1 Einleitung

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Thematisierung von Integration und Inklusion von Kindern in frühkindlichen Bildungseinrichtungen. Das Thema Integration wird sowohl in wissenschaftlichen wie auch politischen und öffentlichen Debatten als höchst relevant erachtet – und ist dort gleichzeitig umstritten wie kaum ein anderes Thema (Blossfeld et al. 2016; Deppe-Wolfinger 2018; Scherr und Inan 2018). So ist es etwa keineswegs konsensual, wer die Adressaten von Integration sind, welche Ziele durch Integration vorrangig verfolgt werden (sollen) und wer für den Integrationsprozess zuständig ist. In Bezug auf diese Fragen existieren unterschiedliche Positionen, die sich in verschiedenen Ansätzen niederschlagen (vgl. Faas 2008; Faist 2000; Hahn et al. 2015). In den letzten Jahrzehnten ist diese Debatte um den Begriff der Inklusion erweitert worden, der oftmals im Sinne einer „optimierte[n] und erweiterte[n] Integration“ (Sander 2004, S. 11) verstanden wird, um den aber ebenfalls vehement gerungen wird (Grosche 2015; Hinz 2002; Wocken 2009; vgl. ausführlicher: Abschn. 2).Footnote 1 Kurzum: Sowohl zu Integration als auch zu Inklusion existieren verschiedene Ansätze und Lesarten. Dabei stellt sich auch die Frage, welche normativen Sichtweisen zu Integration und Inklusion eigentlich in Bildungsinstitutionen vorhanden sind. Diese Frage ist relevant, weil diese Positionierungen den Umgang mit Heterogenität in Bildungsinstitutionen auf verschiedenen Ebenen prägen können (Kurucz et al. 2023; Silverman 2010; Trautmann und Wischer 2011).

Dieser Artikel beschäftigt sich mit den normativen Sichtweisen auf Integration und Inklusion in frühkindlichen Bildungseinrichtungen. Konkret untersuchen wir, wie Integration und Inklusion in Kindergartenkonzeptionen thematisiert werden. Kindergartenkonzeptionen sind schriftliche Dokumente, in denen die Einrichtungen ihre pädagogischen Leitlinien und Schwerpunkte beschreiben (Deibl und Hascher 2017; Knauf 2021). Im Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG, § 22a) ist explizit festgehalten, dass die Träger solcher Einrichtungen eine pädagogische Konzeption entwickeln als Grundlage zur Erfüllung ihres Auftrags zur Erziehung, Bildung und Betreuung der Kinder. Eine Analyse dieser Dokumente kann entsprechend aufzeigen, inwieweit die Themen Integration und/oder Inklusion im Selbstverständnis einer Einrichtung verankert sind und welche Vorstellungen dazu existieren. Zudem kann untersucht werden, ob und inwiefern Integration und Inklusion in unterschiedlicher Art und Weise thematisiert werden.

Der Artikel gliedert sich wie folgt: Zunächst werden wir verschiedene normative Sichtweisen und Ansätze zu Integration und Inklusion in Bildungsinstitutionen darstellen (Abschn. 2). Danach werden wir auf die Entwicklung von Konzeptionen für Kindertageseinrichtungen eingehen und die konkreten Forschungsfragen dieses Beitrags vorstellen (Abschn. 3). Ausgehend von unserem Theoriekapitel werden wir eine Heuristik zur Beschreibung der Thematisierungen von Integration und Inklusion in Bildungseinrichtungen entwickeln (Abschn. 4), die auch im empirischen Teil dieses Beitrags Anwendung findet. Daran anschließend werden die Daten und Methoden vorgestellt (Abschn. 5). Die empirische Untersuchung erfolgt anhand der schriftlichen Kindergartenkonzeptionen, die im Rahmen der „Kinder und Kitas in Deutschland“-Studien (K2ID, vgl. Schober et al. 2017) erhoben wurden. Zur Auswertung dieser Konzeptionen kombinieren wir eine induktive und eine deduktive inhaltsanalytische Vorgehensweise. Die Ergebnisse werden im Abschn. 6 präsentiert und im letzten Teil (Abschn. 7) zusammengefasst und diskutiert.

2 Normative Sichtweisen und Ansätze zu Integration und Inklusion in Bildungsinstitutionen

Unter Integration wird ganz allgemein die Eingliederung von Individuen oder Gruppen in gesellschaftliche Teilsysteme verstanden (Geißler 2005, S. 45; Imbusch und Rucht 2005, S. 20 f.). Inklusion wird definiert als „die gleichrangige gesellschaftliche Partizipation aller Menschen“ (Kullmann et al. 2014, S. 90), wobei Inklusion darauf abzielt, „strukturelle (rechtliche) Rahmenbedingungen zu schaffen, die benachteiligende Ausgangslagen ausgleichen können und Partizipation ermöglichen“ (Georgi 2015, S. 26).

Der Begriff der Inklusion ist jedoch in vielerlei Hinsicht nicht trennscharf zum Integrationsbegriff und zu beiden existieren verschiedene Lesarten (Georgi 2015; Grosche 2015; Hinz 2002; Sander 2004; Textor 2018; Wocken 2009). Tatsächlich unterscheidet sich ein „sehr weitgehendes Verständnis von Integration“ kaum vom Inklusionsbegriff (Textor 2018, S. 32). Wir werden in den folgenden Abschn. 2.1 bis 2.4 genauer herausarbeiten, inwiefern sich der Inklusionsbegriff in verschiedenen Aspekten (Zielgruppen, Ziele und Perspektiven, adressierte inhaltliche Domänen, beteiligte Akteure) vom Integrationsbegriff unterscheidet, wobei wir auch auf verschiedene Ansätze und Lesarten innerhalb dieser beiden Oberbegriffe hinweisen.

2.1 Zielgruppen

Dem Bildungssystem wird generell eine „Integrationsfunktion“ zugesprochen, d. h. Bildungsinstitutionen sollen dazu beitragen, die jeweils nächste Generation junger Menschen in die Gesellschaft zu integrieren (Fend 2006). Allerdings wird Integration im Bildungskontext meist mit Blick auf spezifische Zielgruppen diskutiert, die als besonders „integrationsbedürftig“ gelten, insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder mit Behinderung bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf. Für die Integration dieser Gruppen existieren Spezialdiskurse und jeweils eigenständige Literaturen (z. B. Blossfeld et al. 2016; Kohrt et al. 2021; Masinda et al. 2014; Reinders et al. 2011; Sermier Dessemontet et al. 2011).

Während bei normativen Integrationsansätzen daher meist davon ausgegangen wird, dass eine als „benachteiligt“ oder „anders“ geltende Gruppe in die als „normal“ geltende Gruppe integriert werden soll („Zwei-Gruppen-Theorie“), wird beim Inklusionsbegriff von einer einzigen, heterogenen Gruppe ausgegangen, in der verschiedenste Dimensionen von Heterogenität vorhanden sind (Hinz 2002, 2006; Schmitt und Uçan 2021; Wocken 2009). Heterogenität wird als normal angesehen und mehrdimensional betrachtet, d. h. Menschen sind vielerlei Hinsicht verschieden, wobei sich jedoch keine Bewertung oder Hierarchisierung ergibt (Kullmann et al. 2014, S. 89; Textor 2018, S. 27 f.). Eine Verengung auf eine bestimmte Differenzkategorie und eine damit einhergehende „Besonderung“ wird daher abgelehnt (Kullmann et al. 2014, S. 90; Wocken 2009, S. 16 f.). In diesem Sinne kann Dekategorisierung als „notwendiges und substantielles Unterscheidungsmerkmal“ zwischen Integration und Inklusion postuliert werden (Wocken 2009, S. 17).

Trotz dieses Anspruchs beschäftigt sich die Forschung zu Inklusion dennoch sehr oft mit der speziellen Gruppe der Kinder mit Behinderung bzw. mit sonderpädagogischem Förderbedarf (vgl. Grosche 2015, S. 28; Ruberg und Porsch 2017, S. 396). Dies hat vor allem historische Gründe, da der Inklusionsbegriff vor allem durch die „World Conference on Special Needs Education“ in Salamanca (1994) zum internationalen pädagogischen Fachwort wurde (Sander 2004, S. 12) und im Kontext der UN-Behindertenrechtskonvention (2009) weitere Verbreitung fand (Georgi 2015, S. 26; Wocken 2009, S. 22). Entsprechend wird auch heute noch manchmal zwischen einem „engen“ Inklusionsbegriff, der sich ausschließlich auf Personen mit Behinderung bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf bezieht, und einem „weiten“ Inklusionsbegriff, der auf die Teilhabe aller Menschen abzielt, unterschieden (Hericks 2021, S. 202; Ruberg und Porsch 2017, S. 396; Textor 2018, S. 30 f.).

Es kann festgehalten werden, dass sowohl der Integrations- als auch der Inklusionsbegriff konzeptionell nicht auf eine bestimmte Zielgruppe festgelegt sind und bei einem „weiten“ Inklusionsbegriff eine solche Verengung auch explizit abgelehnt wird, allerdings dennoch bei beiden Begriffen oft zielgruppenspezifische Fokussierungen feststellbar sind. In unserer empirischen Untersuchung werden wir analysieren, ob bei der Thematisierung von Integration bzw. Inklusion bestimmte Zielgruppen adressiert werden und ob sich dies zwischen der Thematisierung von Integration und Inklusion unterscheidet.

2.2 Ziele und Perspektiven

Bei den Zielsetzungen von normativen Integrationsansätzen geht es in erster Linie um die Eingliederung von Individuen in ein Ganzes, was eine Überwindung von Exklusion und Separation bedeutet (Theunissen und Schwalb 2018; Wocken 2009). Im Bildungsbereich erfolgte damit historisch eine Abgrenzung zu separierten Beschulungsformen spezieller Gruppen, wie etwa „Ausländerklassen“, „Mädchenschulen“ oder „Sonderschulen“ (Kriwet 2005; Prengel 2019; Roth 2002; Wocken 2009). Allerdings gibt es unter dem Deckmantel der Integration verschiedene Perspektiven. Sehr grob kann etwa zwischen einer „assimilativen“ und einer „pluralistischen“ Ausrichtung unterschieden werden (Nobis und Strahle 2009).

In normativen Assimilationsansätzen wird eine Homogenisierung angestrebt, wobei eine Anpassung der als „benachteiligt“ geltenden Gruppe (z. B. Kinder mit Migrationshintergrund) an die Mehrheitsgruppe erwartet wird (Kurucz et al. 2023; Hahn et al. 2015, S. 1648; Nobis und Strahle 2009, S. 120). Dies geht in der Regel mit der Zuschreibung von Defiziten der benachteiligten Gruppe einher, die durch kompensatorische Förderung ausgeglichen werden sollen (Krüger-Potratz 2005, S. 121 f.; Prengel 2019, S. 185; Schmidt 2012, S. 41).

Pluralistische Integrationsansätze grenzen sich von einer solchen Defizitzuschreibung ab und betonen stattdessen Gleichberechtigung und die gleiche Teilhabe aller (Prengel 2019, S. 186; Schmidt 2012, S. 55). Konstitutiv ist dabei eine Ressourcenorientierung, d. h. alle Kinder und Jugendlichen werden mit ihren jeweiligen Stärken und Fähigkeiten gesehen (Hoeft et al. 2018, S. 194; Schmidt 2012, S. 54). Allerdings gibt es innerhalb der Sammelkategorie der pluralistischen Integrationsansätze unterschiedliche Auffassungen dazu, wie mit Differenz umgegangen werden sollte (Hahn et al. 2015; Nobis und Strahle 2009, S. 123). Die Ansätze der interkulturellen Pädagogik und der Integrationspädagogik gehen von Heterogenität als Normalität aus (Nobis und Strahle 2009, S. 123 ff.; Prengel 2019, S. 164 ff.; Schmidt 2012, S. 54 ff.). Im Multikulturalismus werden kulturelle Unterschiede geachtet und kulturelle Vielfalt explizit als bereichernd betrachtet (Hahn et al. 2015; Kurucz et al. 2023). Im Gegensatz dazu wird im Ansatz des Egalitarismus danach gestrebt, Menschen nicht als Mitglieder bestimmter Gruppen, sondern als Individuen zu betrachten und die Gemeinsamkeiten aller Menschen zu betonen (Civitillo et al. 2021; Hahn et al. 2015; Schofield 2010).Footnote 2

Inklusionskonzepte ähneln in den Zielsetzungen und Perspektiven in vielerlei Hinsicht den gerade skizzierten pluralistischen Integrationsansätzen, die Heterogenität als normal betrachten. Allerdings wird Selbstbestimmung und soziale Teilhabe für alle Menschen als rechtlich verbindlich definiert, womit diese Zielsetzung besonders stark verankert wird (Georgi 2015; Schmude und Pioch 2014; Textor 2018; Theunissen und Schwalb 2018; Wocken 2009).

Zusammenfassend möchten wir die Zielsetzungen und Perspektiven von Integrations- und Inklusionskonzepten anhand von zwei Dimensionen beschreiben, wobei wir weitgehend der Systematik von Hoeft et al. (2018, S. 194) folgen, die diese zur Beschreibung von Überzeugungen pädagogischer Fachkräfte zur Integration von Kindern mit Fluchthintergrund in Kindertagesstätten entwickelt haben. Sie klassifizieren die Sichtweisen des pädagogischen Personals entlang von zwei Dimensionen, die wir für unsere Arbeit in folgender leicht modifizierter Form verwenden:

  • Umgang mit Gruppendifferenzen:

    • Anstreben von Homogenität: Gruppendifferenzen sollen reduziert werden

    • Akzeptanz von Heterogenität: Unterschiede zwischen Gruppen und Individuen werden als normal und bereichernd angesehen

  • Perspektive auf den Integrations‑/Inklusionsprozess:

    • Förderperspektive: Fokus auf Defizite, die durch Förderung kompensiert werden sollen

    • Teilhabeperspektive: Fokus auf gleichberechtigte Teilhabe und Anerkennung

Anhand dieser Dimensionen lassen sich die Ziele und Perspektiven der oben skizzierten Integrations- und Inklusionskonzepte strukturieren. Allerdings möchten wir die beiden Ausprägungen einer Dimension nicht als notwendigerweise gegensätzlich oder sich ausschließend betrachten. Etwa weist Grosche (2015, S. 26 ff.) darauf hin, dass auch Förderung ein Ziel von Inklusion ist und ebenso wie das Ziel nach Anerkennung verfolgt werden muss, wobei es auch zu Zielkonflikten kommen kann. Theoretisch vorstellbar sind auch Perspektiven, die (ggf. in Bezug auf unterschiedliche inhaltliche Domänen, vgl. Abschn. 2.3) sowohl auf Vielfalt als auch auf Gleichheit setzen, z. B. das Modell „unity-within-diversity“ des kanadischen Multikulturalismus (Geißler 2005, S. 56 ff.). Für unsere Analysen werden wir daher die vier Ausprägungen der beiden Dimensionen separat verwenden, um Zielsetzungen und Perspektiven zu Integration und Inklusion zu beschreiben.

2.3 Inhaltliche Domänen

Bei der Beschäftigung mit normativen Vorstellungen zu Integration und Inklusion sollte auch berücksichtigt werden, auf welche inhaltlichen Bereiche sich diese jeweils beziehen. Die Migrationsforschung hat sich schon sehr früh mit domänenspezifischer Integration beschäftigt (z. B. Gordon 1964). So können zugewanderte Personen in bestimmten Bereichen integriert sein (z. B. formale Teilhabe im Bildungssystem), in anderen jedoch nicht (z. B. in Bezug auf Freundschaften mit Personen aus der Mehrheitsgesellschaft). Modelle der domänenspezifischen Integration sind auch im Bildungskontext angewandt bzw. speziell für diesen (weiter-)entwickelt worden. Wir werden uns in dieser Arbeit an dem theoretischen Modell der Schulintegration orientieren, das von Masinda et al. (2014) zur Beschreibung der schulischen Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund entwickelt wurde. In diesem Modell werden vier Dimensionen der Schulintegration differenziert:

  • Akademische Dimension: schulischer Lernprozess

  • Kulturelle Dimension: kulturelle Werte und Normen, kulturelles Wissen

  • Soziale Dimension: soziale Beziehungen (insbesondere zu Peers)

  • Psychologische/emotionale Dimension: Wohlbefinden

In Bezug auf die inhaltlichen Bereiche von Inklusion werden oft die gleichen Dimensionen untersucht. Zur Messung der Wahrnehmung von Inklusion werden etwa im „Perceptions of Inclusion Questionnaire“ die Dimensionen soziale Inklusion, emotionales Wohlbefinden und akademisches Selbstkonzept als die zentralen Dimensionen von schulischer Inklusion operationalisiert (DeVries et al. 2018; Knickenberg et al. 2020; Zurbriggen et al. 2017). Oft gibt es im Kontext inklusiver Bildung eine Differenzierung zwischen akademischen und psychosozialen Outcomes (Peetsma et al. 2001; Rix et al. 2006; Salend und Duhaney 1999). Eine kulturelle Dimension wird bei Forschungen zu Inklusion seltener genannt, da das Thema Inklusion kaum im Kontext verschiedener Kulturen untersucht wird (vgl. Abschn. 2.1). Besonders häufig wird hingegen die soziale Inklusion von Kindern mit Behinderung bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf ins Zentrum der Forschung gestellt (z. B. Crede et al. 2019; Henke et al. 2017; für einen Überblick vgl. Bossaert et al. 2013; Böttinger 2021).

Insgesamt erscheinen uns die im Modell von Masinda et al. (2014) differenzierten Dimensionen von Schulintegration (akademisch, kulturell, sozial, emotional) gut geeignet, um – auch zielgruppenübergreifend – die inhaltlichen Bereiche zu beschreiben, auf die der Integrations- bzw. Inklusionsprozess abzielt. Wir werden diese Dimensionen daher für unsere Analysen übernehmen und dabei auch untersuchen, ob diese inhaltlichen Domänen im Kontext von Integration vs. Inklusion unterschiedlich häufig adressiert werden.

2.4 Beteiligte Akteure

Ein zentrales Unterscheidungsmerkmal zwischen dem Integrations- und dem Inklusionsbegriff ist die Frage der Zuständigkeit für den Integrations- bzw. Inklusionsprozess. Normative Integrationsansätze, insbesondere assimilative, gehen oft primär von einer Anpassungsleistung des Individuums aus (Krüger-Potratz 2005, S. 121 ff.; Nobis und Strahle 2009). Kinder und Jugendliche in Bildungsinstitutionen sollen sich an die dort geltenden (Leistungs‑)Standards anpassen, was durch Maßnahmen der kompensatorischen Förderung unterstützt wird (Krüger-Potratz 2005, S. 121 ff.; Nobis und Strahle 2009, S. 120 ff.; Schmidt 2012, S. 41 ff.). Ein klassisches Beispiel dafür sind spezielle Sprachfördermaßnahmen für Kinder mit Migrationshintergrund (Schmidt 2012, S. 45). Entsprechend sind auch Spezialisten für den Umgang mit besonderen Zielgruppen nötig (Prengel 2019, S. 156; Sander 2004). Speziell bei Kindern mit Migrationshintergrund wird oft auch eine (Mit‑)Verantwortung für die Integration der Kindern bei den Eltern gesehen und kompensatorische Maßnahmen auch an sie adressiert, wie z. B. in Form von „Elternintegrationskursen“ (Gomolla und Kollender 2019, S. 36).

Beim Inklusionsbegriff wird der Fokus hingegen auf die Veränderung von strukturellen Rahmenbedingungen gesetzt (Georgi 2015; Schmude und Pioch 2014; Sander 2004; Textor 2018; Theunissen und Schwalb 2018). Es geht weniger um die Veränderung der Individuen, sondern vielmehr um den Abbau von strukturellen Barrieren und Diskriminierung und eine Veränderung des gesamten Systems, um die Teilhabe aller zu ermöglichen (Georgi 2015; Schmude und Pioch 2014; Sander 2004; Textor 2018). Ein solcher Fokus auf die strukturellen Rahmenbedingungen ist für den Inklusionsbegriff konstitutiv, allerdings auch kein Alleinstellungsmerkmal, da es auch beim Integrationsbegriff durchaus Varianten gibt, die als strukturkritisch charakterisiert werden können und in dieser Hinsicht große Überschneidungen mit dem Inklusionsbegriff aufweisen (Schmidt 2012, S. 64 ff.; Textor 2018, S. 32 ff.).

Bei unseren Analysen werden wir untersuchen, welche Akteure im Zusammenhang mit Integration und Inklusion jeweils genannt werden und prüfen, ob es diesbezügliche Unterschiede gibt.

3 Konzeptionen für Kindertageseinrichtungen und Forschungsfragen

3.1 Die Entwicklung von Konzeptionen für Kindertageseinrichtungen

Die Entwicklung einer Konzeption für eine Kindertageseinrichtung erfolgt im Team der pädagogischen Fachkräfte, gegebenenfalls in Kooperation mit weiteren Akteuren wie z. B. Eltern (Knauf 2021). Dies kann als Organisationsentwicklung und als Beitrag zur Qualitätssicherung verstanden werden, da eine gemeinsame Verständigung zu Zielen, Rahmenbedingungen, Aufgaben, Methoden, Schwerpunkten und Qualitätsansprüchen der Einrichtung erfolgt (Deibl und Hascher 2017; Knauf 2021; Lehmann 2009).

Eine offizielle Leitlinie für Kindertageseinrichtungen bieten die Bildungspläne der Bundesländer (Diskowski 2009; Viernickel und Weltzien 2023). Laut dem gemeinsamen Rahmenpapier der Länder „präzisieren [Bildungspläne] den zu Grunde gelegten Bildungsbegriff und beschreiben den eigenständigen Bildungsauftrag der Kindertageseinrichtungen“, womit sie Fachkräften, Eltern und Lehrkräften Orientierung bieten (KMK 2004, S. 2). „Bildungspläne stellen gesellschaftliche Erziehungsziele dar und als solche sind sie normative Grundlage der Arbeit, an der sich die Fachkräfte auszurichten haben – eine Vorgabe, die zu beachten ist, die aber selbst kein pädagogisches Handlungskonzept darstellt“ (Diskowski 2009, S. 57). Daher bedarf es einer Ausgestaltung durch die konkrete Einrichtung (KMK 2004, S. 2; vgl. auch Anders und Roßbach 2019, S. 450). Ähnliches gilt auch für übergreifende Trägerkonzeptionen, die von manchen Trägern für alle von ihnen betriebenen Kindertageseinrichtungen erstellt werden und daher nicht auf die Schwerpunkte und die konkrete Praxis der einzelnen Einrichtungen eingehen.

Durch die „Setzung von pädagogisch begründeten Standards“ kommt den Bildungsplänen eine Steuerungsfunktion zu, womit nach Anders und Roßbach (2019, S. 450) „ein Abschied von der Unverbindlichkeit der pädagogischen Arbeit in Kindertageseinrichtungen eingeleitet“ wurde. Studien zur Umsetzung der Bildungspläne in die pädagogische Praxis haben zwischen „Programmatik und Praxis durchaus Entsprechungen“ festgestellt (Viernickel und Weltzien 2023, S. 2), allerdings ist der Forschungsstand dazu noch als relativ limitiert einzuschätzen (Smidt und Schmidt 2012, S. 252; Viernickel und Weltzien 2023, S. 2). In drei Studien zur Rezeption der Bildungspläne in der Anfangszeit nach der Einführung zeigte sich, dass ein Viertel der untersuchen Einrichtungen den neuen Bildungsplan „kaum zur Kenntnis [nahm]“, sich rund die Hälfte der Einrichtungen „in mittlerem Maße“ damit beschäftigt hat und ein weitere Viertel ihn „sehr intensiv [aufgriff] und ihn für das eigene pädagogische Konzept [nutzte]“ (Schreiber 2009, S. 433). In der letztgenannten Gruppe mit intensiver Rezeption wurden meist bereits vorhandene Konzeptionen weiterentwickelt und durch neue Aspekte ergänzt (Schreiber 2009, S. 433). Diese Einrichtungen nannten auch mehr Schwerpunkte ihrer pädagogischen Arbeit als die Einrichtungen mit geringer Rezeption des Bildungsplans (Schreiber 2009, S. 434). Lehmann (2009) berichtet, dass im Jahr 2008 die Inhalte des Bayerischen Bildungsplans erst sehr lückenhaft in die Konzeptionen bayerischer Kindertageseinrichtungen integriert waren, wobei bereits eingeführte Qualitätsmanagement-Systeme diesen Prozess begünstigten. Die Rolle von Einrichtungskonzeptionen als mögliche „Mittler“ zwischen Bildungsplänen und pädagogischer Praxis ist bisher noch weitgehend unbeleuchtet.

Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass sich das Ausmaß, wie stark sich Kindertageseinrichtungen für die Erstellung ihrer eigenen Konzeption an dem jeweiligen Bildungsplan ihres Bundeslandes orientieren, stark variiert. In einer qualitativen Studie wurden verschiedene Umgangsweisen mit den Bildungsplänen in Kindertageseinrichtungen rekonstruiert, die vom Versuch einer möglichst „vollständigen und optimalen Abarbeitung der Anforderungen“ über der Nutzung der Bildungspläne als „ergänzende Orientierung“ bis hin zu Ablehnung zentraler Aspekte der Bildungspläne reichten (Betz et al. 2016, S. 118 f.). Die Art des Umgangs mit den Bildungsplänen hing dabei wesentlich davon ab, ob die Fachkräfte die darin enthaltenen Kernorientierungen teilten (Betz et al. 2016, S. 120).

Daher dürften insbesondere die Orientierungen und Einstellungen der beteiligten Fachkräfte entscheidend dafür sein, welche Themen in welcher Weise in der Konzeption der Einrichtung berücksichtigt werden. Dies gilt auch für die Thematisierung von Integration und Inklusion. Zu den Überzeugungen und Einstellungen von Lehr- und Fachkräften zu Integration und Inklusion hat sich inzwischen eine reichhaltige Literatur entwickelt (Avramidis und Norwich 2002; Civitillo et al. 2021; Hachfeld und Syring 2020; Silverman 2010). In dieser zeigt sich eine beachtliche Variation in den Orientierungen zu Integration und Inklusion unter Lehr- und Fachkräften (Becker et al. 2023; Edelmann 2006; Dignath et al. 2022; Kumar und Hamer 2012).

Möglicherweise orientieren sich die Fachkräfte bei der Erstellung bzw. Weiterentwicklung einer Konzeption auch an diesbezüglichen Praxisratgebern, Handreichungen und Checklisten (z. B. Baum 2012; Busuleanu et al. 2015; Staatsinstitut für Frühpädagogik 2018). In diesen Handreichungen werden die Themen Integration und Inklusion jedoch sehr unterschiedlich behandelt, wie etwa die zuvor zitierten Beispiele aufzeigen.

Zusammenfassend lässt sich eine hohe Varianz in der Art der Thematisierung von Integration und Inklusion in Konzeptionen frühkindlicher Bildungseinrichtungen erwarten, da sich bereits die möglichen Quellen, auf die sich die Fachkräfte eventuell stützen (Bildungspläne, übergreifende Trägerkonzeptionen, Praxisratgeber), diesbezüglich unterscheiden. Insbesondere aber ist von einer beachtlichen Bandbreite individueller Überzeugungen und Einstellungen zu Integration und Inklusion unter den Fachkräften auszugehen, die sich auch in der Priorisierung und Art der Thematisierung dieser Themen niederschlagen dürfte.

3.2 Fragestellungen

Die Leitfrage unseres Beitrags nach der Thematisierung von Integration und Inklusion in Kindergartenkonzeptionen lässt sich in Teilfragen konkretisieren. Als erstes fragen wir danach, welche der in Abschn. 2 beschriebenen Aspekte von Integration bzw. Inklusion in Kindergartenkonzeptionen zu finden sind:

  1. 1.

    Welche Zielgruppen, Ziele und Perspektiven, inhaltliche Domänen und beteiligte Akteure werden in Kindergartenkonzeptionen im Kontext von Integration und Inklusion thematisiert?

Da wir die Art der Thematisierung von Integration vs. Inklusion vergleichen möchten, fragen wir im nächsten Schritt nach diesbezüglichen Unterschieden:

  1. 2.

    Unterscheidet sich die Häufigkeit der Thematisierung dieser Aspekte zwischen Konzeptionen, die den Begriff der Integration verwenden im Vergleich zu jenen, die den Begriff der Inklusion verwenden?

Um normative Sichtweisen zu Integration und Inklusion zu erfassen, werden schließlich auch Kombinationen der in Abschn. 2 beschriebenen Aspekte betrachtet. Ein exemplarisches Szenario könnte der Fokus auf eine „benachteiligte“ Zielgruppe (wie Kinder mit Behinderung oder Kinder mit Migrationshintergrund) kombiniert mit einer Förderperspektive und einem Anstreben von Homogenisierung sowie der Verortung der Zuständigkeit beim Individuum selbst oder bei speziellen Experten sein. Dies könnte als assimilativer Integrationsansatz charakterisiert werden. Die Erfassung solcher spezifischen Kombinationen und deren Manifestation bildet den Kern unserer dritten Forschungsfrage:

  1. 3.

    Existieren typische Kombinationen dieser Aspekte in den Konzeptionen und verweisen diese auf bestimmte Integrations- oder Inklusionsansätze?

4 Eine Heuristik zur Beschreibung der Thematisierungsweisen von Integration und Inklusion in frühkindlichen Bildungseinrichtungen

Zur Beschreibung der Thematisierungsweisen von Integration und Inklusion in frühkindlichen Bildungseinrichtungen haben wir aus den in Abschn. 2 genannten Aspekten eine Heuristik entwickelt, die wir auch im empirischen Teil dieser Arbeit einsetzen werden (Abb. 1). Dort sind die jeweiligen Aspekte so operationalisiert, dass wir diese Systematik ebenfalls als Kategoriensystem für eine standardisierte Inhaltsanalyse verwenden können (vgl. Abschn. 5).

Abb. 1
figure 1

Heuristik zur Beschreibung der Thematisierung von Integration und Inklusion in frühkindlichen Bildungseinrichtungen

Zielgruppe

In Abb. 1 sind diejenigen Gruppen aufgelistet, die auf Basis der Literatur am wahrscheinlichsten im Zusammenhang mit Integration oder Inklusion genannt werden (vgl. Abschn. 2.1). Allerdings ist dies keine abschließende Liste, sondern weitere genannten Zielgruppen werden gegebenenfalls ergänzt. Darüber hinaus besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass keine spezifische Zielgruppe adressiert wird.

Ziele und Perspektiven

Da die in Abschn. 2.2 genannten Ziele und Perspektiven nicht als sich gegenseitig ausschließend angesehen werden, wird deren Thematisierung jeweils separat betrachtet. Bezüglich der Ziele wird untersucht, ob eine Thematisierung von Teilhabe bzw. Anerkennung und/oder eine Thematisierung von Förderung erkennbar ist. Bezüglich des Umgangs mit Gruppendifferenzen wird betrachtet, ob ein Fokus auf die Gemeinsamkeiten aller Kinder gelegt wird und/oder die Verschiedenheit und Individualität der Kinder betont wird.

Inhaltliche Domänen

Es wird analysiert, in Bezug auf welche inhaltlichen Bereiche Integration bzw. Inklusion thematisiert werden. Dabei wird zwischen einer akademischen (Bildung, Lernen), kulturellen (Sprache, Werte), sozialen (Freundschaften, soziale Beziehungen) und psychischen/emotionalen (Wohlbefinden, Zugehörigkeit) Domäne unterschieden (vgl. Abschn. 2.3).

Beteiligte Akteure

Bei Akteursgruppen, die im Kontext von Integration bzw. Inklusion genannt werden, unterscheiden wir zwischen den Einrichtungen und dem dortigen pädagogischen Personal, den Kindern oder ihren Eltern sowie weiteren Akteuren (vgl. Abschn. 2.4).

5 Daten und Methoden

5.1 Daten

Die empirischen Analysen dieses Beitrags nutzen die schriftlichen Kindergartenkonzeptionen, die im Rahmen der „Kinder und Kitas in Deutschland“-Studien (K2ID) zwischen 2014 und 2016 erhoben wurden (Schober et al. 2017; Spieß et al. 2020). Die K2ID-Studien basieren auf zwei deutschlandweiten Panelstudien, dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) und der TwinLife-Studie (Krell et al. 2020; Wagner et al. 2007). Familien mit 0–6-jährigen Kindern (SOEP) bzw. 0–5-jährigen Kindern (TwinLife) in diesen Panels bildeten die Stichprobe für die Studien K2ID-SOEP und K2ID-Twins. Im Rahmen der Befragung wurden die teilnehmenden Eltern gebeten, Auskunft über die von ihrem Kind besuchte Kindertageseinrichtung zu geben und dabei auch den Namen und die Adresse der Einrichtung zu nennen. Diese Einrichtungen wurden wiederum kontaktiert und um die Teilnahme an der K2ID-Institutionenbefragung gebeten, in deren Rahmen sie auch ihre pädagogische Konzeption mitschicken bzw. eine Webadresse dafür angeben sollten. Es haben 41 % (K2ID-SOEP) bzw. 54 % (K2ID-TwinLife) der Einrichtungen, die an der Institutionenbefragung teilnahmen, auch eine Konzeption eingereicht; insgesamt wurden 620 Konzeptionen eingeschickt. Das Erhebungsinstitut der K2ID-Studien sammelte alle Konzeptionen und nahm eine Anonymisierung vor. Alle nur auf Papierform vorliegenden Konzeptionen wurden später digitalisiert (vgl. Kuger et al. 2020). Die Konzeptionen, bei denen das Datum der Erstellung bekannt ist (35 % der Konzeptionen weisen ein Datum auf), wurden im Durchschnitt im Jahr 2013 verfasst, wobei der Medianwert im Jahr 2014 liegt (Kuger et al. 2020).

Für diesen Beitrag wurden die gesammelten Kindergartenkonzeptionen in einfache Textdateien umgewandelt. Da in den Konzeptionen viele unterschiedliche Themen behandelt werden, haben wir Textstellen herausgefiltert, die sich mit den Themen Integration und Inklusion beschäftigen. Dazu wurde nach dem Wortanfang „integr“ und „inklusiv“ sowie nach dem Wort „inklusion“ in den Texten gesucht. Die resultierenden Fundstellen wurden händisch aufbereitet, um sie auf die jeweils inhaltlich relevante Textstelle einzugrenzen. Dazu wurden die Fundstellen manuell überprüft und die Abschnitte beibehalten, die sich als inhaltlich relevant herausstellten.Footnote 3 Entsprechend wurden in diesem Schritt nicht relevante Textstellen entfernt, z. B. Nennung der Suchbegriffe im Inhaltsverzeichnis oder Nennung der Suchbegriffe in anderen Sinnzusammenhängen (z. B. „inklusive Mittagessen“). Nach diesen Vorbereitungsschritten lagen 853 Textstellen aus 310 Kindergartenkonzeptionen vor, d. h. nur in der Hälfte der Konzeptionen wurde mindestens einer der Suchbegriffe gefunden.

Die Tab. 1 gibt einen Überblick über die Verteilung der Suchwörter in unserem Datenkorpus. Von den 853 Textstellen enthalten 74 % (mindestens einmal) das Suchwort Integration, 16 % das Suchwort Inklusion und 10 % beide Suchwörter. Da mehrere Textstellen aus der gleichen Konzeption stammen können, ist in Tab. 1 zudem die Verteilung auf Konzeptionsebene angegeben. In der Mehrheit der 310 Konzeptionen unseres Datenkorpus (61 %) wird nur auf Integration, aber nicht auf Inklusion eingegangen. Während in 30 % der Konzeptionen beide Suchbegriffe vorkommen, ist eine ausschließliche Thematisierung von Inklusion eher selten (9 %).

Tab. 1 Verteilung der Suchbegriffe über die Textstellen und Konzeptionen

Für die automatisierte Analyse wurden die Wörter in den Textstellen auf ihre Grundform, auch Wörterbuchform genannt, reduziert. So wurden beispielsweise die Wörter „gemeinsamer“ und „gemeinsame“ zu „gemeinsam“ lemmatisiert. In einem weiteren Schritt wurden Stoppwörter, welche allgemein häufig verwendet werden, aber keine inhaltliche Bedeutung tragen, wie beispielsweise Artikel und Hilfsverben, entfernt. Zusätzlich wurden Wörter normalisiert, zum Beispiel wurden die Wörter „Kita“, „Kindertagesstätte“ und „Kindergarten“ durch „Kindertageseinrichtung“ ersetzt. Schließlich wurden nur Wörter beibehalten, die im gesamten Korpus mindestens zweimal auftraten. Nach der Entfernung der Stoppwörter und der seltenen Wörter verblieben 1732 lemmatisierte Wörter für die Analyse. In der Wordcloud sind die 120 am häufigsten vorkommenden Lemmata dargestellt (Abb. 2).Footnote 4

Abb. 2
figure 2

Wordcloud der häufigsten Wörter

5.2 Auswertungsmethoden

Als Auswertungsmethoden wurden inhaltsanalytische Verfahren eingesetzt. Begonnen wurde mit der automatischen Identifikation von Themen mithilfe eines Topic Models (Blei 2012; Roberts et al. 2019; vgl. Abschn. 5.2.1). Danach folgte eine Auswertung der Häufigkeiten der verschiedenen Aspekte von Integration und Inklusion mittels einer standardisierten Inhaltsanalyse basierend auf der theoretischen Heuristik aus Abb. 1 (Krippendorff 2004; Rössler und Geise 2013; vgl. Abschn. 5.2.2). Um Unterschiede in der Thematisierung von Integration und Inklusion zu analysieren, wurden Konzeptionen, die ausschließlich das Suchwort Integration, ausschließlich das Suchwort Inklusion oder beide Suchwörter enthielten, jeweils miteinander verglichen.

Alle Textanalysen wurden innerhalb der Software R mit den Erweiterungen quanteda (Benoit et al. 2018) und stm (Roberts et al. 2019) durchgeführt.

5.2.1 Topic Modeling

Das Topic Modeling ist ein induktives Vorgehen, bei dem durch einen Algorithmus Wörter geclustert werden, die in den Textstellen häufig zusammen vorkommen (Blei 2012). Diese teilen sich oft ein gemeinsames latentes Thema (Blei 2012). Ein Topic Model versucht, diese latenten Themen aufgrund des gemeinsamen Auftretens von Wörtern zu erschließen. Dazu wird der Algorithmus mit der Anzahl der zu findenden Themen initialisiert. Nach der Berechnung verschiedener Modelle mit einer unterschiedlichen Anzahl von Themen (3 bis 16), haben wir uns aufgrund spezifischer KennzahlenFootnote 5 und der Interpretierbarkeit für ein Modell mit fünf Themen entschieden.

Nach Schätzen des Modells stehen zwei Wahrscheinlichkeitsverteilungen zur Verfügung: die „Wort-Thema-Wahrscheinlichkeiten“ für die Wörter (Wahrscheinlichkeit, dass ein Wort w in Thema k auftritt) sowie die „Dokument-Thema-Wahrscheinlichkeiten“ für die Themenverteilung in den Dokumenten (Wahrscheinlichkeit, dass ein Thema k in Dokument d auftritt) (Bittermann 2020, S. 25).Footnote 6 Innerhalb eines Themas haben die Wörter unterschiedliche Wort-Thema-Wahrscheinlichkeiten, die sich für jedes Thema auf 1 summieren. Bei der Beschreibung von Themen werden üblicherweise diejenigen Wörter mit der jeweils höchsten Wort-Thema-Wahrscheinlichkeit (in absteigender Reihenfolge) aufgeführt, da sie den Inhalt des Themas am besten repräsentieren. Die Dokument-Themen-Wahrscheinlichkeiten geben wiederum für jedes Dokument an, wie wahrscheinlich die jeweiligen Themen in diesem Dokument vorhanden sind, und summieren sich über alle Themen auf 1. Die durchschnittliche Dokument-Thema-Wahrscheinlichkeit über alle Dokumente hinweg stellt die Häufigkeit eines Themas im Textkorpus dar. Diese Häufigkeiten können als Anteile in Prozent interpretiert werden, die die jeweiligen Themen am gesamten Textkorpus haben, und sie summieren sich entsprechend auf 100 %.

Bei der Darstellung der Ergebnisse des Topic Modeling (Tab. 2) werden wir für unsere fünf Topics neben den Wörtern mit der jeweils höchsten Wort-Thema-Wahrscheinlichkeit auch Wörter listen, die beim jeweiligen Topic sowohl häufig als auch exklusiv sind, d. h. bei diesem Thema häufig und gleichzeitig bei den anderen Themen selten vorkommen (Bischof und Airoldi 2012; Roberts et al. 2019, S. 10 f.). Zudem wird eine beispielhafte Textstelle mit hoher Dokument-Themen-Wahrscheinlichkeit für jedes Thema präsentiert. Für jedes Topic wurde durch die Forschenden ein Label vergeben, das den Inhalt des Topics prägnant zusammenfasst (vgl. Bittermann 2020, S. 26). Zur Analyse der unterschiedlichen Thematisierung von Integration und Inklusion werden wir die Häufigkeitsverteilung der Topics in den Konzeptionen getrennt nach Suchwort (Integration, Inklusion, beide) darstellen (Tab. 3).

Tab. 2 Beschreibung der identifizierten Themen (Ergebnisse Topic Modeling)
Tab. 3 Häufigkeitsverteilung der Topics in den Kindergartenkonzeptionen (durchschnittliche Häufigkeiten in Prozent)

5.2.2 Standardisierte Inhaltsanalyse

Bei einer standardisierten Inhaltsanalyse werden Texte anhand vorab deduktiv gebildeter Kategorien codiert und anschließend deskriptiv ausgezählt (Rössler und Geise 2013, S. 271). Aus der in Abschn. 4 dargestellten theoretischen Heuristik wurde ein Kategorienschema entwickelt. Zu den Hauptkategorien Zielgruppe, Ziele und Perspektiven, inhaltliche Domänen und beteiligte Akteure gibt es die in Abb. 1 aufgeführten Unterkategorien. Bei den Zielgruppen wurden neben den in der Literatur häufig genannten Gruppen der Kinder mit Behinderung und Kinder mit Migrationshintergrund noch weitere Zielgruppen definiert (nach Geschlecht, Religion, Alter, sozialer Herkunft), die jedoch später aufgrund geringer Nennungen wieder zusammengefasst wurden („andere Zielgruppe“). Anhand dieses Kategorienschemas wurden die Textstellen von einer studentischen Hilfskraft manuell codiert, wobei jeweils vermerkt wurde, ob eine Kategorie in der jeweiligen Textstelle genannt (1) oder nicht genannt (0) wurde.Footnote 7 Unklare Fälle wurden gemeinsam mit den Autoren dieses Artikels besprochen.

Die Ergebnisse der standardisierten Inhaltsanalyse werden wir anhand einer Häufigkeitstabelle darstellen (Tab. 4). Diese enthält auch die Häufigkeiten der Kategorien getrennt nach Suchwort (Integration, Inklusion, beide). Um zu untersuchen, ob bestimmte Kategorien typischerweise in Kombination auftreten, werden zudem die Korrelationen der Kategorien untereinander berichtet (Tab. 5).

Tab. 4 Häufigkeitsverteilung der Kategorien in den Kindergartenkonzeptionen (Anteile in Prozent)
Tab. 5 Korrelationen der Kategorien untereinander auf Konzeptionsebene

Tabelle A1 im Anhang zeigt zusätzlich die Korrelationen zwischen den Kategorien und den Topics.

6 Ergebnisse

6.1 Topic Modeling

Die Ergebnisse des Topic Modeling sind in Tab. 2 dargestellt. Im Folgenden werden die fünf identifizierten Themen näher beschrieben.

6.1.1 Topic 1: „Soziale und kulturelle Integration“

Das erste Topic behandelt inhaltliche Bereiche von Integration: Es werden sowohl akademische (Lernen, Kompetenz), kulturelle (Sprache, sprachlich, Kultur, deutsch), soziale (sozial, Beziehung, eingewöhnen) als auch emotionale (emotional, Gefühl) Aspekte angesprochen, wobei ein Schwerpunkt auf der sozialen und kulturellen Integration liegt. Besonders im Fokus ist dabei das Thema Sprache: Das Wort Sprache hat dabei sowohl eine hohe Wort-Thema-Wahrscheinlichkeit und ist gleichsam exklusiv für dieses Topic, d. h. es tritt speziell bei diesem Topic häufig auf, während es bei den anderen Topics nur selten vorkommt. Durch die Kombination mit den Wörtern Kultur und deutsch wird möglicherweise die Zielgruppe der Kinder mit Migrationshintergrund adressiert (siehe Textbeispiel zu Topic 1).

6.1.2 Topic 2: „Gemeinsames Leben und Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung“

Das zweite Topic legt einen Fokus auf die Zielgruppe der Kinder mit Behinderung (Behinderung, behindert) und tritt in Kombination mit dem Begriff der Integration auf. Das Wort Behinderung hat die höchste Wort-Thema-Wahrscheinlichkeit bei diesem Topic und gehört gleichzeitig zu den für dieses Thema exklusiven Wörtern. Auffallend ist besonders die Kombination mit den Wörtern gemeinsam, alle, miteinander und voneinander, was auf einen Fokus auf Gemeinsamkeiten und einem Miteinander von Kindern mit und ohne Behinderung hindeutet (siehe Textbeispiel zu Topic 2). Aber auch die besonderen Bedürfnisse dieser Kinder werden hier oft thematisiert; die wohnortnahe Betreuung wird exklusiv bei diesem Topic oft benannt. Verweise auf die Atmosphäre oder christlichen Werte in der Einrichtung kommen ebenfalls exklusiv bei diesem Topic vor.

6.1.3 Topic 3: „Die pädagogische Arbeit mit Integrationskindern“

Topic 3 verweist mit dem Begriff des Integrationskindes, das sowohl häufig als auch exklusiv in diesem Topic vorkommt, ebenfalls auf Kinder mit Behinderung, allerdings unter Nutzung anderer Begrifflichkeiten als in Topic 2. Durch die Begriffe Integrationskind, Integrationsgruppe und Integrationskraft wird eine besondere Spezialisierung auf diese Zielgruppe deutlich. Oft wird auf die besondere Expertise und den Einbezug von Spezialisten verwiesen, wie etwa das Textbeispiel zu Topic 3 zeigt. Auch die Begriffe heilpädagogisch, Therapeut und therapeutisch verweisen auf diese spezielle Expertise. Die Begriffe zusätzlich und Fachkraft treten oft kombiniert auf im Sinne einer „zusätzlichen Fachkraft“ speziell für diese Zielgruppe. Zudem wird oft die Kooperation der am Integrationsprozess beteiligten Akteure (Gruppe, Fachkraft, Eltern, Erzieher, Integrationsfachkraft, Therapeut) betont (das Wort „Kind“ war generell aus diesen Analysen ausgeschlossen, vgl. Fußnote 4).

6.1.4 Topic 4: „Individuelle Förderung und Entwicklung in der Kita“

Topic 4 thematisiert die individuelle Förderung und Entwicklung von Kindern in der Kindertageseinrichtung und tritt ebenfalls in Kombination mit dem Integrationsbegriff auf. Die Begriffe jede*, einzeln und individuell veranschaulichen dabei den Fokus auf Individualität. Dieser Fokus tritt in Kombination mit einer Betonung der Arbeit der Kindertageseinrichtung als zentralem Akteur auf (Kindertageseinrichtung, Einrichtung, Arbeit). Exklusiv für dieses Topic ist die Thematisierung von Erfahrungsmöglichkeiten und Entwicklungschancen, die durch die Einrichtung geboten (beitragen, befähigen, Rahmen) werden sollen.

6.1.5 Topic 5: „Inklusion: Vielfalt und Teilhabe von allen“

Topic 5 beinhaltet als einziges Topic den Begriff der Inklusion, der in diesem Topic die höchste Wort-Thema-Wahrscheinlichkeit hat und zudem exklusiv in diesem Thema vorkommt. Der Fokus des Inklusionsbegriffs auf Teilhabe (vgl. Abschn. 2) zeigt sich hier durch die Begriffe Partizipation und Teilhabe. Es werden sowohl Gemeinsamkeiten und das Miteinander aller (alle, Mensch, jede*r) als auch Unterschiedlichkeiten und Vielfalt (Vielfalt, unterschiedlich, Unterschied, Unterschiedlichkeit) betont. Auch bei diesem Topic wird die Kindertageseinrichtung als zentraler Akteur benannt, wobei sowohl die Haltung des Personals als auch die mit Inklusion verbundenen Herausforderungen häufig thematisiert werden. Die Reflexion darüber veranschaulicht das Textbeispiel zu Topic 5.

Tab. 3 zeigt die Häufigkeitsverteilung der fünf Topics in den Kindergartenkonzeptionen. Insgesamt haben alle Topics eine ähnliche Häufigkeit (jeweils etwa 20 %). Wenig überraschend ist, dass Topic 5 („Inklusion: Vielfalt und Teilhabe von allen“) wesentlich seltener in Konzeptionen zu finden, die ausschließlich den Integrationsbegriff verwenden, und wesentlich häufiger in Konzeptionen, die ausschließlich den Inklusionsbegriff verwenden (11 vs. 46 %). Während sich die Häufigkeit des Topics 2 („Gemeinsames Leben und Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung“) nicht nach Suchbegriff unterscheidet, sind die restlichen Topics häufiger in Konzeptionen zu finden, die ausschließlich den Integrationsbegriff verwenden. Konzeptionen, die beide Begriffe verwenden, sind jeweils in einer Mittelposition.

6.2 Standardisierte Inhaltsanalyse

In Tab. 4 werden die Ergebnisse der standardisierten Inhaltsanalyse vorgestellt. Die große Mehrheit (78 %) der Konzeptionen, die sich mit den Themen Integration und/oder Inklusion beschäftigen, adressiert die Zielgruppe der Kinder mit Behinderung in mindestens einer Textstelle. Kinder mit Migrationshintergrund und andere Zielgruppen werden in 37 bzw. 41 % der Konzeptionen genannt. Nur bei 10 % der Konzeptionen wird gar keine spezielle Zielgruppe adressiert. In zwei Dritteln der Konzeptionen ist eine Förderperspektive erkennbar, während die anderen Kategorien im Bereich der Ziele und Perspektiven (Teilhabe, Gemeinsamkeit, Verschiedenheit) jeweils in etwa der Hälfte der Konzeptionen vorhanden sind. Bezüglich der inhaltlichen Domänen wird in fast der Hälfte der Konzeptionen auf den akademischen und sozialen Bereich Bezug genommen, während Bezüge auf die kulturelle und psychische/emotionale Domäne deutlich seltener vorkommen (23 bzw. 18 %). Bezüglich der beteiligten Akteure ist ein starker Fokus auf die Einrichtung und das dortige Personal festzustellen (Nennung in 72 % der Konzeptionen). Eltern (35 %) und andere Akteure (42 %) werden jeweils seltener thematisiert.

Die weiteren Spalten in Tab. 4 zeigen, inwiefern sich diese Thematisierungen je nach verwendetem Suchbegriff unterscheiden. In Konzeptionen, die beide Suchbegriffe verwenden, werden alle Kategorien besonders häufig thematisiert. In Konzeptionen mit dem Suchbegriff Integration gibt es erwartungsgemäß deutlich häufiger eine Förderperspektive als in Konzeptionen mit dem Suchbegriff Inklusion, die Häufigkeit der Thematisierung von Teilhabe unterscheidet sich jedoch nicht. Konzeptionen mit dem Begriff Inklusion thematisieren häufiger die Zielgruppe der Kinder mit Migrationshintergrund als Konzeptionen mit dem Begriff Integration, während es bei der Zielgruppe der Kinder mit Behinderung keine Unterschiede gibt. Die Thematisierung von gar keiner speziellen Zielgruppe ist ebenfalls in beiden Arten von Konzeptionen ähnlich häufig (bzw. selten), ebenso gibt es bei der Häufigkeit der Nennung der beteiligten Akteure keine signifikanten Unterschiede, auch wenn bei Konzeptionen mit dem Integrationsbegriff tendenziell häufiger die Eltern oder das Zielkind genannt werden.

Tab. 5 präsentiert die Korrelationen der Kategorien untereinander. In Konzeptionen, in denen Kinder mit Behinderung adressiert werden, gibt es auch häufiger eine Förderperspektive (r = 0,37), einen Fokus auf Gemeinsamkeiten (r = 0,34) sowie die Nennung anderer Akteure (r = 0,31). Kinder mit Migrationshintergrund werden öfters in Kombination mit anderen Zielgruppen genannt (r = 0,49) und zudem häufiger in Konzeptionen, die auch einen Fokus auf Verschiedenheit/Vielfalt legen (r = 0,32). Alle Kategorien zu Zielen und Perspektiven sind positiv miteinander korreliert, so auch Förderung und Teilhabe (r = 0,20) sowie Gemeinsamkeit und Verschiedenheit (r = 0,34). Die stärkste Korrelation gibt es dabei zwischen Teilhabe und Verschiedenheit (r = 0,49). In Konzeptionen mit einer Förderperspektive werden auch öfters andere Akteure thematisiert (r = 0,33). Ein Bezug zum akademischen Bereich ist vermehrt in Konzeptionen zu finden, die auch Gemeinsamkeiten (r = 0,33) und/oder Verschiedenheit (r = 0,30) betonen. Die Nennung der verschiedenen Akteure ist jeweils positiv korreliert, am deutlichsten ist hier die Korrelation zwischen der Nennung der Einrichtung und der Nennung der Eltern (r = 0,40).

6.3 Kombination der beiden Verfahren

Im Anhang sind in Tab. A1 die Korrelationen zwischen den Topics und den Kategorien der Inhaltsanalyse dargestellt. Die Korrelationen bestätigen größtenteils die in Abschn. 6.1 beschriebenen Schwerpunkte der Topics (Topic 1: kulturelle und soziale Domäne; Topic 2: Kinder mit Behinderung und Gemeinsamkeiten; Topic 3: andere Akteure/Spezialisten, Topic 5: Teilhabe und Verschiedenheit). Topic 4 zeigt hingegen keine nennenswerten Korrelationen mit den Kategorien der Inhaltsanalyse.

7 Zusammenfassung und Diskussion

In diesem Beitrag haben wir uns mit der Frage auseinandergesetzt, wie Integration und Inklusion in Kindergartenkonzeptionen thematisiert werden. Unsere Ergebnisse zeigen auf, dass die meisten Konzeptionen, die sich mit Integration bzw. Inklusion beschäftigen, spezielle Zielgruppen adressieren, insbesondere Kinder mit Behinderung. Zwei der fünf identifizierten Topics haben sich auf diese Zielgruppe bezogen und bei der standardisierten Inhaltsanalyse wurde diese Gruppe in der großen Mehrheit (78 %) der Konzeptionen genannt. Aber auch Kinder mit Migrationshintergrund wurden in mehr als einem Drittel der Konzeptionen adressiert. Der Fokus auf Kinder mit Behinderung und Kinder mit Migrationshintergrund als Zielgruppen von Integration bzw. Inklusion wurde in der Literatur schon vielfach festgestellt (z. B. Grosche 2015; Prengel 2019; vgl. Abschn. 2.1). In unseren Analysen hat sich jedoch zusätzlich gezeigt, dass Konzeptionen, die den Inklusionsbegriff verwenden, ebenso häufig Kinder mit Behinderung adressieren wie Konzeptionen, die den Integrationsbegriff verwenden, und Kinder mit Migrationshintergrund sogar häufiger in den Dokumenten erwähnen. Erklärbar ist dieser Befund möglicherweise durch Aussagen im Kontext von Inklusion, die alle Kinder willkommen heißen – gefolgt von einer Auflistung verschiedener Gruppen. Eine Besonderung bestimmter Gruppen findet damit aber weiterhin statt.

In unseren Analysen haben sich Förderung und Teilhabe nicht als gegensätzliche Ziele herausgestellt, sondern als positiv korreliert, ebenso wie Gemeinsamkeit und Verschiedenheit, was die hier gewählte Strategie bestätigt, diese Kategorien jeweils separat zu analysieren und nicht als gegensätzliche Pole. Am häufigsten wurde eine Förderperspektive in den Konzeptionen festgestellt (bei 67 % der Konzeptionen) und entsprechende Begrifflichkeiten (fördern, Förderbedarf, Förderung) sind bei drei der fünf Topics bei den häufigsten Wörtern enthalten. Dieser Befund deckt sich mit anderen Arbeiten, in denen eine Förderperspektive bei pädagogischen Fachkräften festgestellt wurde (z. B. Hoeft et al. 2018; Schmidt 2012). Etwa hat Schmidt (2012, S. 169) berichtet, dass bei Kindergartenleitungen in einer schriftlichen Befragung die größte Zustimmung zu kompensatorischen Zielen geäußert wurde. Wir können hier das Ergebnis ergänzen, dass die Thematisierung von Förderung im Kontext von Integration häufiger auftritt als im Kontext von Inklusion, was sich mit den theoretischen Erwartungen aus Abschn. 2.2 deckt. Auf der anderen Seite wurde Teilhabe jedoch genauso häufig im Kontext von Integration thematisiert wie im Kontext von Inklusion. Letztlich teilen jedoch auch alle normativen Integrations- und Inklusionsansätze das Ziel der Teilhabe (vgl. Grosche 2015).

Bezüglich der inhaltlichen Bereiche von Integration und Inklusion wurden die akademische und die soziale Domäne am häufigsten in den Konzeptionen thematisiert. Dies steht im Einklang mit der Literatur zu Inklusion, in der oft zwischen akademischen und psychosozialen Outcomes unterschieden wird (z. B. DeVries et al. 2018; Knickenberg et al. 2020; vgl. Abschn. 2.3). In der Forschung zu Integration, die sich häufig auch auf Kinder mit Migrationshintergrund bezieht, wird hingegen oft auch eine kulturelle Dimension adressiert, etwa in Bezug auf Sprache (z. B. Esser 2006; Gogolin 2008). Auch dies hat sich in unseren Analysen gezeigt, Topic 1 („soziale und kulturelle Integration“) spiegelt genau diese Thematisierung der kulturellen Dimension mit einem Fokus auf Sprache wider. Hingegen wurde die kulturelle Dimension im Kontext von Inklusion nur sehr selten angesprochen, was sich ebenfalls mit der bisherigen Literatur deckt (vgl. Abschn. 2.1).

In Bezug auf die beteiligten Akteure wurden die Einrichtungen selbst bzw. das dortige Personal bei weitem am häufigsten genannt, wenn Integration oder Inklusion thematisiert werden. Speziell in unserem identifizierten Inklusions-Topic (Topic 5) wurde auch eine systembezogene Sichtweise deutlich, die die Einrichtung in der Verantwortung sieht, Partizipation für alle Kinder zu gewährleisten (vgl. Schmidt 2012; Textor 2018). Interessant ist jedoch auch die relativ häufige Nennung von anderen Akteuren in 42 % der Konzeptionen. Dies sind oft Spezialisten für den Umgang mit speziellen Zielgruppen, wie insbesondere in Topic 3 („die pädagogische Arbeit mit Integrationskindern“) deutlich wird, in der die Heilpädagogik und Therapeuten speziell erwähnt werden. Dies steht in der Tradition der Auffassung, dass für die Integration bestimmter Zielgruppen „Spezialisten und Spezialprogramme“ (Prengel 2019, S. 156) notwendig seien (vgl. auch Sander 2004, S. 16).

Unsere Analysen haben zudem typische Kombination verschiedener Aspekte von Integration und Inklusion aufgezeigt. Sowohl die Ergebnisse des Topic Modeling (Topic 2: „gemeinsames Leben und Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung“) als auch die Korrelationen der Kategorien der Inhaltsanalyse haben gezeigt, dass Behinderung oft in Kombination mit einem Fokus auf die Gemeinsamkeiten aller Kinder auftritt. Diese typische Kombination findet sich unabhängig davon, ob in der Konzeption der Integrations- oder der Inklusionsbegriff verwendet wird. Eine weitere typische Kombination verbindet das Ziel der Teilhabe mit einem Fokus auf Verschiedenheit und Vielfalt, wie die Korrelation zwischen diesen Kategorien sowie unser Topic 5 („Inklusion: Vielfalt und Teilhabe von allen“) nahelegten. Diese Kombination tritt besonders in Verbindung mit dem Inklusionsbegriff auf (vgl. Topic 5). Schließlich sei noch die Kombination zwischen einem Fokus auf Förderung und der Nennung anderer Akteure hervorgehoben, die sich sowohl in der Korrelation dieser Kategorien als auch in Topic 3 („die pädagogische Arbeit mit Integrationskindern“) zeigte. Diese Kombination ist besonders im Kontext von Integration zu finden, wobei Topic 3 sogar auf die speziellen Begrifflichkeiten des „Integrationskindes“, der „Integrationsgruppe“ und der „Integrationskraft“ verweist, in der die Besonderung der Kinder und ihre Förderung durch Spezialisten (s. oben) besonders deutlich werden.

Beim Vergleich unserer empirischen Befunde mit den theoretischen Ansätzen zu Integration und Inklusion (vgl. Abschn. 2) lässt sich die Kombination der speziellen Fokussierung auf Kinder mit Behinderung, einer Förderperspektive und einer zentralen Rolle von Spezialisten, wie sie in Topic 3 („die pädagogische Arbeit mit Integrationskindern“) zu finden ist, als assimilative Vorstellung von Integration interpretieren. Topic 1 („kulturelle und soziale Integration“) scheint auf eine ähnliche Orientierung mit Blick auf die Zielgruppe der Kinder mit Migrationshintergrund zu verweisen, allerdings erscheinen hier die Zusammenhänge nicht ganz so eindeutig aufgrund der meist geringen Korrelationen. Das Topic 2 („gemeinsames Leben und Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung“) verweist auf viele Aspekte der Integrationspädagogik (vgl. Prengel 2019), während Topic 4 („individuelle Förderung und Entwicklung in der Kita“) einen egalitären Ansatz nahelegt (vgl. Hahn et al. 2015). In Topic 5 („Inklusion: Vielfalt und Teilhabe von allen“) ist hingegen ein weiter Inklusionsbegriff repräsentiert. Diese Ergebnisse zeigen insgesamt verschiedene Schwerpunktsetzungen und Sichtweisen zu Integration und Inklusion, die in der Realität koexistieren – nicht selten sogar innerhalb der gleichen Konzeption. Eindimensionale Beschreibungen solcher Ansätze auf einem Kontinuum von „Assimilation“ zu „Inklusion“ würden dieser empirischen Komplexität nicht gerecht werden.

Mit Blick auf die Praxis zeigt sich eine offensichtliche Diskrepanz zwischen der Relevanz, die den Themen Integration und Inklusion in Politik und Wissenschaft beigemessen wird (z. B. Blossfeld et al. 2016, S. 15; KMK o.J.), und dem Befund, dass lediglich die Hälfte der Kindergartenkonzeptionen aus den K2ID-Studien diese Themen überhaupt behandelten. Wenn das Ziel in der Verbreitung des Gedankens inklusiver Bildung in die Praxis im Elementarbereich besteht, dann muss für den Zeitpunkt der Erhebung dieser Konzeptionen (2014–2016) konstatiert werden, dass bis dahin nur eine Minderheit (etwa ein Fünftel) der Einrichtungen des Gesamtsamples den Inklusionsbegriff in ihren pädagogischen Leitlinien verankert hatte, meist zusätzlich zum Integrationsbegriff. Der Integrationsbegriff war in diesen Konzeptionen wesentlich verbreiteter. Betrachtet man die Art der Thematisierung von Inklusion, so hat das identifizierte Inklusionstopic das normative Bild von Inklusion (in einem „breiten Verständnis“, vgl. Abschn. 2) gut getroffen. Auf der anderen Seite wurden jedoch auch in Konzeptionen, die exklusiv den Inklusionsbegriff verwendet haben, sehr häufig spezielle Zielgruppen adressiert, insbesondere Kinder mit Behinderung – in dieser Hinsicht unterschieden sich diese Konzeptionen nicht von denjenigen, die den Integrationsbegriff verwendeten. Die Vermutung liegt nahe, dass in diesem Zusammenhang oft ein „enges Verständnis“ von Inklusion mit einem Fokus auf die Zielgruppe der Kinder mit Behinderung vorliegt. Dies erscheint wiederum wenig verwunderlich, da dies auch bei vielen der möglichen Quellen der Fall ist, auf die sich die pädagogischen Fachkräfte möglicherweise stützen (vgl. Abschn. 3.1), wie etwa bei der aktuellen Webseite der Kultusministerkonferenz zum Thema Inklusion (Stand: August 2023) (KMK o.J.). Hier besteht entsprechender bildungspolitischer Handlungsbedarf.

Im Folgenden werden einige Limitationen unserer Studie diskutiert. In unserem Textkorpus wurden nur solche Textstellen berücksichtigt, bei denen die Suchwörter zu Integration und Inklusion vorkamen. Nur in der Hälfte der zur Verfügung stehenden Konzeptionen wurde mindestens eine solche Textstelle gefunden. Die Ergebnisse beziehen sich daher nur auf Einrichtungen, die das Thema Integration oder Inklusion überhaupt in ihrer Konzeption behandelt und dabei auch explizit mindestens eines der Suchwörter verwendet haben. Somit besteht die Möglichkeit, dass inhaltlich relevante Textstellen nicht identifiziert wurden. Zudem konnten wir nur diejenigen Konzeptionen von Kindertageseinrichtungen analysieren, die an der K2ID-Institutionenbefragung teilgenommen und ihre schriftliche Konzeption zur Verfügung gestellt haben. Die resultierende Stichprobe der Kindergartenkonzeptionen könnte in Bezug auf verschiedene (unbeobachtete) Merkmale selektiv sein (z. B. mit Blick auf das generelle Engagement des Fachpersonals). Die Generalisierbarkeit der Ergebnisse dürfte daher eingeschränkt sein. Unser Beitrag hat zudem einen rein deskriptiven Charakter. Schließlich sollte auch betont werden, dass sich unsere Auswertungsmethoden ausschließlich auf das explizit Geschriebene gestützt haben, womit keine Rekonstruktion tieferliegender Sinngehalte erfolgte.

Insgesamt hat sich die Berücksichtigung verschiedener Aspekte und Dimensionen für die Beschreibung von Sichtweisen zu Integration und Inklusion im Bildungskontext als fruchtbar erwiesen. Die in diesem Beitrag entwickelte theoretische Heuristik ist dabei sicherlich nicht als abschließende Liste zu verstehen, sondern soll vielmehr künftige Forschung anregen, bei der Analyse von Integrations- und Inklusionsprozessen verschiedene Aspekte und Dimensionen zu berücksichtigen. Welche Aspekte und Dimensionen dabei angemessen und hilfreich sind, wird von der jeweiligen Forschungsfrage abhängen.