengenommen deckt das im ALACT-Modell enthaltene Verständnis die Kernmerkmale mentale Prozesse sowie vertieftes Verständnis ab. Außerdem wird dem Selbstbezug ein hoher Stellenwert beigemessen, wobei dem Modell nach auch auf der äußeren Schicht von Reflexion gesprochen werden kann, selbst wenn kein Selbstbezug inkludiert ist. Dies widerspricht gewissermaßen der vorgeschlagenen Definition.

Ein weiteres integratives Modell ist das EDAMA-Modell (Aeppli und Lötscher 2016), welches einen Reflexionszyklus über folgende fünf Prozesselemente bzw. Prozessphasen definiert: (1) Erleben – eine Erfahrung machen, (2) Darstellen – Rückblick, (3) Analysieren – vertiefte Auseinandersetzung, (4) Maßnahmen entwickeln, planen – Handlungsmöglichkeiten entwickeln, Konsequenzen ziehen und (5) Anwenden – Maßnahmen umsetzen, erproben. Neben dem Strukturelement der Prozessphasen, werden zwei weitere Strukturelemente (Blickrichtung und Denkaspekt) differenziert, welche innerhalb jeder Phase vorkommen. Die Blickrichtung unterscheidet die Subkategorien nach außen und nach innen. Während beim Blick nach außen, ein Reflexionsgegenstand auf (meta)kognitiver Ebene betrachtet wird, werden beim Blick nach innen involvierte Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche bewusst gemacht. Dabei rücken in Anlehnung an Korthagen und Vasalos (2005) auch im EDAMA-Modell eigene Kompetenzen, Gefühle, Überzeugungen, Einstellungen, Bedürfnisse, berufliche Identität oder Mission ins Zentrum der Reflexion. Das Strukturelement Denkaspekt wird in Anlehnung an Rodgers (2002) definiert, welche auf der Grundlage von Deweys (1933, 1938) Konzeption von Reflexion den Aspekt der Konstruktion von Bedeutung sowie Reflexion unter dem Aspekt des kritischen Prüfens differenziert. Die Konstruktion von Bedeutung entsteht, indem im Reflexionsprozess Wissen bewusst gemacht und expliziert wird, um auch Entscheidungen bewusst zu treffen. Unter dem Aspekt des kritischen Prüfens wird ein ausdauerndes und tiefgehendes Hinterfragen von etwas, das für wahr oder gut gehalten wird, verstanden. Die Interaktion der drei Strukturelemente bestimmt jeweils das Denken, sodass je Phase andere Denkkategorien im Zentrum stehen (im Rahmen der Prozessmodelle wurden in Abschn. 2.2 solche Denkprozesse als Subprozesse definiert). Diese sind bewusst von den Autor:innen als Kategorien bezeichnet bzw. nicht hierarchisch angeordnet und – aufgrund der Abbildung eines Reflexionszyklus, welcher auch die Handlungserprobung beinhaltet – um weitere Denkkategorien ergänzt (z. B. Beobachten). Über die Interaktion der drei Strukturelemente lassen sich Reflexionen in Bezug auf ihre Vollständigkeit und Tiefe unterscheiden. D. h. die Qualität der Reflexion ist jeweils abhängig von der Interaktion der Strukturelemente. Die Ideen des EDAMA-Modells resümierend, lässt sich festhalten, dass Reflexion intentional ist und verschiedene Denkprozesse, beinhaltet. Darüber hinaus betonen Aeppli und Lötscher (2016) die Bedeutung der Blickrichtung nach innen, indem sie sich explizit dafür aussprechen, dass Reflexionen auch die Introspektion aufweisen sollten. Auch hier wird Reflexion zum Zwecke der Professionalisierung genutzt. Über verschiedene (i. d. R. länger andauernde und tiefgehende) mentale Prozesse soll das Verständnis pädagogischer Praxis optimiert werden, sodass das Kernelement vertieftes Verständnis gegeben ist. Auch das Kernelement mentale Prozesse ist anschlussfähig an die vorgeschlagene Definition, indem diese bewusst offen ist für eine weitere Ausdifferenzierung dieser mentalen Prozesse. Der Selbstbezug wird hier als gewinnbringend und substanziell beschrieben. Somit besteht in Bezug auf dieses Kernmerkmal ebenfalls Anschlussfähigkeit, auch wenn das Modell bzw. die damit implizit einhergehende Reflexionsdefinition mentale Prozesse mit Blickrichtung nach außen ohne einen daran anschließenden Selbstbezug dennoch als Reflexion versteht. An dieser Stelle macht die vorgeschlagene Definition also einen Unterschied. Des Weiteren wird in diesem Modell Reflexion als ein kompletter Zyklus von einer Aktion bis hin zur nächsten Aktion gedacht, wobei laut Aeppli und Lötscher (2016) einzelne reflexive Momente ohne ein Durchlaufen des kompletten Zyklus auch als Reflexion bezeichnet werden können. Eine Betrachtung von Reflexion als ein Durchlaufen des kompletten Zyklus macht zwar durchaus auch Sinn, ist aber gerade für das Erforschen von Reflexion nicht unproblematisch, da der gesamte Zyklus sodann für Reflexion stünde und (auch aufgrund der Unterbrechungen zwischen einzelnen Phasen) recht schwer zu erfassen wäre. Ferner lässt sich darüber streiten, ob die Aktion tatsächlich Teil der Reflexion ist oder vielmehr Anlass oder auch den eigentlichen Gegenstand von Reflexion darstellt. Da es in unserem Beitrag vorranging um Reflection on action geht, möchten wir an dieser Stelle dafür plädieren, Aktionsphasen nicht als Teil der Reflexion zu definieren – sie vielmehr als Auslöser, Gegenstand und Konsequenz von Reflexion zu betrachten. D. h. Reflexion (on action) hat unserem Standpunkt nach ihren Startpunkt erst mit dem Rückblick auf eine Aktion bzw. Situation.

Zusammenfassend zeigt die Betrachtung der integrativen Modelle einerseits die Anschlussfähigkeit des Definitionsvorschlags auch an diese Modelle. Andererseits verdeutlichen die Ausführungen, dass die Setzung spezifischer Kernelemente in der Definition (z. B. des expliziten Selbstbezugs) zu Diskrepanzen führt. Hier müssen zukünftig theoretische und empirische Erkenntnisse zusammengetragen werden, um die jeweiligen Argumentationen zu stützen.

4 Anschlussfähigkeit an empirische Arbeiten (systematisches Review)

Mit der vorgeschlagenen Definition wird versucht, einerseits Anschlussfähigkeit an Prozess- und Stufenmodelle herzustellen sowie andererseits eine klare Abgrenzung zu anderen Formen der erfahrungsbasierten Auseinandersetzung (z. B. Unterrichtsanalyse oder Feedback) vorzunehmen. Es wird argumentiert, dass sich der Bedarf nach einer solchen Definition darin begründet, dass aktuell in der empirischen Forschung zur Reflexion praktischen Handelns in der Lehrer*innenbildung die den Studien zugrundeliegenden Begriffsverständnisse selten expliziert werden, wodurch eine Vergleichbarkeit von Forschungsbefunden erschwert ist.

Ziel des nachfolgend dargestellten Reviews ist es, Kernelemente der vorgeschlagenen Definition in aktuellen Forschungsbeiträgen, die sich empirisch mit der Frage auseinandersetzen, wie Reflexion gefördert werden kann bzw. wie Reflexion den Aufbau professionsspezifischer Kompetenzen beeinflusst, zu identifizieren. Hierdurch können in Ergänzung zur Betrachtung von Reflexionsmodellen weitere Hinweise zur Anschlussfähigkeit der Definition gewonnen werden. Die Beiträge sollen dahingehend beleuchtet werden, inwiefern Reflexion anhand der herausgearbeiteten Kernmerkmale (anlassbezogener mentaler Prozess, expliziter Selbstbezug, erweitertes Verständnis pädagogischer Praxis) definiert und operationalisiert wird. Im Folgenden werden zunächst der Auswahlprozess der Beiträge sowie der Analyseprozess beschrieben. Anschließend erfolgt der Bericht und die Diskussion der Ergebnisse.

4.1 Auswahl der Beiträge

Während die Darlegung der Anschlussfähigkeit an bestehende Reflexionsmodelle den internationalen Stand einbezieht, erfolgte im Rahmen des Reviews eine Fokussierung auf den deutschsprachigen Wissenschaftsraum sowie auf Studien zu (angehenden) Lehrkräften. Der Zeitraum für die in das Review einzubeziehende Literatur wurde auf die letzten 10 Jahre festgelegt. Im Jahr 2009 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Förderlinie Professionalisierung des Pädagogischen Personals in Bildungseinrichtungen aufgelegt. Die erste Förderphase war im Jahr 2012 abgeschlossen und die darin erzielten Befunde wurden somit innerhalb des betrachteten Zeitraums publiziert. Weiterhin fallen in den betrachteten Zeitraum die seit 2015 laufenden Projekte im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrer*innenbildung.

Das Vorgehen zur Auswahl der Beiträge folgte den Empfehlungen des PRISMA-Konsortiums (Page et al. 2021). In mehreren Schritten wurde ausgehend von der Initialrecherche eine Reduktion vorgenommen. Abb. 1 stellt eine Übersicht der Schritte dar. Im ersten Schritt wurden in den Datenbanken Web of Science, PsychINFO sowie Fachportal Pädagogik Beiträge gefiltert, die im Titel, in den Stichworten oder dem Abstract die Termini „refle“ (als Stamm aller reflexionsbezogenen Begriffe), „lehr“ (als Stamm aller lehramtsbezogenen Begriffe) und mindestens einen der folgenden Begriffe enthielten: „förder“, „interven“, „optimier“ oder „verbesser“. Insgesamt wurden 504 Treffer erzielt. Aus den 504 gefundenen Beiträgen wurden 93 Dubletten entfernt. Nach der Aufarbeitung der Beiträge (z. B. Ergänzung von Stichworten, Übersetzung von Titeln) wurden die Titel und Abstracts gesichtet. Auf dieser Basis wurden 261 Beiträge ausgeschlossen, bei denen Reflexion nicht im zuvor geschilderten Forschungsinteresse betrachtet wurde (typische Formulierung im Abstract: „Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund der Theorie reflektiert“), die Zielgruppe keine (angehenden) Lehrkräfte waren oder generell keine empirische Studie durchgeführt wurde. Bei unklarer Informationslage wurde konservativ vorgegangen, dahingehend, dass solche Beiträge im Sample verblieben sind, um im nächsten Schritt anhand der Volltexte spezifischer betrachtet zu werden. Anhand der Volltexte wurden weitere 101 Beiträge ausgeschlossen, bei denen es sich mehrheitlich nicht um empirische Untersuchungen handelte. In diesen Fällen wurden oft Forschungsprojekte vorgestellt, an deren Ende dann ein Ausblick auf spezifische Evaluationsergebnisse in weiterführenden Publikationen gegeben wird. Ebenfalls wurden Beiträge exkludiert, bei welchen im Rahmen der Lektüre ersichtlich wurde, dass zwar empirisch geforscht wurde, aber Reflexion selbst nicht als Variable erfasst wird. Insgesamt verblieben somit 49 Beiträge im Sample.

Abb. 1
figure 1

Flussdiagramm des Identifikations-, Sichtungs- und Auswertungsprozesses

4.2 Inhaltliche Kodierung der Beiträge

Die Volltexte der ausgewählten Beiträge wurden hinsichtlich zweier Aspekte untersucht. Um eine Anschlussfähigkeit der vorgeschlagenen Definition an Definitionen innerhalb empirischer Arbeiten zu zeigen, wurde erstens kodiert, inwiefern die Autor*innen eine explizite Definition des Reflexionsbegriffs vornahmen. Hier wurde ein etwas breiterer Definitionsbegriff angelegt, dahingehend, dass es uns darum ging, inwiefern, die jeweiligen Autor*innen ihr Verständnis des Reflexionsbegriffs expliziert haben. Hierbei war bedeutsam, dass nicht nur implizit eine Schwerpunktsetzung vorgenommen wurde, sondern dass die Autor*innen klar eine Position formulierten. Allerdings sind damit die betrachteten Textstellen zum Teil umfänglicher als die von uns vorgeschlagene Definitionen und umfassen auch erläuternde Inhalte. Beispielhaft formulieren Holler-Nowitzki et al. (2018):

„Nach Korthagen kann Reflexion allgemein wie folgt definiert werden: ’Reflexion ist der mentale Prozess zu versuchen, eine Erfahrung, ein Problem oder bestehendes Wissen oder Einsichten zu strukturieren oder zu restrukturieren’ (Korthagen 2002, S. 63). Eigene Erfahrungen werden reflektiert, indem sie einer bewussten Bearbeitung zugänglich gemacht werden: Es geht also um kognitive Prozesse: Analysieren, Untersuchen, Konstruieren usw (vgl. Aeppli und Lötscher 2017, S. 159). Implizit wird hier zunächst einmal ein kognitiver Veränderungsprozess angesprochen, der auf einer Distanzierung von der ursprünglichen Erfahrung beruht.“ (S. 110).

Zunächst wurde somit die Kategorie Definition dichotom mit „Ja“ und „Nein“ kodiert. Im Laufe der Texte zeigte sich, dass einige Beiträge eine sehr umfängliche Darstellung möglicher theoretischer Positionen zum Reflexionsbegriff darstellen, ohne jedoch eine explizite Position zu beziehen. Solchen Darstellungen wurde eine dritte Kategorie „Theorie ohne explizite Definition“ zugeordnet. Sofern sich in den Beiträgen eine explizite Definition finden lies, erfolgte für jedes der drei Kernmerkmale (mentaler Prozess, vertieftes Verständnis und Selbstbezug) eine Kodierung dahingehend, ob das Jeweilige in der Definition enthalten ist. Sofern die dargestellte Definition weitere Aspekte enthielt, wurde „Sonstiges“ kodiert und in die Dokumentation aufgenommen. In der oben genannten Definition von Holler-Nowitzki et al. (2018) finden sich die Kernmerkmale anlassbezogener mentaler Prozess („Es geht also um kognitive Prozesse: Analysieren, Untersuchen, Konstruieren usw.“), vertieftes Verständnis („bestehendes Wissen oder Einsichten zu strukturieren oder zu restrukturieren“, „Kognitiver Veränderungsprozess“) sowie mit der „Distanzierung“ im eher erklärenden Teil der Textstelle ein sonstiges Merkmal. Als Beispiel für einen expliziten Selbstbezug kann auf Beckmann und Ehmke (2020) verwiesen werden: „Durch Reflexion, in der theoretisch orientiertes Wissen mit praktischem Können und einem Bezug zur eigenen Person in Verbindung gebracht wird, […]“ (S. 193).

Zweitens wurde kodiert, welche Kernmerkmale in der Operationalisierung von Reflexion in den jeweiligen Beiträgen auftreten. Dies ergänzt die Betrachtung der analytischen Definition um die Betrachtung der operationalen Definition. Operationalisierungen lassen sich einerseits in der Formulierung von Reflexionsinstruktionen (z. B. Leitfragen, Prompts) und andererseits in Verfahren zur Betrachtung von Reflexionsergebnissen (z. B. verschriftlichte Reflexionen) identifizieren. Dabei können Operationalisierungen explizit erfolgen, indem eine klare Verbindung von theoriebasiertem Verständnis und der Operationalisierung hergestellt wird (Kodierung: explizit). Auch finden sich Studien, die eine Operationalisierung vorstellen, ohne jedoch eine theoretische Verbindung darzustellen (Kodierung: implizit). Sofern eine explizite oder implizite Operationalisierung festgestellt wurde, wurden innerhalb dieser die in der Definition zentralen Kernelemente kodiertFootnote 2.

4.3 Ergebnisdarstellung

150 Beiträge wurden nach dem Screening von Titel und Abstract in die detaillierte Analyse einbezogen. Von diesen wurden 101 Artikel als irrelevant klassifiziert. Gründe für den Ausschluss waren die fehlende Darstellung von empirischen Ergebnissen im Generellen bzw. in Bezug auf Reflexion im Speziellen (siehe Abschn. 4.1). Im ersten Schritt zeigt sich, dass in 24 von 49 Beiträgen ein Begriffsverständnis in Form einer Definition expliziert wurde, während in 21 Beiträgen anscheinend von einem impliziten geteilten Verständnis ausgegangen wird und keine explizite Definition dargestellt wird. Die restlichen Beiträge (4) führen diverse Theorien auf, ohne sich klar zu positionieren.

Zentrale Kernelemente unserer Definition sind a) anlassbezogener mentaler Prozess, b) expliziter Selbstbezug und c) ein vertieftes Verständnis pädagogischer Praxis als Zielsetzung. In einem zweiten Analyseschritt haben wir uns daher angeschaut, inwiefern sich diese Kernelemente in den 24 expliziten Reflexionsdefinitionen finden lassen. In 23 dieser Definitionen wird Reflexion als ein anlassbezogener mentaler Prozess aufgefasst. Unterschiede bestehen hinsichtlich der Explikation spezifischer Teilprozesse. In sechs Definitionen (25,0 %) wird ein spezifischer Selbstbezug herausgestellt. Die Zielgerichtetheit auf ein vertieftes Verständnis pädagogischer Praxis erfolgt in 14 Definitionen (58,3 %). Fünf Definitionen thematisieren weitere Bestimmungsstücke (z. B. Distanzierung, Holler-Nowitzki et al. 2018).

Neben dem Zugang über die Betrachtung der expliziten Definitionen haben wir analysiert, inwiefern sich aus der Operationalisierung von Reflexion ein Verständnis identifizieren lässt und wie dieses mit dem der vorgeschlagenen Definition übereinstimmt. In 20 Beiträgen kann aus spezifischen Instruktionen (z. B. Aufgabenstellungen oder Prompts für Schreibaufträge) ein Reflexionsverständnis nachvollzogen werden. Von diesen wurde in sieben Fällen ein Bezug zu mentalen (Teil‑)Prozessen, in vier Fällen die Thematisierung des vertieften Verständnisses pädagogischer Praxis sowie einmal ein spezifischer Selbstbezug kodiert. In acht Beiträgen werden weitere Aspekte in der Operationalisierung aufgegriffen. In 37 Beiträgen kann aus Verfahren zur Betrachtung von Reflexionsergebnissen auf ein operationales Reflexionsverständnis rekurriert werden. Innerhalb dieser erfolgt 15-mal die Thematisierung von mentalen (Teil‑)Prozessen, zweimal der Bezug zu einem vertieften Verständnis pädagogischer Praxis und zweimal die Thematisierung eines Bezugs auf die eigene Person. Außerdem zeigt sich hierbei eine große Menge an Beiträgen (20), die sonstige Aspekte in der Operationalisierung aufgreifen. Hierzu zählt vor allem die Operationalisierung spezifischer qualitativer Stufen.

4.4 Diskussion des Reviews

Die systematische Sichtung empirischer Beiträge zu Reflexion im pädagogischen Kontext verfolgte das Ziel, die Anschlussfähigkeit der vorgeschlagenen Definition zu untersuchen. Der Befund, dass in einer Vielzahl der Beiträge das zugrundeliegende Reflexionsverständnis nicht oder nur teilweise expliziert wurde, kann durchaus kritisch gesehen werden. Vor dem Hintergrund der aktuell bestehenden begrifflichen Vielfalt scheint die Annahme eines in der wissenschaftlichen Community geteilten Verständnisses nicht plausibel. Die von uns vorgeschlagene Definition zielt daher darauf ab, die Explikation des Reflexionsverständnisses anhand der Kernelemente zu strukturieren, um ggf. innerhalb spezifischer Studien auf bestimmte Kernmerkmale zu fokussieren.

Dass die vorgeschlagene Definition anschlussfähig ist, zeigen die Befunde der weitergehenden Analysen. So finden sich alle Kernelemente sowohl in expliziten Definitionen als auch in den jeweiligen Operationalisierungen. Allerdings zeigen die Befunde auch, dass in vielen Beiträgen nur einzelne Kernelemente identifiziert werden können. Inwiefern dies eine bewusste Schwerpunktsetzung der Autor*innen darstellt, kann nur mehr oder weniger gemutmaßt werden. Allerdings kann mittels der Kernelemente der Definition eine bessere Vergleichbarkeit von Studien und Befunden erreicht werden.

Über die Beiträge hinweg zeigt sich eine große Einigkeit darin, dass Reflexion einen mentalen Prozess darstellt, der aus mehreren Teilprozessen besteht. Während in einigen Beiträgen auch ein tieferes Verständnis pädagogischer Praxis als Ziel von Reflexionsprozessen kommuniziert wird, findet sich der Selbstbezug in sehr wenigen Beiträgen. Mit dem Selbstbezug als Kernelement einer Reflexion versuchen wir, Reflexion von anderen Formen der Auseinandersetzung mit praktischem Handeln im Unterricht oder anderen pädagogischen Kontexten (z. B. Unterrichtsanalyse oder Feedback) abzugrenzen. Aus unserer Perspektive sind Studien, die beispielsweise unterrichtliche Erfahrungen analysieren, z. B. vor dem Hintergrund allgemeindidaktischer oder fachdidaktischer Planungsmodelle, keine Reflexionen. Damit wird jedoch in keiner Weise deren Bedeutsamkeit für die professionelle Entwicklung von (angehenden) Lehrkräften eingeschränkt. Vielmehr geht es uns darum, die Spezifika einzelner Lehr-Lern-Formate herauszuarbeiten. Auf diese Weise können empirische Erkenntnisse darüber gewonnen werden, durch welche Formate spezifische Aspekte professioneller Kompetenz gefördert werden können.

Außerdem ist erkennbar, dass über die Kernelemente hinaus weitere Aspekte auftraten. Dies ist unter anderem dadurch begründet, dass im Review stärker auf das kommunizierte Verständnis geschaut wurde, da fokussierte Definitionen, wie wir sie vorschlagen, eine noch geringere Prävalenz zeigen. Die zusätzlichen Aspekte (z. B. reflexive Distanz oder qualitative Stufen der Reflexion) lassen sich problemlos mit der vorgeschlagenen Definition vereinbaren und sind, wie die Erläuterungen zur Definition (Abschn. 2.4) verdeutlichen, ohnehin auch in unserem Verständnis verankert.

Einschränkend für die Aussagekraft des Reviews ist anzuführen, dass ausschließlich der deutschsprachige Wissenschaftsraum mit Publikationen innerhalb der letzten 10 Jahre einbezogen wurde. Da das Review veranschaulichen sollte, inwiefern Forscher*innen ihr Verständnis des Reflexionsbegriffs explizieren und in welchem Umfang die verschiedenen Kernelemente der Definition in entsprechenden Definitionen und Operationalisierungen vorkommen, kann angenommen werden, dass die generellen Ergebnisse auch bei einer Ausdehnung auf einen größeren Zeitraum sowie unter Einbezug auch englischsprachiger Quellen robust sind. Abweichungen auf Ebene absoluter und relativer Häufigkeiten sind anzunehmen, aber beeinflussen die Aussagekraft nicht substanziell.

Abschließend sollte nicht unerwähnt bleiben, dass in vielen der gesichteten Beiträge im Zuge des Reviews eine Konfundierung der Untersuchungsvariablen gegeben war (d. h. meist war Reflexion ein Bestandteil eines Interventionspakets und die Wirkung der einzelnen Maßnahmen konnte nicht isoliert werden) oder Reflexion als Oberbegriff für verschiedene Auseinandersetzungsvarianten verwendet wurde, ohne den individuellen Anteil einzelner Aufgabenstellungen empirisch zu untersuchen. Forschung zu Reflexion sollte deshalb künftig deutlich präziser sein. Wirkungen von Reflexion sollten isoliert bzw. möglichst ohne Konfundierung mit anderen Variablen in entsprechenden (experimentellen) Designs erfasst werden. So fehlt es beispielsweise nach wie vor an systematischer Forschung zur Wirkung von Reflexion und Wechselwirkungen von Reflexion und Professionswissen (siehe Weber et al. 2023).

5 Exklusivität und Abgrenzungsmöglichkeiten

Während bislang die Anschlussfähigkeit der vorgeschlagenen Definition an bisherige Arbeiten im Fokus stand, soll nun die Exklusivität der vorgeschlagenen Definition und die mögliche Abgrenzbarkeit zu anderen Begriffen, die mit der Auseinandersetzung mit schulpraktischen Erfahrungen assoziiert sind, thematisiert werden.

Die vorgeschlagene Definition setzt den Selbstbezug bzw. den Blick nach innen (vgl. Aeppli und Lötscher 2016) als Kernelement von Reflexion. Der Blick nach innen ist in dem hier vorliegenden Begriffsverständnis von Selbstbezug nicht gleichzusetzen mit dem Analysieren einer eigens erlebten Situation, sondern geht darüber hinaus, indem die Analyseergebnisse (kritisch) rückbezogen werden auf die eigene Professionalisierung. Stehen also eigene Unterrichtshandlungen im Zentrum, heißt das unserem Verständnis nach nicht, dass direkt ein Selbstbezug gegeben ist, indem diese Handlungen beschrieben und interpretiert werden (das wird in der Literatur teilweise jedoch bereits als Selbstbezug aufgefasst, vgl. Stender et al. 2021). Der Selbstbezug im Sinne der vorgeschlagenen Definition ist erst dann gegeben, wenn die Ergebnisse rückgekoppelt werden und z. B. damit in Verbindung stehende Haltungen hinterfragt werden oder gezielt eigene Emotionen während des Ereignisses eruiert Diese werden damit zum Gegenstand der Reflexion (vgl. Abschn. 2.4 und Merkert et al. 2023, für eine mögliche Operationalisierung des Selbstbezugs).

Der Selbstbezug an sich ist innerhalb von Reflexionsmodellen nicht neu (z. B. auch thematisiert bei Schön 1983), aber selten obligatorisches Kernelement von Reflexionsdefinitionen (Ausnahme z. B. von Aufschnaiter et al. 2019; Müller 2010). Durch den Selbstbezug als Kernelement ergeben sich Möglichkeiten der Abgrenzung, auf welche nach einer theoretischen Herleitung des Selbstbezugs als obligatorisches Merkmal im Folgenden näher eingegangen wird.

Der Rückbezug auf die eigene Person ist aus kognitionspsychologischer Sicht zentraler Bestandteil von Reflexion (z. B. Lutz 2022). Weiterhin zeigt die Auseinandersetzung mit Stufenmodellen sowie integrativen Modellen, dass der Selbstbezug für die Tiefe (Qualitätsmerkmal) von Reflexion als entscheidend angenommen wird und mit zunehmender Tiefe – was laut Korthagen und Vasalos (2005) einem zunehmenden bzw. intensiveren Selbstbezug entspricht – von einer größeren Wirksamkeit von Reflexion auf die eigene Professionalisierung ausgegangen wird. Schließlich reicht das Wissen um eine neue Handlungsalternative häufig nicht aus, um diese direkt anzuwenden bzw. gut umzusetzen – insbesondere wenn die mit dem Blick nach außen geschlussfolgerte Handlungsalternative (noch) keine Passung zur eigenen Handlungskompetenz, zur eigenen Sozialisation bzw. zu eigenen Motiven, zu eigenen Überzeugungen, zur eigenen Persönlichkeit oder auch zur eigenen Mission aufweist. Folgendes Beispiel soll die hier beschriebene Einschränkung von rein nach außen gerichteten mentalen Prozessen veranschaulichen: In einer Videovignette wird deutlich, dass es einer Grundschullehrkraft gelingt, eine naturwissenschaftliche Erklärung anschaulicher und kindgerechter zu gestalten, indem sie mit einer selbst gesteuerten und gesprochenen Handpuppe interagiert, welche an bestimmten Stellen, didaktisch-methodisch hilfreiche Rückfragen, Kommentare und Fehlvorstellungen einbringt, die die Lehrkraft sodann sinnvoll aufgreift. Ist nun jemand mental in der Lage, die strukturierende Unterstützung durch die Handpuppe wahrzunehmen und zu interpretieren, kann im Sinne von Modelllernen das Lehrkrafthandeln als good practice eingestuft werden. Ohne anschließenden Selbstbezug wird demnach das Handeln als viabel abgespeichert, ohne die Passung zu hinterfragen. Nun liegt es aber aufgrund unterschiedlicher Persönlichkeiten nicht jeder Person, eine Handpuppe zu spielen und sich in dieser Situation authentisch wahrzunehmen und wohlzufühlen. Bleibt dieser Rückbezug zur eigenen Person aus und die mangelnde Passung wird nicht weiter reflektiert, so wird auch nicht nach sinnvollen, zur eigenen Person passenden Alternativen gesucht (und ein Nachahmen scheitert wahrscheinlich). D. h. motivationale Aspekte wie beispielsweise die Selbstwirksamkeit können durch den Selbstbezug bzw. eine bessere Passung der Analyseergebnisse in Form von Schlussfolgerungen oder Aktionsplänen gesteigert werden (vgl. Lohse-Bossenz et al. 2023). Ein vergleichbares Problem ergibt sich, wenn eigene Haltungen, die mit bestimmten Handlungen nicht im Einklang oder gar im Widerspruch stehen, unerwähnt bleiben. Insbesondere wenn Haltungen mit Emotionen verbunden sind, lassen sich auf Basis von nach außen gerichteten mentalen Prozessen abgeleitete Handlungen oder Techniken nicht einfach umsetzen, da Emotionen tiefer liegen und rein kognitiv gespeicherte Schemata stören können. So bedarf es eines Selbstbezugs, um gefestigte Handlungsmuster, die durch Haltungen bedingt sind, tiefgehend zu hinterfragen und zu verändern.

Den Selbstbezug als Kernmerkmal zu begreifen und damit der Introspektion mehr Bedeutung einzuräumen, wird auch neueren Beiträgen zu Reflexion gerecht (z. B. von Aufschnaiter et al. 2019; Beauchamp 2015; Müller 2010; Poldner et al. 2012; Toom et al. 2015). D. h. nicht, dass der Selbstbezug den Blick nach außen ersetzten soll, sondern dass auch nach innen gerichtete Denkprozesse feste bzw. obligatorische Bestandteile von Reflexion sind. Eine Reduktion auf nach innen liegende Denkprozesse wird dem Begriff der Reflexion unserem Verständnis nach ebenfalls nicht gerecht, da Reflexion zwar an das eigene Ich gebunden ist, jedoch ebenso über das eigene Ich hinausgeht (Müller 2010) – im Sinne von Mehrperspektivität und objektiver analytischer Denkprozesse bzw. reflexiver Distanz.

Durch die vorgeschlagene Definition ist es möglich, den Begriff der Reflexion von anderen Begriffen abzugrenzen oder deren Nähe zu explizieren. So ist aus unserer Sicht eine Analyse (oder auch Videoanalyse) zu Ereignissen oder Situationen bis zu einem gewissen Punkt einer Reflexion sehr ähnlich bzw. in gewissen Teilen sogar identisch (vgl. Santagata und Angelici 2010; Van Es und Sherin 2002). Sie ist anlassbezogen und i. d. R. intentional, d. h. sie ist mit dem Ziel der Weiterentwicklung (z. B. Wissenszuwachs) verbunden. Ferner beinhaltet sie mentale Denkprozesse, die mit den mentalen Denkprozessen innerhalb der Reflexion gleichgesetzt werden können. D. h. Reflexion und Analyse weisen Gemeinsamkeiten auf. Sie unterscheiden sich jedoch durch den Selbstbezug, den die Analyse per Definition nicht beinhaltet, eine Reflexion in unserem Sinne jedoch einfordert (siehe auch Lohse-Bossenz et al. 2023; Merkert et al. 2023). Feedbackgespräche zu einer Unterrichtsstunde weisen ebenfalls Kernelemente einer Reflexion auf: Sie sind mit dem Ziel der Weiterentwicklung verbunden und beinhalten i. d. R. eine nach außen gerichtete Analyse eines Sachverhalts (wobei positive und negative bzw. zu optimierende Punkte beschrieben und unterschieden, Alternativen aufgezeigt und Schlussfolgerungen gezogen werden). Allerdings wird dabei die Weiterentwicklung meist dem Feedbacknehmenden und die Analyse teilweise mehr dem Feedbackgebenden zugeschrieben. Zu einer Reflexion wird ein Feedbackgespräch nur dann, wenn Feedbacknehmende ebenfalls den Sachverhalt erörtern und darüber hinaus einen Selbstbezug herstellen. Auf Seite der Feedbackgebenden kann nur dann von Reflexion gesprochen werden, wenn Feedbackgebende den Sachverhalt auch auf sich beziehen und eine Weiterentwicklung anstreben bzw. die eigene Weiterentwicklung thematisiert wird. Auch die Nähe zu professional vision wird deutlich: Die mentalen Denkprozesse sind in beiden Konstrukten ein wichtiges Kernelement. Allerdings beinhaltet professional vision das sogenannte noticing bzw. das indikatorengeleitete Beobachten, was unserer Definition nach nicht Bestandteil von Reflexion ist. Wobei der Reflexionsanlass und der Reflexionsprozess durchaus von der Wahrnehmung beeinflusst wird. So ist noticing eine Teilfähigkeit von professional vision, aber nicht Teil der Reflexion an sich. Der Reflexionsprozess startet unserer Definition nach erst rückblickend, wobei eben nur auf das rückgeblickt werden kann, was wahrgenommen wurde bzw. (aktiv) erinnert werden kann. Damit kann angenommen werden, dass professional vision und Reflexion zwar zusammenhängen, aber eben nicht identische Konstrukte sind. Ein weiterer Unterschied zwischen professionell vision und Reflexion besteht darin, dass professional vision den Selbstbezug nicht als Kernelement aufweist, sondern vielmehr über den Blick nach außen definiert ist (vgl. König et al. 2022).

Geht es also vorrangig um die Analyse einer Situation mit dem Blick nach außen im Sinne situationsspezifischer Fähigkeiten, sollte unserem Definitionsvorschlag nach von Videoanalyse gesprochen werden und nicht von Videoreflexion. So gibt es rückblickend, unserem Definitionsvorschlag folgend, einige Arbeiten, die nicht mehr unter den Begriff Reflexion subsummiert werden können bzw. eine Einschränkung auf Teilprozesse der Reflexion notwendig wäre (z. B. Kleinknecht und Gröschner 2016; Stender et al. 2021; Weber et al. 2020). Dies ist nicht als Kritik an diesen Arbeiten zu verstehen, sondern soll lediglich die Strukturierung der Befundlage künftig erleichtern.

Schließlich muss und sollte nicht jegliche gedankliche Auseinandersetzung unter Akzeptanz der begrifflichen Unschärfe (vgl. Scheunpflug und Affolderbach 2019) als Reflexion bezeichnet werden. So ist es didaktisch-methodisch eher sinnvoll, an vielen Stellen im Rahmen der Professionalisierung von pädagogischen Fachkräften eine Analyse und keine Reflexion durchzuführen. Um beispielsweise im Sinne einer guten Klassenführung zu veranschaulichen, dass mangelnde Allgegenwärtigkeit zu Störungen führen kann oder minimale Interventionen das Geschehen am Laufen halten können und dennoch die Störung direkt im Keim ersticken, muss nicht zwangsläufig ein Rückbezug zur eigenen Person erfolgen. Andererseits ist es jedoch an anderer Stelle durchaus sinnvoll, zu prüfen, ob das Modellverhalten der Lehrkraft im Video oder die im Zuge der Analyse abgeleiteten Alternativen mit der eigenen Person (bereits) vereinbar sind.

Die hier vorgeschlagene Definition soll außerdem dazu dienen, Forschung zu Reflexion besser vergleichen zu können. Steht beispielsweise im Fokus, die Wirksamkeit mentaler Denkprozesse innerhalb einer nach außen gerichteten Perspektive im Rahmen von Reflexionsprozessen zu untersuchen, so sollte klar expliziert werden, dass nicht alle Kernmerkmale von Reflexion untersucht werden und die analytischen mentalen Prozesse im Zentrum der Untersuchung stehen (siehe Weber et al. in diesem Heft). Wird hingegen keine Reflexion, sondern vielmehr eine reine Videoanalyse betrieben, da der Selbstbezug weder Bestandteil der Untersuchung noch Bestandteil der Tätigkeit an sich ist, so sollte unserem Verständnis nach nicht von Reflexion, sondern von Videoanalyse gesprochen werden. Wird rein auf den Selbstbezug fokussiert, so sollte auch das entsprechend expliziert werden (siehe Lohse-Bossenz et al. 2023; Merkert et al. 2023).

6 Ausblick

Ausgangspunkt dieses Beitrags war die Verwendung des Reflexionsbegriffs im Sinne eines Umbrella Terms (vielfältige Begriffsverständnisse bei fehlender konkreter Explikation). Bei der Sichtung der empirischen Beiträge ist dies ebenfalls evident geworden. Mit der vorgeschlagenen Definition bieten wir eine Strukturierungshilfe, mittels derer Forschende ihr jeweiliges Reflexionsverständnis darlegen können. Hiermit verfolgen wir langfristig zwei zentrale Anliegen für Lehre und Forschung im Kontext der Lehrer*innenbildung:

  1. 1.

    Lehrenden innerhalb der Lehrer*innenbildung soll durch die strukturierte Darlegung eines Verständnisses von Reflexion und eine Möglichkeit der Abgrenzung von verwandten Konstrukten dabei helfen, hochschuldidaktische Arrangements dahingehend zu optimieren, dass der bewusste Einsatz verschiedener Lehr-Lernformate erfolgt. Darin sollten die Spezifika verschiedener Formate (für Reflexion bspw. der explizite Selbstbezug) mit Blick auf die jeweils zu erreichenden Ziele berücksichtigt werden. Ein über mehrere Lehrende hinweg geteiltes Verständnis des Reflexionsbegriffs hilft überdies den Studierenden bei der Orientierung und dem Aufbau eines kohärenten Verständnisses eigenen Lernens. Uns ist durchaus bewusst, dass dieses Anliegen durch die abstrakte Definition bei weitem noch nicht erreicht ist bzw. erreicht sein kann. Wir sind jedoch der Ansicht, mit dem Vorschlag einer Definition und der damit verbunden Strukturierung anhand der Kernelemente einen wichtigen Schritt in diese Richtung zu gehen.

  2. 2.

    Forschende, die sich mit der Förderung von Reflexionsfähigkeiten oder der Bedeutsamkeit von Reflexion für den Aufbau professioneller Kompetenz befassen, können über ein expliziertes Verständnis von Reflexion einerseits die bestehenden Befunde besser systematisieren, eigene Forschungsfragen darin verorten und spezifische Forschungsdesigns entwickeln, die es erlauben, die beim Reflektieren ablaufenden Lernprozesse noch besser zu verstehen. Auch dieses Anliegen bedarf weiterer Konzeptions- und Forschungsarbeiten. Dennoch kann der Definitionsvorschlag dabei unterstützen, künftige Forschungsbefunde zu systematisieren und damit besser vergleichbar zu machen.

Zusammenfassend soll an dieser Stelle nochmals angeführt werden, dass durch diese Arbeit keine grundlegende Kritik an der Vielfältigkeit des Begriffsverständnisses geübt werden soll. Vielmehr sind auch wir uns bewusst, dass wir bei der Entwicklung des Definitionsvorschlags auch „blinde“ Flecken außerhalb der empirische Bildungsforschung haben. Auch fokussieren wir uns auf die Reflexion über berufsbezogene Erfahrungen und lassen situationale Reflexionsaktivitäten (i. S. reflection-in-action) außer acht. Nichtsdestotrotz sind wir der Auffassung, dass das Potenzial unterschiedlicher Auffassungen nur dann zum Tragen kommt, wenn hierüber systematisch kommuniziert werden kann, um Forschungsergebnisse auch wechselseitig aufeinander beziehen zu können. Der Definitionsvorschlag als Strukturierungshilfe ermöglicht es Forschenden, in spezifischen Bereichen – sei es hinsichtlich der Teilprozesse und deren zeitlicher Abfolge, hinsichtlich der Stärke des Selbstbezugs oder hinsichtlich der Konzeptualisierung eines erweiterten Verständnisses pädagogischer Praxis – in den Diskurs einzutreten.