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Verhältnisse von privater und öffentlicher Verantwortung im Kinderschutz

Cases of child-protection and relations of public and private care

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Zusammenfassung

Der konstitutive moderne Nexus von öffentlicher und privater Sorge hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt. Infolge politischer Reformen verschiebt sich das Verhältnis der Institutionen der Kindheit zunehmend. Der 14. Kinder- und Jugendbericht (2013) macht deutlich, dass es zwingend notwendig ist, verschiedenste Handlungslogiken für das Wohl des Kindes von Anfang an zusammenzubringen, um ein gelingendes Aufwachsen garantieren zu können. Familialität und Verhältnisse von öffentlicher und privater Verantwortung müssen in verschiedenen Arenen immer wieder neu ausgehandelt werden. Zentral sind dabei die Aushandlungen zwischen Familien und den professionellen Akteur*innen der Kinder- und Jugendhilfe in Kinderschutzfällen. Wie sich das dynamische Verhältnis von öffentlicher und privater Sorge in konkreten Fällen etabliert, muss fallspezifisch rekonstruiert werden. Dies wurde bisher nicht dezidiert untersucht. Der Artikel geht auf die sich in der konflikthaften Praxis von Kinderschutzfällen fallspezifisch konstituierenden Verhältnisse von öffentlicher und privater Verantwortung für die Sorge um Kinder ein. Sich etablierte Verhältnisse zeigen die spezifischen Gestaltungsmöglichkeiten von involvierten Akteur*innen und Institutionen. Dabei ergeben sich unterschiedliche Intensitäten und Mischverhältnisse von passiver oder aktiver, direkter oder indirekter, temporärer oder dauerhafter Verantwortung. Im Anschluss kann danach gefragt werden, wie sich konkrete Arbeitsbündnis entwickeln oder welche Auswirkung sich aus diesen fallspezifischen Verhältnissen für die Einschätzung von Kindeswohlgefährdung ergeben. Mithilfe dieser Faktoren können konkrete Hilfekonstellationen analysiert und für die Praxis aufgearbeitet werden.

Abstract

In the last decades, the modern constitutive nexus of public and private care has fundamentally changed. Because of political reforms, the entanglement of different institutions of childhood and childcare are currently shifting. The 14th Child and Youth Report of the German Government (2013) illustrates, that it is mandatory for the processes of child upbringing and socialization to bring forth different rationalities and multiple actors of care together. Familiality and relationalities of public and private responsibilities in childcare are permanently negotiated in different social arenas. Among this, the most important ones are the negotiations between families (mostly parents) and social workers of the Youth Welfare System in cases of child protection. Keeping the specificity of each case in mind, that is, how the dynamic relations of public and private care are being established in particular practical cases has to be analyzed. This has not been a central issue of research so far. The article aims to explore the relations of public and private care that emerges out of conflicting practices of child protection. This particularistic analysis of each case has the potential to show how different actors and institutions influence practical and concrete outcome and contour the possible framework of individual case-solutions. The public and private responsibilities vary in different dimensions: passive/active, direct/indirect, temporary/permanent. Based on this dimensions, this research focuses on the specific relationships between private and public actors, how they cooperate, suspend or implicate each other in specific relations of risk evaluation when it comes to child-well-being. Based on this, research can focus on the development of specific cooperation’s or analysis the effect and implications of specific relations on the risk evaluation of child-well-being.

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Notes

  1. Das Material wurde im Rahmen einer Studie zu Falldynamiken im Kinderschutz (2013–2017) erhoben und setzt sich aus Fallakten, Forenbeiträgen sowie narrativen Interviews zusammen. Der Zugang zu den Dokumenten wurde über Jugendämter ermöglicht. Die methodischen Grundlagen bilden interpretative Vorgehen (Wilson 1973), insbesondere sequenzanalytische sowie fallrekonstruktive Verfahren und das Codierverfahren der Grounded Theory (Maiwald 2005; Kraimer 2000; Strauss 1998).

  2. Machtspiele oder -kämpfe zeigen sich an einigen Ausdrücken sehr deutlich: u. a. „Spießrutenlauf“, „Pistole auf die Brust“, „Tatsachen schaffen“, „Verbündete suchen und kritisieren“, „Deckmantel Kindeswohl“, „Ignoranz und Willkür“, „Lügen und Verleumdungen“, „Wir hatten keine Luft mehr zum Atmen“.

  3. www.thueringen.de/th7/tmasgff/familie/familienpolitik/modell_eltern_kind_zentren [Zuletzt aufgerufen am 6. März 2017].

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Wutzler, M. Verhältnisse von privater und öffentlicher Verantwortung im Kinderschutz. Soz Passagen 9, 113–133 (2017). https://doi.org/10.1007/s12592-017-0251-8

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