1 Einleitung: Die Politische Kultur Thüringens

Thüringen erscheint auf den ersten Blick als vergleichsweise unbedeutendes Bundesland. Auf gerade einmal 4,5 % der Gesamtfläche Deutschlands leben etwas weniger als 2,5 % der Bundesbürger:innen – Tendenz sinkend (Statistisches Bundesamt 2021; Reiser et al. 2022). Wirtschaftlich trägt der dünn besiedelte Freistaat lediglich 1,8 % zur Gesamtwirtschaftsleistung der Bundesrepublik bei und ist weder Heimat größerer Metropolen noch industrieller Ballungsräume (Statistisches Bundesamt 2022a). Politisch sorgt Thüringen indes in aller Regelmäßigkeit für Schlagzeilen und ist von der Nachrichtenlandkarte kaum wegzudenken. Dies betrifft zum einen eine lang zurückreichende Geschichte rechter und rassistisch motivierter politischer Gewalt, u. a. mit der Mordserie des in Thüringen gegründeten Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) (Graef 2021). Zum anderen generiert das zunehmend fragmentierte sowie polarisierte Thüringer Parteiensystem fortwährende bundesweite Aufmerksamkeit. Neben den Wahlerfolgen der AfD manifestiert sich dieser Eindruck z. B. in Form regelmäßiger Demonstrationen gegen die Bundes- und Landespolitik oder einer etablierten Szene von Querdenker:innen, Reichsbürger:innen oder Selbstverwalter:innen (Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales 2022).

Auch vor dem Hintergrund dieser aktuellen Entwicklungen ist es hoch relevant, die demokratischen Einstellungen der Thüringer Bevölkerung und deren Entwicklung im Dauerstresstest genauer zu untersuchen. Thüringen wurde wie die anderen ostdeutschen Bundesländer als Bundesland im Zuge der Deutschen Einheit 1990 wiedergegründet. Neben dem Transfer der politischen Institutionen der alten Bundesrepublik auf das politische System Gesamtdeutschlands steht seither die für die politische Kultur und Stabilität des politischen Systems zentrale Frage im Zentrum, wie sich die demokratischen Einstellungen der Bürger:innen in den ostdeutschen Bundesländern entwickelt haben und inwiefern sie sich von jenen in den westdeutschen Bundesländern unterscheiden (u. a. Pickel und Pickel 2023; Braun und Trüdinger 2023; Reiser und Reiter 2023). In den vergangenen Jahren wurde jedoch verstärkt betont, dass eine reine Ost-West-Perspektive zu kurz greife und die regionalisierten politischen Kulturen im föderalen System der Bundesrepublik vermehrt ins Zentrum rücken sollten (u. a. Mannewitz 2015; Enders et al. 2021; Werz und Koschkar 2016). Während die politische Kultur Ostdeutschlands im Aggregat als vergleichsweise gut erforscht gelten kann (siehe exemplarisch Gabriel 2011; Pickel und Pickel 2023), liegen für Thüringen nur wenige Analysen vor (u. a. Edinger und Hallermann 2004; Hebenstreit et al. 2022). Vor diesem Hintergrund lautet die zentrale Fragestellung dieses Beitrags: Wie haben sich die demokratischen Einstellungen in Thüringen im Zeitverlauf entwickelt und welche individuellen Faktoren erklären diese Einstellungen? Hierzu sollen auf Grundlage der am längsten durchgeführten regionalen Bevölkerungsstudie Deutschlands, dem seit dem Jahr 2000 erhobenen Thüringen-Monitor, drei zentrale Indikatoren der politischen Kulturforschung – die Demokratieunterstützung und -zufriedenheit sowie das Institutionenvertrauen – analysiert werden.

Dazu wird im Folgenden zunächst der „Fall Thüringen“ sowohl aus politischer als auch sozio-ökonomischer Perspektive charakterisiert. Daran anschließend werden im Theoriekapitel Konzept und Formen der politischen Unterstützung hergeleitet sowie auf Grundlage des gegenwärtigen Forschungsstandes untersuchungsleitende Hypothesen formuliert. Nach dem Methodenkapitel werden die aufgestellten Hypothesen auf Grundlage der Thüringen-Monitor-Daten empirisch analysiert. Das Fazit fasst die zentralen Befunde des Beitrages zusammen und gibt einen Ausblick auf weiterführende Fragestellungen und Forschungsperspektiven.

2 Untersuchungsfall Thüringen

Strukturell gilt Thüringen als vergleichsweise schwach und sowohl geographisch als auch mit Blick auf seine Einwohner:innenzahl als „kleines“ Bundesland. Gegenwärtig leben 2,11 Mio. Menschen in Thüringen, wobei die Bevölkerungsentwicklung durch starke Rückgangs- und Überalterungsdynamiken geprägt ist. So hat Thüringen seit der Wiedervereinigung knapp 20 % seiner Einwohner:innen verloren – ein Prozess, der insbesondere in den Nachwendejahren sowie in vorwiegend ländlich geprägten Kreis stark ausgeprägt war. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt (13,1 %) ist Thüringen darüber hinaus durch einen vergleichsweise geringen Ausländer:innenanteil (5,8 %) geprägt (Statistisches Bundesamt 2022b). Der Anteil der konfessionslosen Bevölkerung liegt mit 66 % hingegen deutlich über dem Bundesdurchschnitt (41 %), wobei sich der Anteil der konfessionsgebundenen Einwohner:innen (34 %) gleichmäßig auf den katholischen und evangelischen Glauben aufteilt (Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland 2022).

Die Wirtschaftsleistung und -struktur des Freistaates wurde zunächst stark durch die politischen Veränderungen infolge der Wiedervereinigung beeinflusst. Das Ende der DDR sowie die anschließende Privatisierung ehemaliger Staatsbetriebe mündeten in einer durch große Herausforderungen geprägten Übergangsphase zur sozialen Marktwirtschaft. Trotz der beträchtlichen Abwanderung lag die Arbeitslosenquote in den 1990er-Jahren im Schnitt bei knapp 16 % – eine Entwicklung, die noch lange anhalten sollte und ihren Höhepunkt mit 17,1 % erst im Jahr 2005 erreichen sollte. Seither ist die Arbeitslosenquote jedoch deutlich gesunken und liegt im Jahr 2023 bei 5,8 % (Bundesagentur für Arbeit 2023). Nur langsam entstanden leistungs-, wettbewerbs- und exportorientierte Unternehmen, die dazu beitrugen, dass sich das Bruttoinlandsprodukt Thüringens von 1991 (17,03 Mio. EUR) bis zum Jahr 2022 (71,43 Mio. EUR) mehr als vervierfachen sollte (Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2022). Nichtsdestotrotz erweist sich die Thüringer Wirtschaft als vergleichsweise strukturschwach und trägt lediglich 1,8 % zur Gesamtwirtschaftsleistung Deutschlands bei. Ebenso fehlen große Unternehmen und in den letzten Jahren zunehmend Fachkräfte und Auszubildende. Zudem bestehen zum Teil beträchtliche wirtschaftliche Disparitäten zwischen den einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten (vgl. hierzu Thüringer Landesamt für Statistik 2021; Reiser et al. 2023).

Auch politisch wurde Thüringen in den letzten Jahrzehnten durch einen starken Wandel geprägt. Sichtbar wurde dieser insbesondere im Parteiensystem, das sich spätestens mit der Landtagswahl des Jahres 2014 fundamental verändert hat. Während die CDU, die sich seit der Wiedervereinigung oft selbst als „Thüringenpartei“ (König 2018, S. 170) bezeichnete, aus den sechs Landtagswahlen zwischen 1990 und 2014 als stärkste Kraft hervorging, sind bereits seit 2009 deutliche Veränderungen zu beobachten. Dies lag an den Zugewinnen der PDS/DIE LINKE sowie dem deutlichen Einzug der Alternative für Deutschland (AfD) infolge der Landtagswahlen des Jahres 2014. Somit wurde nicht nur die Dominanz der CDU sukzessive kleiner, sondern auch die politische Mitte verlor immer mehr Stimmen in Richtung der ideologischen Ränder. Gleichzeitig nahm die Anzahl und programmatische Distanz der Parteien zu, weshalb sich das Thüringer Parteiensystem binnen nur eines Jahrzehnts von einem enorm stabilen zu einem stark volatilen, fragmentierten, polarisierten sowie segmentierten Parteiensystem transformiert hat – und das nicht ohne Folgen für die Regierungsbildung. Hatte die CDU bislang alle Landesregierungen seit der Wiedervereinigung angeführt, musste sie 2014 auf die Oppositionsbank wechseln und dem „Experiment“ (Oppelland 2015) einer erstmals in Deutschland gebildeten rot-rot-grünen Koalition unter Führung eines linken Ministerpräsidenten Platz machen. Nach der „Regierungskrise 2020“, in welcher Thomas Kemmerich (FDP) mit Hilfe von Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, der aber nach nur drei Tagen im Amt aufgrund öffentlichen und parteiinternen Drucks zurücktrat, führt seither Bodo Ramelow in seiner zweiten Amtszeit eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung an. Erwähnenswert sind darüber hinaus die elektoralen Erfolge der AfD bei den vergangenen Landtags- sowie Bundestagswahlen. So gewann die AfD bei der vergangenen Bundestagswahl 24 % der Stimmen und vier der acht Thüringer Wahlkreise (Wahlleiter Thüringen 2021). Angesichts der Wahlerfolge und gegenwärtigen Umfragewerte erscheint die Charakterisierung der AfD als „völkische Volkspartei im Osten“ (Kraske 2020, S. 237) nicht ungerechtfertigt. Auch die Einordnung als „völkisch“ erweist sich in Thüringen als zutreffend, gilt doch der von Björn Höcke und Stefan Möller geführte Landesverband auch nach der Auflösung des nationalkonservativen „Flügels“ als stark vom „völkischen Nationalismus“ (Steiner und Michelsen 2021, S. 79) geprägt. Im Verfassungsschutzbericht Thüringens wird der AfD-Landesverband darüber hinaus als „rechtsextremistische Partei“ sowie als „Verdachtsfall“ eingestuft (Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales 2022).

3 Theoretischer Rahmen, Forschungsstand und Hypothesen

Angesichts der umfassenden Veränderungen und Transformationen, die das Land Thüringen in den Bereichen Demographie, Wirtschaft sowie Politik durchlebt hat, aber auch der aktuellen „geradezu toxischen Kombination aus Pandemie, Wirtschaftskrise, Finanznot, gesellschaftlicher Zerrüttung und einer Minderheitsregierung“ (Debes 2020), drängt sich die Frage nach Ausmaß und Bestimmungsfaktoren der politischen Unterstützung in Thüringen umso dringlicher auf. Um diese Frage umfassend beantworten zu können, sollen das Konzept der „politischen Unterstützung“ theoretisch hergeleitet und auf Basis zentraler Ansätze und dem Forschungsstand, die zentralen untersuchungsleitenden Hypothesen abgeleitet werden.

3.1 Politische Unterstützung als Treibstoff der Demokratie

Die theoretischen Grundlagen bilden die Konzepte der politischen Kultur und insbesondere die Forschung über politische Unterstützung (Almond und Verba 1963; Easton 1965; Pateman 1971; Norris 2017). Danach kann politische Kultur als „Muster politischer Orientierungen und Einstellungen gegenüber dem politischen System und seinen verschiedenen Teilen sowie der Rolle des Individuums in diesem System“ (Almond und Verba 1963, S. 13; eigene Übersetzung) verstanden werden. Demokratien könnten nur dann effektiv funktionieren und langfristig stabil sein, wenn politische Strukturen und politische Kultur kongruent zueinander sind und die Bürger:innen das politische System unterstützen (Easton 1957, 1965).

Daher ist die Entwicklung demokratischer Einstellungen als Teil der politischen Kultur ein wichtiger Aspekt der Systemtransformation von politischen Regimen zur Demokratie (Diamond und Plattner 2002). Im Falle der DDR bedeutete die Systemtransformation nicht nur eine Integration Ostdeutschlands in die Institutionen- und Gesellschaftsordnung der (alten) Bundesrepublik, sondern auch die Integration von Bürger:innen, die bis dahin in einem undemokratischen Regime gelebt haben und daher staatlichen Institutionen häufiger misstrauten (Mishler und Rose 1997; Thumfart 2001; Diamond und Plattner 2002). Aus diesem Grund lag ein Fokus der politischen Kulturforschung auf der Analyse und Entwicklung der Einstellungen der Bürger:innen zur Demokratie und ihren Institutionen (Dalton und Weldon 2010; Pickel und Pickel 2020; Conradt 2015; Campbell 2012). Diese lagen in den 1990er und 2000er Jahren in den ostdeutschen Bundesländern signifikant niedriger als in den westdeutschen Bundesländern. Neuere Studien zeigen zwar eine Konvergenz in zentralen politischen Einstellungen, wie z. B. bei der abstrakten Unterstützung der Grundidee der Demokratie, weisen aber gleichzeitig auf weiterhin bestehende Unterschiede und Divergenzen hin, z. B. hinsichtlich des Vertrauens in Institutionen und der Demokratiezufriedenheit (z. B. Conradt 2015; Pickel und Pickel 2023; Reiser und Reiter 2023; Fuchs und Roller 2016; Decker et al. 2019; Tausendpfund 2021). Auch für Thüringen verweisen vorliegende Erkenntnisse auf eine tendenziell wachsende Unterstützung der Demokratie (Hebenstreit et al. 2022; Reiser et al. 2023). Daher lautet die erste Hypothese zur Langzeitentwicklung der demokratischen Einstellungen in Thüringen:

H1

Im Zeitverlauf ist ein Anstieg der politischen Unterstützung der Demokratie zu beobachten.

Politische Unterstützung von Bürger:innen kann nach Easton (1965, S. 171–189) zwei grundlegende Formen annehmen: „overt“ und „covert support“. Bei ersterer Unterstützungsform handelt es sich um direkt beobachtbare Handlungen, wie u. a. politische Partizipation, die das System in seiner Funktionsweise und Stabilität unterstützen. Noch wichtiger sind nach Eastons Auffassung die im Verborgenen liegenden Unterstützungsleistungen, wie z. B. demokratische Einstellungen. Aus der Kombination der Eastonschen Unterstützungsformen und der politischen Bezugsobjekte ergeben sich unterschiedliche Formen der Einstellungen zur Demokratie. Im Fokus dieses Beitrags stehen drei zentralen Einstellungsformen: die Demokratieunterstützung als diffuse Unterstützung des politischen Regimes, die Demokratiezufriedenheit als spezifische Unterstützung des politischen Regimes sowie das Vertrauen in Institutionen als Unterstützung politischer Autoritäten.

Die eher längerfristige und leistungsunabhängige Form der diffusen Unterstützung wird von Easton als „reservoir of favorable attitudes or good will [which] is independent of the effects of daily outputs“ (Easton 1965, S. 273) definiert. Im direkten Vergleich erweist sich die spezifische Unterstützung als Evaluation des aktuellen Regierungshandelns und Bewertung politischen Outputs und damit als eine konkret leistungsbezogene und an kurzfristigeren Entwicklungen orientierte „support“-Leistung. Empirische Studien zeigen, dass die Idee der Demokratie in Deutschland seit vielen Jahren konstant von einer überwältigenden Mehrheit der Menschen in Ost- und Westdeutschland als die beste Staatsform angesehen wird (vgl. u. a. Mannewitz 2013; Pickel und Pickel 2023; vgl. für Thüringen Reiser et al. 2022; Hebenstreit et al. 2022). Im Gegensatz hierzu zeigen Studien hinsichtlich der Demokratiezufriedenheit und dem Institutionenvertrauen eine größere Volatilität, da diese auch verstärkt durch situative, performanzbezogene Faktoren – wie z. B. Krisen – beeinflusst würden (vgl. u. a. zu den Effekten der Wirtschafts- und Finanzkrise 2009; Zmerli 2016; zu jenen der Corona-Krise, u. a. Dietz et al. 2021; zu solchen Effekten in Thüringen Reiser et al. 2023; Hebenstreit et al. 2022). Entsprechend wird davon ausgegangen, dass die Unterstützung der Idee der Demokratie durch die Thüringer Bevölkerung geringeren Veränderungen über die Zeit unterworfen ist als die Demokratiezufriedenheit und das Institutionenvertrauen.

H2

Die Unterstützung der Idee der Demokratie ist im Zeitverlauf weniger volatil als die Demokratiezufriedenheit und das Institutionenvertrauen.

3.2 Determinanten politischer Unterstützung

Neben der Frage, wie sich die politische Unterstützung im Zeitverlauf entwickelt, wird die Frage nach den Erklärungsfaktoren für die demokratischen Einstellungen intensiv untersucht (vgl. u. a. Gabriel 2005; Tausendpfund 2021; Kölln und Aarts 2021). Dabei stehen die verschiedenen Erklärungsansätze zumeist nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzen sich gegenseitig und greifen kausal ineinander.

Zu den individuellen Erklärungsansätzen gehört der sozialisationstheoretische Ansatz. Danach beeinflussen sowohl Zeitpunkt als auch Ort der Sozialisationserfahrungen der Menschen in der entsprechenden Gesellschaftsordnung die grundlegenden Haltungen gegenüber der Politik, die somit langfristig angelegt sind und sich entsprechend nicht durch situative Effekte verändern. Bei einer (Primär‑)Sozialisation im autokratischen System der DDR wurden demokratische Normen und Orientierungen weder erworben noch internalisiert (Almond und Verba 1963; Gabriel 2007; Fuchs und Roller 2016; Braun und Trüdinger 2023), was die niedrigere demokratische Unterstützung in Ostdeutschland im Vergleich zu Westdeutschland erklären würde (Pickel und Pickel 2023). Diejenigen hingegen, die zur Wendezeit oder danach sozialisiert wurden, würden die aktuelle Demokratie und ihre Institutionen entsprechend stärker unterstützen und sich weniger mit der DDR und der Idee des Sozialismus (Mannewitz 2015) verbunden fühlen. Entsprechend lautet die Hypothese:

H3

Je mehr Bürger:innen die Idee des (DDR-)Sozialismus unterstützen, desto geringer sind Demokratieunterstützung, -zufriedenheit sowie das Vertrauen in die Institutionen des gegenwärtigen politischen Systems.

Im Gegensatz hierzu stehen performanzbasierte Ansätze, die von situationsbedingten und kurzfristigeren Einflüssen auf die Einstellungen der Bürger:innen ausgehen. Danach stellt die Unterstützung von System und Autoritäten im Wesentlichen ein Resultat der von ihnen produzierten Outputs dar. Werden diese als positiv bewertet und die „demands“ (Easton 1965) der Bürger:innen erfüllt, antworten diese nach diesem Erklärungsansatz mit Unterstützung des Systems. Herrscht jedoch Enttäuschung und bleiben Forderungen unerfüllt, ist der Entzug politischer Unterstützung die Folge. Insbesondere für (makro-)ökonomische Faktoren konnten mehrere Studien substanzielle Zusammenhänge mit politischer Unterstützung zeigen (Clarke et al. 1993; Kellermann 2023; Lange 2018; Singh und Mayne 2023; Quaranta und Martini 2016). So zeigte u. a. die Analyse Tausendpfunds (2021) für den Zeitraum von 1977 bis 2016, dass es einen Zusammenhang zwischen einer positiven Bewertung der eigenen wirtschaftlichen Lage bzw. der wirtschaftlichen Lage des Landes mit einer höheren Demokratiezufriedenheit gibt. Daran anknüpfend werden die Unterschiede im Institutionenvertrauen und in der Demokratiezufriedenheit zwischen Ost- und Westdeutschland mit den unterschiedlichen sozio-ökonomischen und situativen Rahmenbedingungen, wie z. B. niedrigere Löhne und Renten, erklärt (Pickel 2012, S. 145). Zudem kann auch die politische Performanz die Demokratiezufriedenheit und das Institutionenvertrauen beeinflussen. So konnten mehrere Studien zeigen, dass schlechte Regierungsführung sowie das Auftreten von Korruptionsfällen die Unterstützungsleistungen beschädigen (siehe z. B. van der Meer und Hakhverdian 2017; Pickel 2013). Für Thüringen zeigte eine Studie für den Zeitraum 2001 bis 2019 einen Einfluss von politischen und eingeschränkt auch von ökonomischen Faktoren (vgl. Hebenstreit et al. 2022). Vor diesem Hintergrund lauten die Hypothesen:

H4a

Je ungünstiger die wirtschaftliche Performanz wahrgenommen wird, desto geringer ist die politische Unterstützung für die Demokratie.

H4b

Je ungünstiger die politische Performanz wahrgenommen wird, desto geringer ist die politische Unterstützung für die Demokratie.

Des Weiteren wird in der Literatur die These der relativen Deprivation vertreten (Wegener und Liebig 2000). Danach ist die Unzufriedenheit mit der Demokratie nicht so sehr auf die sozioökonomische Situation der einzelnen Personen zurückzuführen, sondern vielmehr auf das Gefühl der Benachteiligung gegenüber anderen (Neller 2006, S. 217; Kollmorgen 2015). Das wahrgenommene Gefühl der Benachteiligung kann sich dabei diffus, aber auch spezifisch über die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe äußern. In diesem Kontext wird insbesondere die „Ostdeprivation“ angeführt, die das Gefühl beschreibt, dass sich Ostdeutsche benachteiligt oder als „Menschen zweiter Klasse“ fühlen (Best 2018, S. 104). Neuere Studien zeigen, dass noch heute mehr als die Hälfte der Ostdeutschen kollektive Benachteiligung und Ausgrenzung empfinden (Kollmorgen 2015; Miethe 2019, S. 61; Weisskircher 2020). Diese wahrgenommene Benachteiligung gilt als wichtiger Erklärungsfaktor für die Demokratiezufriedenheit und das Institutionenvertrauen (Pickel und Pickel 2023) und wurde auch bereits für Thüringen gezeigt (Hebenstreit et al. 2022). Entsprechend lautet die Hypothese:

H5

Je stärker sich die Bürger:innen subjektiv und kollektiv depriviert fühlen, desto geringer sind Demokratiezufriedenheit und Institutionenvertrauen.

Die Bedeutung sozialräumlicher Faktoren und ihrer Wahrnehmung auf demokratische Einstellungen wird in den vergangenen Jahren vor dem Hintergrund sogenannter „abgehängter“ ländlicher bzw. peripherer Regionen intensiv diskutiert (vgl. u. a. Arzheimer und Bernemann 2023; Deppisch 2019; Dijkstra et al. 2020; Reiser et al. 2023). So seien abgehängte ländliche Regionen durch einen langfristigen wirtschaftlichen Niedergang, eine schlechte Infrastrukturanbindung, Abwanderung und Überalterung charakterisiert (u. a. de Lange et al. 2022; Diermeier 2020; Hannemann et al. 2023; Rodríguez-Pose 2018). Dies wirke sich u. a. auch auf die politischen Einstellungen der Bevölkerung aus. Im Kontext dieser Debatte und vor dem Hintergrund der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse rückt die Frage nach Stadt-Land-Unterschieden in den Einstellungen zur Demokratie wieder verstärkt in den Fokus. So weisen Studien darauf hin, dass die Demokratieunterstützung in ländlichen Regionen geringer ist als in städtischen Räumen (Lago 2022; Reiser et al. 2023). Vor diesem Hintergrund lautet die Hypothese:

H6

Je ländlicher eine Region von den Befragten wahrgenommen wird, desto geringer sind Demokratiezufriedenheit und Institutionenvertrauen der Bürger:innen.

4 Methodik und Datengrundlage

Datengrundlage

Die empirische Analyse erfolgt auf Basis des Thüringen-Monitors, einer erstmals im Jahr 2000 erhobenen Bevölkerungsstudie zur politischen Kultur im Freistaat Thüringen. Anlass für die Institutionalisierung durch den damaligen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel (CDU) war der Brandanschlag auf die Neue Synagoge in Erfurt am 20.04.2000 (Best 2022, S. 14). Seither untersucht die jährlich durchgeführte Erhebung die politischen Einstellungen, die Demokratiezufriedenheit und -unterstützung, das Institutionenvertrauen sowie das Partizipationsverhalten der Thüringer Bevölkerung. Erhoben wird die nach Angaben des Thüringer Landesamtes für Statistik quotierte Zufallsstichprobe mit Hilfe von computergestützten Telefoninterviews (CATI). Die Grundgesamtheit der repräsentativen Befragung bildet die bei Bundestagswahlen wahlberechtigte Thüringer Bevölkerung. Der übliche Stichprobenumfang von circa 1100 Befragten wurde 2022 aufgrund des Schwerpunktthemas „Stadt und Land“ deutlich erhöht (N = 1885), um auch für unterschiedliche Ländlichkeitsklassen repräsentative statistische Aussagen treffen zu können. Die Analyse der Determinanten von Demokratieunterstützung, -zufriedenheit und dem Institutionenvertrauen erfolgt auf Grundlage des Thüringen-Monitors 2022; die Längsschnittentwicklung der genannten Indikatoren basiert auf dem kumulierten Datensatz für den Zeitraum 2000–2022 (Schmitt et al. 2023).

Operationalisierung der abhängigen Variablen

Insgesamt stehen drei abhängige Variablen, die sowohl die diffuse als auch spezifische Unterstützung messen, im Zentrum dieses Beitrages. Die Demokratieunterstützung als diffuse support-Leistung wird mit Hilfe der Zustimmung zur Aussage „Die Demokratie ist die beste aller Staatsideen“ gemessen. Die Demokratiezufriedenheit als spezifische und leistungsbezogene Unterstützungsleistung wird mit der Frage „Wie zufrieden oder unzufrieden sind Sie alles in allem mit der Demokratie, so wie sie in Deutschland in der Praxis funktioniert“ erhoben. Für die Analyse des Institutionenvertrauens im Längsschnitt (H1 und H2), werden zwei parteienstaatliche (Bundes- und Landesregierung) und zwei regulative Institutionen (Gerichte und Polizei) analysiert (zur Unterscheidung siehe u. a. Zmerli 2020). Diese werden für die Querschnittsanalyse der Determinanten des Institutionsvertrauens zu einer Skala aus Vertrauen in die Bundes- und Landesregierung sowie Gerichte zusammengefasst. Weil das Vertrauen in die Polizei im Jahr 2022 nicht erhoben wurde, konnte die abhängige Variable nicht gesondert in parteienstattliche sowie regulative Institutionen separiert werden, da die Verwendung nur einer Variablen für letzteren Institutionentypus problematisch wäre. Um dennoch eine größere Bandbreite an Institutionen abdecken zu können, wurde sich, wie skizziert, dazu entschieden, das Vertrauen in die Bundes- und Landesregierung sowie die Gerichte zu einer Skala zusammenzufassen. Die methodische Zulässigkeit wurde zudem mit Hilfe einer explorativen Faktorenanalyse überprüft. Der Velicer MAP-Test wies für die drei genannten Items lediglich einen Faktor aus, sodass an der Skalenkonstruktion festgehalten wurde. Bei der klassischen Mittelwertskala wurde darüber hinaus ein fehlender Wert akzeptiert.

Die Analyse zur Langzeitentwicklung von Demokratieunterstützung und Demokratiezufriedenheit beginnen erst im Jahr 2001, da diese im Thüringen-Monitor des Jahres 2000 noch mit einer Mittelkategorie („teils/teils“) erhoben wurden, auf die man seit der Folgeerhebung im Jahr 2001 verzichtet. Um Tendenzen besser sicht- sowie einfacher interpretierbar zu machen, wurden zustimmende Antwortkategorien zusammengefasst. Dies betrifft im Falle der Demokratieunterstützung die Antworten „stimme überwiegend zu“ und „stimme voll und ganz zu“ sowie bei der Demokratiezufriedenheit die Kategorien „ziemlich zufrieden“ und „sehr zufrieden“. Beim Institutionenvertrauen, welches auch unter Verwendung der Mittelkategorie „vertraue teilweise“ erhoben wird, wurden die Antwortkategorien „vertraue voll und ganz“ sowie „vertraue weitgehend“ kumuliert.

Operationalisierung der unabhängigen Variablen

Hinsichtlich der Analyse der Determinanten (vgl. Abschn. 3.2) wird die Sozialisationshypothese (H3) einerseits über eine klassierte Altersvariable, die aufgrund ihrer Skalierung eine Unterscheidung zwischen Vor- und Nach-Wendegenerationen ermöglicht (Geburt vor der Wende ja/nein) sowie andererseits über die Bewertung der DDR und der ihr zugrundeliegenden sozialistischen Ordnung operationalisiert. Dafür werden die beiden Items: „Die DDR hatte mehr gute als schlechte Seiten“ sowie „Wir sollten zur sozialistischen Ordnung zurückkehren“ verwendet. Für die Analyse der performanzbasierten Ansätze (H4a und H4b) werden für die wirtschaftliche Dimension insgesamt drei Indikatoren verwendet: Neben der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage in Thüringen sowie der Aussage „Die Politik in Berlin hat zu wenig getan, um die wirtschaftliche Situation meiner Region zur verbessern“ wird die Wahrnehmung der Entwicklung der Kommune innerhalb der letzten 10 bis 15 Jahre herangezogen. Die politische Dimension wird mit Hilfe des klassischen Konzepts der Responsivität gemessen („Die Politiker bemühen sich im Allgemeinen darum, die Interessen der Bevölkerung zu vertreten“). Für die Deprivationshypothese (H5) wird die generelle (relative) Deprivation mit der Frage „Glauben Sie, dass Sie persönlich Ihren gerechten Anteil erhalten“ gemessen. Zusätzlich wird der Aspekt der Ostdeprivation – recodiert als Dummy-Variable – mit der Frage „Würden Sie sagen, dass für Sie persönlich alles in allem eher die Vorteile oder eher die Nachteile der Vereinigung überwiegen“ erfasst. Ergänzt werden beide Indikatoren durch das Konzept der Statusverlustangst, welche danach fragt, ob die Bürger:innen Angst davor haben „durch die gesellschaftliche Entwicklung immer mehr auf die Verliererseite des Lebens zu geraten.“ Die Hypothese zum Einfluss der wahrgenommenen Ländlichkeit der Region (H6) soll schließlich mit Hilfe der Einschätzung des Wohnortes als „ländlich“ beziehungsweise „städtisch“ auf einer 10-stufigen Skala getestet werden. Als Kontrollvariablen werden Geschlecht, Bildung, politisches Interesse, Einkommen sowie die externe politische Selbstwirksamkeit geprüft (vgl. zur Operationalisierung Anhang I). Im Falle des Geschlechts wird bei Frauen weiterhin ein distanzierteres Verhältnis zur Politik sowie eine niedrigere Partizipationsneigung beobachtet (Bieber 2011; Fuchs 2006; Coffé 2013). Bildung und politisches Interesse gehen darüber hinaus oftmals mit einer höheren politischen Unterstützung einher, da die Funktionsweise und Komplexität politischer Prozesse besser verstanden werden (van Deth 2013; Tausendpfund 2021). Auch ein höheres Einkommen wirkt sich in aller Regel positiv auf die politische Unterstützung aus (vgl. u. a. Lange 2018, S. 75ff.). Schließlich sollte das Ausmaß an „political support“ umso geringer sein, je mehr Bürger:innen den Eindruck haben, dass Politiker:innen nicht auf die konkreten Forderungen der Bürger:innen eingehen (Rooduijn et al. 2016).

Methodisches Vorgehen

Als zentrales statistisches Verfahren für die Analyse der Bestimmungsfaktoren wird auf multiple OLS-Regressionen zurückgegriffen. Diese Entscheidung basiert zum einen auf der einfacheren sowie intuitiveren Interpretierbarkeit der Regressionsparameter sowie andererseits aufgrund der sich hieraus ergebenden Vergleichbarkeit mit anderen Modellen innerhalb dieses Sonderheftes (u. a. Baden-Württemberg, Berlin, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Ruhrgebiet; vgl. die Einleitung für eine Übersicht) sowie der existierenden Literatur (u. a. Campbell 2019; Hebenstreit et al. 2022). Im Sinne einer methodischen Robustheitsüberprüfung wurden die unterschiedlichen Modelle aufgrund des ordinalen Skalenniveaus der abhängigen Variablen zudem als Logit-Modelle berechnet und anschließend mit den OLS-Modellen verglichen. Hier zeigte sich in allen Fällen eine substanzielle Vergleichbarkeit der Ergebnisse, was sowohl Signifikanz als auch Effektstärken der einzelnen Variablen betrifft. Aus diesem Grund wurde aus den oben genannten Gründen an OLS-Modellen festgehalten.

Da im Thüringen-Monitor 2022 ein „Oversampling“ vorliegt, wurden sämtliche Regressionsmodelle mit Hilfe einer Gewichtungsvariable (persgew_global) angepasst. Im Zuge der Voraussetzungsprüfung war in manchen Fällen zumindest in Ansätzen das Problem der Heteroskedastizität zu erkennen. Aus diesem Grund wurde mit Hilfe der HC3-Korrektur eine Anpassung der Standardfehler vorgenommen. Von leichten betragsmäßigen Änderungen einmal abgesehen, konnte hinsichtlich der Signifikanzen, Effektstärken sowie Richtungen der Regressionsparameter jedoch keine grundlegende Veränderung festgestellt werden. Um auch die Wechselwirkungen zwischen den abhängigen Variablen untereinander beurteilen zu können, wurden sämtliche Regressionsmodelle sowohl ohne als auch mit den jeweiligen beiden anderen Unterstützungsformen gerechnet.

5 Empirie: Einstellungen zur Demokratie in Thüringen

Im Folgenden werden die im Theoriekapitel hergeleiteten Hypothesen nun einer kritischen inhaltlichen Überprüfung unterzogen. Dazu wird zunächst die politische Unterstützung im Zeitverlauf analysiert, bevor die drei Indikatoren Demokratieunterstützung, Demokratiezufriedenheit sowie das Institutionenvertrauen hinsichtlich ihrer zentralen Bestimmungsfaktoren untersucht werden.

5.1 Entwicklung der politischen Unterstützung im Längsschnitt (2000–2022)

Die Analyse der Entwicklung der politischen Unterstützung seit dem Jahr 2000 (vgl. Abb. 1 und 2) zeigt keine allgemeine und lineare Zunahme der politischen Unterstützung der Demokratie im Zeitverlauf. Hinsichtlich des Institutionenvertrauens ist – mit Ausnahme des Vertrauens in die Bundesregierung – ein klarer Aufwärtstrend zu erkennen. Vergleicht man die Ausgangswerte des Jahres 2000 mit den zuletzt (2022) gemessenen Vertrauensniveaus, lassen sich sogar teils beachtliche Zugewinne konstatieren. So konnten insbesondere regulative Institutionen wie Gerichte und die Polizei binnen nur zweier Jahrzehnte Vertrauensniveaugewinne von 20 respektive 28 Prozentpunkten für sich verbuchen. Im Falle der Polizei hat sich das Institutionenvertrauen von 32 % auf zuletzt 60 % dabei sogar nahezu verdoppelt. Nicht ganz so deutlich, aber dennoch signifikant, fällt auch der Vertrauenszuwachs in die Thüringer Landesregierung aus. Vertrauten dieser während der ersten Erhebung lediglich 32 %, konnte diese das in sie gesetzte Vertrauen um etwas mehr als 20 % auf nunmehr 39 % ausbauen.

Abb. 1
figure 1

Entwicklung von Demokratieunterstützung und -zufriedenheit in Prozent (2001–2022). (Quelle: Eigene Darstellung, Datengrundlage: Thüringen-Monitor-Kumulation (2000–2022))

Abb. 2
figure 2

Entwicklung des Institutionenvertrauens in Prozent (2000–2022). (Quelle: Eigene Darstellung, Datengrundlage: Thüringen-Monitor-Kumulation (2000–2022))

Für das Vertrauen in die Bundesregierung sowie ebenso für die Demokratieunterstützung und die Demokratiezufriedenheit liegt hingegen ein differenziertes Ergebnis vor, sodass Hypothese 1 nicht bestätigt werden kann. Im punktuellen Vergleich der Jahre 2000 und 2022 lässt sich kein signifikanter Zugewinn für die Vertrauens- und Zufriedenheitswerte konstatieren. Die im Thüringen-Monitor des Jahres 2022 gemessenen Werte entsprechen im Wesentlichen den Messergebnissen der ersten Erhebungswelle. Gleichzeitig zeigt die Analyse aber auch, dass alle drei genannten Indikatoren bis 2021 demselben – nahezu linearen – Aufwärtstrend gefolgt sind wie das Institutionenvertrauen in Gerichte, Polizei und die Landesregierung. So kann im Falle der Demokratiezufriedenheit und dem Vertrauen in die Bundesregierung ebenfalls ein zwischenzeitlicher Zugewinn von 20 Prozentpunkten beobachtet werden. Und selbst für die auf einem ohnehin schon hohen Ausgangsniveau befindliche Demokratieunterstützung lässt sich ein temporärer Anstieg von knapp 10 % auf einen Höchstwert von 90 % (2018) verzeichnen. Im Jahr 2022 ist der im Schnitt positive Trend jedoch umgeschlagen. Vergleicht man beispielsweise die Erhebung von 2020 mit derjenigen von 2022, so ist die Demokratiezufriedenheit binnen nur zweier Jahre um ganze 20 Prozentpunkte auf zuletzt 48 % gefallen. Waren 2020 noch mehr als zwei Drittel aller Thüringer:innen mit dem damaligen Funktionieren der Demokratie zufrieden, traf dies nur zwei Jahre später auf weniger als die Hälfte der Befragten zu. Noch stärker ist das Vertrauen in die Bundesregierung gefallen, das sich im selben Vergleichszeitraum von 44 % (2020) auf zuletzt 22 % (2022) halbiert hat. Ein im Vorzeichen vergleichbarer, im Niveau aber deutlich geringer ausfallender Rückgang lässt sich schließlich auch für die Demokratieunterstützung beobachten. Zwar war diese von 2021 zu 2022 um lediglich fünf Prozentpunkte von 89% auf zuletzt 84 % gefallen, doch markiert auch dieser Rückgang den bislang stärksten Rücksetzer der Zeitreihe seit Erhebungsbeginn. Unterstützung, Zufriedenheit und Vertrauen, das sich über knapp zwei Jahrzehnte sukzessive erhöht hatte, ist somit in allen berichteten Fällen mehr oder weniger schlagartig auf das Ausgangsniveau der Jahrtausendwende zurückgefallen. Ob es sich bei den Ergebnissen für das Jahr 2022 um eine Trendumkehr handelt und sich die Befunde mittel- bis langfristig perpetuieren oder ob es sich lediglich um einen kurzfristigen Einbruch aufgrund der zum Erhebungszeitpunkt konstatierten Vielfachkrise aus russischem Angriffskrieg in der Ukraine, Energie- und Regierungskrise sowie Corona-Pandemie handelt (vgl. Brandy et al. 2023; Dietz et al. 2021), müssen zukünftige Studien zeigen.

Im Vergleich der Entwicklung von Demokratieunterstützung und Demokratiezufriedenheit fällt ein klarer Gegensatz zwischen beiden „support“-Formen auf. Dies betrifft sowohl das Ausmaß an politischer Unterstützung als auch dessen Volatilität. So wird im Falle der Demokratieunterstützung deutlich, dass diese durchgehend nicht nur deutlich höher, sondern auch wesentlich stabiler ausfällt. Berechnet man die Standardabweichung für beide Zeitreihen seit dem Jahr 2001, zeigt sich, dass die Volatilität der Demokratiezufriedenheit sogar zweieinhalbmal so groß ist, wie diejenige der Demokratieunterstützung (9,20 vs. 3,66 Prozentpunkte). Noch deutlicher fallen diese Effekte aus, zieht man beispielsweise die 2000er-Jahre als Vergleichszeitraum heran. In diesem ist die Volatilität der Demokratiezufriedenheit sogar mehr als viermal so groß (Standardabweichung = 5,49 vs. 1,33 Prozentpunkte). Mit Blick auf den Vergleich von Demokratieunterstützung und Demokratiezufriedenheit ist Hypothese 2 demnach eindeutig zu bestätigen. Folglich ist die Differenzierung zwischen einer diffusen sowie spezifischen Form der politischen Unterstützung nicht nur theoretisch herleitbar, sondern auch empirisch nachweisbar.

Etwas differenzierter muss allerdings die zweite Vergleichsdimension der Hypothese 2 ausfallen. Hier zeigt sich für den gesamten Untersuchungszeitraum zwar, dass die Volatilitäten des Vertrauens aller abgefragten Institutionen im Schnitt mindestens doppelt so groß waren, wie diejenige der Demokratieunterstützung, doch korrigiert sich der Befund recht deutlich, wenn man den Interpretationszeitraum erst ab dem Jahr 2005 ansetzt. Nachdem insbesondere die Gerichte und die Polizei im Zeitraum von 2000 bis 2005 erheblich an Vertrauen gewinnen konnten, hat sich das Vertrauensniveau seither nachhaltig manifestiert und zuletzt sogar noch Zugewinne verzeichnen können. Als deutlich volatiler erweisen sich dahingegen die Vertrauenswerte in die Bundes- sowie Landesregierung. Jene waren immer wieder größeren Schwankungen – sowohl mit positivem als auch negativem Vorzeichen – unterworfen und sind letztlich auch durch ein signifikant niedrigeres Vertrauensniveau geprägt. Insofern muss die Interpretation des Volatilitätsvergleichs zwischen Demokratieunterstützung und Institutionenvertrauen differenzierter ausfallen. Regulative Institutionen wie Gerichte und die Polizei unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Volatilität – spätestens seit dem Jahr 2005 – kaum von der Demokratieunterstützung. So unterscheiden sich Demokratieunterstützung und das Vertrauen in Gerichte im Vergleich der Standardabweichungen nur marginal (3,87 vs. 3,70 Prozentpunkte). Dahingegen ähneln die Standardabweichungen der parteienstaatlichen Institutionen eher jenen der Demokratiezufriedenheit. Hypothese 2 kann demnach für regulative, aber nicht für parteienstaatliche Institutionen bestätigt werden.

Als volatilster aller untersuchten Unterstützungsindikatoren erweist sich in der Gesamtschau die Demokratiezufriedenheit. Wie im theoretischen Kapitel hergeleitet, erweist sich diese spezifische Unterstützungsform tatsächlich als deutlich leistungsbezogenere sowie kurzfristigere „support“-Leistung. Evaluieren die Befragten also das aktuelle Regierungshandeln – beziehungsweise wie es im Fragetext heißt: „die Demokratie, so wie sie in Deutschland in der Praxis funktioniert“ – als ungünstig, dann wirkt sich dies auf die Demokratiezufriedenheit aus. Entsprechend lassen sich im Zeitverlauf gleich mehrere deutliche Rücksetzer feststellen. In allen Fällen kann das Vorhandensein von politischen, ökonomischen und/oder gesellschaftlichen Problemlagen als Ursache für den Zufriedenheitsrückgang vermutet werden (im Jahr 2005 die umstrittene Hartz-IV-Reform, 2007/08 die Weltfinanzkrise, 2015 die zum Teil enorm polarisierende Flüchtlingskrise, 2018 der sogenannte Asylstreit und der bis dato langandauerndste Koalitionsbildungsprozess sowie 2021/22 die Folgen gleich mehrerer Krisen, u. a. Corona-Pandemie sowie Inflations‑, Energiepreis‑, Ukraine- und Klimakrise). Dass diese Krisenkonstellationen aber nur einen Erklärungsfaktor für Höhe und Entwicklung der demokratischen Einstellungen darstellt, soll im folgenden Kapitel verdeutlicht werden.

5.2 Bestimmungsfaktoren der politischen Unterstützung im Querschnitt (2022)

Um die im Theoriekapitel hergeleiteten Hypothesen, die ihrerseits auf den zentralen Theoriesträngen zur Erklärung politischer Unterstützung beruhen, detailliert empirisch untersuchen zu können, wurden in Tab. 1 alle berechneten Regressionsmodelle zusammengefasst und vergleichend gegenübergestellt. Weil es sich, wie das vorangegangene Kapitel gezeigt hat, bei allen drei Formen der politischen Unterstützung um sowohl theoretisch als auch empirisch disjunkte „support“-Leistungen handelt, wurden diese auch als eigenständige Erklärungsfaktoren genutzt. Für jede Unterstützungsform wurden daher zwei Modelle gerechnet: Eines ohne die jeweils beiden anderen Indikatoren und eines, das beide mit aufgenommen hat.

Tab. 1 Ergebnisse der Multiplen Linearen Regressionen für das Jahr 2022

In einem ersten Schritt soll zunächst Hypothese 3 überprüft werden, die davon ausgeht, dass sich eine Sozialisation in der DDR negativ auf die Demokratiezufriedenheit und das Institutionenvertrauen auswirkt. Ein Blick in die Regressionsmodelle zeigt, dass sich diese nur eingeschränkt und darüber hinaus nur für die Unterstützungsform der Demokratiezufriedenheit bestätigen lässt. Nur hier ist einer der drei operationalisierten Indikatoren signifikant. Konkret wirkt sich eine positive Bewertung der DDR („Die DDR hatte mehr gute als schlechte Seiten“) negativ auf die Zufriedenheit mit der Demokratie aus. Dahingegen zeigen sich weder für die Aussage „Wir sollten zur sozialistischen Ordnung zurückkehren“ noch für die in mehrere Klassen recodierte Altersvariable signifikante Zusammenhänge. Im Zuge einer Robustheitsprüfung wurden zudem weitere Skalierungen der Altersvariable in Form einer metrischen als auch einer quadriert-metrischen Information getestet, aber in keinem der genannten Fälle konnte eine Veränderung des Signifikanzniveaus festgestellt werden. In künftigen Untersuchungen sollten darüber hinaus alternative Altersklassierungen getestet werden. So argumentieren beispielsweise Easton und Hess, dass das prägende Alter politischer Primärsozialisation im Zeitraum von 3. bis zum 13. Lebensjahr zu verorten ist (Easton und Hess 1962, S. 236). Zusammenfassend lässt sich Hypothese 3 für die Demokratiezufriedenheit nur eingeschränkt bestätigen und mit Blick auf das Institutionenvertrauen muss sie sogar gänzlich verworfen werden.

Hingegen zeigen sich bezüglich der Demokratieunterstützung deutliche Effekte. Während auch hier für die Altersvariable keine belastbaren Effekte bestehen, wirken sich jedoch sowohl eine positive Bewertung der DDR als auch der Wunsch nach einer Rückkehr zur sozialistischen Ordnung signifikant negativ auf die Demokratieunterstützung aus. Je positiver also die Bewertung der DDR ausfällt, umso schlechter wird die Demokratie „als beste Staatsidee“ bewertet.

Vergleicht man darüber hinaus die standardisierten Effektstärken zeigt sich, dass beide genannten Indikatoren zu den zweit- sowie drittstärksten Erklärungsfaktoren in Modell 1a zählen. Die Sozialisationshypothese lässt sich für die Demokratieunterstützung demnach unzweifelhaft bestätigen. Offenkundig wirkt sich die Sozialisationshypothese damit deutlich stärker auf die diffuse Form der politischen Unterstützung aus. Warum die Effekte im Falle der spezifischen Unterstützung deutlich geringer ausfallen oder stellenweise gar nicht auftreten, ist nicht ohne Weiteres zu erklären, sollte aber künftig genauer untersucht werden.

Ein empirisch sowie theoretisch klareres Bild ergibt sich dahingegen für Hypothese 4a, die annimmt, dass sich eine schlechte wirtschaftliche Lage in eine geringere politische Unterstützung der Demokratie übersetzt. Hier zeigt sich für Demokratiezufriedenheit und Institutionenvertrauen, dass sowohl für die Bewertung der wirtschaftlichen Lage in Thüringen als auch die Befürwortung der Aussage, „dass die Politik in Berlin zu wenig getan habe, um die wirtschaftliche Situation in meiner Region zu verbessern“, mit nur einer einzigen Ausnahme durchweg signifikante Effekte beobachtet werden können. Je besser also die wirtschaftliche Lage eingeschätzt wird und je mehr die Befragten den Eindruck hatten, dass sich die Politiker:innen für die wirtschaftliche Situation ihrer Region eingesetzt haben, desto positiver fällt auch die Zufriedenheit mit der Demokratie als auch das Vertrauen in die zentralen politischen Institutionen aus. Im Falle der Demokratieunterstützung ist dieser Effekt hingegen nur marginal und auch nur für die Bewertung der wirtschaftlichen Lage in Thüringen nachweisbar. Dies entspricht allerdings auch den theoretischen Erwartungen. Aufgrund ihrer Eigenschaft als diffuse Unterstützung, die weniger leistungsbezogen und situationsabhängig ist, nimmt der konkrete Output des politischen Systems weniger Einfluss auf das Ausmaß der Demokratiezufriedenheit. Die von Easton formulierte Erwartung, dass die diffuse Unterstützung „independent of the effects of daily outputs“ (1965, S. 273) sei, kann damit – zumindest für die wirtschaftliche Performanz des politischen Systems – bestätigt werden.

Anders stellt sich die Befundlage im Falle der politischen Performanzbewertung dar. Dieser mit Hilfe des Responsivitätskonzepts gemessene Erklärungsfaktor zeigt sich in allen berechneten Modellen – und damit sowohl für die diffuse als auch spezifische politische Unterstützung – stets hoch signifikant und zählt entweder zum stärksten beziehungsweise zweitstärksten Bestimmungsfaktor der jeweiligen Unterstützungsformen. Die Bewertung der politischen Performanz, welche mit der Aussage „die Politiker, bemühen sich im Allgemeinen darum, die Interessen der Bevölkerung zu vertreten“ gemessen wurde, erscheint damit als zentrales Konzept zur Erklärung politischer Unterstützung. Dass der Indikator auch im Falle der Demokratieunterstützung hoch signifikant ist, legt zudem den Schluss nahe, dass die „daily outputs“ in diesem Falle sogar auf die diffuse Form politischer Unterstützung einwirken. Hypothese 4b kann somit bestätigt werden. Mit Blick auf die Demokratiezufriedenheit sind die Befunde schließlich auch als weitere Bestätigung der bereits im vorangegangenen Kapitel formulierten Vermutung zu werten, wonach politische Krisenlagen als Ursache für deutliche Rücksetzer im Zufriedenheitsniveau angenommen werden können.

Die Deprivationshypothese (H5) geht davon aus, dass Demokratiezufriedenheit und Institutionenvertrauen umso geringer ausfallen, je stärker sich die Bürger:innen individuell sowie kollektiv depriviert fühlen. Mit Blick auf die Regressionstabelle lässt sich Hypothese 5 klar bestätigen. Sowohl die subjektive Deprivation („erhalte persönlich gerechten Anteil“) als auch die kollektive Deprivation („Nachteile der Wiedervereinigung überwiegen“) erweisen sich im Falle von Demokratieunterstützung und Institutionenvertrauen mit nur einer Ausnahme als durchweg signifikant. Im Vergleich mit anderen untersuchten Bestimmungsfaktoren erweisen sich beide Deprivationsindikatoren darüber hinaus als erklärungsstark und zählen häufig zu den drei einflussreichsten unabhängigen Variablen. Die eng mit dem Deprivationskonzept zusammenhängende Statusverlustangst („es macht mir Sorgen auf die Verliererseite des Lebens zu geraten“), zeigt darüber hinaus lediglich im Falle des Institutionenvertrauens und wenn nicht zusätzlich auf Demokratieunterstützung und -zufriedenheit kontrolliert wird, signifikante statistische Effekte.

Einen Hinweis auf den Einfluss der wahrgenommenen Ländlichkeit einer Region auf die demokratischen Einstellungen der Bevölkerung lässt sich auf Grundlage der Thüringen-Monitor-Daten nicht bestätigen. In keinem der berechneten Modelle erweisen sich die Regressionskoeffizienten als signifikant, sodass Hypothese 6 nicht bestätigt werden kann.

Schließlich ist mit Blick auf die Kontrollvariablen festzuhalten, dass ausgehend vom Ressourcenmodell (Verba et al. 1995) die externe politische Selbstwirksamkeit sowie z. T. das politische Interesse statistische Effekte zeigen. So wirkt sich die Einschätzung, wonach „Leute wie ich so oder so keinen Einfluss darauf haben, was die Regierung tut“ im Falle von Demokratiezufriedenheit und Institutionenvertrauen negativ auf die politische Unterstützung aus. Je geringer also die externe Selbstwirksamkeit ist, desto geringer ist auch die Zufriedenheit mit der Demokratie sowie das Vertrauen in ihre zentralen Institutionen. Im Falle der Demokratieunterstützung lassen sich dahingegen keine signifikanten Effekte für die externe Selbstwirksamkeit belegen. Dafür lassen sich jedoch mit Blick auf die Kontrollvariable „politisches Interesse“ signifikante Effekte für die Demokratieunterstützung dokumentieren. Mit Blick auf andere Erklärungsfaktoren fällt dessen inhaltlicher Effekt jedoch vergleichsweise gering aus. Erstaunlich ist schließlich, dass andere Kontrollvariablen aus dem Bereich individueller Ressourcen, wie Bildung und Einkommen, keinerlei Einfluss auf die politische Unterstützung der Befragten zu haben scheint. Die gleiche Beobachtung lässt sich auch für das Geschlecht konstatieren.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass auch im Thüringer Fall die Performanz- sowie Deprivations- und eingeschränkt auch die Sozialisationshypothese erklärungsstarke Ansätze zur Bestimmung politischer Unterstützung darstellen. Kontrolliert man alle drei untersuchten Unterstützungskonzepte darüber hinaus mit den jeweiligen beiden anderen „support“-Formen, erhöhen sich die ohnehin schon beachtlichen Varianzaufklärungen noch einmal deutlich. So können im Falle der Demokratiezufriedenheit fast 48 % und hinsichtlich des Institutionenvertrauens sogar 53,5 % der beobachteten Varianz aufgeklärt werden – eine für sozialwissenschaftliche Individualdaten bemerkenswerte Erklärungsleistung. Erstaunlich ist darüber hinaus, dass die drei im Zentrum dieses Beitrages stehenden Unterstützungsformen sich jeweils gegenseitig zu einem beachtlichen Teil erklären können. Entfernt man beispielsweise aus dem Modell für das Institutionenvertrauen (Modelle 3a und 3b) bis auf die Demokratieunterstützung und -zufriedenheit alle unabhängigen Variablen, kann das Modell dennoch 40,5 % – und damit nur 13 Prozentpunkte weniger als das vollständige Modell – erklären.

6 Fazit

Ziel des vorliegenden Beitrags war es zu untersuchen, wie sich die demokratischen Einstellungen der Thüringer:innen in der Langzeitbetrachtung entwickelt haben und welche Einflussfaktoren diese Einstellungen – Demokratieunterstützung, Demokratiezufriedenheit und Institutionenvertrauen – beeinflusst haben. Dies ist zum einen vor dem Hintergrund der Debatte um die Langzeitfolgen des Systemumbruchs sowie anhaltender Ost-West-Unterschiede von großer Relevanz. Zum anderen stellt dies ebenso für die Forschungsperspektive von regionalisierten politischen Kulturen – jenseits der Ost-West-Dichotomie – im föderalen System der Bundesrepublik einen wichtigen Beitrag für die Gesamtfrage dieses Sonderhefts (vgl. hierzu die Einleitung des Sonderhefts) dar.

Hinsichtlich der Entwicklung der politischen Unterstützung ist auf Basis der Daten des Thüringen-Monitors für die Jahre 2000 bis 2022 ein differenziertes Ergebnis festzustellen: Einerseits zeigt sich bis einschließlich dem Jahr 2021 ein tendenziell linearer Anstieg der politischen Unterstützung für die Demokratie in Thüringen. Andererseits ist jedoch für das Jahr 2022 ein starker Einbruch der Werte für die Demokratiezufriedenheit und das Vertrauen in die parteienstaatlichen Institutionen zu beobachten. Diese Befunde decken sich mit Erkenntnissen aus anderen Studien (vgl. u. a. Best et al. 2023) und verdeutlichen sowohl die hohe Volatilität von Vertrauens- und Zufriedenheitswerten als auch den Umstand, dass lang aufgebaute Unterstützungswerte in Kürze verschleißen können. Zukünftige Analysen werden zeigen, ob dieser „Einbruch“ der Werte nur temporär ist und sich im Wesentlichen durch die – zum Zeitpunkt der Erhebung im Herbst 2022 – vorherrschende Vielfachkrise aus russischem Angriffskrieg auf die Ukraine, hoher Inflation und hohen Energiepreisen erklärt. Positiv ist jedoch anzumerken, dass das Vertrauen in die regulativen Institutionen und v. a. auch die Unterstützung der Idee der Demokratie trotz Dauerstresstest kaum abgesunken ist und somit die grundsätzliche Unterstützung der Demokratie stabil und weiterhin auf einem sehr hohen Niveau ist.

Mit Blick auf die Determinanten der politischen Unterstützung bestätigen sich für Thüringen Erkenntnisse anderer Studien (u. a. Braun und Trüdinger 2023; Pickel und Pickel 2023; Tausendpfund 2021). So stellen auch im Thüringer Fall die Performanz- sowie Deprivations- und eingeschränkt auch die Sozialisationshypothese erklärungsstarke Ansätze zur Bestimmung politischer Unterstützung dar.

Ein lohnenswerter und spannender Ansatz für künftige Forschungsvorhaben, wäre schließlich die Zusammenfassung von Individual- und Aggregatdaten in einem Mehrebenenmodell. So könnten einerseits noch weitere und in diesem Beitrag nicht untersuchte Erklärungsansätze politischer Unterstützung sowie andererseits auch die Hypothese möglicher abgehängter Regionen umfassender und methodisch kontrastierend beleuchtet werden.