Zusammenfassung
Der Beitrag verortet das Thema Zeitknappheit und Familie in zeitdiagnostischen und gesellschaftstheoretischen Bezügen. Familie wird verstanden als praktischer Fürsorgezusammenhang des ‚Doing Family‘. Zeit wird modelliert als elementare Ressource für die Leistungen der Familie, für die gesellschaftlichen Systeme und für sich selbst. Externale und internale Treiber haben die Zeitzugriffe auf Familie, die seit der Moderne existieren, nochmals verstärkt und produzieren so eine Reproduktions- bzw. Care-Krise. Die Zeitknappheit wird anhand von Studien, die mit Zeitverwendungsdaten bzw. Zeitvorstellungen operieren, illustriert. Konsequenzen von Zeitnot und Zeitwohlstand werden insbesondere für Kinder und Jugendliche aufgezeigt. Ein integrativer Rahmen und Empfehlungen zur Linderung der Zeitnot bilden den Abschluss des Artikels.
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Lange, A. (2020). Familien und Zeitknappheit. In: Ecarius, J., Schierbaum, A. (eds) Handbuch Familie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-19416-1_33-1
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