Zusammenfassung
Die Unterschiede zwischen dem Schulfach und der akademischen Bezugsdisziplin werden in der Mathematik als besonders groß wahrgenommen. Angehende Mathematiklehrkräfte betrifft dies in zweifacher Weise, sodass Felix Klein bereits vor über 100 Jahren den Begriff der „doppelten Diskontinuität“ geprägt hat: Lehramtsstudierende erkennen die Bezüge zwischen schulischer und akademischer Mathematik weder nach dem Wechsel an die Universität zu Studienbeginn noch nach dem Wechsel an die Schule nach Studienabschluss. Trotz dieser doppelten Diskontinuität ist auch heute noch vorgesehen, dass angehende Lehrkräfte für die Sekundarstufe im Studium akademisches Fachwissen erwerben. Dahinter steckt die Annahme, dass mit dem Erwerb des abstrakten akademischen Fachwissens eine Vertiefung des scheinbar einfachen schulmathematischen Wissen einhergeht. In diesem Kapitel berichten wir über Forschungsergebnisse, inwieweit diese Annahme gerechtfertigt ist. Dazu beschreiben wir insbesondere, wie ein berufsspezifisches Fachwissen für das Sekundarstufenlehramt charakterisiert werden kann, und leiten Vorschläge für die Lehrkräftebildung ab.
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Dreher, A., Hoth, J., Lindmeier, A., Heinze, A. (2023). Der Bezug zwischen Schulmathematik und akademischer Mathematik: schulbezogenes Fachwissen als berufsspezifische Wissenskomponente von Lehrkräften. In: Krauss, S., Lindl, A. (eds) Professionswissen von Mathematiklehrkräften. Mathematik Primarstufe und Sekundarstufe I + II. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-64381-5_5
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