1 Theoretischer Hintergrund und Forschungsstand

1.1 Entwicklung von Lehrkräfteprofessionalität bei Studierenden in Praxisphasen

Lerngelegenheiten für Studierende der Lehrkräftebildung, die von konkreten praktischen Situationen ausgehen, an Erfahrungen von Studierenden anknüpfen und dabei eine systematische Reflexion sowie einen Theoriebezug ermöglichen, können Studierende in ihrer Professionalisierung unterstützen. Die Gestaltung solcher Lerngelegenheiten ist eine der zentralen Herausforderungen der Lehrkräftebildung (Korthagen 2016). Praxisphasen im Studium eignen sich grundsätzlich solche Lerngelegenheiten zu ermöglichen. Sowohl Studierende (Makrinus 2013) als auch zentrale Empfehlungen zur Zukunft der Lehrkräftebildung (Terhart 2000) messen Praxisphasen einen hohen Wert zu. Gleichzeitig wird empirisch deutlich, dass die Qualität von Praxisphasen weniger von ihrer Dauer abhängt, sondern vielmehr von der Qualität der Lernbegleitung (Hesse und Lütgert 2020). In den letzten Jahren wurden in einer Vielzahl von Bundesländern Langzeitpraktika eingeführt (Weyland 2012), so dass sich verstärkt Fragen der effektiven Lernbegleitung im Praktikum stellen und dieses Themenfeld stärker empirisch bearbeitet wird (Ulrich und Gröschner 2020). Das gemeinsame Gespräch zwischen Studierenden und Lehrkräftebilder/innen über Unterricht ist dabei eine Möglichkeit der Lernbegleitung. Im Folgenden werden Modelle der Lernbegleitung im Mentoring vorgestellt und ein Theorieansatz für die Beschreibung von Unterrichtsbesprechungen abgeleitet.

1.2 Konstruktivistische und transmissive Orientierung im Mentoring

Richter et al. (2013) systematisieren in Anlehnung an Feiman-Nemser (2001) Mentoringmodelle, in denen Unterrichtsbesprechungen häufig einen zentralen Aspekt ausmachen, anhand der prototypischen Beziehungs‑, Rollen- und Interaktionsgestaltung zwischen Mentor/in und Student/in in transmissives Mentoring und konstruktivistisches Mentoring. Im transmissiven Mentoring werden Mentor/innen als Expert/innen verstanden, die ihr Wissen und Können in einer hierarchisch strukturierten Beziehung weitergeben. Im Sinne einer „Meisterlehre“ liegt hierbei der Fokus auf der Performanz der Studierenden im Unterricht und der Tradierung von Unterrichtspraktiken. Eine solche Lehre kann im Sinne des Cognitive Apprenticeship als lernförderlich, aber im Sinne einer tradierten Praxisorientierung auch als problematisch erachtet werden (Greiten und Trumpa 2017). Im konstruktivistisch-orientierten Modell wird zwar die asymmetrische Beziehung zwischen Lehrkräftebildner/in und Student/in nicht negiert, jedoch in ein kollaboratives Verständnis übertragen, wobei Austausch und gemeinsame Generierung von Ideen gefördert werden. Für beide Ansätze finden sich lerntheoretische Begründungen, ein eher konstruktivistischer Ansatz lässt jedoch einen insgesamt höheren Lerngewinn bei Studierenden erwarten (Richter et al. 2013). Richter et al. (2013) kommen hierzu nach einer Befragung von über 700 Referendar/innen zu dem Ergebnis, dass Personen, die konstruktivistisch-orientiertes Mentoring erleben, von einer höheren Lehrerselbstwirksamkeit, Lehrbegeisterung und Arbeitszufriedenheit sowie geringerer emotionaler Erschöpfung berichten, als Referendar/innen, die dies nicht erlebt haben. Sie beschreiben zudem, dass Mentoring, welches auf Kollaboration und kritischer Reflexion beruht, hilfreich für Motivation und Wohlbefinden ist, während transmissives Mentoring Überzeugungen verstärkt, in denen Lernen als ein eher passiver Prozess verstanden wird, in dem Schüler/innen das Wissen anhäufen, welches durch eine Lehrkraft dargestellt wird.

Entsprechend orientieren sich viele aktuelle Konzepte der Begleitung Studierender durch Mentor/innen im Praktikum an einem konstruktivistischen Verständnis (Ambrosetti et al. 2014; v. Felten 2005; Kreis 2012; Kreis und Staub 2011; West und Staub 2003). Ein zentraler Aspekt dieser Konzepte ist, wie es in Praxisphasen (Rheinländer und Scholl 2020; Rothland 2020) bzw. in Unterrichtsbesprechungen (Brack 2019; Schüpbach 2011) gelingt, akademische und praktische Wissensbestände miteinander in Beziehung zu setzen. Hierzu kann auf das Konzept der Reflexion zurückgegriffen werden.

1.3 Reflexion in Unterrichtsbesprechungen

Durch Reflexion, in der theoretisch orientiertes Wissen mit praktischem Können und einem Bezug zur eigenen Person in Verbindung gebracht wird, kann eine Verbindung dieser Aspekte gelingen (Korthagen 2016; Reusser und Wyss 2000). Das Konzept der Reflexion ist in der Lehrkräftebildung nicht unumstritten (Fraefel 2018), wird jedoch weiterhin regelmäßig genutzt. Im Kern beschreibt Reflexion das bewusste Nachdenken über eine spezifische Situation, die auch als ein Problem gesehen werden kann (Fraefel 2017), wobei der reflektierenden Person bewusstwerden kann, welche Überzeugungen bzw. welches Wissen zum jeweiligen Handeln geführt haben. Diese Bewusstwerdung kann auch dazu dienen, ein neues Verständnis der Situation zu erlangen und alternative Planungen für ähnliche Herausforderungen anzufertigen (Dewey 1933; Schön 1987). Zur Systematisierung von Anlässen, Zeitpunkten, inhaltlichen Dimensionen und dem Ablauf von Reflexion liegen verschiedene Konzepte vor. In der hier vorgelegten Studie wird das von Korthagen und Vasalos (2006) entwickelte ALACT-Modell in seiner Weiterentwicklung von Krieg und Kreis (2014) zum ERTO-Modell aufgegriffen. Das ALACT-Modell geht von einem Kreislauf der Reflexion aus, in dem nicht nur der Rückblick, sondern auch die Entwicklung von Alternativen als Teil von Reflexion betrachtet wird. Die Tiefe von Reflexionsprozessen ist nicht Teil des Modells, weshalb Korthagen und Vasalos (2006) das Zwiebelmodell mit einer Beschreibung von Reflexionsebenen entwickelt haben. Krieg und Kreis (2014) verbinden diese Ansätze im ERTO-Modell (Ereignis, Reflexion, Transformation, Option) und nutzen ihr Modell für die Analyse von Mentoringgesprächen, insofern ist es für diese Studie besonders relevant. Im Prozessschritt „Ereignis“ wird beschrieben, was von einer Person wahrgenommen wurde. Für die Schritte „Reflexion“ und „Transformation“ werden jeweils Sub-Ebenen reflexiven Handelns benannt. Auf der Ebene „Deskriptive Reflexion“ wird, ergänzend zu einer reinen Beschreibung eines Ereignisses, eine Bewertung hinzugezogen oder ein Problem beschrieben. „Explikative Reflexion“ umfasst zusätzlich eine Annahme, Ursache oder Begründung, „Introspektive Reflexion“ umfasst ergänzend die Abwägung verschiedener Begründungen bzw. Annahmen oder Erfahrungen. „Integrative Reflexion“ beinhaltet den Bezug zu wissenschaftlichen Theorien. Dabei gehen die Autorinnen davon aus, dass sich Studierende beispielsweise durch Fragen zur Reflexion anregen lassen. Für Transformationen wird unterschieden, ob eine „Handlungsoption genannt“ wird, „Bedingungen“ unter denen die Handlung gezeigt werden soll benannt oder „Kriterien“ zur Beurteilung definiert werden.

Während Reflexion häufig für die Beschreibung studentischer Prozesse gewählt wird, wird auf der Seite der Lehrperson oft von Feedback gesprochen. Kleinknecht und Gröschner (2016) verwenden dabei für die empirische Erfassung von (studentischer) Reflexion und Feedback (durch Peers und Expert/innen) identische Abstufungen (Evaluation, Explanation, Reflection on alternatives). Im Rahmen dieser Studie wird auch Feedback von Lehrkräftebildner/innen als Reflexion verstanden.

1.4 Gesprächsverhalten in Unterrichtsbesprechungen

Neben der Verbindung von „Theorie“ und „Praxis“ durch Reflexion spielt das Gesprächsverhalten der/des Lehrenden eine zentrale Rolle bei der Gestaltung von Unterrichtsbesprechungen. Hennissen et al. (2008) entwickeln zur Beschreibung dieses Verhaltens, auf Basis eines Literaturreviews, das MERID-Modell (MEntor (teacher) Roles In Dialogues), welches sich empirisch bewährt hat (Crasborn et al. 2011; Futter 2017; Mena et al. 2017). Das Gesprächsverhalten von Lehrkräftebildner/innen wird darin auf den Dimensionen „Themenführung“ und „Direktivität“ der Gesprächsbeiträge operationalisiert. Unter „Themenführung“ wird erfasst, welche Person neue Themen für das Gespräch benennt und damit den inhaltlichen Verlauf des Gesprächs definiert. In einem eher „direktiven“ Gesprächsbeitrag wird durch die/den Lehrkräftebildner/in z. B. eine Meinung oder eine Anweisung eingebracht, während ein „nicht-direktiver“ Gesprächsbeitrag z. B. Zusammenfassungen oder Fragen umfasst. Die Rolle von Mentor/innen im Gespräch wird anhand der Untersuchung ihrer Gesprächsbeiträge auf beiden Dimensionen bestimmt. So nimmt eine Person, die viele Themen einführt und eher direktive Gesprächsbeiträge einbringt die Rolle „Imperator“ ein, während z. B. eine Person, die eher auf Themen reagiert und eher non-direktive Beiträge einbringt, die Rolle „Ermutiger/in“ einnimmt. In dieser Studie wird das explizite Anregen von Reflexion untersucht. In Unterrichtsbesprechungen kann dies etwa durch gezielte Fragen als Aspekt der Gesprächsführung verstanden werden. Hawkey (1998) zeigt in einer qualitativen Fallstudie aus Großbritannien mit zwei Mentor/innen, dass der Mentor, der ein eher direktives Gesprächsverhalten aufweist, mehr Gesprächszeit beansprucht, als die Mentorin, die ein eher nicht-direktives Gesprächsverhalten zeigt. In einer Studie von Crasborn et al. (2011) aus den Niederlanden kann dieses Ergebnis an einer Stichprobe von 20 Gesprächen nicht gezeigt werden (Crasborn et al. 2011). Gleichwohl wurden in dieser Studie neun der 20 Mentor/innen der Rolle „Imperator“ zugeordnet.

1.5 Reflexion und Gesprächsverhalten als Merkmale konstruktivistischer und transmissiver Orientierungen in Unterrichtsbesprechungen

Insofern kann das MERID-Modell (Hennissen et al. 2008) dazu dienen, dass Gesprächsverhalten der/des Lehrenden im Gespräch übergreifend zu beschreiben, allerdings bleibt dabei die Dimension der „Direktivität“ der Gesprächsbeiträge relativ breit und nur wenig spezifisch. Daher wird hier vorgeschlagen, Aspekte von Reflexion entsprechend des ERTO-Modells (Krieg und Kreis 2014) zu nutzen, um die Gesprächsbeiträge differenzierter beschreiben zu können. Unter Nutzung der Unterscheidung nach Richter et al. (2013) in ein eher konstruktivistisches bzw. transmissives Mentoring wurden so für den spezifischen Kontext von Unterrichtsbesprechungen Indikatoren für ein eher konstruktivistisch-orientiertes bzw. transmissions-orientiertes Gespräch entwickelt. Wir analysieren die Themenführung (MERID-Modell), die Verwendung von eigener Redezeit für Beschreibungen, bewertende und begründende Reflexionen bzw. beschreibende und begründende Transformationen (ERTO-Modell) als empirisch erfassbare Kriterien. Als Indikatoren für eine konstruktivistische Orientierung erachten wir, wenn Gesprächsthemen eher durch Studierende und weniger durch Lehrpersonen eingebracht werden, wenn Reflexionen der/des Lehrenden eher begründend und weniger bewertend bzw. rein beschreibend sind, wenn durch die/den Lehrende/n viele Anregungen zur Reflexion (insb. in Form von Fragen) erfolgen und wenn Ideen für die Zukunft (Transformationen) begründet und nicht nur benannt werden. Als Indikatoren für eine transmissive Orientierung wird hier angesehen, wenn die Gesprächsthemen verstärkt durch Lehrpersonen und weniger durch Studierende eingebracht werden, wenn Reflexionen der/des Lehrenden in erster Linie bewertend bzw. rein beschreibend und weniger begründend sind, wenn durch Lehrende wenige Reflexionsanregungen erfolgen und Ideen für die Zukunft zwar benannt aber nicht begründet werden.

1.6 Unterschiedliche Lehrkräftebildner/innen in Unterrichtsbesprechungen

Die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Lehrkräftebildner/innen verschiedener Institutionen zur Stärkung von Theorie-Praxis-Bezügen ist zentraler Bestandteil einer Reihe von Konzeptionen zur Praxisphase (Beckmann und Ehmke 2018; Weyland 2012; Weyland et al. 2019). Insofern wird hier angenommen, dass Lehrkräftebildner/innen in Abhängigkeit ihrer institutionellen Zugehörigkeit Unterrichtsbesprechungen unterschiedlich gestalten, da sie spezifische Expertise mitbringen bzw. die Institutionen verschiedenartige Ziele verfolgen (Schubarth 2010) und das Wissen, die Kompetenzen und Einstellungen von Lehrpersonen zentral für die Gestaltung von Lerngelegenheiten sind (European Commission 2013). Im untersuchten Setting des Langzeitpraktikums im deutschen Bundesland Niedersachsen werden Unterrichtsbesprechungen von drei Personengruppen mit unterschiedlicher institutioneller Zugehörigkeit durchgeführt (Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur 2014).

Es handelt sich erstens um „Mentor/innen“ bzw. Praxislehrpersonen, die als Lehrkräfte in der Schule tätig sind und als zusätzliche Aufgabe Studierende in ihren Unterricht und ihre Klassen einbinden. Mentor/innen verfügen prototypisch über ein breites Wissen über die Lerngruppe und der Lernerfolg der Schüler/innen ist für sie von besonderer Bedeutung. Die meisten Studien zur Unterstützung von Studierenden in der Lehrkräftebildung beziehen sich auf diese Gruppe (z. B. Futter 2017; Hennissen et al. 2008; Kreis 2012; Schüpbach 2007). Zweitens sind „Fachdidaktiker/innen“, die an der Universität tätig sind beteiligt. Diese verfügen prototypisch über einen relativ starken Wissenschaftsbezug. Es handelt sich um an Forschung angebundene Personen mit geringer Kopplung an die Schulpraxis. Konzeptionell bringt diese Gruppe die Perspektive aktueller fachdidaktischer Forschung ein. Das eigene Lernen, die Einstellungen und die Aufgaben dieser Gruppe werden in den letzten Jahren vermehrt untersucht (Ping et al. 2018; Tremp und Weil 2015). Drittens werden „Lehrkräfte in der Praxisphase“ (LiP) eingesetzt, wobei es sich um Lehrkräfte aus der zweiten, praxisorientierten Phase der Lehrkräftebildung handelt. Diese sind idealerweise erfahren in der praxisorientierten Ausbildung von Lehrkräften, es gibt jedoch in der Regel keine spezifischen Qualifizierungsprogramme für diese Personen (Schubarth 2011). Fachdidaktiker/innen und Lehrkräfte in der Praxisphase führen einzelne Besprechungen im Tandem durch. Über das Gesprächsverhalten dieser beiden Gruppen gibt es nur sehr wenig Studien. Eine Ausnahme bildet beispielsweise die Studie von Mena et al. (2017), in der gezeigt wurde, dass Mentor/innen in Besprechungen eher eine aktive und direktive Rolle einnehmen, während „school-based teacher educator“ bzw. „university-based teacher educator“ ihre Rolle eher variieren. In dieser Studie wurden jedoch nur n = 4 Besprechungen analysiert.

2 Forschungsfragen und Hypothesen

Da empirisch bislang nur wenig über die Gesprächsführung von Lehrkräftebildner/innen unterschiedlicher Institutionen in Bezug auf die dargestellten Indikatoren in Unterrichtsbesprechungen bekannt ist, gleichzeitig jedoch eine breite Wissensbasis in Bezug auf Unterrichtsbesprechungen im Allgemeinen besteht, stehen folgende Forschungsfragen im Fokus der Studie:

  1. 1.

    Wie gestalten Lehrkräftebildner/innen aus Schulen, Universitäten und zweiter Ausbildungsphase Unterrichtsbesprechungen in Bezug auf Länge, Themenzahl, Themenführung, Reflexion und Transformation?

  2. 2.

    Unterscheiden sich die Unterrichtsbesprechungen in Bezug auf die benannten Indikatoren zwischen Lehrkräftebildner/innen der unterschiedlichen Institutionen?

  3. 3.

    Inwieweit hängen die Art der Gesprächsführung (Themenführung durch Lehrkräftebildner/in vs. Studierende/r und das explizite Anregen von Reflexion) mit dem Vorkommen von qualitativ unterschiedlichen Reflexionsebenen zusammen?

Übergreifend wird erwartet, dass Lehrkräftebildner/innen eher an Transmission orientierte Gespräche durchführen, da ein wiederkehrendes Forschungsergebnis ist, dass die Rolle „Imperator“ bei Mentor/innen überwiegt (Crasborn et al. 2011; Futter 2017). Auf die einzelnen Lehrendengruppen (Fragestellung 2) bezogen lassen sich nur sehr eingeschränkt Hypothesen aufstellen, da hier bislang nur wenige empirische Daten vorliegen und insbesondere das Gesprächshandeln von Lehrenden der Universität und der zweiten Ausbildungsphase im Kontext des Langzeitpraktikums wenig untersucht ist, obwohl eine Zusammenarbeit konzeptionell en vogue ist (Weyland et al. 2019). Entsprechend der unter Abschn. 1.6 getroffenen Annahmen wird vermutet, dass Mentor/innen einen Fokus auf das Lernen der Schüler/innen legen und eine relativ klare Vorstellung guten Unterrichts in der von ihnen verantworteten Lerngruppe haben. Insofern könnte es dazu kommen, dass Mentor/innen eher den von ihnen üblicherweise geplanten Unterricht an die Studierenden vermitteln und Studierende vor diesem Hintergrund bewerten.

Fachdidaktisches Personal der Universitäten könnten Expert/innen für theoriegeleitete Reflexionen sein und fühlen sich eventuell eher dem Professionalisierungsprozess der Studierenden verpflichtet. Es wird insofern vermutet, dass diese Gruppe eher Begründungen für ihre Äußerungen einbringen bzw. bei Studierenden erfragen. „Lehrkräfte in der Praxisphase“ nehmen eine mittlere Position zwischen den beiden anderen Gruppen ein, da sie sowohl selber im Unterricht aktiv sind, als auch die Ausbildung von Lehrkräften ihre Kernaufgabe ist. Es wird zudem vermutet, dass die Gespräche der Mentor/innen kürzer sind und weniger Themen beinhalten, da Mentor/innen aufgrund der räumlichen Nähe und der häufigeren direkten Interaktion wahrscheinlich auch einen Teil der Themen außerhalb formalisierter Besprechungen bearbeiten. Die Gespräche der Fachdidaktiker/innen und Lehrkräfte in der Praxisphase sind zudem verpflichtend (Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur 2014), müssen dokumentiert werden, es werden zusätzliche Ressourcen bereitgestellt und diese Gruppen reisen zu den Gesprächen extra an. Diese Personen entscheiden auch über den weiteren Fortgang des Studiums, obgleich die Besprechung selbst nicht bewertet wird. Insofern wird erwartet, dass insgesamt diesen Gesprächen mehr Gewicht zugesprochen wird.

Wir vermuten, dass eine transmissions-orientierte und eher durch die/den Lehrkräftebildner/in gesteuerte Themenführung mit eher beschreibender und bewertender Reflexion einhergeht, während konstruktivistisch-orientierte und eher auf die Studierenden ausgerichtete Gesprächsführung (Themenführung Studierende/r; viele Anregungen zur Reflexion) eher mit begründeten Reflexionen bzw. begründeten neuen Ideen (Transformationen) zusammenhängen.

3 Methodisches Vorgehen

3.1 Erhebungsdesign

Um die Fragestellungen zu untersuchen, wurden Unterrichtsnachbesprechungen im Rahmen des niedersächsischen Master-Langzeitpraktikums an Grundschulen und Schulen der Sekundarstufe I durch eine geschulte Person oder nach einer ausführlichen Einführung durch die Teilnehmenden selbst als Audiodatei aufgezeichnet. Um eine hohe Authentizität zu gewährleisten, wurden keine Anweisungen zur Durchführung der spezifischen Besprechung gegeben.

3.2 Stichprobe

Insgesamt liegen n = 35 Aufzeichnungen vor, wobei die Gesprächszusammensetzung systematisch in Bezug auf die/den Lehrkräftebildner/in variiert wurde. Es wurden n = 9 Gespräche durch eine/n Fachdidaktiker/in, n = 6 Gespräche durch eine „Lehrkraft in der Praxisphase“ (LiP) und n = 14 Gespräche durch eine/n Mentor/in geleitet. Weitere n = 6 Gespräche wurden im Lehrendentandem durch Fachdidaktiker/in und Lehrkraft in der Praxisphase durchgeführt, die jedoch aufgrund der besonderen Teilnahmestruktur nicht in die weiteren Auswertungen einbezogen werden. In den ausgewerteten Besprechungen wird Unterricht aus den Fächern Sachunterricht (n = 10), Deutsch (n = 8), Mathematik (n = 5), Englisch (n = 4), Sport (n = 1) und Politik-Wirtschaft (n = 1) besprochen. Von den ausgewerteten Besprechungen werden n = 25 durch eine Frau und n = 4 durch einen Mann geleitet.

3.3 Kodierung

Alle Besprechungen wurden, wie für Daten videografierten Unterrichts etabliert (Seidel et al. 2005), anhand der Audiodatei und einem Transkript mit Hilfe des Programms Videogprah im time-sampling Modus kodiert. Hierzu wurde jedes Gespräch in Einheiten von 20-Sekunden Länge eingeteilt und für jede Kategorie in jeder Einheit eine Kodierung vorgenommen. Die Kategorien dieser quantifizierenden inhaltsanalytisch orientierten Auswertung entsprechen den in Tab. 1 dargestellten deduktiv entwickelten Merkmalen. Bei der Einführung eines neuen Themas in das Gespräch (Tab. 1, (1) und (2)) wurde kodiert, ob ein Thema eingeführt wurde und wenn ja, wer dieses Thema eingeführt hat (Themenführung im MERID-Modell, Hennissen et al. 2008). Weiterhin wurde für jede Person in jeder Einheit kodiert, ob eine Beschreibung bzw. Reflexion stattgefunden hat bzw. welche Reflexionsebene maximal eingenommen wurde. Hierbei wurde neben der Ebene „kein Rückblick bzw. keine Reflexion“ in drei Ebenen unter Adaption des ERTO-Modells unterschieden (Krieg und Kreis 2014). Die Ebene „Beschreibung“ (3) umfasst dabei eine beschreibende Erzählung ohne Elaboration. Eine „bewertende Reflexion“ (4) beinhaltet ein bewertendes Urteil, eine Frage oder eine Problemdarstellung. „Begründende Reflexion“ (5) umfasst die ERTO-Ebenen explikative, introspektive und integrative Reflexion. Diese drei Ebenen wurden getrennt kodiert, werden hier jedoch summarisch ausgewertet. Zu jeder Reflexionsebene wurden weiterhin insbesondere Fragen als Anregungen zur Reflexion (6) kodiert. Abschließend wurden im Gespräch vorkommende Transformationen, also Ideen zur Veränderung oder Vorschläge für die Zukunft, erfasst. Dabei wurde unterschieden, ob eine Alternative benannt (7), jedoch nicht begründet und ohne Abwägung von Vor- und Nachteilen eingebracht wird, oder ob eine Alternative begründet (8) wird.

Tab. 1 Kategoriensystem, Kodierübereinstimmung, Kodierbeispiele

Zur Prüfung der Kodierübereinstimmung wurden acht Gespräche nach einer umfangreichen Schulung anhand eines Kodiermanuals von je zwei Personen unabhängig voneinander kodiert. Die mittleren Werte von Cohens-Kappa (bzw. weighted kappa) bzw. der prozentualen Übereinstimmung sind in Tab. 1 gemeinsam mit einer Kurzform der Kodieranweisung sowie gekürzten, vereinfachten Kodierbeispielen dargestellt. Für die prozentuale Übereinstimmung der Beurteilungen innerhalb eines identischen Zeitabschnitts werden, auch in den Fällen in denen Kappa mittelmäßige Werte aufweist, gute bis ausreichende Werte erreicht.

Inhaltlich werden in den Gesprächen beispielsweise Themen angesprochen, die das Verhalten der Studierenden und der Schüler/innen, die methodische Gestaltung der Unterrichtsstunde, die Fachinhalte oder die Qualität einer vorgehenden Planung umfassen.

3.4 Datenverarbeitung und -darstellung

Die Weiterverarbeitung der Daten nach der Kodierung erfolgte in SPSS 25. Angaben zur Themenführung ((1) und (2)) beziehen sich auf den prozentualen Anteil der jeweiligen Person an der Gesamtzahl der in das Gespräch eingebrachten Themen. Angaben zu Reflexion ((3), (4) und (5)) und Transformation ((7) und (8)) sind als prozentualer Anteil an der eigenen Gesprächsbeteiligung einer Person dargestellt. Ein Wert von 10 % bei „bewertende Reflexion“ bedeutet beispielsweise, dass bei 10 % der Kodiereinheiten, in der die jeweilige Person spricht, auch die Ebene „bewertende Reflexion“ kodiert wurde. Für die Anregung zur Reflexion (6) wird die absolute Häufigkeit der Vergabe des Kodes im Gespräch angegeben.

4 Ergebnisse

4.1 Forschungsfrage 1: Gestaltung von Unterrichtsbesprechungen

Zentrale deskriptive Kennwerte zu den einzelnen Indikatoren sind in Tab. 2 zusammengefasst.

Tab. 2 Deskriptive Statistiken zum Gesprächsverhalten

Die mittlere Gesprächslänge beträgt ca. 37 min, wobei sich die Gesprächslängen im Datensatz deutlich voneinander unterscheiden (SD = ca. 26 min). Ähnlich verhält sich die Themenzahl, wo im Mittel 24 Themen besprochen werden (SD = 13).

In den Unterrichtsbesprechungen werden im Mittel 59 % der Themen durch die Lehrperson eingebracht. Der Anteil an den durch die/den (primäre/n) Studierende/n eingebrachten Themen ist mit 28 % in etwa halb so groß. Auffallend ist hier die relativ hohe Standardabweichung, so dass im Rahmen einer Standardabweichung 37–81 % der Themen durch die Lehrperson eingebracht werden. Ab einem Anteil von 50 % Themenführung durch die Lehrperson wäre diese im MERID-Modell eher der Rolle „Initiator“ bzw. „Imperator“ zuzuordnen.

In Bezug auf die Reflexionsebene der Beiträge der Lehrperson ist der Anteil an bewertenden Reflexionen (24 %) und begründenden Reflexionen (24 %) gleich hoch und jeweilig deutlich höher als der an reinen Beschreibungen (15 %). Insgesamt werden im Mittel 63 % der eigenen Gesprächszeit von Lehrpersonen für Beschreibungen bzw. bewertende oder begründende Reflexionen genutzt. Die restliche zur Verfügung stehende Zeit wird z. B. für Transformationen, Fragen oder organisatorische Hinweise genutzt.

Im Mittel werden Studierende viermal zu Reflexionen angeregt. Auch hier ist eine relativ hohe Standardabweichung zu verzeichnen (SD = 3,36).

Es zeigt sich insofern, dass sich die Gespräche im Datensatz in Bezug auf die untersuchten Indikatoren stark voneinander unterscheiden. Daher wird im Folgenden untersucht, ob die Unterschiede systematisch anhand der Zugehörigkeit zu einer Lehrendengruppe erklärbar sind, bzw. ob sich Zusammenhänge in den Ausprägungen der Indikatoren zeigen.

4.2 Forschungsfrage 2: Unterschiede zwischen Lehrkräftebildner/innen

In der hier untersuchten Praxisphase in Niedersachen wird ein besonderer Schwerpunkt auf die Gestaltung von Unterrichtsbesprechungen durch Lehrkräftebildner/innen unterschiedlicher Institutionen gelegt. Es werden aufgrund der unterschiedlichen Aufgaben und institutionellen Verpflichtungen der Akteure Unterschiede in den Gesprächen vermutet. Weiterhin hat die Gesamtauswertung ergeben, dass im Datensatz bei mehreren Indikatoren eine hohe Standardabweichung vorliegt. Entsprechend wurde mittels einer multivariaten Varianzanalyse geprüft, ob auf der Ebene einzelner Indikatoren und allgemeiner Gesprächsmerkmale Gruppenunterschiede bestehen (Tab. 3).

Tab. 3 Deskriptive Statistiken und Varianzanalyse zum Gesprächsverhalten in Abhängigkeit der/des primären Lehrkräftebildners/Lehrkräftebildnerin

Gespräche mit Fachdidaktiker/innen oder Lehrkräften in der Praxisphase sind ähnlich lang. Gespräche der Mentor/innen sind signifikant kürzer als die der Fachdidaktiker/innen (Bonferroni-Test, p = 0,02). Diese sind mit ca. 23 min nur etwa halb so lang, wie Gespräche der anderen Lehrpersonen. Ein ebenfalls statistisch signifikanter Unterschied ergibt sich auch für die Gesamtzahl der besprochenen Themen. Während in Gesprächen mit Fachdidaktiker/innen oder Lehrkräften in der Praxisphase im Mittel über 30 Themen besprochen werden, sind dies bei Mentor/innen nur 15 Themen (Bonferroni-Test, p < 0,01). In Bezug auf die Indikatoren für eher konstruktivistisch-orientierte bzw. transmissions-orientierte Unterrichtsbesprechungen bringen Mentor/innen einen (statistisch nicht signifikant) höheren Anteil an Themen in das Gespräch ein als die anderen Lehrendengruppen.

In Bezug auf den Anteil an Beschreibungen, bzw. bewertender und begründender Reflexionen, ergeben sich keine statistisch signifikanten Unterschiede. Auffallend ist, dass Lehrkräfte in der Praxisphase (mit 6 % der eigenen Gesprächszeit) nur relativ wenig Zeit für Beschreibungen aufwenden. Ebenfalls auffällig ist, dass die Summe diese drei Kennwerte (Fachdidaktiker/in M = 56 %; Lehrkraft in der Praxisphase M = 54 %; Mentor/-in M = 73 %) bei Mentor/innen augenscheinlich höher liegt als bei den anderen Gruppen. Die beiden anderen Lehrendengruppen verwenden insofern eher mehr Zeit für andere, nicht entsprechend kodierte, Gesprächsinhalte.

Mentor/innen regen die Studierenden zum Beispiel in Form von Fragen statistisch signifikant seltener zur Reflexion an als die beiden anderen Gruppen (Bonferroni-Test, p = 0,01 zwischen Mentor/innen und Fachdidaktiker/innen bzw. p = 0,05 zwischen Mentor/innen und Lehrkräften in der Praxisphase). Während in Gesprächen von Mentor/innen im Mittel ca. 2 Fragen gestellt werden, sind dies bei Fachdidaktiker/innen ca. 6 Fragen. In dieser Gruppe ist jedoch auch die Standardabweichung (SD = 4,01) besonders hoch. Außerdem ist zu bedenken, dass die Gespräche von Mentor/innen deutlich kürzer sind. Nicht signifikant sind Unterschiede beim Anteil der in das Gespräch eingebrachten neuen Ideen. Der Anteil benannter Alternativen ist bei allen Lehrendengruppen höher als der Zeitaufwand für das Begründen von Transformationen. Während jedoch Fachdidaktiker/innen und Lehrkräfte in der Praxisphase in 8 % der Kodiereinheiten ihrer eigenen Gesprächszeit Alternativen begründen, passiert dies bei Mentor/innen nur in 4 %. Für das reine Nennen von Alternativen ist der Effekt gegenteilig. Insgesamt ergibt sich der Eindruck, dass Gespräche von Mentor/innen stärker durch diese gesteuert werden, als es durch andere Lehrkräftebildner/innen gemacht wird.

4.3 Forschungsfrage 3: Inwieweit hängen die Art der Gesprächsführung (Themenführung durch Lehrkräftebildner/in vs. Studierende/r und das explizite Anregen von Reflexion) mit dem Vorkommen von qualitativ unterschiedlichen Reflexionsebenen zusammen?

Aufgrund des theoretischen Hintergrunds vermuten wir Zusammenhänge zwischen der Art der Gesprächsführung und der Reflexion von Lehrkräftebildner/innen. Um dieser Fragestellung nachzugehen, wurden Korrelationen zwischen der Themenführung durch Lehrkräftebildner/in bzw. Studierende/n sowie der Anzahl der Reflexionsanregungen durch die Lehrperson mit dem Vorkommenanteil von qualitativ unterschiedlichen Reflexionsebenen berechnet (Tab. 4).

Tab. 4 Korrelationen zwischen der Art der Gesprächsführung (Themenführung durch Lehrkräftebildner/in vs. Studierende und das explizite Anregen von Reflexionen) mit Reflexionsebenen

Hierbei zeigt sich erstens: in Gesprächen mit einem höheren Anteil an Themenführung durch die bzw. den Lehrkräftebildner/in (1) wird auch ein erhöhter Anteil der eigenen Gesprächszeit für begründete Reflexionen verwendet. Da ein höherer Zeitanteil verwendet wird, könnte vermutet werden, dass dabei auch tiefergehend begründet wird. Aufgrund der weitgehenden Komplementarität der Kriterien zeigt sich weiterhin: wenn die Themen eher durch die bzw. den Studierende/n (2) in das Gespräch eingebracht werden, nutzt die Lehrperson einen geringeren Anteil der eigenen Gesprächszeit für Begründungen.

Ergänzend nutzen Lehrende, die relativ viele Anregungen zur Reflexion in das Gespräch einbringen ihre eigene Gesprächszeit weniger für Beschreibungen (3) und weniger bewertende Reflexionen (4). In diesen Gesprächen mit einem erhöhten Anteil an Reflexionsanregungen hält sich die Lehrperson also mit Bewertungen und reinen Beschreibungen eher zurück.

5 Diskussion

Unterrichtsbesprechungen zwischen Lehrkräftebildner/innen und Studierenden im Praktikum können eine wichtige Lerngelegenheit im Professionalisierungsprozess darstellen. Für die vorliegende Studie wurde zur Beschreibung von solchen Unterrichtsbesprechungen das MERID-Modell (Hennissen et al. 2008), welches insbesondere zur Beschreibung der Aktivität und Direktivität der Gesprächsführung von Mentor/innen entwickelt wurde, hierbei jedoch wenig über inhaltliche Tiefe der Beiträge von Mentor/innen aussagt, mit einem Modell von Reflexion (ERTO-Modell, Krieg und Kreis 2014) verbunden und weiterentwickelt. Entsprechend der Differenzierung eines eher transmissiven bzw. konstruktivistischen Mentorings (Richter et al. 2013) wurden dabei Indikatoren für eher transmissiv bzw. eher konstruktivistisch geführte Unterrichtsbesprechungen abgeleitet und Unterrichtsbesprechungen verschiedener Personengruppen der Lehrkräftebildung auf die Ausprägung der jeweiligen Indikatoren untersucht.

Studierende im Langzeitpraktikum werden durch Lehrkräftebildner/innen aus der Schulpraxis, fachdidaktisch Lehrende der Universität und Lehrkräfte in der Praxisphase begleitet. Es wurde vermutet, dass sich das Gesprächsführungsverhalten dieser Lehrendengruppen unterscheidet. Insgesamt wird deutlich, dass auch in dieser Erhebung, wie in vorherigen Studien, ein größerer Teil der Themen durch Lehrkräftebildner/innen in Gespräche eingeführt wird und dass nur relativ wenige konkrete Reflexionsanregungen in Gesprächen gegeben werden. Es wird weiterhin zwar ein relevanter Anteil der Gesprächszeit auf das Nennen von Alternativen verwandt, jedoch fallen Begründungen dazu eher kurz aus. Insgesamt fällt bei den meisten Indikatoren eine relativ hohe Standardabweichung auf, so dass angenommen werden kann, dass sich die Gespräche stark voneinander unterscheiden. Mentor/innen wenden weniger Zeit für eine einzelne Unterrichtsnachbesprechung auf und regen die Studierenden im Vergleich zu den anderen Lehrendengruppen quantitativ seltener direkt zur Reflexion an. Auch werden insgesamt weniger Themen in Gesprächen mit Mentor/innen besprochen.

Die Ergebnisse sind insofern kohärent zum aktuellen Forschungsstand, als das sich zeigt, dass in den Gesprächen insgesamt eher ein an Transmission orientiertes Gesprächshandeln dominiert. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Erwartungen, die an Gespräche mit fachdidaktischen Lehrenden der Universität und der zweiten Ausbildungsphase gestellt wurden, nur bedingt erfüllt werden. Die Gespräche unterscheiden sich zumindest in dieser relativ kleinen Stichprobe bei den meisten Indikatoren nicht statistisch signifikant auf Gruppenebene voneinander. Insofern wird vermutet, dass das Gesprächsverhalten auch stark von der jeweiligen Einzelsituation bestimmt wird und nicht nur von der Zugehörigkeit zu einer Lehrendengruppe.

In einem weiteren Schritt wurden Zusammenhänge zwischen der Gesprächsführung und der Verteilung der Redezeit auf die Reflexionsebenen untersucht. Unsere Vermutungen werden hierbei nur zum Teil durch die Ergebnisse gestützt. Insbesondere überrascht der positive Zusammenhang zwischen der Themenführung der Lehrperson und dem Anteil an begründender Reflexion bzw. der negative Zusammenhang bei der Themenführung der/des Studierenden. Es wird hierbei vermutet, dass die Lehrperson auf Themen der/des Studierenden weniger mit elaborierten Begründungen reagiert, sondern eher mit Ideen für mögliche Veränderungen. Gleichwohl zeigen sich auch Hinweise in die erwartete Richtung (z. B. hängt die Zahl der Reflexionsanregungen negativ mit der Zeitnutzung für bewertende Reflexionen zusammen), die Indikatoren könnten somit grundsätzlich auch für die Entwicklung einer Typologie von eher transmissions-orientierten bzw. konstruktivistisch-orientierten Gesprächen geeignet sein. Hierfür kann diese Studie jedoch nur einen ersten Impuls liefern, dem in weiteren Studien nachgegangen werden sollte.

6 Limitationen und Ausblick

6.1 Methodische Limitationen

Die Aufnahme und Auswertung von Unterrichtsbesprechungen ist mit hohen Anforderungen verbunden. Für die vorliegende Studie ist einschränkend insbesondere zu beachten, dass die Aufnahmen in einer Realsituation erfolgt sind und daher vielfältige, nicht kontrollierbare, Einflüsse auf das Gespräch bestehen (z. B. Teilnahme Mentor/in an Gesprächen mit der/dem Fachdidaktiker/in; unterschiedliche Fächer; Einflüsse die sich durch unterschiedliche Studierende in den Gesprächen ergeben; nicht kontrollierte Berufserfahrung und Alter der Lehrpersonen). Weiterhin werden aufgrund des genutzten time-sampling-Verfahrens eventuell Zusammenhänge, die sich über die Grenzen von Kodiereinheiten erstrecken nicht erkannt. Gegenüber einem event-sampling-Verfahren bietet das time-sampling-Verfahren den Vorteil, dass zeitliche Zusammenhänge über das gesamte Gespräch erfasst werden und Verzerrungen durch die sehr unterschiedlich langen Gespräche reduziert werden. Trotz intensiver Schulung der Kodiererinnen stellt die Erreichung einer ausreichenden Kodierübereinstimmung auch in dieser Studie eine hohe Herausforderung dar. Insbesondere zur Ermöglichung von Gruppenvergleichen wurde für diese Studie ein quantifizierender Ansatz gewählt, obgleich der verfügbare Datensatz hierfür relativ klein ist. Die quantifizierenden Aussagen sind entsprechend als Hinweise für weitere Untersuchungen zu verstehen und erfüllen keinen Repräsentativitätsanspruch.

Für eine Herausarbeitung von Empfehlungen für die Lehrkräftebildung zur Gestaltung von Unterrichtsbesprechungen wäre es notwendig, die Wirkung des Gesprächshandelns der Lehrenden auf die Studierenden zu erfassen. Grundsätzlich zeigen Richter et al. (2013) bei Lehrkräften im Vorbereitungsdienst positive Wirkungen konstruktivistisch-orientierten Mentorings. Auch Futter (2017) kommt zu dem Ergebnis, dass es für das Lernen der Studierenden förderlicher zu sein scheint, wenn der Gesprächsstil des Lehrenden weniger direktiv ist. Weiterhin könnte ein eher an Transmission orientiertes Gesprächsverhalten die von Greiten und Trumpa (2017) benannte „Tradierungsfalle“ befördern. Wirkungen auf die Studierenden wurden in der hier vorliegenden Studie jedoch nicht erfasst, so dass hierzu keine aus dieser Studie heraus empirisch gestützten Aussagen getroffen werden können.

6.2 Implikationen für die Forschung

Für die weitere Analyse des Datenmaterials ergeben sich eine Vielzahl möglicher Anschlussfragestellungen. So hängt das Gesprächsverhalten stark vom einzelnen Gespräch ab und wird nicht nur von der Zugehörigkeit zu einer Gruppe bestimmt. Entsprechend wäre die Untersuchung von besonders auffallenden Gesprächen mit qualitativen, gesprächsanalytischen Methoden zur Herausarbeitung der Merkmale eines transmissions-orientierten bzw. konstruktivistischen Gesprächs vielversprechend, um so mögliche Gesprächstypen genauer beschreiben zu können. Dabei sollte auch die Interaktion mit den Studierenden und das Verhalten der Studierenden stärker berücksichtigt werden.

In dieser Studie angebahnt ist die Entwicklung von Gesprächsprofilen anhand der Indikatoren konstruktivistischer bzw. transmissiver Gesprächsführung. Es zeigen sich Zusammenhänge zwischen einzelnen Indikatoren, die darauf hindeuten, dass es latente Profile in Bezug auf die Indikatoren geben könnte. Für die Absicherung solcher Profile bedarf es jedoch einer größeren Stichprobe und theoretisch stärker fundierter Schwellenwerte, die in entsprechenden Standard-Setting-Studien entwickelt werden könnten. In dieser Studie können nur erste Hinweise eingebracht werden. Besonders relevant wäre der Zusammenhang zwischen der Zuordnung zu einem Gesprächsprofil und dem Lernen der Studierenden.

6.3 Implikationen für die Lehrkräftebildung

Diese Studie bietet einen Ausgangspunkt für die weitere Untersuchung von Anschlussfragestellungen, jedoch lassen sich auch bereits aus diesen Ergebnissen erste Implikationen für die Lehrkräftebildungspraxis ableiten. So zeigt sich, dass bei allen Gruppen von Lehrkräftebildner/innen ein an Transmission orientiertes Gesprächshandeln dominiert, obgleich Ergebnisse anderer Studien darauf hindeuten, dass ein eher konstruktivistisches Mentoring lernförderlicher sein könnte (Richter et al. 2013). Insofern könnte es für alle Gruppen von Lehrpersonen gleichermaßen hilfreich sein, sich stärker mit der eigenen Gesprächspraxis, auch in Differenz zur Gesprächspraxis der anderen Akteure im Langzeitpraktikum, zu beschäftigen. Die starke Unterschiedlichkeit in den Gesprächen innerhalb der Gruppen lässt vermuten, dass es zwischen den Lehrkräftebildner/innen keinen klaren Konsens über ihre Gesprächspraxis gibt, was für die Initiierung eines Diskussions- und Zieldefinitionsprozesses spricht. Hierbei könnte der Wert von Fragen zur Anregung von Reflexionsprozessen einen besonderen Stellenwert ausmachen.