Zusammenfassung
Wie nutzen etablierte politische Institutionen digitale und soziale Medien? Für das britische House of Commons und den Deutschen Bundestag überprüfen wir diese Frage, indem die Verfügbarkeit neuer, interaktiver und direkter Kommunikationsmöglichkeiten des Internets auf ihren Parlamentswebseiten abgefragt wird. Mithilfe der Unterscheidung ein-, zwei- und dreidimensionaler Kommunikation zeigt sich im Vergleich, dass das Unterhaus deutlich mehr interaktive tools anbietet als der Bundestag. Unsere erste Hypothese, wonach Konsensdemokratien ein besonderes Augenmerk auf interaktive Kommunikation legen, bestätigt das deutsche Fallbeispiel nicht. Unsere zweite Hypothese, dass kommunikative Potenziale interaktiver und digitaler Politikvermittlung von Redeparlamenten frühzeitig aufgegriffen und umgesetzt werden, wird vom britischen Fallbeispiel gestützt.
Abstract
What use do established political institutions make of digital and social media? We seek to answer that question for the British House of Commons and the German Bundestag by checking to what extent they offer new, interactive and direct means of communication through the internet on their parliamentary websites. Using a distinction between one-, two- and three-dimensional communication, we demonstrate that the House of Commons offers far more interactive tools than the Bundestag. Our first hypothesis – that consensus democracies put special emphasis on interactive communication – is thus not confirmed. Our second hypothesis – that “debating chambers” use the communicative potential of interactive and digital means of communicating politics more proactively than “working chambers” – is supported by the British case.
Notes
Bruns (2008) hat für diesen Umstand den Begriff des „produser“ eingeführt.
Natürlich haben beide Länder unterschiedliche Geschichten in Bezug auf ihre Demokratisierung und die Stabilität bzw. Instabilität ihrer Regime. Im Hinblick auf unsere Untersuchung mit dem Fokus auf Soziale Medien ist es aber unerheblich, dass das britische Parlament seine Wurzeln bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen kann und gerne als Mutter der Parlamente bezeichnet wird, während der Deutsche Bundestag erst mit Gründung der Bundesrepublik vor bald 70 Jahren konstituiert wurde.
Es wurden nur durch direkte Wahl legitimierte Kammern ausgewählt. Die empirische Erhebung bleibt vor allem deshalb auf sie beschränkt, weil die zweiten Kammern so unterschiedlich angelegt sind, dass ein systematischer Vergleich nicht sinnvoll möglich ist.
Für die Erhebung wurden alle abgefragten, vorhandenen tools mit „1“, die nicht vorhandenen tools mit „0“ codiert. Eine ausdifferenzierte, feinere Codierung erscheint erst bei einer größeren Zahl untersuchter Fälle sinnvoll, wenn die Ergebnisse der Abfragen (anders als in den beiden hier betrachteten Untersuchungsfällen) uneindeutig sind (etwa wenn sie vorhanden sind, jedoch nicht funktionieren). In dieser ersten Erhebung wurde außerdem keine Gewichtung in der Codierung vorgenommen, da diese wenig zusätzlichen Nutzen mit sich bringt.
Auskünfte zur Erklärung der Ergebnisse für Deutschland wurden von Seiten der Bundestagsverwaltung leider abgelehnt. Begründet wurde dies damit, dass sich das Parlament derzeit in einer Vorbereitungsphase der Neuordnung seiner digitalen Angebote befindet.
Die vollständige Ergebnistabelle mit Verlinkungen und Quellen findet sich im Anhang dieses Beitrags.
Insgesamt existieren drei Webseiten für das britische Parlament, wovon eine als Hauptseite gilt (www.parliament.uk). Die beiden weiteren Seiten sind für Schulen und Colleges zu Bildungszwecken (www.explore.parliament.uk) sowie als Webcasting-Site für das Parlamentsfernsehen (www.parliamentlive.tv) konstruiert. Die empirischen Ergebnisse wurden für die erste, primäre Seite erhoben, wobei von ihr ausgehend nur das Unterhaus erhoben wurde (www.parliament.uk/business/commons).
http://twitter.com/UKParliament, http://twitter.com/houseofcommons, http://twitter.com/ukparloutreach, http://twitter.com/CommonsHansard, http://twitter.com/ParliamentLive, http://twitter.com/CommonsLibrary, http://twitter.com/visitparliament, http://twitter.com/ukparleducation, http://twitter.com/post_uk, http://twitter.com/ukparlarts, http://twitter.com/digidemocracyuk, http://twitter.com/parliament_week, http://twitter.com/liberteas2015, http://twitter.com/tedxhop, http://twitter.com/CommonsSES, http://twitter.com/hs2parliament, http://twitter.com/HoCEventsUK, http://twitter.com/ParliOUT, http://twitter.com/digiminster, http://twitter.com/ukparlidata, http://twitter.com/CommonsForeign, http://twitter.com/CommonsLiaison, http://twitter.com/CommonsTreasury, http://twitter.com/CommonsScotAffs, http://twitter.com/CommonsNIAC, http://twitter.com/CommonsWelshAff, http://twitter.com/CommonsPolCon, http://twitter.com/CommonsJustice, http://twitter.com/CommonsEFRA, http://twitter.com/CommonsHealth, http://twitter.com/CommonsEd, http://twitter.com/CommonsTrans, http://twitter.com/CommonsIDC, http://twitter.com/CommonsHomeAffs, http://twitter.com/CommonsECC, http://twitter.com/CommonsDefence, http://twitter.com/CommomCMS, http://twitter.com/CommonsCLG, http://twitter.com/CommonsSTC, http://twitter.com/CommonsProcCom, http://twitter.com/CommonsWorkPen, http://twitter.com/CommonsPASC, http://twitter.com/UKParlJCHR, http://twitter.com/CommonsEAC, http://twitter.com/CommonsBIS, http://twitter.com/CommonsPAC, http://twitter.com/CommonsBBCom, http://twitter.com/CommonsStandRev, http://twitter.com/CommonsGov
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Unser herzlicher Dank gilt zwei anonymen Reviewern für ausführliche, konstruktive Kritik und Verbesserungsvorschläge einer früheren Version des Manuskripts sowie den Herausgebern für die Aufnahme in das Sonderheft. Alle verbleibenden Irrtümer und Fehleinschätzungen liegen in unserer Verantwortung.
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Schwanholz, J., Busch, A. „Like“ Parlament?. Z Vgl Polit Wiss 10 (Suppl 2), 15–39 (2016). https://doi.org/10.1007/s12286-016-0285-x
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