Die Beiträge des Thementeils in diesem Heft geben einen Einblick in die in den letzten Jahren sich zunehmend entwickelnde Subjektivierungsforschung, beziehen diese auf das Feld der Schule und erläutern ihre Fruchtbarkeit an den beiden zentralen gesellschaftlichen Transformationsdynamiken von Globalisierung und Digitalisierung.

Seit mehr als zehn Jahren existiert in Deutschland ein differenziertes Forschungsfeld zu einer erziehungswissenschaftlichen Subjektivierungsforschung, die Fragen von Macht und Ungleichheit im Zusammenhang mit pädagogischem Handeln und pädagogischen Organisationen systematisch und empirisch untersucht (Bosančić et al. 5,6,a, b; Kleiner und Rose 2014; Ricken et al. 2019; Rose 2019). Es lassen sich zwei empirisch ausgerichtete Strömungen der Subjektivierungsforschung unterscheiden, für die unterschiedliche Konzeptualisierungen und Relationierungen der beiden zentralen theoretischen Kategorien des Subjekts und des Diskurses ausschlaggebend sind: eine praxeologisch-poststrukturalistische und eine hermeneutisch-wissenssoziologische Ausrichtung (vgl. Thoma und Hautz 2023): Die praxeologisch-poststrukturalistische Perspektive entwirft Subjektivierung bezugnehmend auf Judith Butler als prozesshaften und performativen Prozess, der zwar auf Diskurse bezogen ist, diese aber auch verändern kann – der zugrundeliegende Strukturbegriff kann als vergleichsweise schwach bezeichnet werden (vgl. Wrana 2015). Das leitende Erkenntnisinteresse richtet sich auf soziale Praktiken der sich bildenden Subjekte (Thoma und Hautz 2023, S. 608). Der hermeneutisch-wissenssoziologische Zugang unterscheidet sich davon durch einen stärkeren Strukturbegriff und durch ein etwas anders akzentuiertes Erkenntnisinteresse: Subjekte werden hier als Effekte des Zusammenspiels von Diskursen und eigensinnigen Akteur*innen verstanden und Macht-Wissens-Komplexe gelten als stärker determinierend, denn sie bereiten den Möglichkeitsraum für Subjektivierungsprozesse. Forschungsleitend ist hier die Frage nach Wissensordnungen und dem Umgang mit diskursiv produziertem Wissen; methodisch werden Diskursanalysen mit interpretativen Verfahren kombiniert, um Wissensordnungen und Subjektivierungsprozesse gleichermaßen analysieren zu können (vgl. Thoma und Hautz 2023, S. 609). Anders als beim ersten Zugang, der eine Dialektik zwischen Subjekt und Struktur annimmt, stehen sich die beiden Positionen hier eher gegenüber. In der Erziehungswissenschaft dominiert in der Tendenz der praxeologisch-poststrukturalistische Ansatz (Thoma und Hautz 2023), weil sich damit die machtvolle Seite pädagogischer Praktiken ebenso beschreiben lässt wie die der sich in ihnen bildenden Subjekte.

Die erziehungs- und bildungsphilosophischen, methodologischen und empirischen Diskussionen im Kontext der Subjektivierungsforschung (Bosančić et al. 5,6,a, b; Kleiner und Rose 2014; Ricken et al. 2019) legen nahe, schulisches Lernen und schulische Bildung als Geschehen mit Blick auf die konstitutive Bedeutung von Macht und Wissen zu untersuchen. In der hier eingenommenen Analyseeinstellung bedeutet dies, danach zu fragen, welche machtvollen Effekte sich (möglicherweise unbeabsichtigt) entfalten und welches bzw. wessen Wissen sich als Wahrheit durchsetzt. Subjektivierung stellt folglich einen neutralen oder universalen Wissensstandpunkt systematisch in Frage. Dies wird etwa deutlich an Analysen, die auf geschlechtertheoretische, ableismuskritische und postkoloniale Ansätze Bezug nehmen (Bergold-Caldwell 2020; Castro Varela und Dhawan 2020; Decke-Cornill und Kleiner 2016; Hoppe 2023; Hummrich et al. 2022; Terstegen 2023). Beiträge zur Digitalisierung, Datafizierung und Algoithmisierung von Bildung tragen dazu bei, die Subjektivierungsprozesse in „soziotechnisierten Erfahrungsräumen“ (Hartong 2019, S. 434) zu untersuchen. In Analysen wie diesen wird neben der Fokussierung des Macht-Wissens-Komplexes auch das Zusammenspiel von Struktur und Handlung untersucht, indem etwa (Nicht‑)Zugehörigkeiten der Migrationsanderen (Broden und Mecheril 2010) oder die zunehmende Verwobenheit von Personen und digitalen Medien (Allert et al. 2018) mit Blick auf die jeweiligen Wissensordnungen fokussiert werden. Fragen der Ungleichheit werden bisher u. a. in Studien zu Biographie und Subjektivierung, etwa mithilfe von biographischen Interviews und bezogen auf Schule und Rassismus, Heteronormativität (Bergold-Caldwell 2020; Kleiner 2015; Rose 2012) analysiert.

Die damit verbundenen Perspektiven auf Subjekte, Macht- und Herrschaftsverhältnisse fordern auch methodologische Grundannahmen heraus (Bosančić et al. 2022a). Eine Verknüpfung von Subjektivierungstheorie mit qualitativen Methoden impliziert auf methodologischer Ebene immer eine Übersetzungsanforderung, denn die sozialtheoretischen Grundannahmen, die mit den jeweiligen Methoden eng verbunden sind, werden mit sozialphilosophischen Überlegungen ins Verhältnis gesetzt (vgl. Kleiner und Geipel 2022, S. 211). Zusätzlich lässt sich in einer subjektivierungs- und herrschaftskritischen Perspektive das gängige Verständnis der Konstruktionslogik von Biographien hinterfragen (Kleiner und Geipel 2022, S. 215; vgl. auch Dausien und Mecheril 2006). Der in der qualitativ-erziehungswissenschaftlichen Forschung dominierende erzähltheoretisch fundierte Biographie- und zugrundeliegende Subjektbegriff lässt sich in Bezug auf seine heteronormativen wie auch eurozentrischen Implikationen kritisieren, die durch Hinzuziehen weiterer und anderer theoretischer Bezüge (aus der Diskursforschung etwa) eingeholt werden können (Bergold-Caldwell 2020; Gregor und Ruby 2018). Zudem sind Biographie, Subjekt und biographische Erzählung mit globalen, kulturellen und gesellschaftlichen Transformationsphänomenen wie dem digitalen Wandel konfrontiert. In Erweiterung einer eurozentristischen Subjektfigur können in macht- und medialitätstheoretischer Perspektive stattdessen dezentrierende Konzeptionen der Biographisierung entfaltet werden, die relationale Subjektvierungsfiguren in die sie hervorbringenden soziotechnologischen Kontexte einbetten (Engel et al. 2023).

Das vorliegende Themenheft verbindet die subjektivierungstheoretische Perspektive mit bildungstheoretischen Zugängen, stellt dabei internationale Bezüge her und diskutiert die methodischen und methodologischen Möglichkeiten und Grenzen. Es versammelt hierzu neben einem systematischen Beitrag zur Verschränkung von Subjektivierungs- und Bildungstheorie Beiträge zu empirischen Studien zu Schule und Unterricht, die gegenwärtige Subjektivierungs- und Pluralisierungsprozesse im Zusammenhang mit Globalisierung und Digitalisierung erforschen und postkolonial sowie geschlechtertheoretisch erweiterte Methodologien präsentieren. Dabei geht es einerseits um Prozesse grenzüberschreitender Vernetzung, wie sie durch Internationalisierung und Migration allgegenwärtig sind (Gogolin und Pries 2004; Lutz und Amelina 2017); andererseits um die Durchdringung des Alltags durch digitale Praxen, die weit über die Nutzung und Anwendung digitaler Medien hinausgeht (Jörissen et al. 2021). Damit sind schulische und unterrichtliche Bildungsprozesse neu zu reflektieren, denn sie stellen bisherige Grundannahmen des Schulischen systematisch infrage.

Transnationalisierung und Globalisierung von schulischer Erziehung und Bildung spiegeln die plurale Verfasstheit heutiger Gesellschaften und konfrontieren die nationale Verfasstheit von Schule mit grenzüberschreitenden Dynamiken bzw. Entwicklungen und damit verbunden auch mit neuen Ungleichheitslagen. Die durch die Coronapandemie noch beschleunigten Digitalisierungsprozesse gehen mit neuen Interaktions‑, Handlungs- und Lernformen einher, die eine herrschaftskritische und machttheoretische Reflexion erziehungswissenschaftlicher Denk- und Argumentationsfiguren notwendig erscheinen lässt. Denn diese Dynamiken bringen neue Formen der Subjektivierung hervor, die theoretisch und empirisch zu erschließen sind. Eine Methodenreflexion ist dabei auch deshalb unerlässlich, weil Subjektivierung eine spezifische Konzeption von Subjekt, Handlungsmacht und Sprechen impliziert, die es methodologisch einzuholen gilt.

Zwar werden Bedingungen der Migrationsgesellschaft schon seit vielen Jahren verhandelt (z. B. Badawia et al. 2005; Gogolin und Nauck 2000), aber die verstärkte Zuwanderung im Nachgang des „langen Sommers der Migration“ (Hess et al. 2016) und neue Diskurse um Postkolonialisierung (Castro Varela und Dhawan 2020) verweisen ebenso wie Digitalisierungsprozesse (Dander et al. 2020) auf die Möglichkeit, diese aktuellen Transformations- und Pluralisierungsprozesse machtsensibel in den Blick zu nehmen und subjektivierungstheoretisch zu reflektieren. Schulkulturanalytische Studien etwa nehmen Subjektivierungs- und Rassifizierungsprozesse vergleichend und als relationale Prozesse in den Blick (Hummrich 2021; Hummrich et al. 2024; Terstegen 2023).

Im Kontext der digitalitätsbezogenen Forschung (Dander et al. 2020) werden Subjektivierungsprozesse in ihrer medialen und materiellen Konstitution machttheoretisch reflektiert und es wird am Beispiel der Medialität und Soziomaterialität von Schul- und Unterrichtsräumen die Hervorbringung (neuer) Lehr-Lernsubjektivationen gesellschaftskritisch untersucht. Die Datafizierung und Algorithmisierung von Erziehung, Bildung und Individualität lassen sich sodann jenseits westlich-idealistischer Konstruktionen „souveräner Subjektivität“ analysieren und die Medialität relationaler Subjektvierung befragen (Engel und Jörissen 2022). Qualitativ-rekonstruktive Studien etwa zu sozialen Bildplattformen nehmen Subjektivierung in einer herrschaftskritischen und poststrukturalistisch fundierten Analyseperspektive als dezentrierenden Bildungsprozess in den Blick (Flasche und Carnap 2021). Solche Perspektiven artikulieren sich etwa in Perspektiven auf „die Überwindung der bildungs- und erziehungstheoretisch tradierten Oppositionsbildungen von Autonomie und Fremdbestimmung oder von Einwirkung und Selbstentfaltung“ (Bünger 2020, S. 1).

Mit Blick auf den aktuellen Forschungsstand zeigen sich verschiedene Desiderata: Erstens steht eine systematische Theoriebildung des Zusammenhangs schulischer und unterrichtlicher Subjektivierungsprozesse mit globalen Transformationsdynamiken wie Digitalisierung, Globalisierung und Transnationalisierung weitgehend aus. Zweitens ist bisher die methodologische Frage nicht beantwortet, inwiefern Subjektivierungsprozesse gleichermaßen über codierende wie über sequenziell rekonstruktive Analyseverfahren zu erschließen sind, bzw. welche Möglichkeiten und Grenzen mit den verschiedenen Zugängen verknüpft sind.

Das vorliegende Heft versammelt Beiträge, die diese Transformationsdynamiken und die aus ihnen resultierenden Subjektivierungsformen empirisch, theoretisch und methodologisch fundiert untersuchen. Ein innovatives Potenzial liegt somit im Gegenstandsbezug wie auch in dessen Ausleuchtung in internationaler und interdisziplinärer Perspektive.

Zum einen sprechen also gesellschaftliche Entwicklungen für eine stärker global ausgerichtete Subjektivierungsforschung, zum anderen aber euch neue theoretische Impulse, die durch post- und dekoloniale Theorien beeinflusst sind. So artikulieren sich im internationalen Raum seit längerem und vor allem im Zusammenhang mit den (feministischen) Black Studies kritische Anfragen an postaufklärerische Subjekttheorien, die deren strukturelle Verwerfung Schwarzer Subjekte und damit auch den methodischen Nationalismus der Subjektivierungsforschung in Frage stellen (Broeck 2018; Ewara 2020). Das damit verbundene Desiderat lautet, dass die Kolonialgeschichte als Rückseite der Aufklärung philosophiegeschichtlich stärker einbezogen werden muss und dass folglich theoretische Figuren wie die des Subjekts mindestens zu erweitern, wenn nicht zu verwerfen sind (vgl. Bergold-Caldwell 2020; Kleiner 2024). Auch diese Diskussionen werden in einzelnen Beiträgen aufgegriffen und produktiv gemacht. Insbesondere im Zusammenhang mit solchen internationalen Debatten möchte dieses Heft einen innovativen Impuls setzen.

Im ersten theoretisch angelegten Stichwort-Beitrag „Bildung und Subjektivierung. Systematische Spannungslinien des Subjektivierungskonzepts im Kontext von Optimierung, Digitalisierung und Migration“ von Carsten Bünger und Kerstin Jergus wird dieses innovative Potenzial entfaltet, indem der erziehungswissenschaftliche Reflexionsgewinn einer Verschränkung von Bildungstheorie und Subjektivierungsanalyse systematisch auf Ungleichheitskategorien im globalen Kontext bezogen wird. Ausgehend von der These, dass erziehungswissenschaftliche Subjektivierungsforschung vorrangig die Prozessstruktur und Unabgeschlossenheit von Subjektivierung in den Blick nimmt, unternimmt der Theoriebeitrag eine Systematisierung verschiedener Diskursstränge und Zugangsweisen zu Subjektivierung. Darüber hinaus werden Reflexionsgewinne einer Verschränkung von Bildungstheorie und Subjektivierungsanalyse und ihre Bedeutsamkeit für die Auseinandersetzung mit Aspekten der Globalisierung und Digitalisierung herausgearbeitet, um insbesondere deren Beiträge zur erziehungswissenschaftlichen Reflexion von Macht- und Ungleichheitsverhältnissen und den mit diesen vermittelten Bildungsprozessen zu verdeutlichen.

Darauf basierend lässt sich folgende Hypothese entfalten, zu der die versammelten Aufsätze jeweils beitragen, sodass eine multiperspektivische Bearbeitung des Desiderats möglich wird:

Die Handlungsfähigkeit, die Individuen durch Teilhabe an schulischen Bildungsprozessen verliehen wird, ist nicht auf alle Subjekte gleichmäßig verteilt, sondern steht in einem komplexen Verhältnis zu sich aktuell transformierenden, gesellschaftlichen Differenz- und Ungleichheitsordnungen. Denn Subjekt-Bildung bedeutet in diesem Zusammenhang eine Unterwerfung unter gegenwärtig gesellschaftlich anerkennungsfähige Kategorien (Bedorf 2010), die insbesondere im Kontext von Globalisierung und Transnationalisierung neue Arbeitsformen der Hervorbringung des Selbst erzeugen (Bröckling 2006). Sie sind daher methodologisch und empirisch neu zu bestimmen.

So wird im zweiten Beitrag „A critique of transnational research on subjectivation from the perspective of postcolonial epistemology“ von Juliane Engel und Merle Hummrich auf der Grundlage von empirischen Befunden aus zwei Projekten (DFG und Robert-Bosch-Stiftung) eine triangulierende Methodologie der Subjektivierungsanalyse entwickelt, die es ermöglicht, die Vulnerabilität von gegenwärtigen Subjektpositionierungen sichtbar zu machen. Datengrundlage sind u. a. Schüler*innen-Gruppendiskussionen und Unterrichtsvideographien (siehe unten). Durch deren Interpretation zu einer Schultheorie beigetragen wird, die Schule in Zeiten der Globalisierung und Transnationalisierung zugleich als Bedingung der Teilhabe und Instanz des Ausschlusses versteht.

Damit geht es auch darum, Macht nicht als repressiv, sondern als produktiv zu verstehen, denn Subjekte lernen auch (z. B. im Rahmen von Beratungsgesprächen), an ihrer eigenen Fremdführung mitzuarbeiten und/oder widerständige Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Allerdings kritisieren Arbeiten aus den Black Studies genau diesen modernen Machtbegriff und die damit in Verbindung stehende poststrukturalistische Subjektkonzeption für ihre strukturelle Verwerfung Schwarzer Leben, (Broeck 2018; Ewara 2020) – eine Kritik, die im dritten Beitrag aufgegriffen und empirisch gewendet wird: Im dritten internationalen und interdisziplinären Beitrag „Doing racialized masculinities in Finnish schools: subjectivation and de/humanization“ von Bettina Kleiner und Ann Phoenix wird auf der Basis von Narrationsanalysen von Fokusgruppeninterviews und Einzelinterviews mit Jugendlichen an Schulen in Helsinki in einer intersektionalen Perspektivierung rekonstruiert, wie diese – überwiegend weißen Jugendlichen – rassifizierte und vergeschlechtlichte Machtverhältnisse im Schulalltag verhandeln. Der Erkenntnisgewinn dieser performativitäts- und affekttheoretisch informierten empirischen Studie liegt erstens darin, dass die Relationalität von rassifizierten und vergeschlechtlichten Subjektivierungsprozessen und damit einhergehenden Dehumanisierungsprozessen herausgearbeitet werden kann. Zweitens werden auf der Basis (feministischer) postkolonialer Kritiken Modifikationen von Butlers Subjekttheorie vorgeschlagen, die der darin impliziten Reifizierung von Whiteness entgegenwirken können.

Im vierten Beitrag „(Selbst‑)Bildungsprozesse von und in ‚Migrantenorganisationen‘. Ambivalente Kooperations- und Anerkennungsbedingungen im Kontext von Schule“ von Ellen Kollender wird die Verschränkung von migrationsgesellschaftlichen Diskursen mit neueren Steuerungslogiken im Schulsystem als strukturelle Formationen des Ein- und Ausschlusses gegenständlich. Am Beispiel von Interviews mit Akteur*innen von migrantischen Selbstorganisationen und Dokumenten zur Schulorganisation des Stadtstaates Berlin erfolgt eine Dispositivanalyse, die neue Formen struktureller Diskriminierung auf theoretischer und empirischer Ebene präsentiert.

Der fünfte Beitrag „Subjektivierungsprozesse neu zugewanderter Jugendlicher im Kontext schulischer Übergänge – Potenziale eines methodenpluralen Zugangs“ von Bettina Fritzsche und Stephanie Warkentin geht auf der Basis der Triangulation von ethnographischen Beobachtungen der aktuellen Beschulungspraxis neu zugewanderter Jugendlicher vorrangig in sogenannten „Vorbereitungsklassen“ an zwei ausgewählten Schulen der Sekundarstufe und von Interviews mit schulischen Akteur*innen sowie deren Analyse mithilfe der GTM der Frage nach, welche Adressierungen der Jugendlichen durch organisationale Praktiken erfolgen und welche Handlungsmöglichkeiten die Jugendlichen in Übergangsmomenten erleben. Das Erkenntnisinteresse richtet sich auf Reproduktionen von Ungleichheit in schulischen Übergängen. Der Erkenntnisgewinn liegt in der Herausarbeitung des Potenzials eines methodenpluralen Zuganges für eine Analyse des Zusammenspiels einer strukturellen und organisationalen Ebene und der Subjektebene bei Subjektivierungsprozessen.

Im sechsten Beitrag „Individualisierender Unterricht und der Wandel der Leistungsordnung. Erträge subjektivierungstheoretischer Forschung zur Responsibilisierung für Leistung in Praktiken“ von Kerstin Rabenstein, Julia Steinwand und Svenja Strauß werden neue Leistungsbewertungsformen im Kontext Gesamtschule gegenständlich, die als internationale Reformstrategien anerkannt sind. Die empirische Untersuchung fokussiert soziale Differenzierungspraktiken als Subjektivierungsprozesse. Grundlage sind ethnographische Studien zu Lernberatungsgesprächen als schulische Formen der Bewertung, die Schüler*innen als (gesellschaftliche) Lern- und Leistungssubjekte ungleich adressieren. Präsentiert werden Ergebnisse zur aktuellen Diskussion um Bildungsgerechtigkeit.

Im siebten Beitrag „Resisting Racialization: Subjectivation of Women of Color in and beyond School“ von Merle Hinrichsen und Saskia Terstegen wird die schulische Verarbeitung von Diskriminierungserfahrungen in sozialen Medien positionierungstheoretisch untersucht. Gegenstand sind Artikulationen des Widerstands in sozialen Medien und ihre subjektivierenden Implikationen. Der aus Posts in sozialen Medien und korrespondierenden narrativen Interviews bestehende Datenkorpus wird subjektivierungsanalytisch ausgewertet. Dabei werden Ergebnisse zu digitalen Netzpraktiken als neue Formen der Subjektivierung generiert, die für den schulischen Kontext bisher noch nicht vorliegen.

Insgesamt ist damit ein Heft entstanden, das nicht nur einen systematisierenden Überblick über die vorliegenden empirischen Ansätze zur Subjektivierung im Kontext von Schule gibt, sie nach Gegenständen/Feldern und Forschungsmethoden ordnet, sondern auf der Basis empirischer Befunde auch einen innovativen Beitrag zur theoretischen Erschließung gesellschaftlicher Pluralisierungs- und Transformationsprozesse leistet. Die Bedeutung für eine erziehungswissenschaftlich fundierte schultheoretische Auseinandersetzung liegt dabei besonders im Einbezug internationaler und interdisziplinärer Perspektiven auf den Zusammenhang Subjektivierung und Schule.