1 Thema und Forschungsfragen

Angesichts des Ziels der Erhöhung des Grundbildungsniveaus Erwachsener in Deutschland steigen die Erwartungen an das Zusammenwirken verschiedener beteiligter Akteurinnen und Akteure aus Bildung, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft in der Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung (2016–2026) (BMBF und KMK 2017). Aktuelle Studien der Alphabetisierung und Grundbildung (AuG) verdeutlichen bereits die Relevanz des handelnden Zusammenwirkens verschiedener Akteurinnen und Akteure und zeigen bspw. im Zusammenhang mit Ansprachestrategien, dass es lohnenswert ist, neben institutionellen Akteurinnen und Akteuren auch das private Umfeld der Zielgruppe und die breite Öffentlichkeit einzubinden (Mania et al. 2022). Als besonders bedeutsam haben sich Multiplikatorinnen und Multiplikatoren (Tröster et al. 2018) und das mitwissende Umfeld (Riekmann et al. 2016) herausgestellt, da diese Akteurinnen und Akteure aufgrund ihrer beruflichen bzw. privaten Eingebundenheit Kontakt zu potenziellen Lernenden haben. Obwohl das Teilnahmeverhalten im Zentrum aktueller Diskurse um AuG steht, bleibt die Frage offen, inwiefern verschiedene Akteurinnen und Akteure neben der Zielgruppenansprache und -gewinnung auch in Bemühungen zum Umgang mit Kursabbrüchen (Drop-out) eingebunden werden und was deren handelndes Zusammenwirken auf Mikro‑, Meso-, und Makroebene (z. B. Boeren 2017) und Mega-Level (z. B. Egetenmeyer et al. 2017) charakterisiert. Unter Drop-out wird dabei ein Phänomen verstanden, „bei welchem Personen, die zu einer Weiterbildungsmaßnahme angemeldet sind und bis zu einem bestimmten Zeitpunkt an ihr teilnehmen, ihre Teilnahme vor regulärem Ende dieser Maßnahme einstellen“ (Hoffmann et al. 2020, S. 34).

Dem Beitrag liegt das Ziel zugrunde, konkrete Umgangsstrategien mit Drop-out unter Berücksichtigung verschiedener Akteurskonstellationen der AuG zu analysieren. Dabei wird das handelnde Zusammenwirken relevanter Akteurinnen und Akteure untersucht, welches konkrete Handlungskapazitäten und -optionen sowie Erwartungen der Akteurinnen und Akteure einschließt (Kussau und Brüsemeister 2007). Folgende Forschungsfragen werden aufgeworfen:

  1. 1.

    Forschungsfrage 1 (FF1): Welche relevanten Akteurinnen und Akteure werden von Dozierenden und Bildungsplanenden im Umgang mit Drop-out in der AuG benannt?

  2. 2.

    Forschungsfrage 2 (FF2): Wie ist deren handelndes Zusammenwirken im Umgang mit Drop-out in der AuG gekennzeichnet?

Bezugnehmend auf den aktuellen Forschungsstand zum Umgang mit Drop-out in der Erwachsenenbildung (Abschn. 2) werden zunächst die theoretischen Ausführungen zur Educational Governance und zum akteurszentrierten Institutionalismus dargelegt (Abschn. 3). Im Fokus der empirischen Analysen stehen die Perspektiven von Dozierenden und Bildungsplanenden, die auf Interviewdaten aus dem aktuell laufenden Forschungsprojekt „Drop-out in der Alphabetisierung und Grundbildung – Analyse von Ursachen und Präventionsmöglichkeiten“ (DRAG) basieren (Abschn. 4). In einem ersten Schritt werden aus dem empirischen Material heraus alle beteiligten Akteurinnen und Akteure sowie Akteursgruppen identifiziert (Abschn. 5.1). Sodann wird deren handelndes Zusammenwirken differenzierend auf zugrundeliegende Handlungsstrategien untersucht (Abschn. 5.2). Abschließend wird diskutiert, wie sich das handelnde Zusammenwirken dieser Akteurinnen und Akteure im Umgang mit Drop-out ausgestaltet und innerhalb des Mehrebenensystems verorten lässt. Daraus können mögliche Implikationen für die Weiterbildungspraxis und Bildungsforschung abgeleitet werden (Abschn. 6).

2 Forschungsstand zu Drop-out in der AuG

Die Weiterbildungsforschung verweist bereits auf eine Vielzahl an ursächlichen Faktoren für Drop-out: Das vielschichtige Phänomen sei auf individuelle (z. B. Garrison 1988; Boshier 1973), situative (z. B. Darkenwald und Gavin 1987) und institutionelle (z. B. Tinto 1993) Ursachen zurückzuführen. Der Kursabbruch stelle die Folge des Zusammenwirkens verschiedener Ereignisse dar (z. B. Gruber 1985) und müsse aufgrund der großen Heterogenität in der Erwachsenenbildung bereichsspezifisch betrachtet werden (Hoffmann et al. 2020). Die Beendigung einer Kursteilnahme aufgrund des erfolgreichen Erreichens individueller Lernziele wird in der AuG nicht als Kursabbruch behandelt und ist daher vom Phänomen Drop-out abzugrenzen (u. a. Von Rosenbladt und Bilger 2011). Anders als in vielen Bereichen der Erwachsenenbildung lasse sich im spezifischen Bereich der AuG das Ende eines Kursbesuchs nur schwer bestimmen (Egloff et al. 2009), da in diesem Bereich eine hohe Kursstabilität zu verzeichnen sei und damit viele Teilnehmende auch Folgekurse (meist bei den gleichen Dozierenden) besuchen (Von Rosenbladt und Bilger 2011). Daher gilt der Übergang zum Folgekurs als kritischer Zeitpunkt hinsichtlich der Verstetigung der Teilnahme (Thomas 1990). Vor diesem Hintergrund wird auch die langjährige Teilnahme an Kursen in Form eines „Verharrens im Kurs“ (Egloff et al. 2009, S. 17) kritisch diskutiert: Um dem Entstehen von Abhängigkeitsverhältnissen seitens der Teilnehmenden entgegenzuwirken, wird dem biographischen Übergangsmanagement (Begleitung des Übergangs vom Kurs in den Alltag) auch hinsichtlich der Professionalisierung von Lehrkräften eine besondere Bedeutung zugeschrieben (ebd., S. 20).

Nach Pickard (2013) lassen sich in der empirischen Forschung zu AuG zwei Perspektiven des Umgangs mit Drop-out unterscheiden: Manche Studien orientieren sich an der „control perspective“ und behandeln das Phänomen damit als (von Dozierenden und Bildungsplanenden potenziell durch geeignete Maßnahmen beeinflussbares) „Problem“ des geringen Durchhaltevermögens der Lernenden (ebd., S. 118). Aufgezeigte Ansatzpunkte zur Erhöhung des Verbleibs setzen bei situativen (z. B. bzgl. der Programmstruktur wie Unterrichtszeiten, Transport- und Kinderbetreuungskosten) (u. a. Nicolson und Otto 1966; Weisel et al. 1980) und dispositionalen Barrieren der Teilnehmenden (z. B. bzgl. Überzeugungen und Einstellungen der Lernenden) an (Ziegler 2006; Pickard 2013). Davon abzugrenzen seien Studien, die den Fokus vom pädagogischen Einflussbereich auf soziale, kulturelle und persönliche Kontexte der Lernenden verlagern. Studien, die dieser „acknowledgement and accommodation perspective“ zuzuordnen sind, widmen sich demnach den Vorstellungen der Lernenden über Persistenz (z. B. Egloff et al. 2009) oder auch den kulturellen und persönlichen Kontexten bzw. Möglichkeiten der Lernenden (z. B. Sparks 1994).

Nach Gruber (1985) lassen sich drei gängige Umgangsformen von Dozierenden mit dem Phänomen Drop-out festhalten: Verhinderung, Reduzierung und Akzeptanz (ebd. S. 4). Demnach haben Dozierende mit Blick auf Verhinderung von Drop-out bei „organisatorischen/institutionellen Problemen […] indirekte Einflussmöglichkeiten, indem […] [sie z. B. versuchen] mit der Institution Kontakt aufzunehmen und sie über die Schwierigkeiten zu informieren“ (Gruber 1992, S. 130). Bei Ursachen, die im Kurs oder in den Bedingungen der Lehr‑/Lernsituation zu verorten sind, bestehen stattdessen – unter Berücksichtigung der „Eigen- und Mitverantwortung“ (ebd., S. 130) der Teilnehmenden – direkte Einflussmöglichkeiten zur Verhinderung von Drop-out. Zur Reduzierung des Problems stellt Gruber einen Maßnahmenkatalog zusammen, der verschiedene Handlungsmöglichkeiten für Dozierende im Umgang mit Kursabbruch aufzeigt (ebd, S. 130ff): Die Maßnahmen zur Reduktion von Abbrüchen beziehen sich insbesondere auf die didaktische Planung des Kurses und den Umgang mit den Teilnehmenden. In Abgrenzung zu diesen beiden Umgangsformen betont Gruber (1992) die Bedeutung der Akzeptanz von Abbruchsentscheidungen, die durch nicht in der Lehr‑/Lernsituation beeinflussbare, andere Faktoren entstehen:

„Eine pädagogische Bearbeitung des Phänomens ‚Kursabbruch‘ zielt nicht eindimensional auf eine Verhinderung des Abbruchs, sondern vielmehr auf ein Erkennen, Akzeptieren und Auseinandersetzen mit den pädagogischen Problemaspekten und Suchen einer Lösung in der pädagogischen Situation. […] Eine Diskussion des Phänomens Kursabbruch wäre verkürzt, die nur auf Reduzierung, Verhinderung des Abbruchs hinausliefe.“ (ebd. S. 3f.)

Auch wenn der Möglichkeitsraum der Dozierenden nicht überschätzt werden sollte und es für Dozierende darauf ankomme, die Grenzen des eigenen pädagogischen Einflussbereichs zu erkennen (Gruber 1985; Nuissl und Sutter 1979), stellt sich dennoch die Frage nach Einflussmöglichkeiten weiterer Akteurinnen und Akteure (z. B. seitens des Weiterbildungsanbieters) (Hoffmann et al. 2020).

3 Educational Governance und akteurzentrierter Institutionalismus als theoretische Grundlage

Zur Identifikation relevanter Akteurinnen und Akteure im Kontext von Kursabbrüchen in der AuG und der anschließenden Beschreibung ihrer Umgangsweisen mit dem Phänomen wird im Folgenden die theoretische Perspektive der Educational Governance herangezogen. Educational Governance nimmt Steuerungs- und Regulationsprozesse von Bildungseinrichtungen in den Blick und hinterfragt ihr Zustandekommen unter Berücksichtigung der Handlungskoordination zwischen den beteiligten Akteurinnen und Akteuren (Maag Merki et al. 2015). Durch die theoretische Perspektive der Educational Governance kann das Entstehen sozialer Ordnungen innerhalb spezifischer Kontexte (z. B. in Gemeinschaften oder Institutionen) analysiert werden, indem die in ihnen eingebetteten Akteurinnen und Akteure in den Blick genommen werden (Schimank 2007). Im Beitrag soll der Umgang mit Drop-out unter Berücksichtigung dieser theoretischen Rahmung betrachtet werden, da im Feld der AuG Interdependenzen und Zuständigkeiten verschiedener Akteurinnen und Akteure u. a. im Kontext der Erforschung des Teilnahmeverhaltens beobachtet werden (Mania et al. 2022).

3.1 Educational Governance

Nach Anwendung der Governance-Perspektive zur Analyse schulischer Kontexte hat sich ihr Mehrwert mittlerweile auch für die Weiterbildungsforschung gezeigt: „Die Governance-Perspektive eröffnet der Weiterbildungsforschung einen systematischen Blick auf die vielfältigen, an der Regulation beteiligten Akteurinnen und Akteure und die Prozesse der Handlungskoordination zwischen ihnen“ (Schemmann 2014, S. 127). In Anlehnung daran können die sozialen Praxen von Weiterbildungseinrichtungen in den Blick genommen werden, aus denen das handelnde Zusammenwirken relevanter Akteurinnen und Akteure hervorgeht (Schimank 2007), sodass „wie auch immer zustande gekommene Regelungsstrukture[n] und ihre Wirkung auf das Handeln der ihr unterworfenen Akteurinnen und Akteure“ (Maag Merki und Altrichter 2015, S. 397) ermittelt werden können.

Um wie im Folgenden das handelnde Zusammenwirken von Akteurinnen und Akteuren in der Praxis der AuG zu identifizieren, wird das Rahmenmodell zur Steuerung im Mehrebenensystem der Weiterbildung nach Schrader (2008) herangezogen (Abb. 1). In der weiteren Analyse dient das Modell als Bezugsrahmen zur Verortung von Akteurinnen und Akteuren, die aus Sicht von Dozierenden und Bildungsplanenden auf verschiedenen Handlungsebenen der Weiterbildung auf den konkreten Umgang mit Drop-out einwirken.

Abb. 1
figure 1

Rahmenmodell zur Steuerung im Mehrebenensystem der Weiterbildung. (Schrader 2008)

3.2 Akteurszentrierter Institutionalismus

Neben der theoretischen Perspektive der Educational Governance als übergeordnetem Rahmen wird auf den akteurszentrierten Institutionalismus zurückgegriffen. Beide Ansätze sind politikwissenschaftlichen Ursprungs und weisen große analytische Überschneidungen auf, da sie Akteurinnen und Akteure in Mehrebenensystemen, ihre Interdependenzen und das Zustandekommen ihrer Handlungskoordinationen analytisch betrachten (Knauber und Ioannidou 2016). Der akteurszentrierte Institutionalismus versteht Institutionen als soziale Praxen, die aus dem handelnden Zusammenwirken ihrer Akteurinnen und Akteure hervorgehen (Schimank 2007). In Anlehnung daran sind soziale Phänomene grundsätzlich als Ergebnis „von Interaktionen zwischen intentional handelnden – individuellen, kollektiven oder korporativen – Akteuren“ zu betrachten, wobei „diese Interaktionen […] durch den institutionellen Kontext, in dem sie stattfinden strukturiert und ihre Ergebnisse dadurch beeinflusst“ (Scharpf 2006, S. 17) werden. Dem akteurszentrierten Institutionalismus folgend agieren Akteurinnen und Akteure rational innerhalb ihrer jeweiligen institutionellen Logiken. Insbesondere individuelle Akteurinnen und Akteure handeln dabei eigennützig und im Sinne ihrer eigenen Interessen, während die Handlungen kollektiver Akteurinnen und Akteure eher strategisch zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels ausgerichtet sind. Komplexe oder auch korporative Akteurinnen und Akteure dagegen setzen sich von der Eigennützigkeit ihres Handelns ab und agieren im Interesse vorgegebener Richtlinien (wie Arbeitsverträgen etc.), die ihr Handeln neutralisieren (Ioannidou 2010). Unter Bezugnahme auf das beschriebene Mehrebenensystem der Weiterbildung lässt sich erkennen, welche Akteursgruppe auf welcher Handlungsebene operiert, wie sich ihr zweckgerichtetes Handeln davon jeweils ableiten lässt und welche Interdependenzen zwischen Akteurinnen und Akteuren entstehen. Das handelnde Zusammenwirken von Akteurinnen und Akteuren kennzeichnet sich der Theorie zu Folge nicht nur durch Kooperationen und gegenseitige Abstimmungsprozesse aus, sondern öffnet auch den Möglichkeitsraum für Konflikte und sich widersprechende Interessen der Handlungsebenen.

3.3 Empirische Befundlage

In Anlehnung an die Educational Governance und den akteurszentrierten Institutionalismus kann festgehalten werden, dass die Leistungen von Weiterbildungsorganisationen das Ergebnis der erfolgreichen Koordination der beteiligten Akteurinnen und Akteure darstellen (Schrader 2008; Boeren 2009). Auch für das Feld der AuG wird davon ausgegangen, dass die Interdependenzen ihrer Akteurinnen und Akteure von ihrem jeweiligen zweckgerichteten Handeln bestimmt ist. Davon abgeleitet ergeben sich für die AuG spezifische Handlungskoordinationen, die sich aus weiterbildungsinternen und -externen Regulationsprozessen ableiten lassen. In diesem Kontext sind bereits empirische Studien entstanden, die durch die Perspektive der Educational Governance Steuerungsprozesse in der Grundbildung untersuchen. Bickeböller (2022) ermittelt bspw. verschiedene Formen der Handlungskoordination beteiligter Akteurinnen und Akteure innerhalb regionaler Kooperations- und Netzwerkstrukturen für die AuG. Koller et al. (2021) systematisieren Akteursstrukturen entlang des Mehrebenenmodells für die arbeitsorientierte Grundbildung und identifizieren damit spezifische Akteurinnen und Akteure, die insbesondere das organisationale Umfeld der Organisationen abdecken. Euringer (2016) untersucht Akteurskonstellationen und Netzwerke im Kontext der Erforschung des Grundbildungsverständnisses der öffentlichen Bildungsverwaltung. Die Studien nehmen dabei insbesondere die Strukturen in den Blick, in die Weiterbildungseinrichtungen eingebettet sind und von denen das handelnde Zusammenwirken beteiligter Akteurinnen und Akteure sowie ihre jeweiligen Konstellationen bestimmt sind.

Im Fokus der vorliegenden Interviewstudie liegen dagegen die Perspektiven von Akteurinnen und Akteuren auf der Leistungsebene der AuG (Dozierende und Bildungsplanende), wobei sich die empirischen Befunde auf jene Akteurinnen und Akteure beziehen, die von Dozierenden und Bildungsplanenden als relevant im konkreten Umgang mit Drop-out benannt werden. Anhand der ersten Forschungsfrage (FF1) wird beantwortet, welche Akteurinnen und Akteure von Dozierenden und Bildungsplanenden im Umgang mit Drop-out in der AuG als relevant benannt werden und wo sich diese Akteurinnen und Akteure im Mehrebenensystem der Weiterbildung verorten lassen. Durch die Beantwortung der zweite Forschungsfrage (FF2) wird anschließend festgestellt, wie sich das handelnde Zusammenwirken dieser Akteurinnen und Akteure im Umgang mit Drop-out in der AuG aus der Perspektive von Dozierenden und Bildungsplanenden kennzeichnen lässt.

4 Methodisches Design: Interviews mit Expertinnen und Experten

Im Beitrag stehen Ergebnisse einer aktuellen mehrperspektivischen Interviewstudie des Forschungsprojekts DRAG im Fokus. Es wurden leitfadengestützte Interviews mit Expertinnen und Experten nach Gläser und Laudel (2010) mit Personen geführt, die „aufgrund ihrer Beteiligung Expertenwissen“ (Gläser und Laudel 2010, S. 11) über soziale Sachverhalte besitzen. Gegenübergestellt werden neun Interviews mit Bildungsplanenden auf Ebene der Organisation der Weiterbildung (Schrader 2008) und dreizehn Interviews mit Dozierenden auf Ebene der Lehr-Lernprozesse der AuG (Schrader 2008). Das Sample wurde nach dem Prinzip der Varianzmaximierung (Patton 1990) ausgewählt (relevante Auswahlkriterien: Zentrale Akteurinnen und Akteure, öffentliche und freie Träger, Ausrichtung des Angebots). Zunächst wurden Interviews mit neun Bildungsplanenden im Bereich der AuG geführt. Im Anschluss wurden in sechs der gleichen Einrichtungen Interviews mit acht Dozierenden von AuG-Angeboten geführt. Nicht in allen Weiterbildungseinrichtungen konnten Interviews mit sowohl Dozierenden als auch Bildungsplanenden geführt werden. Das Sample konnte dennoch mit fünf Dozierenden aus fünf weiteren Einrichtungen ergänzt werden, die sich zur Teilnahme an der Studie bereiterklärt haben (Tab. 1).

Tab. 1 Zugehörigkeit der interviewten Personen zu Weiterbildungseinrichtungen

Das Interviewmaterial wurde mittels der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse, angelehnt an Kuckartz (2014), untersucht. Das entwickelte Kategoriensystem konnte in seinen Haupt- und Subkategorien auf beide Datenkorpora (Interviews mit Bildungsplanenden und Interviews mit Dozierenden) angewendet werden, während sich die Ausprägungen der Sub-Subkategorien in beiden Datenmaterialien unterscheiden. Als Analyseeinheit für diesen Beitrag wurde die Hauptkategorie Strategien zum Umgang mit Drop-out herangezogen. Die über die spezifische Hauptkategorie der beiden Datenkorpora berechnete Intercoder-Reliabilität (Cohen 1960; Krippendorff 2004) liegt bei einem guten Cohens-Kappa-Wert von 0,69 (Interviews mit Bildungsplanenden) bzw. 0,74 (Interviews mit Dozierenden). Die drei deduktiv gebildeten Subkategorien Akzeptanz, Reduzierung und Verhinderung (angelehnt an Gruber 1985, 1992) konnten durch die vorliegende Interviewstudie auf das spezifische Feld der AuG angewandt werden. Anhand des empirischen Materials wurden insbesondere die Subkategorien Reduzierung und Verhinderung induktiv weiter ausdifferenziert. Des Weiteren wurden die Textsegmente mit Subkategorien zu den verschiedenen Ebenen des Mehrebenensystems (Schrader 2008) doppelt codiert, insofern Akteurinnen und Akteure auf diesen Ebenen benannt wurden.

In einem zweiten, systematisierenden Analyseschritt wurden relevante Akteurinnen und Akteure und deren handelndes Zusammenwirken entlang des Mehrebenensystems nach Schrader (2008) anhand inhaltlicher Matrizen (Kuckartz und Rädiker 2020, S. 76) herausgearbeitet und in einem dritten Schritt durch „Concept-Maps“ (ebd., S. 80) visualisiert. So konnten die Ausprägungen der jeweiligen Subkategorien verdichtet werden: In vergleichenden Analysen des Interviewmaterials wurden die drei Strategien Akzeptanz, Reduzierung und Verhinderung zum Umgang mit Drop-out sowohl entlang beschriebener Handlungen der unterschiedlichen Akteurinnen und Akteure als auch formulierter Erwartungen an andere Akteurinnen und Akteure aus Perspektive der Befragten untersucht.

5 Akteurinnen und Akteure und Umgangsstrategien mit Drop-out in der AuG

Wie im dritten Kapitel dargestellt, sind für die Praxis der AuG eine Vielzahl von Akteurinnen und Akteuren und Akteurskonstellationen relevant (Euringer 2016; Koller et al. 2021, Bickeböller 2022). In vorangegangenen Untersuchungen hat sich gezeigt, dass sich das Rahmenmodell zur Steuerung im Mehrebenensystem der Weiterbildung nach Schrader (2008) eignet, um Akteurinnen und Akteure unterschiedlicher Handlungsebenen im Feld der Grundbildung strukturiert darzustellen (z. B. Koller et al. 2021). Basierend auf den mehrperspektivischen Analysen werden im Folgenden zunächst die relevanten Akteurinnen und Akteure im Umgang mit Drop-out in der AuG innerhalb des Mehrebenensystems der Weiterbildung dargestellt (Abschn. 5.1). Anschließend wird das handelnde Zusammenwirken dieser Akteurinnen und Akteure aus Sicht von Dozierenden und Bildungsplanenden im Umgang mit dem Phänomen beschrieben (Abschn. 5.2).

5.1 Akteurinnen und Akteure im Umgang mit Drop-out in der AuG

Das empirische Material gibt Aufschluss darüber, welche Akteurinnen und Akteure aus der Perspektive von Dozierenden und Bildungsplanenden Einfluss auf Kursabbrüche im Feld der AuG haben. In Abb. 2 sind jene Akteurinnen und Akteure aufgeführt, die in diesem Zusammenhang von Dozierenden und Bildungsplanenden benannt werden. Zudem zeigt die Darstellung, auf welcher Handlungsebene die entsprechenden Akteurinnen und Akteure zu verorten sind: Auf der Lehr-Lernebene lassen sich im Zusammenhang mit Drop-out insbesondere die Teilnehmenden (bzw. Kursgruppe) und Dozierenden verorten. Auf der Ebene der Organisation der Weiterbildung werden Bildungsplanende (z. B. Fachbereichsleitungen) benannt. „Andere Dozierende“ werden von den befragten Akteurinnen und Akteuren als ihr persönliches Netzwerk bestehend aus Kolleginnen und Kollegen der eigenen und anderen Einrichtungen beschrieben: Sie bilden damit eine Schnittstelle zwischen den Ebenen Organisation der Weiterbildung und Unmittelbare Umwelt der Organisationen. Zur Unmittelbaren Umwelt der Organisationen zählen neben anderen Weiterbildungseinrichtungen auch sog. „Brückenpartner“, wie bspw. sozialpädagogische Einrichtungen oder das Jobcenter als Vermittlungsstelle zwischen Teilnehmenden und Angeboten, die als institutionelles Umfeld von Grundbildungskursen Einfluss auf Drop-out in der AuG haben können. Auf dieser Ebene lassen sich auch das private Umfeld der Teilnehmenden sowie ehemalige Teilnehmende verorten, die in Kontakt zur Einrichtung oder anderen Akteurinnen und Akteuren der AuG stehen. Die bildungspolitische Ebene wird von Dozierenden und Bildungsplanenden zwar als rahmengebende Instanz für das eigene Handeln in der AuG benannt, konkrete Akteurinnen und Akteure, die für den Umgang mit Drop-out im Feld relevant werden, konnten an der Stelle allerdings nicht ermittelt werden. Die Vielzahl der benannten Akteurinnen und Akteure macht die Komplexität des Handelns im Umgang mit Drop-out deutlich.

Abb. 2
figure 2

Übersicht der Akteurinnen und Akteure zum Umgang mit Drop-out in der AuG. (Eigene Darstellung in Anlehnung an das Rahmenmodell zur Steuerung im Mehrebenensystem der Weiterbildung nach Schrader 2008)

Es kann davon ausgegangen werden, dass die beteiligten Akteurinnen und Akteure unterschiedliche Strategien im Umgang mit Drop-out in der AuG verfolgen. Offen ist, wie sich das handelnde Zusammenwirken dieser Akteurinnen und Akteure im konkreten Fall von Kursabbrüchen gestaltet. Im Fokus der folgenden Analysen stehen dabei die Perspektiven von Dozierenden und Bildungsplanenden sowie die Frage, welche steuernden Einflüsse im Hinblick auf Kursabbrüche von diesen beiden Akteursgruppen wahrgenommen werden. Neben den eigenen Umgangsstrategien mit Drop-out und damit einhergehenden wechselseitigen Koordinations- bzw. Abstimmungsprozessen werden auch gegenseitige Erwartungen der Akteursgruppen an die jeweils andere formuliert. Insgesamt lassen sich so die spezifischen Regulierungs- und Steuerungsverhältnisse herausarbeiten, die beim Umgang mit Drop-out in der AuG relevant werden.

5.2 Das handelnde Zusammenwirken der Akteurinnen und Akteure im Umgang mit Drop-out

Die von Gruber (1985) aufgeworfenen Handlungsstrategien von Dozierenden im Umgang mit Drop-out („Akzeptanz“, „Reduzierung“ und „Verhinderung“) lassen sich in der hier vorliegenden Studie anhand der Analyse der Interviews mit Dozierenden und Bildungsplanenden bestätigen. Somit können beide Perspektiven bzgl. ihrer Handlungsstrategien gegenübergestellt und wechselseitige Erwartungen herausgearbeitet werden. Wie sich das handelnde Zusammenwirken dieser beiden Akteursgruppen jeweils kennzeichnet, wird im Folgenden anhand der drei Strategien Akzeptanz, Reduzierung und Verhinderung dargestellt. Darüber hinaus wird in der Ergebnisdarstellung die Involviertheit der in Abschn. 5.1 genannten weiteren Akteurinnen und Akteure bei den jeweiligen Handlungsstrategien herausgestellt.

5.2.1 Akzeptanz

Akzeptanz als Umgangsstrategie mit Kursabbrüchen bedeutet nach Gruber (1985), dass „die Abbruchsentscheidung durch andere Faktoren geprägt sein kann, die mit der Lehr‑/Lernsituation nicht in Verbindung stehen bzw. unvereinbar sind. Entscheidend ist die Transparenz bzw. Problemanalyse, die Reflexion des Kursabbruchs in der pädagogischen Situation“ (ebd., S. 3). In der AuG berichten sowohl Dozierende als auch Bildungsplanende, dass Drop-out dann akzeptiert wird, wenn sich die Ursachen weder im Lehr‑/Lernkontext, noch im organisationalen Kontext, sondern in den individuellen Lebenskontexten der Teilnehmenden verorten lassen. „Es ist natürlich auch ein Druck von unterschiedlichen Seiten [da]. […] Aber/also, wir verurteilen nicht. Wir können nur anbieten. Wir können nur unterstützen. Und alles Weitere ist dann freiwillig“ (Bildungsplanung 1, 91). Die befragten Akteurinnen und Akteure verweisen hier u. a. auf die Grenzen ihrer beruflichen Verantwortung: In diesem Zusammenhang wird das Prinzip der freiwilligen Teilnahme als handlungsleitende Maxime in der Erwachsenenbildung angeführt, dessen Wahrung auch von Bildungsplanenden als Erwartung an die Dozierenden herangetragen wird.

Weiter artikulieren die Befragten Verständnis für Kursabbrüche. Sie stimmen sich dabei wechselseitig über nachvollziehbare Gründe ab, vor deren Hintergrund Teilnehmende entscheiden, nicht weiter an Kursen teilzunehmen: Darunter fallen unpassende Lebensumstände, das Erreichen subjektiver Lernziele, der Übergang in die Erwerbsarbeit oder in einen anderen Kurs, sowie die Nicht-Passung zwischen Teilnehmenden und Dozierenden. Insbesondere strukturelle Ursachen von Drop-out liegen außerhalb des Einflussbereichs der Organisationen und der in ihr tätigen Akteurinnen und Akteure.

Auch wenn Drop-out in diesen Fällen von Dozierenden und Bildungsplanenden akzeptiert wird, geht aus dem Material hervor, dass beide Akteursgruppen den Abbrechern und Abbrecherinnen einen Wiedereinstieg in die Angebote bei Bedarf ermöglichen und versuchen den Kontakt zu ehemaligen Teilnehmenden zu halten.

Zusammenfassend lässt sich die Umgangsstrategie der „Akzeptanz“ aus Sicht von Dozierenden und Bildungsplanenden folgendermaßen ausdifferenzieren:

  • Aus Perspektive von Dozierenden und Bildungsplanenden gibt es nachvollziehbare – insbesondere lebenskontextuelle – Gründe, vor deren Hintergrund Teilnehmende entscheiden, nicht weiter zum Kurs zu kommen.

  • Die Einflussnahme auf die Teilnahme hat Grenzen der eigenen beruflichen Verantwortung für Dozierende und Bildungsplanende, die u. a. von ihrem individuellen Rollenverständnis abhängig sind.

  • Den Teilnehmenden wird eine hohe Eigenverantwortung bezüglich der Entscheidung zur Teilnahme zugeschrieben, da das Grundprinzip der Freiwilligkeit in der Erwachsenenbildung gewahrt werden soll.

5.2.2 Reduzierung

Unter „Reduzierung“ von Drop-out werden in Anlehnung an Gruber (1992) alle Maßnahmen von Dozierenden und Bildungsplanenden gefasst, die dazu beitragen sollten, Kursabbrüche zu minimieren. Zur präventiven Reduzierung von Drop-out werden hierbei Drop-out Ursachen sowohl in der Organisation als auch in den individuellen Lebenskontexten der Zielgruppen gesucht: „Man muss diese Menschen noch besser, auch von den Rahmenbedingungen her, unterstützen können und das eben [nicht] nur auf den Schultern der Dozenten [ausruhen] […]. [Es herrscht] so ein hoher sozialer Druck auch bei den Teilnehmenden“ (Dozentin 4, 130). Die entwickelten Maßnahmen der Bildungsplanenden beziehen sich v. a. auf die bedarfsorientierte Anpassung der Kursbedingungen (z. B. lebensweltnahe Lernorte, geringe Kursgebühren und die Gewährleistung von Kontinuität der Angebote). Der Austausch zwischen Dozierenden und Bildungsplanenden über Zielgruppen der AuG wird von beiden befragten Akteursgruppen als relevant für die Reduzierung von Drop-out eingestuft. Dennoch sind es vor allem die Bildungsplanenden, die als Akteurinnen und Akteure auf der Organisationsebene von den Dozierenden in die Verantwortung für die Konzeptionierung von Kursen gezogen werden, durch die eine dauerhafte Teilnahme für möglichst viele Personen ermöglicht werden soll.

Darüber hinaus können andere sog. „Brückenpartner“ (Bildungsplanung 2, 13) (z. B. Akteurinnen und Akteure in Gesundheitszentren, Jobcenter, Kindergärten etc.) die Voraussetzungen für eine dauerhafte Teilnahme schaffen, wenn teilnahmeverhindernde Faktoren in den Lebenskontexten von Teilnehmenden verortet werden können. Insbesondere Bildungsplanende teilen zielgruppenspezifisches Wissen mit externen Akteurinnen und Akteuren, um einerseits Zugänge zur Lebenswelt der Zielgruppe zu schaffen und andererseits Übergänge in weiterführende Kursformate durch Kooperation herzustellen.

Als weitere Maßnahme zur Reduzierung wird sowohl von Dozierenden als auch von Bildungsplanenden wiederholt auf die Relevanz einer sozialpädagogischen Begleitung der Zielgruppen der AuG hingewiesen: „Das ist auch etwas, was man auch als fehlend benennen kann. Eine sozialpädagogische Beratung, die auf kurzem Wege in Anspruch genommen werden könnte“ (Bildungsplanung 1, 80). Aus Sicht der Dozierenden müssen hierfür der finanzielle Rahmen und die Verantwortlichkeiten seitens der Einrichtung geklärt werden. Dozierende stoßen hier an die Grenzen ihrer persönlichen und beruflichen Verantwortung und erwarten Maßnahmen zur Reduzierung von Drop-out insbesondere auf anderen Handlungsebenen (v. a. auf Ebene der Weiterbildungsorganisationen bzw. auf Ebene der nationalen/supranationalen Bildungspolitik). Generell wird die gesellschaftliche Sensibilisierung für AuG und die Relevanz der Anerkennung von AuG-Arbeit auf verschiedenen Ebenen zur Reduzierung von Drop-out betont.

Die Begleitung beim Kurseinstieg und Unterstützung der Teilnehmenden bei der Überwindung potenzieller Hemmschwellen (z. B. indem die Zusammenstellung der Kursgruppe bei der Planung berücksichtigt wird) beschreiben Bildungsplanende als wichtige Maßnahmen. Weiter setzen sie gewisse Kompetenzen bei ihren Dozierenden voraus, die sich bspw. auf einen sensiblen Umgang mit den Zielgruppen der AuG beziehen. Darüber hinaus werden auf die Zielgruppen der AuG abgestimmte Unterstützungsstrukturen (z. B. Beschwerdemanagement) eingerichtet, durch die die Zufriedenheit von Teilnehmenden erhöht werden soll. Eine hohe Bedeutung wird außerdem dem realistischen Erwartungsmanagement auf verschiedenen Ebenen zugesprochen, welches vor allem von Einschränkungen durch finanzielle Fördermodalitäten beeinflusst wird. Es wird gefordert, dass die Fördermodalitäten auch die Realitäten der Weiterbildungseinrichtungen berücksichtigen (z. B. hinsichtlich des Teilnahmeverhaltens der Zielgruppe, der Beschäftigungsverhältnisse und Professionalitätsanforderungen). Im Kursgeschehen gleichen Dozierende die Erwartungen der Teilnehmenden hinsichtlich deren individuellen Kurszielen und realistisch erreichbaren Lernzielen ab.

Zusammenfassend lässt sich die Umgangsstrategie der Reduzierung aus Sicht von Dozierenden und Bildungsplanenden folgendermaßen begründen:

  • Die Verantwortung, präventiv gegen Drop-out vorzugehen, liegt v. a. bei den Bildungsplanenden, indem Kursbedingungen optimiert werden, sodass eine dauerhafte Teilnahme für möglichst viele Teilnehmende ermöglicht wird.

  • Es werden auf die Zielgruppen der AuG abgestimmte Unterstützungsstrukturen eingerichtet, die dazu beitragen sollen die Bereitschaft zur Teilnahme zu erhöhen und die Teilnahme zu ermöglichen bzw. zu verstetigen. Dabei wird von den Bildungsplanenden insbesondere der Kurseinstieg individuell begleitet.

  • Die Dozierenden und Bildungsplanenden stehen im Austausch über die Zielgruppen und Teilnehmenden der Kurse. Zielgruppenspezifisches Wissen wird darüber hinaus auch mit sog. „Brückenpartnern“ geteilt, die einerseits Zugänge zur Lebenswelt der Zielgruppen schaffen und Übergänge in weiterführende Kursformate durch Kooperation herstellen.

  • Die Dozierenden betreiben Erwartungsmanagement zwischen individuellen Kurszielen der Teilnehmenden und realistisch erreichbaren Lernzielen.

  • Darüber hinaus erwarten Dozierende Maßnahmen zur Reduzierung von Drop-out auf anderen Handlungsebenen.

5.2.3 Verhinderung

Unter der Umgangsstrategie „Verhinderung“ von Drop-out werden in Anlehnung an Gruber (1985, 1992) die Reaktion auf einen erfolgten oder drohenden Kursabbruch von Teilnehmenden gefasst. Auf Basis der von Gruber herangezogenen Studien werden hierbei nicht nur die Problemanalysen (Ergründung der Ursachen für den Abbruch) und Reaktionen (z. B. Finden von Lösungen zur Verstetigung der Teilnahme) von Dozierende betrachtet, sondern die Handlungen von Bildungsplanenden miteinbezogen.

Maßnahmen zur Verhinderung finden demnach als Reaktion auf einen erfolgten oder drohenden Drop-out statt und zielen nicht nur auf den Verbleib einer einzelnen Person im Kurs ab, sondern bspw. auch auf das Finden alternativer Lernsettings oder das Ermöglichen einer zukünftigen Kursteilnahme. Sowohl bei der Suche nach Ursachen (Problemanalyse), als auch beim Finden von Lösungen (Reaktion) ist die enge Kooperation zwischen Dozierenden und Bildungsplanenden wichtig. Verlieren bspw. Dozierende den Kontakt zu Teilnehmenden, die nicht mehr im Kurs erscheinen, so werden auch Bildungsplanende in den Versuch der Kontaktwiederherstellung einbezogen: „[Die Dozentinnen und Dozenten haben] da den Kontakt und die melden dann zurück, der und der, die und die waren jetzt schon lange nicht mehr da, die hakt natürlich selbst nach, ja. Dabei übernimmt sie es automatisch, wenn sie nicht mehr weiterkommt und die anderen Teilnehmer dort, dann hake ich auch nochmal nach“ (Bildungsplanung 5, 32).

Dozierende nehmen hier durch den direkten Kontakt zu den Teilnehmenden eine Schlüsselposition ein. Diese ist geknüpft an zielgruppenspezifische Anforderungen, wie bspw. das Wissen um formale Unterstützungsstrukturen, die Auswahl von lebensweltbezogenen Kursinhalten, einer methodisch-didaktischen Flexibilität sowie einer engen Beziehungsarbeit mit den Teilnehmenden. Diese Anforderungen formulieren die Bildungsplanenden u. a. als Erwartungen an Dozierende. Dozierende halten dabei nicht nur den Kontakt zu Personen, die den Kurs abgebrochen haben, sondern tauschen sich auch mit dem privaten Umfeld der Teilnehmenden über die Ermöglichung des Kursbesuchs aus. Zur Vermittlung von (ehemaligen) Teilnehmenden in andere Angebote greifen Dozierende auch auf weitere Angebote der Weiterbildungslandschaft (z. B. von sog. „Brückenpartnern“) oder auf ihr persönliches berufliches Umfeld (z. B. „Andere Dozierende“) zurück.

Die befragten Bildungsplanenden überprüfen die Passung zwischen den Teilnehmenden und dem Kurs und greifen bei Konflikten ggf. steuernd ein, um Drop-out zu verhindern. Darüber hinaus erwarten sie aber auch von der Kursgruppe, dass sich die Teilnehmenden untereinander beim Kursbesuch unterstützen. Die Verhinderung von Drop-out erfolgt auch in Zusammenarbeit mit der Ebene der unmittelbaren Umwelt der Organisation. Bspw. binden Bildungsplanende sog. „Brückenpartner“ in das Finden individueller Lösungen ein und signalisieren ihre Ansprechbarkeit gegenüber Abbrecherinnen und Abbrechern.

Zusammenfassend lässt sich die Umgangsstrategie der Verhinderung aus Sicht von Dozierenden und Bildungsplanenden folgendermaßen differenzieren:

  • Dozierende nehmen durch den direkten Kontakt zu den Teilnehmenden eine Schlüsselposition ein, die an zielgruppenspezifische Anforderungen geknüpft ist.

  • Durch die enge Beziehungsarbeit wissen Dozierende um die Lebenswelten der Teilnehmenden und versuchen das Kursgeschehen individuell auf Bedarfe der Teilnehmenden abzustimmen.

  • Um Drop-out zu verhindern, indem individuelle Lösungsansätze für (drohende) Abbrüche entwickelt werden, hat die Kooperation zwischen Dozierenden und Bildungsplanenden einen hohen Stellenwert. Daraus folgt u. a. der Austausch mit dem unmittelbaren Umfeld der Teilnehmenden oder anderen relevanten Akteurinnen und Akteuren.

  • Die Verhinderung von Drop-out zielt auf den Verbleib im Kurs ab, aber auch auf die Ermöglichung alternativer Lernsettings oder einer zukünftigen Kursteilnahme.

6 Diskussion und abschließende Bemerkungen

Der vorliegende Beitrag zielt unter Rückgriff auf die theoretische Perspektive der Educational Governance sowie den akteurszentrierten Institutionalismus auf die Analyse relevanter Akteurinnen und Akteure im Umgang mit Drop-out in der AuG sowie ihres handelnden Zusammenwirkens. Im folgenden Kapitel werden die zuvor beschriebenen Befunde entlang der zugrundeliegenden Forschungsfragen diskutiert. Finalisiert wird der Beitrag mittels einiger abschließender Bemerkungen zum Ertrag der eigenen Analysen im Kontext der Debatte(n) um AuG als auch sich anschließender Forschungsperspektiven.

Hinsichtlich der ersten Forschungsfrage konnte die Analyse auf Basis des Mehrebenensystems der Weiterbildung zeigen, dass aus Perspektive von Dozierenden und Bildungsplanenden im Umgang mit Drop-out in der AuG, neben einrichtungsinternen Akteurinnen und Akteuren auch vielgestaltige Akteurinnen und Akteure aus der unmittelbaren Umwelt der Weiterbildungsorganisationen relevant werden. Konkret werden hier andere Weiterbildungseinrichtungen, sog. „Brückenpartner“, Abbrecherinnen und Abbrecher, „Andere Dozierende“ sowie das private Umfeld der Teilnehmenden benannt. Erstaunlich ist, dass die interviewten Expertinnen und Experten keine bildungspolitischen Akteurinnen und Akteure als relevant im konkreten Umgang mit Drop-out in der AuG benennen. Dies verwundert, denn in vorangegangenen Studien zur Governance-Forschung im Feld der AuG (Bickeböller 2022) oder arbeitsplatzorientierten Grundbildung (Koller et al. 2021) wurden diese durchaus als einflussreiche Akteurinnen und Akteure markiert. Im herangezogenen empirischen Material wird lediglich hinsichtlich rahmengebender Instanzen für eigenes berufliches Handeln auf unspezifische bildungspolitische Akteurinnen und Akteure verwiesen, dabei wird die Einbettung von Angeboten in Finanzierungsstrukturen als handlungsleitend im Umgang mit Kursabbrüchen von den befragten Akteursgruppen weitestgehend vernachlässigt.

Mit Blick auf die zweite Forschungsfrage wurden in einem weiteren Analyseschritt angelehnt an Gruber (1985, 1992) die Strategien Akzeptanz, Reduzierung und Verhinderung im Umgang mit Drop-out für das spezifische Feld der AuG seitens der Befragten bestätigt. Dem akteurszentrierten Institutionalismus folgend konnte darüber hinaus gezeigt werden, wie Dozierende und Bildungsplanende sowie weitere Akteurinnen und Akteure im Hinblick auf diese drei Strategien handelnd zusammenwirken und welche Akteurskonstellationen sich daraus ergeben. Die theoretische Perspektive hat sich insofern als brauchbar erwiesen, als dass der Einfluss der jeweiligen Akteurskonstellationen hinsichtlich wechselseitiger Abhängigkeiten der Handlungskapazitäten und -optionen sowie der Erwartungen an Akteurinnen und Akteure im Mehrebenensystem der Weiterbildung aus Perspektive von Dozierenden und Bildungsplanenden deutlich wird.

Als Kernbefund der Studie kann die zentrale Bedeutung der engen Zusammenarbeit zwischen den beiden befragten Akteursgruppen in Bezug auf die drei Umgangsstrategien mit Drop-out betrachtet werden. Besonders wenn es um die konkrete Verhinderung von Kursabbrüchen in der AuG geht, wird die intensive Kooperation zwischen Dozierenden und Bildungsplanenden als unabdingbar beschrieben. Durch den engen Kontakt zur Kursgruppe werden Dozierende in einer Schlüsselposition gesehen, die sich durch eine intensive Beziehungsarbeit zu Teilnehmenden als auch zu ehemaligen Teilnehmenden kennzeichnet. Besonders zu würdigen ist an dieser Stelle das immense Engagement seitens der Dozierenden, die häufig auch außerhalb der Kurszeiten in Austausch mit Teilnehmenden sowie deren privatem Umfeld sind, um diversen Ursachen für Kursabbrüche durch Beratung etc. entgegenzuwirken. Die hier deutlich werdende Leistung von Dozierenden ist einerseits abhängig von ihrem je subjektiven beruflichen Rollenverständnis, der spezifischen Organisationskultur, den jeweiligen Rahmenbedingungen der Kurse und dem Kursformat (z. B. lebensweltorientierte, formale, non-formale Kursangebote). Andererseits verweisen die empirischen Befunde auf die Notwendigkeit flankierender Unterstützungsstrukturen zur Verhinderung von Kursabbrüchen. Hier zeigen sich die Grenzen des professionellen Handelns der befragten Akteurinnen und Akteure, die nicht die alleinige Verantwortung für die Verhinderung von Kursabbrüchen tragen sollten. Weiter zeigt sich, dass die Zuständigkeiten der Akteursgruppen sowie gegenseitige Erwartungen mit Blick auf die Verhinderung von Drop-out nicht immer eindeutig sind.

Dies zeigt sich auch bei der zweiten Umgangsstrategie: der grundsätzlichen Reduzierung von Kursabbrüchen in der AuG. Hier sehen Dozierende insbesondere die Bildungsplanenden in der Verantwortung, eine dauerhafte Teilnahme in der AuG durch Optimierung der Kursbedingungen (z. B. durch die Sicherstellung von Kontinuität innerhalb der Kurse, lebensweltnahe Lernorte, adäquate Kursgebühren etc.) für möglichst viele Teilnehmende sicherzustellen. Im Hinblick auf die Spezifik der Zielgruppe wird bspw. eine sozialpädagogische Begleitung vorgeschlagen, die Teilnehmende parallel zum Kurs bei ihrer individuellen Lebensbewältigung unterstützt. Besondere Bedeutung kommt im Kontext von Maßnahmen zur Reduzierung von Drop-out der Vernetzung und Kooperation der jeweiligen Weiterbildungsorganisationen zu: Bildungsplanende vernetzen sich in diesem Zuge bspw. mit sog. „Brückenpartnern“ (z. B. Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen oder dem Jobcenter), um für Anliegen und Bedürfnisse der Zielgruppe von AuG zu sensibilisieren, Zugänge zu AuG-Angeboten zu schaffen und darüber hinaus Übergänge in weiterführende Kursbereiche zu gewährleisten. Auch wenn Bildungsplanende das konzeptionelle Wissen und Können zur Optimierung der Kursbedingungen aufweisen (Gieseke 2015), unterliegen ihre Handlungsspielräume den vorgegebenen bildungspolitischen Rahmenbedingungen für AuG-Kurse, die in der Regel keine expliziten monetären Mittel für Strategien zur Reduzierung von Kursabbrüchen vorsehen. Auch an dieser Stelle werden mögliche Konfliktpotenziale sowie divergierende Interessen verantwortlicher Akteursgruppen deutlich.

Vor dem Hintergrund dieser Aspekte kann die Strategie der Akzeptanz von Drop-out anhand von zwei Facetten nachvollzogen werden: Dozierende und Bildungsplanende schöpfen ihre Handlungsspielräume zur Verhinderung und Reduzierung von Drop-out in der AuG auf vielfältige Weise und unter Einbezug unterschiedlichster Akteurinnen und Akteure aus. Gleichzeitig erkennen sie die Grenzen ihrer beruflichen Zuständigkeiten an und respektieren in diesem Zusammenhang die individuelle Entscheidung der betreffenden Teilnehmenden gegen eine weitere Kursteilnahme.

Als wesentlicher Beitrag der vorliegenden Studie zum wissenschaftlichen Diskurs um Drop-out ist der besondere Fokus sowohl auf die Identifikation relevanter Akteurinnen und Akteure sowie ihr handelndes Zusammenwirken im Mehrebenensystem der Weiterbildung beim Umgang mit Kursabbrüchen hervorzuheben. Da die Zielgruppen der AuG generell vor bildungserschwerende Herausforderungen gestellt werden (u. a. Bremer 2004; Mania 2018), sind die Ursachen für Kursabbrüche vielschichtig und lassen sich durch sowohl individuelle als auch institutionelle und strukturelle Faktoren begründen. Mittels der Befunde lassen sich verschiedene Akteurskonstellationen je nach Umgangsstrategie mit dem Phänomen differenzieren. Im Kern aller Akteurskonstellationen steht die enge Zusammenarbeit zwischen Dozierenden und Bildungsplanenden, wobei ihre jeweiligen Handlungsoptionen sowie wechselseitige Erwartungen in Abhängigkeit zu diversen Einflussfaktoren wie bspw. bestehenden Kooperationen mit anderen Einrichtungen oder dem finanziellen Rahmen der Kurse (ausführlich Abschn. 5) stehen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Reduzierung und/oder Verhinderung von Kursabbrüchen in der AuG offenbar nur im Zusammenspiel der beteiligten Akteurinnen und Akteure funktionieren kann und nicht in die alleinige Verantwortung einzelner Akteurinnen und Akteure gelegt werden kann.

Als weitere Forschungsperspektiven ergeben sich hieran anknüpfend bspw. die Berücksichtigung der Perspektiven auf Drop-out weiterer Akteurinnen und Akteure, die mittels der vorliegenden Studie zwar identifiziert wurden, jedoch nicht in die Befragung eingeschlossen worden sind. Denkbar wäre hier die Befragung AuG spezifischer bildungspolitischer Akteurinnen und Akteure, wie etwa regionale Grundbildungszentren oder Koordinationsstellen (Bickeböller 2022). In diesem Zusammenhang könnten in weiteren Befragungen mit relevanten Akteurinnen und Akteuren auch Konfliktpotentiale ermittelt und konkretisiert werden, die sich aus dem Umgang mit Kursabbrüchen im Feld ergeben.

Weiter erscheint der Einbezug der Perspektive von Teilnehmenden und Abbrecherinnen und Abbrechern an AuG-Kursen von besonderem Interesse, da ihnen als Adressatinnen und Adressaten von AuG-Kursen eine besondere Stellung zukommt, wenn es um die Bewertung etwaiger Umgangsstrategien mit Drop-out geht. Möglicherweise ließen sich durch Einbezug dieser spezifischen subjektiven Perspektiven weiterführende Erkenntnisse für zukünftige Konzeptionen von AuG-Kursen gewinnen.

Um weiterführendes empirisches Wissen über den Einfluss spezifischer organisationaler Rahmenbedingungen auf die Anwendung der hier festgestellten Umgangsstrategien mit Drop-out zu generieren, wären bspw. typisierende Fallanalysen in Anschluss an organisationstheoretische Perspektiven von Nöten. Zusätzlich gilt es, die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Drop-out in anderen Weiterbildungsbereichen aufgrund der hohen Heterogenität der Weiterbildungslandschaft oder der Feldspezifik der AuG empirisch zu prüfen. Insgesamt verdeutlichen die Befunde der hier vorgelegten Studie die vielfältigen Verflechtungen der Handlungen und wechselseitigen Erwartungen der an der Ausgestaltung lernförderlicher Lehr-Lern-Situationen in der AuG beteiligten Akteurinnen und Akteure. Mit Blick auf die besonderen Bedarfe der Zielgruppe von AuG-Kursen bleibt zu hoffen, dass die Debatte zur Erhöhung der Weiterbildungsteilnahme in der AuG zukünftig auch das handelnde Zusammenwirken zwischen Bildungsplanenden und Dozierenden im Umgang mit Drop-out würdigt und kritisch eruiert.