Einleitung

In der Unterrichtsforschung nimmt die Erfassung von Unterrichtsqualität eine zentrale Rolle ein. Häufig kommen dabei Merkmalslisten zum Einsatz, die generisch, also fächerübergreifend, oder auch fachspezifisch ausgelegt sind. Eine bedeutsame Zusammenstellung wesentlicher generisch konzeptualisierter Unterrichtsqualitätsmerkmale im deutschsprachigen Raum stellen die drei Basisdimensionen Klassenführung, konstruktive Unterstützung und kognitive Aktivierung dar (Klieme et al. 2001). Die drei Basisdimensionen sind fächerübergreifend ausgelegt und haben eine breite Anwendung in der Lehr-Lernforschung und fachdidaktischen Forschung gefunden z. B. in den Untersuchungen von COACTIV (Kunter und Voss 2011) und PISA (Klieme und Rakoczy 2003). In jüngeren Arbeiten wird jedoch ein generischer und auch fachspezifischer Ergänzungsbedarf der drei Basisdimensionen formuliert. Vor allem wird argumentiert, dass es nicht ausreiche, die Basisdimensionen fachspezifisch auszudifferenzieren. Stattdessen werde neben der generischen auch eine fachspezifische Perspektive auf den Unterricht benötigt (Praetorius et al. 2020a).

Eine solche Ausdifferenzierung und Ergänzung fachspezifischer Perspektiven ist bereits Gegenstand naturwissenschaftsdidaktischer Arbeiten (z. B. Korneck et al. 2017; Neuhaus 2021; Heinitz und Nehring 2020). Offen ist hierbei, inwiefern diese Ansätze miteinander vergleichbar sind und ob sie sich zu einem gemeinsamen Bild der Unterrichtsqualität in den Naturwissenschaften ergänzen könnten.

In diesem Beitrag werden exemplarisch Ansätze aus den Fächern Physik (Φactio-Ansatz), Biologie (Professionswissensansatz) und ein fachbereichsübergreifender Ansatz der Naturwissenschaften (Naturwissenschaftsdidaktische Perspektivierungen) gegenübergestellt. Dabei wird die Frage verfolgt, inwiefern innerhalb der Naturwissenschaftsdidaktiken die generischen Grundlagen vergleichbar ausdifferenziert und ergänzt werden. Damit wird exemplarisch gezeigt, wie Ansätze aus verschiedenen Fächern miteinander verglichen werden können. Weiterhin können für zukünftige Studien bestehende Ansätze zur Erfassung von Unterrichtsqualität zweckbezogen angepasst oder neue Ansätze abgeleitet werden.

Theoretischer Hintergrund

Um den Vergleich der drei Ansätze ausreichend präzise und transparent führen zu können, wird im Folgenden die von uns verwendete Terminologie erläutert, verschiedene Interpretationen von Fachspezifik und Generik beleuchtet und eine systematische Herangehensweise von Praetorius und Charalambous (2018) dargestellt.

Verwendete Terminologien zur Gegenüberstellung der Ansätze

Ein Vergleich unterschiedlicher Merkmalslisten der Unterrichtsqualitätsforschung macht deutlich, dass Terminologien abhängig von der zugrundeliegenden Theorie verwendet werden. So kann es durchaus vorkommen, dass dieselben Begriffe unterschiedlich ausgelegt oder für denselben Inhalt unterschiedliche Begriffe genutzt werden. Deshalb werden im Folgenden die zentralen Terminologien, die in diesem Artikel genutzt werden, in Tab. 1 definiert.

Tab. 1 Zentrale Terminologien des Artikels zur Gegenüberstellung der Ansätze

Fachspezifik und Generik – ein Begriffspaar mit vielschichtigen Bedeutungen

Bei einem Vergleich unterschiedlicher Ansätze der Unterrichtsqualität, stellt sich die Frage, inwiefern sich fachspezifische und generische Merkmale unterscheiden. Dafür spielt vor allem der Abstraktionsgrad eines Merkmals eine entscheidende Rolle. Je stärker die Formulierung eines Merkmals von konkret beobachtbaren Lehr-Lern-Aktivitäten abstrahiert betrachtet wird (z. B. „Auswahl und Thematisierung von Inhalten“ gegenüber „Auswahl nach der Eignung und dem Effekt des Experiments“), desto mehr Interpretationsspielraum ergibt sich bei der Anwendung auf unterschiedliche Fächer. Aber auch bei einem geringeren Abstraktionsgrad sind unterschiedliche Interpretationen möglich. Im Folgenden werden Möglichkeiten der Unterscheidung vorgestellt, in denen sich auch die drei Ansätze für den Vergleich in diesem Artikel verorten.

  1. 1.

    Unterscheidung von Fachspezifik und Generik durch Interpretation des Qualitätsmerkmals

Brunner (2018) verdeutlicht die Interpretationsmöglichkeiten am Merkmal der „Klarheit“, welches je nach generischer (Verständlichkeit des Lernziels) oder fachspezifischer Sichtweise (inhaltliche Kohärenz) interpretiert und auf unterschiedliche Aspekte des Unterrichts bezogen werden kann. Je konkreter die Formulierungen werden, desto geringer wird der Raum für verschiedene Interpretationen. Dementsprechend wird auch eine Übertragung von konkret formulierten Merkmalen zwischen unterschiedlichen Fächern erschwert. Wird ein Merkmal mit Bezug zu einer konkreten Unterrichtssituation formuliert, ist es naheliegend, dass es dadurch fachspezifischer wird.

Lindmeier und Heinze (2020) betonen jedoch, dass dieselbe Unterrichtssituation durch eine generische oder fachspezifische Interpretation abweichend beurteilt werden kann. Weiterhin ist es möglich, dass vergleichbare Unterrichtssituationen in unterschiedlichen Fächern stattfinden können, z. B. wenn der Umgang mit einer Störung im Unterricht beurteilt werden soll. Damit wäre selbst ein Merkmal mit einem eher geringen Abstraktionsgrad übertragbar. Insgesamt lässt sich also festhalten, dass ein höherer Abstraktionsgrad die Übertragbarkeit erleichtert, ein geringerer Abstraktionsgrad eine Übertragung auf andere Fächer aber nicht ausschließt. Wiprächtiger-Geppert et al. (2021) nutzen in diesem Kontext den Begriff des „fachbezogenen“ Merkmals. Damit wird ein generisches Merkmal beschrieben, das auf eine konkrete Situation im Fachunterricht angewandt wird, ohne dabei seine Übertragbarkeit zu verlieren. Hiermit wird deutlich, dass ein Merkmal zwar für den Fachunterricht relevant und entsprechend ausformuliert sein kann, jedoch grundlegend in anderen Fächern angewandt werden kann.

  1. 2.

    Gemeinsames Auftreten von Fachspezifik und Generik

Wüsten (2010) nutzt zur Unterscheidung von Fachspezifik und Generik die professionelle Wissensbasis von Lehrkräften. Sie geht davon aus, dass zur Umsetzung fachspezifischer Merkmale das fachliche oder fachdidaktische Wissen einer Lehrkraft bedeutsam ist (vgl. Shulman 1986, 1987). Somit kann auch ein eher abstrakt formuliertes und damit fächerübergreifend nutzbares Qualitätsmerkmal als fachspezifisch angesehen werden, wenn für die Umsetzung im Unterricht entsprechend fachspezifisches Wissen notwendig ist. Dies bedeutet jedoch auch, dass Merkmale zwischen Fachspezifik und Generik verortet sein könnten, wenn sie gleichzeitig fachspezifisches und auch pädagogisch-psychologisches Wissen erfordern. Neuhaus (2021) stellt diese Verortung von Merkmalen zwischen allgemein (generisch) und fachspezifisch auf einer kontinuierlichen Skala dar. Somit würde jedes Merkmal Aspekte aus beiden Bereichen enthalten, allerdings der Anteil entsprechend variieren.

  1. 3.

    Kategorische Betrachtung von Fachspezifik und Generik

Praetorius und Charalambous (2018) verwenden den Begriff des „Hybrids“ für Fälle in denen Fachspezifik und Generik nebeneinander auftreten. So liegen beim Merkmal „Presenting the content in a structured way“ sowohl generische Anteile („Lesson objectives are clear“), als auch fachspezifische Anteile („Lesson ideas are connected to prior and next lessons and/or other ideas“) vor und eine Umsetzung würde sowohl fachspezifisches als auch pädagogisch-psychologisches Wissen voraussetzen. Neben diesen „hybriden“ Merkmalen unterscheiden Praetorius und Charalambous (2018) noch genuin fachspezifische und generische Merkmale. Diese Kategorisierung wird ebenfalls hinsichtlich der Diskussion um einen fachspezifischen oder generischen Ergänzungsbedarf der drei Basisdimensionen diskutiert (Praetorius et al. 2020a). Eine solche Kategorisierung wird auch bei Ansätzen zur Aufteilung oder Ergänzung der drei Basisdimensionen unter fachspezifischer Perspektive zugrunde gelegt (z. B. Jentsch et al. 2021; Szogs et al. 2021). Auch wenn bei diesen Systematisierungen zunächst generische Formulierungen genutzt werden, wird doch bereits bei einem hohen Abstraktionsgrad von einer Fachspezifik gesprochen.

  1. 4.

    Fachspezifik durch stärkere Ausdifferenzierung

Dreher und Leuders (2021) argumentieren, dass grundsätzlich zwischen Fächern übertragbare Merkmale generisch sind und zunächst fach- oder inhaltsspezifisch ausdifferenziert werden müssen. So würde prinzipiell jedes Merkmal zunächst generisch sein, bis es so präzise ausdifferenziert wurde, dass es nicht mehr auf andere Fächer übertragen werden kann. Sobald es auf einen bestimmten Inhalt bezogen ist, wäre ein Merkmal fachspezifisch. Die Abgrenzung von Generik und Fachspezifik wäre somit hauptsächlich eine Frage des Abstraktionsgrades und nicht von vornherein für ein Merkmal festgelegt.

  1. 5.

    Fachspezifik durch Ausdifferenzierung und konzeptuelle Auslegung

Die beiden Annahmen, dass Fachspezifik und Generik nebeneinander vorliegen, aber auch, dass Fachspezifik bei einem geringeren Abstraktionsgrad stärker hervortritt, werden in den Typisierungen von Fachspezifik aufgegriffen (Heinitz und Nehring 2020). Hierbei werden drei Formen unterschieden: Die Fokussierungs-Spezifik, die Theoretisierungs-Spezifik und die genuine Fachspezifik. Die Fokussierungs-Spezifik, tritt dann auf, wenn ein generisches Merkmal auf eine fachspezifische Anwendung zugeschnitten wird. Die generische Grundlage des Merkmals bleibt grundsätzlich erhalten, allerdings wird auf einen fachspezifischen Inhalt fokussiert. Um an das vorangegangene Beispiel der „Klarheit“ anzuknüpfen, wäre die „Klarheit und Strukturiertheit beim Experimentieren“ zu nennen. Die Theoretisierungs-Spezifik umfasst Qualitätsmerkmale, welche aus fachspezifischen Theorien abgeleitet, allerdings mit generischen Merkmalen verknüpft werden. Ein Beispiel hierfür ist die „Konstruktive Einbindung von eigenen Ideen und Schüler*innenvorstellungen in den Unterricht“, bei welcher die Fachspezifik den Fokus auf die Schüler*innenvorstellungen vorgibt, diese jedoch generisch als Teil des aktuellen Lernstandes interpretiert werden können. Bei der genuinen Fachspezifik wird direkt deutlich, dass fachspezifisches Wissen notwendig ist, um das Merkmale zu beurteilen, auch wenn es prinzipiell in anderen Fächern ebenfalls angewandt werden kann. Hier werden Qualitätsmerkmale, wie die „adäquate didaktische Reduktion unter Berücksichtigung zukünftiger fachlicher Lernschritte“ aus dem fachspezifischen Diskurs heraus abgeleitet. Die Typisierung stellt heraus, ab wann und woher eine Fachspezifität innerhalb eines Merkmals deutlich wird. Neben fachspezifischen Merkmalen gibt es aber nach wie vor generische Merkmale, die auch bei einem geringen Abstraktionsgrad auf andere Fächer übertragen werden können. So kann das „Zeitmanagement“ im Sinne der Einhaltung der vorgegebenen Unterrichtszeit von jeder Person beurteilt werden und somit auch bei einer spezifischen Ausdifferenzierung generisch bleiben. Es besteht jedoch ebenso die Möglichkeit dasselbe Merkmal fachspezifisch auszulegen, indem z. B. die zeitliche Einteilung einzelner Phasen beim Experimentieren beurteilt wird. Beide Auslegungen bewegen sich auf einem vergleichbaren Abstraktionsgrad, setzen jedoch unterschiedliches Wissen zur Beurteilung voraus.

Insgesamt wird deutlich, dass es unterschiedliche Verständnisse von Fachspezifik und Generik gibt, die sich nicht in jedem Aspekt präzise trennen lassen. Bei jeder Verwendung der beiden Begriffe scheint es notwendig, das zugrundeliegende Verständnis der beiden Begriffe zu verdeutlichen. Beim Vergleich der drei hier beschriebenen Ansätze werden fachspezifische Merkmale benannt und miteinander verglichen. Dabei wird sich an dem zugrundenliegenden Verständnis von Fachspezifik des jeweiligen Ansatzes orientiert. Somit können auch Merkmale als fachspezifisch bezeichnet werden, die mit gleicher oder ähnlicher Terminologie in allen drei Ansätzen auftauchen.

Systematische Gegenüberstellung unterschiedlicher Ansätze zur Erfassung der Unterrichtsqualität

Praetorius und Charalambous (2018) nutzten drei Leitfragen für die Beschreibung und den strukturierten Vergleich unterschiedlicher mathematikspezifischer Instrumente der Unterrichtsforschung. Diese Leitfragen bieten auch einen strukturieren Zugang für eine Gegenüberstellung von unterschiedlichen Ansätzen der Unterrichtsqualitätsforschung, indem sie den Verwendungszweck („Warum“), die theoretische Grundlage („Was“) und die Operationalisierung („Wie“) der jeweiligen Ansätze aufgreifen.

  1. 1.

    Der Verwendungszweck eines Ansatzes („Warum“)

Ansätze der Unterrichtsqualitätsforschung werden mit unterschiedlichen Zielen erstellt. Diese beeinflussen sowohl den Umfang, als auch die Struktur und die Operationalisierung des Ansatzes. Ein Ansatz kann zwar später auch für andere Zwecke eingesetzt werden, dennoch muss die ursprüngliche Intention bei der Interpretation des Ansatzes berücksichtigt und ggf. Anpassungen an den neuen Einsatzbereich vorgenommen werden.

  1. 2.

    Die theoretische Grundlage eines Ansatzes („Was“)

Die theoretische Grundlage eines Ansatzes beeinflusst welche Begriffe in dem Ansatz genutzt werden und wie dieser strukturiert wird. Häufig wird bei einem Ansatz auf mehrere Theorien zurückgegriffen, die im Rahmen des Ansatzes miteinander verbunden werden. Für einen Vergleich verschiedener Ansätze ist es daher wichtig, die theoretische Grundlage mit im Auge zu behalten.

  1. 3.

    Die Operationalisierung eines Ansatzes („Wie“)

Verwendungszweck und theoretische Grundlage werden abschließend in der Operationalisierung zusammengeführt. Hier wird die Hierarchie zwischen den verwendeten Qualitätsmerkmalen konkretisiert und damit die Struktur festgelegt. Untersuchen zwei Ansätze grundlegend unterschiedliche Qualitätsmerkmale, ist eine direkte Gegenüberstellung schwieriger, als wenn sie ähnliche Merkmale erfassen. Bilden zwei Ansätze einen ähnlichen Fokus ab, unterscheiden sich aber im Abstraktionsgrad, wird ein direkter Vergleich ebenfalls erschwert.

Beschreibung der drei Ansätze zur Erfassung der Unterrichtsqualität

Im Folgenden werden die Ansätze aus den Fächern Physik (Φactio-Ansatz), Biologie (Professionswissensansatz) und der fächerübergreifende Ansatz der Naturwissenschaften (Naturwissenschaftsdidaktische Perspektivierungen) entlang der drei Leitfragen beschrieben. Diese Beschreibungen bieten die Grundlage, um die Ansätze im weiteren Verlauf miteinander zu vergleichen.

Φactio – Unterrichtshandeln von Physiklehrkräften (Physik)

Verwendungszweck („Warum?“)

Im Φactio-Ansatz wird Unterrichtsqualität erhoben, um die Zusammenhänge der Qualität des unterrichtlichen Handelns von (angehenden) Physiklehrkräften mit ihrer professionellen Kompetenz sowie ihrer Bereitschaft und Fähigkeit zur Reflexion zu analysieren. Ziel ist zu ergründen, welche Kompetenzen in der Professionalisierung der Lehrkräfte gefördert werden müssen, um einen möglichst qualitativ hochwertigen Physikunterricht zu erreichen.

Das hierfür entwickelte Instrument wird für die Qualitätseinschätzung von circa zwölfminütigen Unterrichtsminiaturen im Rahmen eines physikdidaktischen Microteaching-Seminars genutzt, in dem Lehramtsstudierende und Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst jeweils zwei Mal halbe Schulklassen zu Freihandexperimenten der Mechanik unterrichten. Zusätzlich zu den Zusammenhangsanalysen, werden die Analyseergebnisse zur gezeigten Unterrichtsqualität als Feedback an die Lehrkräfte genutzt.

Theoretische Grundlage („Was?“)

Die drei Basisdimensionen der Unterrichtsqualität wurden als Grundlage für das Instrument des Φactio-Ansatzes ausgewählt, um die Operationalisierung möglichst sparsam und leicht nachvollziehbar auszugestalten. Dadurch werden die Unterrichtsqualitätsmerkmale für Rater*innen klar unterscheidbar und das Feedback für die Lehrkräfte gut umsetzbar. Das Instrument des Φactio-Ansatzes differenziert die Basisdimensionen des generischen Ansatzes jedoch weiter aus. Zur Untersuchung der fachlichen Qualität und Angemessenheit wird die Dimension „Fachliche Qualität“ ergänzt, welche aus den Subdimensionen „Fachliche Korrektheit“ sowie „Sachgerechtigkeit“ besteht. Weiterhin wird die konstruktive Unterstützung ähnlich wie in verwandten Erhebungen (Kunter und Voss 2011) in zwei Bereiche aufgeteilt: Mit der „affektiven konstruktiven Unterstützung“ werden die sozio-emotionalen Merkmale getrennt von den eher didaktisch-methodischen Aspekten erfasst, die hier mit der „strukturellen konstruktiven Unterstützung“ beschrieben werden. Diese Differenzierung wurde in der COACTIV-Studie angelegt und findet sich in ähnlicher Form auch bei Kleickmann et al. (2020) mit der „kognitiven Unterstützung“ und „emotionale Unterstützung“ sowie bei TEDS-Unterricht (Jentsch et al. 2021) mit der „kognitiven Unterstützung“ und „motivationale Unterstützung“.

Operationalisierung („Wie?“)

Die Operationalisierung des Ratingmanuals orientiert sich zunächst an der PERLE-Videostudie (Lotz et al. 2013). Der Itempool wurde darüber hinaus durch die IPN-Videostudie (Seidel et al. 2006), die COACTIV-Studie (Kunter und Voss 2011), die Pythagoras-Studie (Rakoczy und Pauli 2006) und den Beobachtungsbogen der hessischen Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst-Ausbildung ergänzt. Zusätzlich wurden für einige Subdimensionen eigene Items entwickelt, die zum Teil aus aufgezeichneten Unterrichtsreflexionen in der Physikdidaktik abgeleitet wurden.

Grundlegend besteht das Instrument aus generischen Unterrichtsqualitätsmerkmalen, die in ihrer Auswahl jedoch durch physikdidaktische Inhalte und Methoden beeinflusst sind. Die beiden Subdimensionen „fachliche Korrektheit“ und „Sachgerechtigkeit“ beschreiben die Überführung von Fachinhalten in den Unterricht und können nur unter einer physikdidaktischen Perspektive bewertet werden, sodass das Instrument insgesamt einen hybriden Charakter aufweist.

Bei der Gruppierung und Auswahl der Items wurden zunächst inhaltlich begründete Zuordnungen vorgenommen und die Items in zum Teil neu generierten Subdimensionen restrukturiert. Das Ergebnis eines iterativen Prozesses aus inhaltlichen Strukturierungen und empirischen Prüfungen sind, wie in Abb. 1 dargestellt, die Dimensionen „Fachliche Qualität“ mit zwei Subdimensionen und 14 Items, die „Kognitive Aktivierung“ mit vier Subdimensionen und 28 Items, die „Strukturelle konstruktive Unterstützung“ mit fünf Subdimensionen und 33 Items, die „Affektive konstruktive Unterstützung“ mit sechs Subdimensionen und 31 Items sowie die „Klassenführung“ mit vier Subdimensionen und 23 Items.

Abb. 1
figure 1

Übersicht der Dimensionen und Subdimensionen des Φactio-Ansatzes (Szogs et al. 2021)

Professionswissensansatz (Biologie)

Verwendungszweck („Warum?“)

Ziel des Ansatzes war es, analog zur COACTIV-Studie (Kunter et al. 2011), Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Dimensionen des Professionswissens einer Lehrkraft, deren Unterrichtsqualität und letztendlich auch der Schülerleistung zu analysieren. Die Dimensionen, die auf Ebene der Lehrkraft Berücksichtigung fanden, waren das fachdidaktische Wissen (PCK), das Fachwissen (CK) und das pädagogisch-psychologische Wissen (PK). Dimensionen der Unterrichtsqualität wurde über Lehrbücher der Biologiedidaktik gesammelt und als generische und fachspezifische Merkmale definiert (vgl. Wüsten et al. 2010). Mittels quantitativer Videostudien wurden einerseits Facetten des Professionswissens identifiziert, die Einfluss auf die Unterrichtsqualität nehmen und andererseits Unterrichtsqualitätsmerkmale, die die Schülerleistung beeinflussen. Die Erkenntnisse wurden genutzt, um Lehrkräfte durch Reflexion eigener Unterrichtsvideos zu schulen. Schließlich wurden die empirischen Ergebnisse in ein Planungsmodell für angehende Biologielehrkräfte zur Planung eines qualitativ hochwertigen Unterrichts überführt (Dorfner et al. 2019).

Theoretische Grundlagen („Was?“)

Grundlage des Professionswissensansatzes bildet einerseits die Lehrerprofessionalitätsforschung, andererseits die Unterrichtsqualitätsforschung. Im Bereich der Lehrerprofessionalitätsforschung wurde aufbauend auf den Arbeiten von Shulman (1986, 1987), Bromme (1992, 1997), Baumert und Kunter (2006) und Kunter et al. (2011) auf die kognitive Facette der professionellen Handlungskompetenz von Lehrkräften mit den Wissensdimensionen PCK, CK und PK fokussiert. Für diese drei Wissensdimensionen wurden Testinstrumente entwickelt (vgl. u. a. Jüttner et al. 2013).

Im Bereich der Unterrichtsqualitätsforschung wurde das Modell der Basisdimensionen von Klieme et al. (2001) aufgegriffen, das aber zum Teil fachspezifisch interpretiert und zusätzlich um fachspezifische Merkmale aus gängigen Lehrbüchern der Fachdidaktik ergänzt wurde (vgl. Abb. 2). Zu jedem analysierten Qualitätsmerkmal wurde theoriebasiert ein Kategoriensystem bzw. ein Ratingmanual entwickelt.

Abb. 2
figure 2

Theoretisches Modell des Professionswissensansatzes. Die verschiedenen Qualitätsmerkmale wurden den Dimensionen des Professionswissens zugeordnet. Merkmale, die mehreren Professionswissensdimensionen zugeordnet werden können, wurden mittig angeordnet (z. B. die kognitive Aktivierung). Merkmale, zu denen aus der Arbeitsgruppe heraus bereits Artikel entstanden sind, wurden mit einer Zahl versehen: (1) von Kotzebue et al. (2021), (2) Förtsch et al. (2018) & Nawani et al. (2016), (3) Werner et al. (2019), (4) Förtsch et al. (2018), (5) Förtsch et al. (2017), (6) Förtsch et al. (2016) & Dorfner et al. (2018), (7) Wadouh et al. (2014), (8) Nawani et al. (2018), (9) Förtsch et al. (2020), (10) Dorfner et al. (2020)

Beide Theorieansätze, die zum Professionswissen und die zur Unterrichtsqualität, wurden über ein eigens in der Arbeitsgruppe entwickeltes Modell miteinander verknüpft (vgl. auch Abb. 2). Hierzu wurden den Dimensionen PCK, CK und PK auf Basis theoretischer Überlegungen fachspezifische oder generische Merkmale der Unterrichtsqualität zugeordnet (vgl. Wüsten et al. 2010). Unterrichtsqualitätsmerkmale, für deren Durchführung Fachwissen benötigt wird, wurden als fachspezifisch definiert, solche für deren Durchführung kein Fachwissen benötigt wurde als generisch. Dieser Zusammenhang wurde später empirisch überprüft. Unterrichtsqualitätsmerkmale, die in den Datensätzen mit dem CK oder PCK der Lehrkraft korrelieren wurden als fachspezifisch interpretiert, solche, die mit dem PK korrelieren als generisch.

Operationalisierung („Wie?“)

Die Erkenntnisse, die zur Entwicklung des Ansatzes führten, stammen aus drei quantitativen, korrelativen Videostudien, die im Rahmen verschiedener Drittmittelprojekte durchgeführt wurden: der DFG-Forschergruppe nwu Essen, dem DFG-Projekt LerNT und dem BMBF-Projekt ProwiN. Aus messmethodischer Perspektive wurde der Inhaltsbereich in allen drei Studien sehr klein gefasst und alle Messinstrumente auf ein eng umrissenes Inhaltsgebiet bezogen (vgl. Kotzebue et al. 2015). In der nwu-Videostudie Biologie war dies das Thema „Blut und Blutkreislauf“ (9. Jahrgangsstufe), in der LerNT-Videostudie das Thema „Botanik“ (6. Jahrgangsstufe) und in der ProwiN-Videostudie Biologie das Thema „Neurobiologie“ (9. Jahrgangsstufe). Bei der Erhebung der Schülerleistung lag ein Schwerpunkt auf dem konzeptuellen Wissen der Schüler*innen.

Naturwissenschaftsdidaktische Perspektivierung (fachbereichsübergreifend)

Verwendungszweck („Warum?“)

Dem Ansatz der naturwissenschaftsdidaktischen Perspektivierungen liegen zwei übergreifende Ziele zugrunde. Zum einen sollen Unterrichtsqualitätsmerkmale möglichst systematisch und umfangreich abgebildet werden. Hierbei werden sowohl generische, als auch fachdidaktische Aspekte aus dem naturwissenschaftlichen Fachbereich (Biologie, Chemie, Physik, Sachunterricht) berücksichtigt (Heinitz und Nehring 2020). Grundsätzlich ist es damit möglich aus den naturwissenschaftsdidaktischen Perspektivierungen ein oder auch mehrere Instrumente zur Erfassung der Unterrichtsqualität abzuleiten. Durch die Bereitstellung einer möglichst umfangreichen Systematisierung ist es möglich Instrumente zu erstellen, die auf spezifische Aspekte fokussieren und diese trotzdem aufeinander zu beziehen. Zum anderen kann dieser Ansatz als Kommunikationstool genutzt werden, da er direkt mit dem generischen Syntheseframework (Praetorius et al. 2020a) verknüpft ist. Durch den gemeinsamen generischen Bezugspunkt wird eine fächerübergreifende Kommunikation ermöglicht (Praetorius et al. 2020b).

Theoretischer Hintergrund („Was?“)

Die Systematisierung der naturwissenschaftsdidaktischen Perspektivierungen orientiert sich am generischen Syntheseframework nach Praetorius und Charalambous (2018). Das Syntheseframework bietet dabei die generische Basis und die Perspektivierungen ergänzen diese um eine naturwissenschaftsdidaktische Sichtweise. Die Perspektivierungen selbst stellen inhaltliche Bündelungen von Qualitätskriterien dar, die in naturwissenschaftsdidaktischen Videostudien eingesetzt und in einem Review herausgearbeitet wurden (Heinitz und Nehring 2020). Insgesamt gibt das Syntheseframework sieben Qualitätsdimensionen vor, welchen insgesamt 50 Perspektivierungen zugeordnet sind (Abb. 3). Der Begriff der Perspektivierung wurde gewählt, um zu verdeutlichen, dass nicht lediglich eine fachspezifische oder eine generische Perspektive auf den Unterricht geworfen wird. Vielmehr dient die generische Perspektive als fächerübergreifend anwendbarer Ausgangspunkt, der durch eine fachspezifische Perspektive ausdifferenziert und ergänzt wird. Damit können sowohl generische als auch fachspezifische Aspekte vergleichbar angewendet und kommuniziert werden. Eine Perspektivierung kann als ein Qualitätsmerkmal in der Systematisierung der naturwissenschaftsdidaktischen Perspektivierungen verstanden werden.

Abb. 3
figure 3

Systematisierung der naturwissenschaftsdidaktische Perspektivierungen

Operationalisierung („Wie?“)

Die Perspektivierungen liegen als kurze Beschreibungen oder Stichworte zum jeweils abgebildeten Qualitätsmerkmal vor (Tab. 2). Diese wurden ausgehend von der Indikatorenebene des Syntheseframeworks (Praetorius et al. 2020b) gebildet, wobei die Qualitätskriterien der Videostudien genutzt wurden, um fachspezifische Ausrichtungen gezielt herauszuarbeiten. Die Perspektivierungen wurden den Dimensionen des Syntheseframeworks zugeordnet und werden als parallele Ebene der Subdimensionen dargestellt. Die Dimensionen als nächsthöhere Ebene bilden somit das Bindeglied zwischen der generischen und der naturwissenschaftsdidaktischen Perspektive auf die Unterrichtsqualität. Diese generischen Konzepte sind grundsätzlich so abstrakt formuliert, dass sie problemlos auf andere Fächer übertragen werden können.

Tab. 2 Die 50 Naturwissenschaftsdidaktische Perspektivierungen, eingeteilt in die 7 Dimensionen des Syntheseframeworks

Methodisches Vorgehen

Die Ansätze aus Physik, Biologie und der fächerübergreifende Ansatz der Naturwissenschaften konnten entlang der Leitfragen („Warum?“, „Was?“ und „Wie?“) übersichtlich abgebildet werden. Um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Ansätzen herauszuarbeiten, wird im Folgenden eine Analyse in zwei Schritten vorgestellt. Der erste Schritt fokussiert dabei auf den Ansatz in seiner Gesamtheit und der zweite Schritt geht ins Detail der Operationalisierung. Durch das Vorgehen in zwei Schritten soll, entsprechend der Beschreibung von Lindmeier und Heinze (2020), neben den Unterschieden in der Operationalisierung auch der Ursprung derselben herausgearbeitet werden. Perspektivisch wird damit ein Vorgehen geboten, mit welchem auch weitere Ansätze in den Vergleich aufgenommen werden können.

Erster Schritt: Konzeptueller Vergleich der Ansätze entlang der zentralen Leitfragen

Im ersten Schritt wurden die Ansätze entlang der Leitfragen von Praetorius und Charlambous (2018) in den Tab. 3, 4 und 5 gegenübergestellt. Für einen präzisen Vergleich wurden die Leitfragen in mehrere Unterpunkte unterteilt und entsprechend für jeden Ansatz beantwortet.

Tab. 3 Gegenüberstellung des Verwendungszwecks der drei Ansätze
Tab. 4 Gegenüberstellung des theoretischen Hintergrunds der drei Ansätze
Tab. 5 Gegenüberstellung der Operationalisierung der drei Ansätze

Zweiter Schritt: Gegenseitige Verortung der Operationalisierungen

Der zweite Schritt schließt an den konzeptuellen Vergleich an, fokussiert allerdings stärker auf die verwendeten Qualitätsmerkmale. Grundsätzlich kann für jeden Ansatz eine erste Ebene (Dimensionen) und eine zweite Ebene (Merkmale, Subdimensionen, Perspektivierungen) herausgestellt werden, wobei die zweite Ebene die Qualitätsmerkmale enthält, die im Vergleich gegenübergestellt wurden. Die Autor*innen der drei Ansätze haben die Operationalisierungen ihrer Qualitätsmerkmale verglichen, indem jeweils einer der Ansätze die Struktur vorgegeben hat und die anderen Ansätze ihre Qualitätsmerkmale (zweite Ebene) darin verortet haben. Somit wurden insgesamt drei getrennte Übersichtstabellen erstellt, wobei jeweils ein Ansatz die erste Ebene vorgab und die anderen ihre jeweils zweite Ebene darin verortet haben (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Verortung der Qualitätsmerkmale in den Systematisierungen der drei Ansätze: Die 1. Ebene des Professionswissensansatzes gibt beispielhaft die Struktur für die Gegenüberstellung vor

Dieses Vorgehen setzte einen inhaltlichen Vergleich der Operationalisierungen voraus und geht über eine einfache Betrachtung der Terminologien hinaus. Merkmale die nicht verortet werden konnten, wurden separat aufgeführt. Weiterhin gab es die Möglichkeit, ein Merkmal mehrfach in der vorangestellten Systematisierung zu verorten, wenn es an unterschiedlichen Stellen passend wäre. Die hieraus resultierenden Tabellen sind entsprechend der drei Ansätze zu umfangreich, um sie an dieser Stelle vollständig abzubilden, weshalb sie als Onlineanhang zur Verfügung gestellt werden.

Durch die Berücksichtigung aller drei Perspektiven konnten die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der drei Ansätze im weiteren Verlauf systematisch betrachtet werden. Hierzu wurden zunächst die Abweichungen zwischen den Ansätzen von den Autor*innen besprochen und Gründe für diese herausgestellt. Durch die Erläuterung der jeweiligen Perspektiven konnten dann induktive Kategorien abgeleitet werden, in denen jeweils mehrere Fälle von Abweichungen zwischen den Ansätzen gesammelt werden konnten. Diese Kategorien wurden zunächst offen formuliert und dann bei der Besprechung weiterer Kategorien präzisiert und voneinander abgegrenzt. Gemeinsamkeiten konnten anschließend auf dieselbe Weise kategorisiert werden. Zentral für die Betrachtung der Gemeinsamkeiten war hierbei, ob sie aus denselben theoretischen Grundlagen stammen und ob sie mit demselben Verwendungszweck in den jeweiligen Ansatz integriert wurden.

Vergleichende Gegenüberstellung des Verwendungszwecks, der theoretischen Grundlage und der Operationalisierung

Im Folgenden werden die drei Ansätze tabellarisch gegenübergestellt, wobei Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit Verweis auf die jeweiligen Tabellen zusammengefasst werden. Diese direkte Gegenüberstellung bietet einen einfachen Zugang, um die Operationalisierungen miteinander zu vergleichen.

Beim Vergleich des Verwendungszwecks (Tab. 3) wird deutlich, dass alle drei Ansätze die Unterrichtsqualität in unterschiedlichem Umfang erfassen und mit weiteren Aspekten verknüpfen. Φactio und der Professionswissensansatz verknüpfen die Unterrichtsqualität direkt mit professionellen Kompetenzen bzw. Professionswissen und sind damit bereits mit diesem konkreteren Verwendungszweck erstellt worden. Die naturwissenschaftsdidaktischen Perspektivierungen bieten eine möglichst breite Systematisierung unterschiedlicher Merkmale.

Beim Vergleich des theoretischen Hintergrunds (Tab. 4) wird deutlich, dass sowohl der Φactio-Ansatz, als auch die naturwissenschaftsdidaktischen Perspektivierungen aus den drei Basisdimensionen hervorgehen, diese jedoch in einer erweiterten Form nutzen. Der Professionswissensansatz nutzt dagegen das Professionswissen einer Lehrkraft als Grundlage der theoretischen Rahmung. Bei den darunter verorteten Qualitätsmerkmale des Ansatzes werden zudem auch die Basisdimensionen aufgegriffen. Alle drei Ansätze nutzen ähnliche generische Grundlagen und weisen Unterschiede in deren Ergänzung auf.

Der Verwendungszweck und theoretische Hintergrund spiegeln sich in der Operationalisierung der Ansätze (Tab. 5) wider. Der Φactio-Ansatz ist auf der ersten Ebene durch die erweiterten Basisdimensionen strukturiert, denen wiederum zwei bis fünf Subdimensionen (zweite Ebene) mit vier bis zehn Items (dritte Ebene) untergeordnet sind. Der Professionswissensansatz setzt die drei Dimensionen des Professionswissens auf die erste Ebene und ordnet diesen Unterrichtsqualitätsmerkmale (zweite Ebene), sowie dazugehörige Indikatoren (dritte Ebene) zu. Die naturwissenschaftsdidaktischen Perspektivierungen besetzen die erste Ebene der Hierarchie mit den sieben Dimensionen des Syntheseframeworks. Die fünfzig Perspektivierungen (zweite Ebene) werden den Dimensionen inhaltlich zugeordnet.

Wechselseitige Verortung der Qualitätsmerkmale in die Systematisierungen der anderen Ansätze

Bei der wechselseitigen Verortung der Qualitätsmerkmale ließen sich fünf generalisierte Kategorien herausarbeiten. Diese sind aus der vollständigen Gegenüberstellung der Ansätze (Onlineanhang 1) abgeleitet und bilden induktive Zusammenfassungen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Die Kategorien vereinfachen den Vergleich der Ansätze. Somit wird nicht jede einzelne Operationalisierung separat betrachtet, stattdessen können diese Gruppenweise gegenübergestellt werden.

Kategorie 1: Vergleichbare Verwendung generischer Qualitätsmerkmale

Die Nutzung gemeinsamer Grundlagen, wie der Bezug zu den drei Basisdimensionen, führt teilweise dazu, dass dieselben generischen Merkmale für den jeweiligen Ansatz übernommen und nicht weiter ausdifferenziert werden. Beim Vergleich der drei Ansätze fiel aber auch auf, dass die zugrundeliegende Theorie einen Einfluss darauf hat, wie diese Merkmale verortet und ausdifferenziert werden.

Kategorie 2: Vergleichbare Ergänzungen aus der fachspezifischen Anwendung

Alle drei Ansätze enthalten nach ihrem zugrundeliegenden Verständnis sowohl generische, als auch fachspezifische Anteile. Die Ansätze bedienen zwar unterschiedliche Fächer der Naturwissenschaftsdidaktiken, wurden jedoch an vielen Stellen ähnlich ausdifferenziert oder ergänzt. Beim Beispiel der „fachlichen Korrektheit“ (Tab. 6) zeigt sich ein ähnliches Bild, wie bei der gemeinsamen Verwendung generischer Merkmale. Alle drei Ansätze beschreiben ein vergleichbares Merkmal, allerdings werden durch die Systematisierungen von Φactio und dem Professionswissensansatz mehrere naturwissenschaftsdidaktische Perspektivierungen erfasst. Dies ist damit begründet, dass das Merkmal in diesen beiden Ansätzen bereits auf der zweiten Ebene stärker ausdifferenziert wird. Die Unterschiede ergeben sich hierbei nicht dadurch, dass dasselbe Merkmal fachspezifisch ausdifferenziert wird, sondern auf einer anderen Ebene verortet ist und dadurch mit einem abweichenden Abstraktionsgrad erfasst wird. Auch wenn die Merkmale damit in ähnlicher Form in den drei Ansätzen auftauchen, werden sie nach den zugrundeliegenden Verständnissen als fachspezifisch bezeichnet.

Tab. 6 Ergänzung aus der fachspezifischen Anwendung am Beispiel der fachlichen Korrektheit

Kategorie 3: Verortung eines Merkmals in unterschiedlichen Ebenen

Die grundlegende Hierarchisierung der Ansätze erfolgte jeweils vor einem anderen theoretischen Hintergrund. Diese somit zu Beginn festgelegte übergreifende Struktur sorgt dafür, dass mitunter vergleichbar operationalisierte Merkmale mit einer unterschiedlichen Logik in den Ansätzen verortet sind. So zeigt sich bei der Betrachtung der „Förderung des S*-Interesses“ (Tab. 7), dass dieses Merkmal beim Φactio-Ansatz in der Dimension „Affektive konstruktive Unterstützung“ verortet ist und die „Interessante Auswahl von Inhalten und Methoden“ hiervon einen Unterpunkt darstellt. Bei den naturwissenschaftsdidaktischen Perspektivierungen ist die „Motivierende Einbettung der Inhalte“ ein Merkmal in der Dimension „Auswahl und Thematisierung von Inhalten“. Beide Ansätze erfassen somit inhaltlich ein vergleichbares Merkmal, verorten es aber in unterschiedlich ausgelegten Dimensionen.

Tab. 7 Unterschiedliche Verortung innerhalb der Ebenen am Beispiel der „Förderung des S*-Interesses“

Kategorie 4: Unterschiedlich aufgeteilte oder zusammengefasste Merkmale

Wird ein spezifisch fokussiertes Merkmal, wie beispielsweise der „Modelleinsatz“ im Professionswissensansatz für einen Vergleich der Ansätze genutzt (Tab. 8), zeigen sich ebenfalls Unterschiede in der Struktur. Dieses Merkmal fokussiert auf einen zentralen Aspekt naturwissenschaftlicher Denk- und Arbeitsweisen und verbindet damit mehrere Merkmale, die in den anderen Ansätzen in unterschiedlichen Dimensionen verteilt sind. Der Unterschied in der Struktur wird besonders deutlich, wenn diese Sichtweise umgekehrt wird. Werden alle Merkmale die dem „Modelleinsatz“ in den naturwissenschaftsdidaktischen Perspektivierungen zugeordnet wurden, wiederum im Professionswissensansatz gesucht, zeigt sich diese breite Aufteilung deutlich. Zwar beinhalten auch die anderen Ansätze die Aspekte des „Modelleinsatzes“ führen sie jedoch nicht in einem Merkmal zusammen, sondern betrachten sie mit einer anderen Struktur.

Tab. 8 Aufteilung eines Merkmals innerhalb anderer Systematisierungen am Beispiel des Modelleinsatzes

Kategorie 5: Unterschiedlich operationalisierte Merkmale durch abweichenden Verwendungszweck oder theoretische Grundlagen

Eine weitere Abweichung zwischen den Ansätzen beruht auf Unterschieden im Verwendungszweck oder der theoretischen Grundlage. Hierbei handelt es sich um Qualitätsmerkmale, die in einem Ansatz erfasst werden, in einem anderen jedoch ausgelassen oder zumindest nicht so ausführlich aufgegriffen werden. Dies äußert sich dadurch, dass bestimmte Merkmale bei der Gegenüberstellung keine entsprechenden Verortungen in den anderen Systematisierungen erhalten haben, oder Merkmalen gegenüberstellt wurden, die nur teilweise denselben Inhalt erfassen (vgl. Onlineanhang 1).

Diskussion

Insgesamt lassen sich drei Kernpunkte ableiten, die den Vergleich, die Erweiterung und auch die Erstellung zukünftiger Ansätze erleichtern könnten.

Zusammenführung von Ansätzen der Unterrichtsqualitätsforschung

Der systematische Vergleich, wie er in der Gesamttabelle (Onlineanhang 1) abgebildet ist, zeigt deutlich, dass sich die Ansätze trotz abweichender Struktur in hohem Maße überschneiden. Es konnte festgestellt werden, dass sich eine Reihe von Qualitätsmerkmalen wie Bausteine in andere Ansätze übertragen lassen. Dabei ist es jedoch auch wichtig, dass die unterschiedlichen Perspektiven der Ansätze berücksichtigt werden, damit sich die Qualitätsmerkmale nicht überschneiden. Vor allem Merkmale mit einem besonderen Verwendungszweck stellen eine größere Herausforderung dar. Wird ein spezifisches Merkmal wie z. B. der „Modelleinsatz“ (Kategorie 4) einfach in einen anderen Ansatz übertragen, ist er nicht mehr trennscharf, wenn bereits Teile dieses Merkmals an anderer Stelle erfasst werden. Dies ist ebenso beim Erstellen eines gänzlich neuen Ansatzes zu berücksichtigen. Mögliche Überschneidungen zwischen Qualitätsmerkmalen sollten gezielt beachtet werden, um einen neuen Ansatz anschlussfähig an bereits bestehende Ansätze und inhaltlich kohärent zu gestalten. Bei spezifisch ausdifferenzierten Merkmalen kann es hilfreich sein, diese deshalb zunächst mit einem höheren Abstraktionsgrad zu betrachten.

Generische Perspektiven und fachspezifische Anwendungen

Durch die erste Kategorie (gemeinsame generische Merkmale) konnte herausgestellt werden, dass auch fachspezifisch konzipierte Ansätze, generische Merkmale nutzen und teilweise vollständig übernehmen ohne sie weiter auszudifferenzieren. Durch die zweite Kategorie (vergleichbare fachspezifische Anwendung) wird wiederum die vergleichbare fachspezifische Ausdifferenzierung generischer Merkmale und der Ergänzungsbedarf (z. B. „Fachliche Korrektheit“) verdeutlicht. Die Ergänzungen wurden mit unterschiedlichen Verwendungszwecken und theoretischer Grundlagen hinzugefügt und lassen sich dennoch vergleichbar gegenüberstellen. Die jeweiligen Verständnisse der Fachspezifik schließen somit die Übertragbarkeit in ein anderes Fach nicht aus. Da alle drei Ansätze im Fachbereich der Naturwissenschaften verortet sind, ließe dies auch auf eine mögliche fachbereichsspezifische Ausdifferenzierung oder Ergänzung schließen. Alle drei Ansätze nutzen die drei Basisdimensionen und erweitern sie. Erweiterungen der drei Basisdimensionen wurden bereits in vorangegangenen Untersuchungen diskutiert und werden von Praetorius et al. (2020a) zu einem allgemeinen Ergänzungsbedarf zusammengefasst. Abhängig vom Verständnis der Fachspezifik könnten diese Ergänzungen zwar sowohl als generisch, als auch als fachspezifisch interpretiert werden, es wäre jedoch in beiden Fällen eine Ergänzung der als generisch angesehenen Basis. Auch bei einer Faktoranalyse konnten Jentsch et al. (2021) eine mögliche Aufteilung der Dimension „konstruktive Unterstützung“ in eine motivationale und eine kognitiv-strukturierende Konzeptualisierung der Dimension herausstellen. Die kognitiv-strukturierende Konzeptualisierung umfasst die Merkmale der fachdidaktischen Strukturierung und würde somit weiter fachspezifisch ausdifferenziert. Damit entsprechen die drei Ansätze dem aktuellen Stand der Unterrichtsqualitätsforschung, wenn sie ihre generischen Grundlagen fachspezifisch ausdifferenzieren bzw. um fachspezifisch interpretierte Merkmale ergänzen.

Für den Vergleich von Ansätzen mit fachbezogenem Einsatz und die Übertragung von Merkmalen ist es wichtig herauszustellen, welches Verständnis von Fachspezifik vorliegt. So kann es durchaus sein, dass auch als fachspezifisch bezeichnete Merkmale in andere Ansätze übertragen werden können, oder ggf. ein gemeinsamer generischer Kern herausgearbeitet werden muss, wie es auch von Dreher und Leuders (2021) beschrieben wird. Abhängig vom Verständnis der Fachspezifik müssten diese jedoch mehr oder weniger stark abstrahiert werden. Eine Analyse der Fachspezifik hat für den Vergleich der drei Ansätze eine strukturierte Herangehensweise geboten, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszustellen.

Es hat sich jedoch in der ersten Kategorie auch gezeigt, dass selbst eine Dimension wie die „Klassenführung“, die häufig als generisch bezeichnet wird, auf tieferen Ebenen fachspezifische Operationalisierungen aufweisen kann (z. B. „Sicherheit“). Damit wäre diese ausdifferenzierte Dimension nicht vollständig auf andere Fächer übertragbar, da „Sicherheit“ nicht für alle Fächer ein notwendiger Unterpunkt der „Klassenführung“ ist. Ein Vergleich und ein Übertragen von Merkmalen aus unterschiedlichen Ansätzen sollte auch bei generisch konzeptualisierten Merkmalen die Ebenen mit einer stärkeren Ausdifferenzierung berücksichtigen.

Für fachspezifische Ausdifferenzierungen oder Ergänzungen der drei Basisdimensionen folgt insgesamt, dass diese über den Bezug zur gemeinsamen generischen Grundlage auch fächerübergreifend miteinander verglichen und übertragen werden können. Auch wenn die generische Grundlage nicht direkt ersichtlich ist, kann sie in den meisten Fällen herausgearbeitet werden.

Gegenüberstellung unter Berücksichtigung von Hierarchie und Fokus

Durch die dritte Kategorie (unterschiedliche Hierarchie) und vierte Kategorie (unterschiedlich aufgeteilte oder zusammengefasste Merkmale) wird deutlich, dass die Struktur der Ansätze für einen Vergleich wichtig ist. Die drei Ansätze erweisen sich als weniger unterschiedlich, als sie auf den ersten Blick erscheinen. Dies liegt vor allem daran, dass sie zwar an vielen Stellen ähnliche Merkmale verwenden, diese aber anders strukturieren. Hierzu gehört sowohl die Verortung vergleichbarer Merkmale in unterschiedlichen Dimensionen (z. B. „Interesse“, Kategorie 3), als auch unterschiedlich aufgeteilte oder zusammengefasste Merkmale (z. B. „Modelleinsatz“, Kategorie 4).

Die unterschiedliche Hierarchie und der Fokus können durch die theoretische Grundlage und den Verwendungszweck begründet sein, oder durch eine fachbezogene Auslegung von Qualitätsmerkmalen auftreten. Werden gezielt die Operationalisierungen der Ansätze verglichen, lassen sich Gemeinsamkeiten leichter herausarbeiten und auch Merkmale gezielt zwischen den Ansätzen übertragen.

Fazit

Der vorliegende Vergleich machte deutlich, dass Unterrichtsqualität in den drei aktuellen naturwissenschaftsdidaktischen Ansätzen nicht grundlegend unterschiedlich beschrieben wird. Neben vielen Gemeinsamkeiten in der Verwendung generischer Qualitätsmerkmale und fachspezifischer Ausdifferenzierungen oder Ergänzungen, zeigen sich die Unterschiede vorrangig in der Hierarchie und der unterschiedlichen Fokussierung von Merkmalen.

Ein gezielter Vergleich und ein Überführen einzelner Qualitätsmerkmale in einen anderen Ansatz (Onlineanhang 1) ist zu großen Teilen möglich und wird durch die Leitfragen und die von uns entwickelten fünf Kategorien erleichtert. Die drei Ansätze ergänzen sich folglich auf einer theoretischen Ebene zu einem gesamtheitlichen Bild der Unterrichtsqualität.

Wird der Verwendungszweck eines bestehenden Ansatzes erweitert oder ein neuer Ansatz mit neuem Verwendungszweck erstellt, hilft die von uns aufgezeigte systematische Vorgehensweise, um eine passende Erweiterung vorzunehmen. Besonders beim Zusammenführen unterschiedlicher Qualitätsmerkmale ist es wichtig die theoretischen Grundlagen und die konkreten Operationalisierungen zu berücksichtigen, damit inhaltliche Überschneidungen vermieden werden können und der neue oder erweiterte Ansatz trennscharf bleibt.

Für zukünftige Forschung wäre es interessant, die Qualitätseinschätzung mehrerer Ansätze direkt miteinander zu vergleichen und hierbei besonders die Überschneidungen zwischen den Ansätzen zu berücksichtigen. Lassen sich auch konkrete Qualitätseinschätzungen zu einem umfassenden Bild der Unterrichtsqualität ergänzen, oder gelingt dies nur auf einer theoretischen Ebene durch eine Kombination der Merkmalslisten?