Bezüglich der Anlässe lässt sich das Life-Coaching als psychologische Lebensberatung primär privater Themen wie Familie und Partnerschaft vom arbeitsbezogenen Business-Coaching als Instrument der Personalentwicklung in Organisationen insbesondere für Führungskräfte unterscheiden. Letzteres wird als Coaching im engeren Sinne verstanden. Neben dem Beziehungsmanagement gegenüber den Mitarbeitern, dem Umgang mit Konflikten bei Veränderungsprozessen und der Karriereplanung kann die Variante eines Developmental-Coaching auch der individuellen Persönlichkeits- und Potenzialentwicklung dienen, um die bewusste Selbstreflexion im Sinne eines ganzheitlichen Selbstmanagements zu fördern. Bei beruflichen Krisensituationen (z. B. Entlassungen, Mobbing, Führungskrisen) können mit dem Coach auch Ressourcen erarbeitet und neue Perspektiven entwickelt werden. Im Rahmen eines kognitiv-behavioralen Beratungsansatzes wird im Coaching auch Achtsamkeit etwa als kognitiv-emotionale Segmentationsstrategie zur besseren Trennung von Arbeit und Privatleben nach Feierabend eingesetzt. Die aus der Psychotherapie entnommenen bewährten Konzepte sollen die Klienten/innen bei der Zielerreichung bezüglich einer besseren Work-Life-Balance wirksam unterstützten und in Form von angeleiteten dreiminütigen Atemübungen die gedankliche Fixierung auf die Arbeit in der Freizeit entspannen. Im Gegensatz zur Psychotherapie liegen gegenwärtig für das Coaching nur wenige empirische Wirksamkeitsstudien solcher Interventionen wie Anforderungen an die Coaches vor. Neben dem Ausbildungs- und Erfahrungshintergrund, Qualifizierungen und Persönlichkeitseigenschaften wie Integrität stellen die reflexiven und kommunikativen Kompetenzen des Coaches zur Vertrauensbildung über ein empathisches Verständnis bereits erfasste Erfolgsfaktoren von lösungsorientierten Coachingprozessen dar (Michel und Bickerich 2016).
In den letzten 20 Jahren wurden im Bereich der Psychotherapie zahlreiche auch für das Coaching relevante Wirksamkeitsstudien durchgeführt. Insgesamt gibt es danach keine grundsätzliche Überlegenheit einer bestimmten Therapierichtung. Eine rein kognitive Umstrukturierung der mentalen Schemata bleibt auf Dauer wirkungslos, und auch der psychoanalytische Zugang zum Unbewussten legt zwar den Fokus auf die frühkindlichen Bindungsbeziehungen, vernachlässigt jedoch, dass es keinen direkten Zugang zum Unbewussten gibt. Nur die tief ins Langzeitgedächtnis abgesunkenen Inhalte ab dem dritten Lebensjahr („tiefes Vorbewusste“) können mit Hilfe eines Coaches oder Psychotherapeuten insbesondere über die Deutung nichtverbaler Verhaltens- und Körpersignale ins Bewusstsein geholt werden können. Die kognitiven Verhaltenstherapien werden daher häufig mit emotions- und bindungsbezogenen Interventionen ergänzt, da die kognitiven Hirnzentren im oberen Stirnhirn von den limbischen Zentren getrennt sind, welche die Befindlichkeit, Emotionen, das Verhalten und unser Körpergefühl steuern. Aus neurowissenschaftlicher Sicht kommt dem allgemeinen Wirkfaktor der „therapeutischen Allianz“ eine zentrale Bedeutung zu. Sie beschreibt das Vertrauen des Patienten in den Therapeuten, dessen Überzeugung, dem Patienten helfen zu können und das Vertrauen beider in die verwendete Methode. Greift dieses Vertrauensverhältnis, wird auf beiden Seiten das „Bindungshormon“ Oxytocin ausgeschüttet und führt zu einer entspannten Arbeitsatmosphäre. Das Bedürfnis leidender Menschen nach Veränderungen im Fühlen, Denken und Handeln hat das Coaching mit der Psychotherapie gemeinsam. Allerdings trennt die Schwere des Defizites und das Ausmaß der nachhaltigen Beeinträchtigung des beruflichen und privaten Lebens die Auswahl zwischen den beiden Interventionsverfahren. Wenn etwa die rein kontextgebundenen berufsbezogenen Störungen des Selbstbildes von Führungskräften nicht auf frühere schwere Leidenserfahrungen und entsprechende Persönlichkeitsstörungen zurückgehen oder nicht schon lange andauern, ist ein Coaching ausreichend. Dafür sollte eine spezifische Passung der ausgewählten Ansätze mit der Persönlichkeit des Coaches und den Problemen der Klienten/innen gefunden werden (Roth 2018).
Ein bindungstheoretisch fundiertes Coaching mit einem besonderen Fokus auf die mentalisierende Schilderung der aktuellen beruflichen Situation richtet sich im Gegensatz zur Therapie nicht auf grundsätzliche inneren Mentalisierungsschwächen, sondern zielt stärker auf die äußeren Stressoren organisationaler Belastungssituationen, die nur zeitweise Einbrüche normaler Reflexionsfähigkeiten verursachen. Das lösungsorientierte Vorgehen im Coaching will die situative Mentalisierungsfähigkeit auf dem grundsätzlich bestehenden reifen Niveau wiederherstellen, um den Klienten/innen ein reflektiertes Verständnis des Zusammenwirkens von situativen und persönlichen Mentalisierungseinbrüchen in ihrem beruflichen bindungsbezogenen Sozialsystem zu vermitteln. Allerdings ist derzeit noch kein praktischer Ansatz vorhanden, das theoretische Konzept des Mentalisierens explizit im Coaching zu implementieren, um die Klienten/innen anzuregen, eigene Gefühle und Gedanken wahrzunehmen und zu explorieren. Dies weist auch auf eine Lücke bei der Erforschung des Zusammenhangs von Arbeit und Bindung hin (Taubner und Kotte 2018). Diese Lücke wird seit etwa 10 Jahren verstärkt geschlossen, so dass trotz der vielen offenen Fragen zumindest erstes fundiertes Wissen für ein mentalisierungsgestütztes Coaching bereitsteht.
Der Zusammenhang zwischen Bindungsmustern, sozialem Arbeitsverhalten und Arbeitsergebnissen wird seit den 1990-Jahren erstmals untersucht. Die internationalen dyadischen Forschungsschwerpunkte analysieren die Beziehung zwischen Führungskraft und Geführten, die in ihrer karrierefördernden und unterstützenden Mentorfunktion eine große Ähnlichkeit zur sicheren Basis und zum sicheren Hafen besitzt. Daneben wird die Gruppenbindung in Teams erforscht, die weiterhin ein individuelles Konstrukt darstellt, auch wenn das Team als eine Art Bindungsfigur fungieren kann. Diese hat einen prägenden Einfluss auf die Mitglieder, da ängstliche Bindungsmuster zur Konfliktvermeidung und einer negativeren Selbsteinschätzung als Gruppenmitglied sowie einer schnelleren Warnung bei Gefahren führen, während distanzierte Bindungsmuster zu einer geringeren Identifikation mit dem Team und einer verringerten Bereitschaft der Berücksichtigung der Gruppenbedürfnisse beitragen. Das affektive Commitment gegenüber einer Organisation ist positiv mit einer sicheren Bindung an diese „sichere Basis“ verbunden, während eine unsichere Bindung wiederum ein geringes Commitment und eine höhere Rate des Verstoßes gegenüber dem psychologischen Vertrag mit dem Arbeitgeber mit sich bringt. Daher kann die Organisationsforschung von der Bindungsforschung lernen, durch welche Interventionen sich psychisch sichere Arbeitsumgebungen gestalten lassen, die mit einer erhöhten bzw. stabilisierten Bindungssicherheit einhergehen. Da das mittlerweile nicht mehr als generelles, sondern als beziehungsspezifisch wirksam betrachtete Bindungsverhaltenssystem in Stresssituationen zu verschiedenen Kollegen/innen unterschiedlich aktiviert wird und im Arbeitsleben vielfache soziale Stressoren lauern, lässt sich daraus ein in der Organisationsforschung bislang vernachlässigter organisationskultureller Zusammenhang zur Entstehung von Burnout ableiten. Vermeidend gebundene Menschen suchen sich weniger soziale Unterstützung und haben daher auch ein höheres Risiko für Burnout, wenn sie zu hohe Autonomiegrade in ihrer Arbeit haben. Eine ängstliche Bindung kann ebenfalls durch eine höhere soziale Abhängigkeit der Berufsrollen aufgefangen werden, um das erhöhte Sicherheitsempfinden zu befriedigen. Einzelne Interventionen wie Achtsamkeitsmeditationen können hierbei einen positiven Einfluss auf das psychische Wohlbefinden haben (Yip et al. 2018).
Die Achtsamkeitsmeditation kann somit den allgemeinen Wirkfaktor „therapeutische Allianz“ insbesondere für mentalisierungsgestützte Coachingsprozesse nachhaltig fördern, um die berufliche Identitätsarbeit der Klienten/innen über die biografische Reflexion ihrer prägenden Bindungsbeziehungen erfolgreich zu unterstützten. Die reflexive Berücksichtigung von relevanten Bindungsbeziehungen in Familie, Freundeskreisen, Partnerschaften, Schule, Universität und/oder Ausbildung und vor allem im aktuell thematisierten Berufsleben verbindet als „bindungsbiographische Identitätsarbeit“ den biographischen Kontext ihrer Entstehung mit den prägenden Wirkungen auf das gegenwärtige Denken, Fühlen und Handeln. Erst die reflektierte Kenntnis der identitätsstiftenden Bindungsbiografie erlaubt eine fundierte Identitätsarbeit zur ressourcen- wie lösungsorientierten Weiterentwicklung der eigenen Berufslaufbahn. Der Coachingfokus auf das komplexe Beziehungsgefüge in modernen Arbeits- und Organisationsformen, das sich im Zuge der Digitalisierung immer schnelllebiger gestaltet, kann von einer verlangsamten Mentalisierung durch Achtsamkeit tiefere Erkenntnisse gewinnen und damit erheblich von dieser empirisch bewährten „spirituellen Intervention“ profitieren.
Achtsamkeit gilt wie die Mentalisierung als allgemeiner Wirkfaktor in Psychotherapien. Beide Ansätze unterscheiden die objektive Realität von den subjektiven mentalen Zuständen, die diese lediglich repräsentieren und denen in einer akzeptierenden Haltung begegnet wird. Die metakognitive Ebene beim Mentalisieren umfasst das Nachdenken über das Nachdenken, während Achtsamkeit gerade kein aktives Nachdenken zu Gunsten des passiven Beobachtens der Gedanken wie der umfassenderen Wahrnehmung ist und dafür ein Gewahrsein des Gewahrseins (Metaawareness) ermöglicht. Durch die Mentalisierung kann die gegenwärtige Erfahrungsebene der Achtsamkeit mit sinnstiftenden Bedeutungen interpretiert werden, die in einem therapeutischen Kontext wie der Hakomi-Methode auch zukünftige und vergangene Zustände berücksichtigen lassen. Die sich mit zunehmender spiritueller Praxis immer weiter verfeinernde Kunst der möglichst ständig aufrechterhaltenen achtsamen Präsenz auf die beobachtende Wahrnehmung insbesondere auch nonverbaler unbewusster Signale des/der Klienten/in (Tracking) führt dann zu einem verbalen Ausdruck des Wahrgenommenen, der sich in einfachen und kurzen Worten auf die Gegenwart nur eines möglichen Erlebnisinhaltes bezieht und mit einer zur Exploration einladenden Frage endet (Contacting). Dadurch lassen sich auch im Coaching fürsorgliche Beziehungserfahrungen verinnerlichen, welche die bestehenden Arbeitsmodelle modifizieren. Es entsteht bei den Klienten/innen wieder eine sicherheitsspendende innere Instanz, die in Zeiten von Stress reaktiviert werden kann, um in solchen Situationen mit sich selbst mitfühlend umgehen und die Affektregulation auf einem höheren Niveau aufrechtzuerhalten (Harrer und Weiss 2016).
Im letzten Punkt geht es um die angewandte Integration dieser Erkenntnisse in einen mentalisierungs- und achtsamkeitsgestützten Coaching. Die bindungsbiografische Identitätsarbeit zur Unterstützung der selbstorganisierten Gestaltung achtsamer Begegnungen („Mindful Dating“) verbindet die spirituelle Entfaltung der menschlichen Potenziale mit dem Denken über das Denken zur Klärung beruflicher und lebensdienlicher Anliegen.