1 Einleitung

Erfolgreicher Unterricht in heterogenen Lerngruppen ist aktuell ein vorrangiges Leitmotiv für Schul- und Unterrichtsentwicklung. Angesichts der vielfältigen Schülerschaft wählen Schulen zunehmend individuelle Förderung als Gesamtunterrichtsstrategie (Dumont 2019; Klieme und Warwas 2011) und bemühen sich um eine stärkere Personalisierung des Lernens (Stebler et al. 2018). Sie kombinieren geführten und geöffneten Unterricht, unterbreiten den Schüler*innen maßgeschneiderte, kompetenzorientierte Lernangebote, eröffnen erweiterte Wahl- und Mitgestaltungsmöglichkeiten, intensivieren die Nutzung digitaler Lernwerkzeuge, bauen auf kollegiale Zusammenarbeit und kultivieren mit Blick auf multiple Bildungsziele systematisch schülerseitige Kooperation, Selbststeuerung und Verantwortungsübernahme (Stebler et al. 2021). Mit der Entwicklung einer personalisierten Lehr-Lernkultur verändern sich nicht nur die Erwartungen an die fachlichen und überfachlichen Lernerträge der Schüler*innen, sondern auch die Anforderungen an das professionelle Handeln der Lehrpersonen. Wie gut die Lehrpersonen die neuen Herausforderungen meistern, dürfte u. a. davon abhängen, wie selbstwirksam sie sich fühlen, personalisiertes Lernen zu ermöglichen. Im Allgemeinen hängt der Unterricht und dessen Entwicklung stark mit der Selbstwirksamkeit der Lehrpersonen zusammen (Tschannen-Moran und Woolfolk Hoy 2001; Zee und Koomen 2016). Für personalisiertes Lernen liegen hierzu noch keine Untersuchungen vor. Man weiß jedoch, dass sich Lehrpersonen je nach Aufgabenbereich und Unterrichtssituation unterschiedlich selbstwirksam erleben können (Bandura 1997). In diesem Beitrag wählen wir einen kontextspezifischen Zugang und erfassen die Selbstwirksamkeit mit einer eigens für personalisiertes Lernen entwickelten Skala. Wir untersuchen auf der Basis von Selbstberichten der Lehrpersonen zum einen, welche personalen und wahrgenommenen kontextbezogenen Merkmale die Entwicklung der Selbstwirksamkeit zur Ermöglichung personalisierten Lernens im Zuge der Entwicklung einer personalisierten Lehr-Lernkultur beeinflussen und zum anderen, wie die Selbstwirksamkeit mit personalisierungsspezifischen unterrichtlichen Aufgaben und erwarteten schülerseitigen Lernerträgen zusammenhängt.

2 Selbstwirksamkeit von Lehrpersonen bei der Unterrichtsentwicklung zu personalisiertem Lernen

2.1 Personalisiertes Lernen als Ziel von Schul- und Unterrichtsentwicklung

Schulische Lerngruppen sind hinsichtlich bildungsrelevanter Merkmale oft sehr heterogen. Um (fast) alle Lernenden mindestens an die curricularen Grundanforderungen heranzuführen, sie bei der Entfaltung ihrer Potenziale bestmöglich zu fördern und für lebenslanges Lernen zu qualifizieren, braucht es vermehrt Lehr-Lernumgebungen mit optimalen Bedingungen für jede*n Schüler*in bzw. individuelle Förderung (Dumont 2019; Klieme und Warwas 2011). In der pädagogischen Diskussion um bildungspolitische und unterrichtsbezogene Maßnahmen wird heute vielerorts für eine stärkere Personalisierung des Lernens plädiert (Murphy et al. 2016).

Personalisiertes Lernen ist ein vielschichtiges Konzept ohne einheitliches Begriffsverständnis. Es schließt an eine lange Tradition reformpädagogischer Zugänge zur Individualisierung und didaktischen Öffnung schulischer Lehr-Lernkulturen an und wird gegenwärtig stark mit der Nutzung digitaler Medien assoziiert. Allgemeiner gehalten, bezieht sich personalisiertes Lernen auf Ziele, Prozessanforderungen und Maßnahmen zur Gestaltung heterogenitätssensibler, fachlich und überfachlich wirksamer Bildungs- und Lernangebote. Es will den Lernenden durch eine optimale, partizipativ erzielte Passung zwischen Lernangeboten und individuellen Nutzungsbereitschaften einen maßgeschneiderten Kompetenzaufbau ermöglichen und zu einer umfassenderen und fortan sozial gerechteren Realisierung von Bildungspotenzialen beitragen (Stebler et al. 2021).

Im internationalen Diskurs lassen sich aus pädagogisch-psychologischer Sicht fünf Tiefendimensionen, die in unterschiedlichen Konfigurationen als Ziele und Handlungsorientierungen einer personalisierten Lehr-Lernkultur erörtert werden, feststellen (Stebler et al. 2018):

  1. 1.

    Unterrichtsangebote an die personalen Bildungs- und Lernvoraussetzungen von Lernenden und Lerngruppen anpassen

  2. 2.

    Schüler*innen in ihrer Persönlichkeit ganzheitlich fördern

  3. 3.

    Selbstgesteuertes Lernen auf eigenen Wegen ermöglichen

  4. 4.

    Kompetenzorientiertes Lernen zur persönlichen Sache machen

  5. 5.

    Als Lehrpersonen und Lerngemeinschaft bildend und unterstützend wirken

Schulen, die personalisiertes Lernen ermöglichen wollen, müssen ihren Unterricht weiterentwickeln. Unterrichtsentwicklung als Projekt von Einzelschulen bedingt, dass die Mitglieder des Kollegiums über Jahre gemeinsam „Anstrengungen unternehmen, [um] den Prozess und die Ergebnisse des schulischen Lehrens und Lernens systematisch zu verbessern“ (Terhart 2015, S. 63). Zu den strategischen Entwicklungsaufgaben zählen das gemeinsame Ausarbeiten und Umsetzen eines lokalen Personalisierungskonzepts, das den Schüler*innen durch eine gute Balance von geführtem und geöffnetem Unterricht, passgenaue Lernangebote, funktionale Wahl- und Partizipationsmöglichkeiten, einen systematischen Aufbau von Lernkompetenzen und eine kognitiv aktivierende, individuell adaptive Lernunterstützung selbstgesteuertes Lernen auf eigenen Wegen ermöglichen kann (Stebler et al. 2018). Dies erfordert Anpassungen bei den Organisationsformen (u. a. Lernlandschaft, Lerncoaching) und bei der Tiefenstruktur (u. a. individuell-adaptive Lernunterstützung) des Unterrichts im Hinblick auf qualitätsvolle Lernprozesse und solide fachliche und überfachliche Lernerträge (Reusser 2019). Damit verändert sich das Aufgabenspektrum der Lehrpersonen. Sie widmen sich u. a. stärker den einzelnen Schüler*innen, vereinbaren häufiger individuelle Lernziele, gestalten die Leistungsbeurteilung als Lernhilfe, fördern gezielt überfachliche Kompetenzen (u. a. Lernfreude, Selbstständigkeit, Kooperationsfähigkeit) und arbeiten enger mit Kolleg*innen zusammen. Vor allem anfänglich sind auch die Unterrichtsvorbereitung und die Klassenführung aufwändiger als bei gleichförmigem Unterricht (Stebler et al. 2021). Wie gut sich die Lehrpersonen den veränderten Aufgaben gewachsen fühlen, hängt nicht nur mit ihrem professionellen Wissen, sondern auch mit ihrer Selbstwirksamkeit zusammen (Holzberger 2013; Kunter et al. 2011).

2.2 Selbstwirksamkeit von Lehrpersonen

Unter Selbstwirksamkeit von Lehrpersonen (teacher efficacy) versteht man deren Überzeugung, auch schwierige berufliche Situationen und Anforderungen aus eigener Kraft meistern zu können (Florin 2020). Die Selbstwirksamkeit von Lehrpersonen (fortan SwL) hängt mit dem Unterrichtshandeln bzw. der Art, wie Lehrpersonen ihre Aufgaben ausführen, zusammen. In empirischen Untersuchungen zeigen sich positive Zusammenhänge der SwL mit Binnendifferenzierung, Anleitung zu selbstorganisiertem Lernen und Autonomieförderung (Jerusalem et al. 2009) sowie mit Schülerorientierung und Partizipation (Gebauer 2013). Schüler*innen von hoch selbstwirksamen Lehrpersonen geben höhere kognitive Aktivierung, bessere Klassenführung und mehr konstruktive Unterstützung durch ihre Lehrenden an als solche von Lehrpersonen mit geringerer Selbstwirksamkeit, vorausgesetzt die „Basic Needs“ der Lehrpersonen werden durch das Arbeitsumfeld befriedigt (Holzberger 2013). Die SwL korreliert positiv mit „gutem Unterricht“ (Kocher 2014), mit der Motivation (Ross 1992) und den Leistungen der Schülerschaft (Tschannen-Moran und Woolfolk Hoy 2001).

Selbstwirksamkeit ist kein (stabiles) Persönlichkeitsmerkmal. Sie entsteht und verändert sich durch Informationen aus vier Quellen (sources) (Bandura 1997). Diese Quellen sind (1) eigene Erfolgserlebnisse oder Bewältigungserfahrungen (enactive mastery experience), (2) stellvertretende Erfahrungen (vicarious experience), (3) verbale Ermutigung und Unterstützung (verbal persuasion) sowie (4) emotionale Zustände und Reaktionen (physiological and affective states). Die wahrgenommene Selbstwirksamkeit resultiert aus der Verarbeitung der Informationen dieser Quellen und beeinflusst die Anstrengung und Ausdauer, mit der Ziele verfolgt werden. Dabei werden wiederum Erfahrungen gemacht, die zur Entwicklung der Selbstwirksamkeit beitragen. Diesen zyklischen Prozess haben Tschannen-Moran et al. (1998) für die SwL bestätigt. Davon ausgehend hat Florin (2020) ein Prozessmodell der Entwicklung der SwL im Kontext von Unterrichtsentwicklung zu personalisiertem Lernen entworfen. Dessen Grundannahme der zyklischen Veränderbarkeit der SwL impliziert, dass der Glaube an die eigene Wirksamkeit nicht nur eine Konsequenz aus den gemachten Erfahrungen ist, sondern auch beeinflusst, wie diese Erfahrungen kognitiv verarbeitet werden (Bandura 1997). Dadurch kann sich die Selbstwirksamkeit verändern, abhängig von personalen und kontextualen Faktoren.

Zu den personalen Faktoren zählen Persönlichkeitsmerkmale der Lehrpersonen, u. a. berufliche Zufriedenheit, Belastungserleben, Enthusiasmus und Identifikation mit der Schule. Sie können als emotionale Zustände und Reaktionen zur Entwicklung der Selbstwirksamkeit beitragen, nach Bandura (1997) die vierte Quelle für die Entstehung und Entwicklung der Selbstwirksamkeit. Studien zeigen, dass die Selbstwirksamkeit mit personalen Faktoren von Lehrpersonen wie der Motivation und Zielorientierung (Nietfeld und Enders 2003), dem Enthusiasmus für das Unterrichten (Lazarides et al. 2021), dem professionellen Commitment (Coladarci 1992) und dem freiwilligen pädagogischen Engagement (Schmitz und Schwarzer 2002) bzw. dem Engagement fürs Unterrichten (Skaalvik und Skaalvik 2019) positiv zusammenhängt. Dagegen ist der Zusammenhang zwischen der Selbstwirksamkeit und dem Belastungserleben negativ: Je selbstwirksamer sich eine Lehrperson fühlt, desto geringer ist ihr Belastungserleben (Ioannou und Kyriakides 2007; Schwarzer und Hallum 2008) und ihr emotionaler Stress (Skaalvik und Skaalvik 2016). Lehrpersonen mit hoher Selbstwirksamkeit schätzen ihre berufliche Zufriedenheit positiver ein (Zee und Koomen 2016). Zudem lassen sich positive Zusammenhänge der SwL mit vermehrtem Engagement und höherer Bereitschaft, Innovationen umzusetzen, nachweisen (Bosse et al. 2017; Meyer 2008).

Als kontextuale Faktoren gelten u. a. subjektiv wahrgenommene Merkmale der Schule. Diese können der dritten Quelle nach Bandura (1997) zugeordnet werden. Verbale Ermutigung und Unterstützung erfahren Lehrpersonen über ein „Schul- und Sozialklima“, das sich durch Respekt und Vertrauen auszeichnet, durch ein „Innovationsklima“ und durch die Einbindung in ein Kollegium, das überzeugt ist, dass erwünschte Ziele durch gemeinsame Anstrengung erreicht werden können. „Kollektive Selbstwirksamkeit“, d. h. die Überzeugung, als Kollegium etwas bewirken, angestrebte Ziele erreichen und Schwierigkeiten überwinden zu können (Schmitz und Schwarzer 2002), gilt als ein entscheidender Prädiktor für die Kollegialität und Kooperation der Lehrkräfte (Bandura 2000). Zusammenarbeit ist eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Reformen (Zlatkin-Troitschanskaia und Förster 2012). Subjektiv wahrgenommene Kontextfaktoren wie Arbeits- und Schulklima (Gebauer 2013; Satow 2002) oder die Erfüllung der „Basic Needs“ (Holzberger 2013) und kollektive Selbstwirksamkeit (Skaalvik und Skaalvik 2019; Stephanou und Oikonomou 2018) sind positiv korreliert mit der Selbstwirksamkeit. Personale und subjektiv wahrgenommene Kontextfaktoren beeinflussen nach dem Prozessmodell von Florin (2020), wie sich die SwL entwickelt.

2.3 Selbstwirksamkeit von Lehrpersonen bei der Entwicklung einer personalisierten Lehr-Lernkultur

Die dargestellten empirischen Befunde beziehen sich auf Schule und Unterricht im Allgemeinen. Sie geben keine Auskunft darüber, ob sich die Zusammenhänge zwischen SwL und unterrichtlichen Aufgaben einerseits sowie personalen und subjektiv wahrgenommenen Kontextfaktoren andererseits auch bei der Unterrichtsentwicklung zu personalisiertem Lernen zeigen. Dieser Fragestellung geht die vorliegende Untersuchung nach: Welche Bedeutung hat die SwL bei der Entwicklung einer personalisierten Lehr-Lernkultur?

Die nachfolgend dargestellten Analysen entstammen einer längsschnittlichen Studie an Schulen, die ihren Unterricht aus eigener Initiative in Richtung stärkerer Personalisierung des Lernens weiterentwickeln. Leitend sind drei Teilfragen:

  1. 1.

    Wie beurteilen die Lehrpersonen ihre Selbstwirksamkeit in Bezug auf die Ermöglichung personalisierten Lernens (fortan SwLpers)?

    Hypothese: Die untersuchten Lehrpersonen beurteilen ihre SwLpers hoch, weil sie aus Schulen stammen, die sich aus eigener Initiative in Richtung einer stärkeren Personalisierung des Lernens weiterentwickeln und sich für die Teilnahme an der Studie beworben haben.

  2. 2.

    Welchen Einfluss haben personale und subjektiv wahrgenommene Kontextfaktoren auf die Entwicklung der SwLpers im Laufe des Untersuchungszeitraums?

    Hypothese: Es wird vermutet, dass sowohl personale Faktoren als auch subjektiv wahrgenommene Kontextfaktoren die Selbstwirksamkeit bedeutsam beeinflussen (Gebauer 2013; Holzberger 2013).

  3. 3.

    Inwiefern hängen die von den Lehrpersonen rückblickend berichteten, mit personalisierungsspezifischen Unterrichtsaufgaben verbundenen Veränderungen im Lehr- und Lernverhalten mit der SwLpers zusammen?

    Hypothese: Es wird erwartet, dass Lehrpersonen mit hoher SwLpers auch deutlich ausgeprägtere positive Veränderungen im kultivierten Lernverhalten der Schüler*innen (u. a. Zusammenarbeit) berichten, während allfällig berichtete Veränderungen im Lehrverhalten (u. a. Klassenführung) je nach vorgängiger Unterrichtspraxis und Entwicklungsstand der Schule sowohl positiv als auch negativ mit der SwLpers zusammenhängen können.

3 Methode

3.1 Studie

Die vorliegende Untersuchung gehört zur perLen-Studie (perLen = personalisierte Lernkonzepte in heterogenen Lerngruppen). An der Längsschnittstudie (Schuljahre 2012/13–2014/15) haben 65 Schulen (fortan perLen-Schulen genannt) aus der Deutschschweiz teilgenommen, die als mehrheitlich öffentliche Schulen mit Primar- und/oder Sekundarstufe I bottom-up Unterrichts- und Schulentwicklung in Richtung einer stärkeren Personalisierung des Lernens betreiben. Die Schulen haben sich für die Studienteilnahme beworben oder wurden dazu eingeladen. Untersucht wird in der perLen-Studie der Unterricht und dessen Wirkungen sowohl in Bezug auf fachliche und überfachliche Bildungsziele und Prozessqualitäten als auch in Bezug auf die mit der Umsetzung von personalisiertem Lernen verbundenen neuen Rollen und Herausforderungen für alle Beteiligten. Im Rahmen des mehrperspektivischen und multimethodischen Designs wurden im Untersuchungszeitraum u. a. drei Online-Befragungen der Lehrpersonen durchgeführt (Stebler et al. 2018).

3.2 Untersuchungsgruppe

Die Stichprobe der Teilstudie zur SwLpers umfasst jene 188 Lehrpersonen (112 Lehrerinnen und 76 Lehrer) aus 42 perLen-Schulen, die an allen drei Messzeitpunkten teilgenommen haben. Zum ersten Messzeitpunkt (t1) sind die untersuchten Lehrpersonen zwischen 22 und 63 Jahre alt (M = 42,22, SD = 11,35), haben zwischen null und 38 Jahren Unterrichtserfahrung (M= 15,60, SD= 10,87) und unterrichten zwischen null und 36 Jahren (M = 9,28, SD = 8,81) in der perLen-Schule. Über 85 % der Lehrpersonen arbeiten als Fachlehrpersonen (n = 160), die anderen als Lehrkräfte für schulische Heilpädagogik, integrative Förderung oder Deutsch als Zweitsprache (n = 28). Drei Viertel der Lehrpersonen (n = 140) unterrichten auf der Sekundarstufe I, knapp ein Viertel (n = 44) auf der Primarstufe und vier Lehrpersonen sind auf beiden Stufen tätig.

3.3 Instrumente

Die SwLpers wurde mit einer Skala (Florin 2020), deren Items sich auf Dimensionen einer personalisierten Lehr-Lernkultur beziehen, erfasst (Abschn. 2.1; Tab. 1). Weitere Skalen wurden zu personalen und subjektiv wahrgenommenen Kontextfaktoren gebildet, die in empirischen Untersuchungen mit der Selbstwirksamkeit zusammenhängen, nämlich zu „Enthusiasmus“, „Identifikation mit der Schule“, „kollektive Selbstwirksamkeit“, „Schulklima“ und „Innovationsklima“ (Florin 2020). Zudem wurden Items zu Veränderungen des Lehr- und Lernverhaltens, die mit Unterrichtsentwicklung zu personalisiertem Lernen einhergehen dürften, in die Analysen einbezogen.

Tab. 1 Skala: „Selbstwirksamkeit von Lehrpersonen in Bezug auf die Ermöglichung personalisierten Lernens“

3.4 Auswertung

Das statistische Vorgehen zur Ermittlung der Skalen bestand aus einer explorativen Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse [PCA], oblique Rotation [Oblimin]), die für jeden Messzeitpunkt (t1, t2, t3) separat berechnet wurde. Für jede Skala wurde die Modellgüte mithilfe von konfirmatorischen Faktorenanalysen (in Mplus) überprüft. Danach wurden Reliabilitätsanalysen durchgeführt (Backhaus et al. 2003; Mücke 2010). Tab. 1 zeigt die mittleren Itemwerte und die Kennwerte der Skala „Selbstwirksamkeit von Lehrpersonen in Bezug auf die Ermöglichung personalisierten Lernens“ bei allen Messzeitpunkten (Teilfrage 1). Unterschiede der mittleren Item- und Skalenwerte über die drei Messzweitpunkte wurden mit t‑Test für abhängige Stichproben gerechnet.

Tab. 2 enthält die Kennwerte der Skalen zu den personalen und subjektiv wahrgenommenen Kontextfaktoren beim ersten Messzeitpunkt t1 (Florin 2020).

Tab. 2 Skalen und Items zu personalen und subjektiv wahrgenommenen Kontextfaktoren (Messzeitpunkt t1; N = 179)

Zur Überprüfung möglicher Verzerrungen der Schätzergebnisse (Common Method Variance) wurde der Harmann Ein-Faktor-Test über alle eingesetzten Items pro Messzeitpunkt durchgeführt. Zu t1 wird 26,44 % Varianz durch einen einzelnen Faktor erklärt, zu t2 24,82 % und zu t3 24,45 %. Somit ist die Wahrscheinlichkeit eines vorhandenen Common Method Bias klein. Alle Skalen wurden auf Messinvarianz geprüft. Diese Prüfung zeigt bei der Skala „Selbstwirksamkeit von Lehrpersonen in Bezug auf die Ermöglichung personalisierten Lernens“ akzeptable Werte für das konfigurale, das metrische und das skalare Modell (Tab. 3). Auch bei den Skalen zu personalen und subjektiv wahrgenommenen Kontextfaktoren ist metrische und skalare Messinvarianz über die Zeit, außer bei der Skala „Schulklima“, wo nur partielle metrische Invarianz besteht, gegeben (ohne Tab.).

Tab. 3 Messinvarianz der Skala „Selbstwirksamkeit von Lehrpersonen in Bezug auf die Ermöglichung personalisierten Lernens“

Der Einfluss personaler und subjektiv wahrgenommener Kontextfaktoren auf die Selbstwirksamkeit wurden mittels autoregressiver Modelle bestimmt (Teilfrage 2). Die Zusammenhänge der SwLpers mit Items zu Veränderungen im Lehr- und Lernverhalten im Zuge der Unterrichtsentwicklung zu personalisiertem Lernen wurden durch Korrelationen nach Spearman berechnet (Teilfrage 3). Für die statistischen Analysen wurden SPSS-Statistics und Mplus verwendet.

4 Ergebnisse

Forschungsfrage 1

Die Lehrpersonen stufen ihre SwLpers über den dreijährigen Untersuchungszeitraum hinweg ähnlich und hoch ein (Tab. 1). Die mittleren Skalenwerte t1, t2 und t3 unterscheiden sich nicht signifikant (p > 0,05). Von den Item-Mittelwerten her zu schließen, sind die Lehrpersonen stark davon überzeugt, dass sie die Schüler*innen dazu befähigen können, Lernen als positiv zu werten, selbstständig zu lernen, Verantwortung für ihr eigenes Lernen zu übernehmen und zusammenzuarbeiten. Etwas weniger stark überzeugt sind sie davon, lebenslanges Lernen bei den Schüler*innen fördern zu können. Die mittleren Werte unterscheiden sich bei keinem Item signifikant über die drei Erhebungszeitpunkte (p > 0,05) mit einer Ausnahme: Item 4 wird in t3 signifikant schlechter beurteilt als in t2 (t (175) = 2,00, p = 0,047) und tendenziell schlechter als in t1 (t (105) = 1,67, p = 0,096).

Forschungsfrage 2

bezieht sich auf den Einfluss personaler und subjektiv wahrgenommener Kontextfaktoren auf die SwLpers. Zur Analyse des Einflusses personaler Faktoren wurde der Enthusiasmus zum Unterrichten, die Identifikation mit der Schule, die berufliche Zufriedenheit und das Belastungserleben herangezogen. Bei der ersten Online-Befragung (t1) berichten die Lehrpersonen einen hohen Enthusiasmus, identifizieren sich stark mit ihrer Schule und bekunden eine hohe Berufszufriedenheit sowie ein eher tiefes Belastungserleben. Mit der kollektiven Selbstwirksamkeit, dem Schulklima und dem Innovationsklima wurden drei subjektiv wahrgenommene Kontextfaktoren mit stark positiver Ausprägung berücksichtigt (Tab. 2; Anhang Tab. 5). Zur Modellierung des Einflusses der personalen und subjektiv wahrgenommenen Kontextfaktoren auf die SwLpers wurden zwei autoregressive Modelle (ARM) gerechnet: Im ersten Modell (Abb. 1) wurde der Einfluss der personalen Faktoren (zwei Skalen als latente Konstrukte und zwei Items) beim ersten Messzeitpunkt (t1) auf die SwLpers in t2 und in t3 analysiert, im zweiten Modell (Abb. 2) derjenige der subjektiv wahrgenommenen Kontextfaktoren (drei Skalen als latente Konstrukte) in t1 auf die SwLpers in t2 und t3 berechnet. Die statistische Analyse ergab eine hohe Fehlerkovarianz zwischen Item (1) und (2) der Skala „Selbstwirksamkeit von Lehrpersonen in Bezug auf die Ermöglichung personalisierten Lernens“. Zur Optimierung der Modellgüte wurde diese Fehlerkovarianz bei beiden Modellen freigegeben.

Abb. 1
figure 1

Einfluss personaler Faktoren beim ersten Messzeitpunkt (t1) auf die Selbstwirksamkeit in Bezug auf die Ermöglichung personalisierten Lernens beim zweiten (t2) und dritten (t3) Messzeitpunkt. (Signifikanz der Korrelation (zweiseitig): *p < 0,05, **p < 0,01, +p < 0,1)

Abb. 2
figure 2

Einfluss subjektiv wahrgenommener Kontextfaktoren beim ersten Messzeitpunkt (t1) auf die Selbstwirksamkeit in Bezug auf die Ermöglichung personalisierten Lernens beim zweiten (t2) und dritten (t3) Messzeitpunkt. (Signifikanz der Korrelation (zweiseitig): *p < 0,05, **p < 0,01, +p < 0,1)

Der Modellfit für das ARM zu den personalen Faktoren (Abb. 1) ist zufriedenstellend (χ2 (304) = 417,48, p < 0,001; CFI = 0,919; RMSEA = 0,045 (90 %-CI = 0,033/0,055); SRMR = 0,062). Die Faktorladungen der latenten Variablen liegen zwischen 0,43 und 0,71 (Anhang Tab. 6). Das Modell ist für beide Vorhersagen (SwLpers t2 und t3) hoch signifikant (t2: R2 = 0,57, z= 6,39, p < 0,001; t3: R2 = 0,50, z= 5,92, p < 0,001). Die Summe der aufgeklärten Varianz beträgt 57 % respektive 50 %. Die hoch signifikanten Korrelationen der Prädiktoren untereinander haben einen moderaten Effekt (r ≤ 0,50). Das Belastungserleben t1 hat einen tendenziell negativen Einfluss auf die SwLpers t2 (β = −0,15, z= −1,83, p= 0,07) und die Identifikation mit der Schule t1 einen hoch signifikanten auf die SwLpers t3 (β = 0,30, z= 3,05, p < 0,001). Die SwLpers t1 hat einen hoch signifikanten Einfluss auf die SwLpers t2 (β = 0,77, z= 9,02, p < 0,001) und diese wiederum auf die SwLpers t3 (β = 0,53, z= 6,34, p < 0,001).

Das Modell für das ARM zu den subjektiv wahrgenommenen Kontextfaktoren (Abb. 2) zeigt einen zufriedenstellenden Fit (χ2 (418) = 612,91, p < 0,001; CFI = 0,904; RMSEA = 0,050 (90 %-CI = 0,041/0,058); SRMR = 0,064). Die Faktorladungen der latenten Variablen liegen zwischen 0,44 und 0,82 (Anhang Tab. 7). Das Modell als Ganzes ist für beide Vorhersagen (SwLpers t2 und SwLpers t3) hoch signifikant (t2: R2 = 0,59, z= 5,52, p < 0,001; t3: R2 = 0,48, z= 5,44, p < 0,001). Die Summe der aufgeklärten Varianz beträgt 59 % respektive 48 %. Die Korrelationen der Prädiktoren untereinander sind hoch signifikant mit hoher Effektstärke (r ≥ 0,60). Es zeigen sich keine Einflüsse der Prädiktoren beim Messzeitpunkt t1, weder auf die SwLpers t2 noch die SwLpers t3. Die SwLpers t1 hat einen hoch signifikanten Einfluss auf die SwLpers t2 (β = 0,83, z= 7,60, p < 0,001) und diese wiederum auf die SwLpers t3 (β = 0,57, z= 7,15, p < 0,001).

Forschungsfrage 3

Bei den Online-Befragungen t2 und t3 wurden die Lehrpersonen zu lehr- und lernseitigen Veränderungen im Zuge der Unterrichtsentwicklung zu personalisiertem Lernen befragt. Tab. 4 zeigt, (a) dass die Lehrpersonen rückblickend deutliche, im Personalisierungsdiskurs thematisierte Veränderungen bei unterrichtlichen Aufgaben und dem damit verbundenen schülerseitigen Zielverhalten berichten und (b) dass die berichteten personalisierungsspezifischen Veränderungen bei beiden Erhebungszeitpunkten in ähnlicher Ausprägung mit der SwLpers zusammenhängen. Die Stärke der SwLpers korreliert positiv mit der Ausprägung berichteter Veränderungen bei lehrseitigen Aufgaben, die direkt der individuellen Förderung dienen (höhere individuelle Förderzeit, mehr individuelle Lernziele, vielfältigere Beurteilungskultur, höhere Lehrpersonenkooperation), aber nicht mit klassischen Aufgaben wie Unterrichtsvorbereitung und Klassenführung. Die negative Korrelation bei t3 zeigt, dass mit steigender SwLpers die Aussage, im Zuge der Unterrichtsentwicklung zu personalisiertem Lernen sei das Erreichen der curricularen Ziele schwieriger geworden, deutlicher abgelehnt wird. Je höher die SwLpers beurteilt wird, umso deutlicher werden positive Veränderungen im Lernverhalten der Schüler*innen (mehr Lernfreude, höhere Selbständigkeit und mehr Übernahme von Verantwortung im Lernprozess sowie produktivere Zusammenarbeit) berichtet und umso weniger wird eine Zunahme von Über- oder Unterforderung seitens der Schüler*innen konstatiert.

Tab. 4 Korrelationen der Selbstwirksamkeit von Lehrpersonen mit berichteten lehr- und lernseitigen Veränderungen nach Spearman (rs) beim zweiten (t2) und beim dritten (t3) Messzeitpunkt

5 Diskussion

Selbstwirksamkeit als Überzeugung herausfordernde Situationen und schwierige Aufgaben mit eigenen Kompetenzen bewältigen zu können, ist ein Motor für erfolgreiches Handeln. Sie beeinflusst, welche Ziele mit wie viel Aufwand und Ausdauer verfolgt werden (Bandura 1997). Ausgehend von Studien, die positive Zusammenhänge der SwL nicht nur mit dem Wohlbefinden, sondern auch mit dem Unterrichten, dem Lernen der Schüler*innen, der Unterrichtsqualität und mit Innovationsbemühungen nachweisen konnten, wurde in diesem Beitrag die Bedeutung der Selbstwirksamkeit bei der Entwicklung einer personalisierten Lehr-Lernkultur untersucht. Dazu wurde eine Selbstwirksamkeitsskala entwickelt, die sich auf Dimensionen personalisierter Lehr-Lernkulturen bezieht (Florin 2020).

Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Lehrpersonen als sehr selbstwirksam wahrnehmen, personalisiertes Lernen zu ermöglichen. Die perLen-Schulen entwickeln aus eigener Initiative personalisierte Lehr-Lernkulturen. Manche Lehrpersonen, die diese Neuerungen nicht mittragen wollten, haben die Schule verlassen, andere haben sich speziell wegen dieser Ausrichtung der Unterrichtsentwicklung an die betreffenden Schulen wählen lassen. Es ist also davon auszugehen, dass die untersuchten Lehrpersonen eine Affinität zu personalisiertem Lernen haben, sich bezüglich personalisierter Lernkonzepte einiges zutrauen bzw. ihre diesbezüglichen professionellen Kompetenzen eher hoch einschätzen.

Die Analyse des Einflusses personaler und subjektiv wahrgenommener Kontextfaktoren beim ersten Messzeitpunkt auf die SwLpers beim zweiten und dritten Messzeitpunkt weisen auf die Bedeutung von Quelle vier zur Entstehung und Veränderung der Selbstwirksamkeit hin: Belastungserleben wirkt sich negativ auf die SwLpers aus. Die Identifikation mit der Schule, also sich im Kollegium wohlfühlen, gerne an der Schule unterrichten und hinter dem Konzept der Schule stehen, hat einen positiven Einfluss auf die SwLpers. Aus den Ergebnissen lässt sich schließen, dass sich die SwLpers bei einem früheren Messzeitpunkt am stärksten auf die SwLpers bei einem späteren Messzeitpunkt auswirkt. Aber auch die Identifikation mit der Schule wirkt sich positiv auf die SwLpers aus. Wider Erwarten zeigt keiner der subjektiv wahrgenommenen Kontextfaktoren (kollektive Selbstwirksamkeit, Schulklima, Innovationsklima) in t1 einen signifikanten Einfluss auf die SwLpers in t2 und t3, obwohl die Summe der erklärten Varianz jeweils beachtlich ist. Allerdings dürfte dies hauptsächlich durch den bedeutsamen Einfluss der SwLpers bei einem früheren auf einen späteren Messzeitpunkt begründet sein. Beachtenswert sind die hoch signifikanten Korrelationen zwischen den drei subjektiv wahrgenommenen Kontextfaktoren bei t1 mit hoher Effektstärke, insbesondere zwischen der kollektiven Selbstwirksamkeit und dem Innovationsklimas. Dieser Befund wirft Fragen auf: Könnte die Prädiktorwirkung gegensätzlich verlaufen? D. h., dass die SwLpers einen Einfluss auf die subjektiv wahrgenommenen Kontextfaktoren hat und nicht wie in den vorliegenden Analysen berechnet umgekehrt. Müsste der Einfluss der kollektiven Selbstwirksamkeit genauer untersucht werden?

Die Einschätzung der SwLpers hängt positiv und erwartungskonform mit rückblickend berichteten Veränderungen bei den Förderaufgaben der Lehrpersonen zusammen. Mit Unterrichtsvorbereitung und Klassenführung zeigen sich keine Zusammenhänge. Dies ist eher unerwartet, da personalisiertes Lernen wegen der maßgeschneiderten, individuell-adaptiven Unterrichtsangebote, der schülerseitigen Wahl- und Mitbestimmungsmöglichkeiten und der teils offenen didaktischen Arrangements mit unterschiedlichen, parallellaufenden Schüleraktivitäten, bezüglich Unterrichtsvorbereitung und Klassenführung im Vergleich zu traditionellem Unterricht anspruchsvoller ist. Dass bei t3 eine höhere SwLpers mit geringeren Zweifeln am Erreichen der curricularen Lernziele einhergeht, dürfte damit zu erklären sein, dass die dritte Datenerhebung in einen Zeitraum mit Selektionsentscheidungen fiel, deren Ergebnisse die Lehrpersonen darin bestärkt haben könnten, dass ihre personalisiert lernenden Schüler*innen die geforderten Leistungen erbringen. Die Zusammenhänge der SwLpers mit berichteten, bei personalisiertem Lernen intendierten Veränderungen des Lernverhaltens der Schüler*innen sind positiv. Zwar sind dies Einschätzungen der Lehrpersonen, doch decken sich ihre Angaben mit jenen der Lernenden in der dritten Schüler*innenbefragung (Stebler et al. 2021). Die positiven Zusammenhänge zwischen SwLpers und berichteter Veränderung der Qualität und Adaptivität des Unterrichts lassen darauf schließen, dass es den Lehrpersonen im Zuge der Entwicklung personalisierter Lehr-Lernkulturen auch besser gelingt, heterogenitätssensiblen Unterricht zu gestalten.

Die referierten Ergebnisse dokumentieren die Bedeutung der SwL als Aspekt ihrer professionellen Kompetenz in Schulen mit personalisierten Lernkonzepten. Daher lohnt es sich, die SwL bei weiteren Forschungsarbeiten zur Schul- und Unterrichtsentwicklung zu berücksichtigen und in der praktischen Umsetzung zu beachten. Was heißt das konkret? Schulentwicklung in Richtung einer Lehr-Lernkultur voranzutreiben, welche die individuellen Voraussetzungen und Lernbedürfnisse einer heterogenen Schülerschaft ernst nimmt, erfordert selbstwirksame Lehrpersonen, die sich einem in mehrfacher Weise erweiterten Verständnis der eigenen Rolle und der damit verbundenen „Handlungsaufgaben von Lehrpersonen“ (Reusser 2019, S. 154 ff.) gewachsen fühlen. Dazu gehören: „die Aufgabenkultur des Unterrichts“ (z. B. Aufgabenstellungen, die zu den individuellen Voraussetzungen der Lernenden passen und die aktives, individuelles und kooperatives Lernen ermöglichen), „ein erweitertes Spektrum von Inszenierungsformen“ (z. B. ein im Team entwickeltes Repertoire an Methoden und Medien zur Förderung des selbstorganisierten Lernens) und „ein stark erweitertes Repertoire an Formen pädagogischer Unterstützung“ (z. B. individuelle und gruppenbezogene Lernbegleitung in selbstgesteuerten und offenen Arbeitsräumen durch sinnstiftende Dialoge). Für diese anspruchsvollen professionellen Kompetenzen, für die Rollenerweiterung und die Bereitschaft, im Team Schule und Unterricht neu zu denken, müssen Lehrpersonen qualifiziert werden. Zu dieser Qualifikation zählt, dass sich Lehrpersonen der Bedeutung ihrer eigenen Selbstwirksamkeit bewusst sind und dass Schulleitungen sicherstellen, dass die Lehrpersonen und das Schulhausteam so arbeiten können, dass das Vertrauen in die eigene Wirksamkeit nicht beeinträchtigt wird. Funktioniert ein Lehrpersonenteam nicht gut und/oder zeigen sich Widerstände und Blockaden bei der Schul- und Unterrichtsentwicklung, könnte dies ein Signal sein, auf übergeordneter Ebene Hilfe zu holen, um die Selbstwirksamkeit individuell und im Team zu stärken (z. B. durch Fortbildung, Peer-Coaching, Arbeit in Netzwerken).

Aus forschungsmethodischer Sicht erwies sich die Analyse entlang des postulierten Prozessmodells der Veränderung von SwL im Kontext von personalisierten Lernkonzepten (Florin 2020) als ergiebig. Im Modell wurde allerdings nur eine Auswahl möglicher Einflussgrößen auf die SwL berücksichtigt, was eine Limitierung der berichteten Ergebnisse bedeutet. Ebenfalls wichtige Faktoren wie Selbstregulation und Distanzierungsfähigkeit der Lehrpersonen (Kunter et al. 2011) blieben unberücksichtigt. Es besteht ein Bedarf an weiteren Längsschnittstudien, insbesondere unter Einbezug von objektiv-strukturellen Einflussgrößen (z. B. Standort und Größe der Schule, Infrastruktur), die in diese Analyse nicht einbezogen wurden. Die Erhebung der Daten durch Selbsteinschätzung könnte durch Fremdurteile (Schülerschaft oder Experten) in größerer Stichprobe und mit gut auf die Selbsteinschätzung abgestimmten Instrumenten ergänzt werden (mix-method). Alle eingesetzten Skalen müssten einer Item-Analyse unterzogen werden. Das Untersuchungsdesign müsste Aussagen zu indirekten und vermittelnden Einflussfaktoren erlauben. Limitierend für die Aussagekraft der Ergebnisse ist weiter die nicht-repräsentative Stichprobe: alle in der perLen-Studie analysierten Schulen hatten eine hohe Bereitschaft und Eigeninitiative zur Schul- und Unterrichtsentwicklung. Auch wurde in den Auswertungen der aktuelle Stand der Schulen bei der Schul- und Unterrichtsentwicklung nicht berücksichtigt. Trotz dieser Einschränkungen möchten wir festhalten, dass die Selbstwirksamkeit der Lehrpersonen bei der Entwicklung einer personalisierten Lehr-Lernkultur eine hohe Bedeutung hat und daher forschungsmäßig genauer beleuchtet sowie bei der Unterrichtsentwicklung in den Schulen berücksichtigt werden sollte.