1 Problemstellung und Zielsetzung

Aufgrund eines volatilen Umfelds (Friedrichsen und Wersig 2020) entsteht eine verstärkte Nachfrageorientierung (Seitter 2014) bei Unternehmen nach qualifizierten Mitarbeitern, um die aufkommenden Herausforderungen bewältigen zu können (Fogarty et al. 2021; Meyer-Guckel et al. 2019, S. 9; Sahin und Celikkan 2020; Whiting 2020). Neben dem Arbeitsmarkt stellen auch Studierende unterschiedlichste Anforderungen, wie Bildungsprodukte gestaltet sein sollen (BCG 2019; Clift et al. 2016; EY 2018; Selingo et al. 2018). Um nun eine bedarfsgerechte Entwicklung von Bildungsprodukten zu ermöglichen, unterstützt die Bildungspolitik ihrerseits durch verschiedene Forschungs- und Förderprogrammen (Kretschmer 2018; Meier 2019; Stolz und Scholkmann 2015). Um einerseits eine offene und kooperative Entwicklung zwischen unterschiedlichen Akteuren herzustellen (Sweers 2019; Wilhelm und Kasteel 2014) und andererseits eine bedarfsgerechte Implementierung in Lehrplänen und Studiengängen zu erreichen, reichen bestehende Hochschulstrukturen hierfür oftmals nicht mehr aus (Becker und Stang 2020). Ein Faktor, um diese Veränderungen proaktiv und flexibel zu begegnen, kann unter dem Begriff der Agilität gefasst werden (Baumgartner 2019, S. 110; Seidl und Vonhof 2017). Um die Agilität im Hochschulbereich zu integrieren, sehen die Experten der Arbeitsgruppe Curriculum 4.0 (2018, S. 21) ein Agilitätspotenzial unteranderem im Lehr-Lernumfeld. Sie stellen die These auf, dass der Lehr- und Lernbetrieb mittels eines „Agility by Design“ aufgebaut werden könnte, um damit gestellte Anforderungen besser umzusetzen. Um diese Wirksamkeit weiter zu erforschen, ob Agilität ein Faktor zur verbesserten Umsetzung von Anforderungen in der deutschen Hochschullehre sein kann, soll dieser Artikel die folgende Forschungsfrage untersuchen:

Welche Implikationen können aus dem Stand der Forschung des Einsatzes von agilen Methoden im Lehr- und Lernumfeld für die Forschung und Praxis der deutschen Hochschulorganisation abgleitet werden?

Mit dem vorliegenden Beitrag soll mittels eines systematischen Literaturprozesses ein mögliches Agilitätspotential im Lehr-Lernumfeld wissenschaftlich untersucht werden. Den Forschungsstand des Untersuchungsfeldes systematisch zu analysieren, liegt in der aktuellen Forschung begründet, die eine systematische Aufarbeitung des Literaturstandes verlangt (Jütte et al. 2020). Hierfür wird zusätzlich eine internationale Betrachtung angesetzt, um darüber weitere Synergien für die deutsche Hochschulorganisation zu gewinnen. Um einen Zugang zum Forschungsfeld zu erlangen, wird im folgenden Kapitel eine Wissenschaftszuordnung und eine theoretische Einordnung vorgenommen, um die Grundlagen für die angesetzte Forschungsmethodik, die Interpretation der Ergebnisse und die Ableitung von Implikationen zu legen.

2 Wirklichkeitsbeschränkung und Bezugsrahmen

In der Betrachtung der zu untersuchenden Forschungsliteratur muss eine Entscheidung der disziplinarischen Wissenschaftszuordnung getroffen werden. Nachdem das Untersuchungsfeld den (agilen) Methodeneinsatz im Lehrumfeld der Hochschulorganisation umfasst, kann dies aus unterschiedlichen Disziplinzuordnungen betrachtet werden. Sowohl die Organisationsforschung (Kühl 2009) als auch die Hochschulforschung (Wilkesmann 2017) erforschen die Anwendung von Methodenansätze für unterschiedliche Hochschulbereiche. Aus einer erziehungswissenschaftlichen Perspektive könnte auch die pädagogische Hochschulentwicklung (Brahm et al. 2016) zur Analyse des Gestaltungsgegenstandes im Kontext der Hochschulbildung herangezogen werden. Um eine umfassende Analyse herzustellen, wird bei der Anwendung der wissenschaftlichen Vorgehensweise darauf geachtet, dass eine multidisziplinäre Betrachtung für den Untersuchungsgegenstand angesetzt wird, um die gesetzten Ziele des Beitrags umzusetzen. Damit verfolgt dieser Beitrag eine ganzheitliche Ergebnisdarstellung und besitzt nicht den Anspruch der Zuordnung der Ergebnisse zu einer einzigen Disziplin. Nachdem das Forschungsvorhaben eine Ganzheitlichkeit ansetzt, muss dieser Umstand ebenfalls in der Analyse- und Theorieeinordnung des Beitrags berücksichtigt werden.

2.1 Einordnung der agilen Lehre

Einerseits werden im Beitrag agile Methodenansätze aufgegriffen, welche historisch betrachtet ihren Ursprung in der Softwareentwicklung wiederfindet. Das agile Manifest nach Beck et al. (2001) und dessen Werte und Prinzipien bilden die Grundlagen für die Einordnung eines agilen Verständnisses. Darauf aufbauend entstanden mit den Jahren unterschiedliche weitere Manifeste, welche speziell für den Bildungsbereich entwickelt wurden (Kamat 2012; Krehbiel et al. 2017; Peha 2011; Royle und Nikolic 2016). Basierend auf diesen Grundlagen beschreiben Rasmov und Anderson (2006), dass unter dem agilen Lehren eine bedürfnisorientierte Lehre verstanden werden kann, welches mittels agilen Techniken umgesetzt werden kann. Diese Beschreibung wird auch im vorgelegten Beitrag als Verständnisgrundlage aufgenommen. Für die Darstellung der Vielfalt der Anwendung von agilen Methodenansätze hilft die Aufteilung nach Komus und Kuberg (2019, S. 61), die seit 2015 mit ihren empirischen Analysen versuchen eine Differenzierbarkeit der unterschiedlichen Methodenarten im (internationalen) Industrieumfeld herzustellen. Diese Differenzierung soll auch als Analyseverständnis für den folgenden Beitrag und somit auch für den Hochschulkontext adaptiert werden. Diese Ausführlichkeit der Analysebereiche im Untersuchungsumfeld ist einzigartig und wurde in der Vergangenheit so noch nicht angewendet. Insgesamt werden damit 14 unterschiedliche agile Methodenansätze (inkl. Abkürzungs- und Kategorisierungskürzel) für die Recherche berücksichtigt:1

Agile Prinzipien (AP); Scrum (SC); DevOps (DV); Design Thinking (DT); Extrem Programming (EX); Reframing (RM); Effectuation (ET); Blue Ocean (BO); Kanban (KA); Lean (LE); Feature Driven Development (FD); Lean Startup (LS); Theroy U (TU); Dynamic System Development Method (DS).

2.2 Einordnung Hochschulorganisation

Neben der Analyseeinordnung der agilen Vorgehensweisen muss andererseits auch die theoretischen Grundlagen für den Hochschulkontext hergestellt werden. Zur Definition und der Einordnung der gewonnenen Ergebnisse wird das Mehrebenen-Theoriemodell als Bezugsrahmen für die Hochschulorganisation angesetzt. Dieses Modell, welches aus einer Makro‑, Meso- und Mikro-Ebene besteht, wurde oftmals in der Vergangenheit als Analysemodell für die Hochschulorganisation und dessen Verständniserzielung angesetzt (Fähnrich et al. 2019; Müskens und Hanft 2007; Schmid und Wilkesmann 2018). Auf der Makro-Ebene werden Entwicklungsdynamiken außerhalb der Organisation inbegriffen, die sich in politisch-, markt-, gesellschafts- und wissenschaftsorientierten Bereichen zugeordnet werden lassen (Gerholz und Sloane 2013, S. 6). Als Meso-Ebene wird die Organisations- und Interorganisationsebene der Hochschule verstanden (Schimank 2006). Abschließend bildet die Miko-Ebene die eigentliche Ausgestaltung und Durchführung von didaktischen Thematiken (Schmid und Wilkesmann 2018, S. 11–15), welche wiederum die Untersuchungs- und Ausgangsebene des Beitrags darstellt. Aus den Ergebnissen der Analyse der mikro-organisatorischen Ebene sollen abschließend Implikationen für die ganzheitliche Betrachtung der Hochschulorganisation abgeleitet werden.

3 Wissenschaftliche Vorgehensweise

Eine nachvollziehbare Analysemethodik zum Entdecken, Beurteilen und Darlegen von wissenschaftlichen Veröffentlichungen im Kontext eines Untersuchungsgebiets ist mittels einer systematischen Literaturrecherche möglich (Fink 2014, S. 6; Rowe 2014, S. 246). Darüber hinaus können durch die gewonnenen Erkenntnisse auch Implikationen und Empfehlungen für Forschung und Praxis gegeben werden (Schryen et al. 2017, S. 556). Für die Durchführung des systematischen Literaturrechercheprozesses wird das Rahmenwerk von vom Brocke et al. (2009) für diesen Beitrag angesetzt, welches aus fünf Phasen besteht und in den folgenden Abschnitten transparent und am Untersuchungsfall dargestellt wird:

  1. 1.

    Für die Festlegung des Suchumfangs der Recherche hilft die Taxonomie nach Cooper, welche um weitere Bereiche durch Fettke (2006, S. 257) ergänzt wird. Die Auswahl der Kategorien (grau hinterlegt) macht ersichtlich, welche Bereiche die durchgeführte Recherche ansetzt. Zusammengefasst kann zur Recherche gesagt werden, dass die gesuchten Beiträge, Forschungsergebnisse und – erfahrungen umfassen, welche selektiv gesucht und thematisch dargestellt werden. Die Ergebnisaufbereitung soll einen Mehrwert für Forscher und Praktiker im Untersuchungsumfeld darstellen (Abb. 1).

  2. 2.

    Als nächster Schritt wurden Suchbegriffe und dazugehörige Suchterme mittels des Instruments einer Konzeptkarte gebildet (vom Brocke et al. 2009). Die Entwicklung der einzelnen Suchbegriffe wurde durch den angesetzten Bezugsrahmen und der darstellten Problemlage umrissen. Hierbei wurde auf Synonymität, unterschiedliche Sprachräume und Syntax-Eigenschaften geachtet (Tab. 1).

  3. 3.

    Für die Durchführung der Recherche sind zuerst Literaturquellen zu identifizieren, welche den disziplinarischen Suchraum abbilden. Nachdem das Forschungsvorhaben eine Multidisziplinarität (Sozial‑, Wirtschafts‑, IT- und Erziehungswissenschaft) besitzt, wurden mit Unterstützung von Bewertungsranking (Datenbank-Info-System und VHB-Jourqual) Zeitschriften und Datenbanken für die Recherche identifiziert. Nachdem Fachzeitschriften meistens in kumulierter Form in wissenschaftlichen Datenbanken zu finden sind (Levy und Ellis 2006, S. 185; Randolph 2009, S. 6; Rowe 2014, S. 242; Yang und Tate 2012, S. 40), wurde für die Recherche fokussiert Datenbanken betrachtet. Dies führte folglich zu erhöhtem Rechercheaufwand, hatte jedoch einen positiven Einfluss auf die Validität des Vorhabens. Neben dem internationalen Fokus wurden auch nationale Datenbanken berücksichtigt. Zusätzlich wurde mit Google Scholar final geprüft, ob relevante Treffer möglicherweise übersehen wurden (Schryen et al. 2015, S. 19). Neben der Identifikation der Literaturquellen wurden weitere Elemente in die Suchstrategie aufgenommen, um eine Literaturflut zu vermeiden und Besonderheiten der Datenbaken zu berücksichtigen:

    • Suchzeitraum: 10 Jahre (01.01.2011–01.08.2021)

    • Berücksichtigung von entdeckten (systematischen) Literaturrechen

    • Vorwärts- und Rückwärtssuche

    • Abweichung der Suchterme zur Berücksichtigung der Reliabilität und Validität

    • Fragmentsuche durch Operatorenveränderungen

    • Reglementierung des Zugangs durch monetären Aufwände

    • „Trial and Error“-Ablauf für ein heuristisches Ergebnis

    • Relevanzsortierung & Sichtung der ersten 500 Treffern

Abb. 1
figure 1

Taxonomiekategorien des Untersuchungsumfangs

Tab. 1 Konzeptkarte mit Suchkategorien und Suchbegriffe

Abb. 2 zeigt das zusammengefasste Suchprotokoll der Recherche des Beitrags mit den gewählten Datenbanken auf:

Abb. 2
figure 2

Suchprotokoll. (aNach Relevanz sortiert und die ersten 500 Treffer betrachtet)

Die Recherche identifizierte insgesamt 57 relevante Beiträge, welche als Rohdaten gelten und nun für die letzten zwei Phasen des Rahmenwerks genommen werden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die Ergebnisse und die Implikationen separat in weiteren Kapiteln analysiert, synthetisiert und dargestellt.

4 Ergebnisdarstellung und Würdigung

Vom Brocke et al. (2009) empfehlen in der vierten Phase zur Analyse und Synthese der Rohdaten die Entwicklung einer Konzeptmatrix nach Webster und Watson (2002, S. 17), welche den zugrundeliegenden Bezugsrahmen aufgreift. Die Entwicklung einer Matrixaufstellung stellt diesbezüglich die qualitative Leistung des Beitrags dar. In der Ergebnisdarstellung werden die einzelnen agilen Methodenansätze betrachtet. Hierfür zeigt Tab. 2 in der vertikalen Achse der Konzeptmatrix die gefundenen Literaturquellen auf. Dahingegen listet die horizontale Achse die dazugehörigen agilen Methodenansätze und eine Länderzugehörigkeit auf, welche in den jeweiligen Beiträgen identifiziert wurden.

Tab. 2 Konzeptmatrix zu agilen Methoden in der Hochschullehre

Bei den Rohdaten wurde erkannt, dass bereits Literaturrecherchen zu mehreren oder nur einzelnen agilen Methoden im Kontext der Hochschullehre durchgeführt wurden (X1–X5). Um auf den Ergebnissen der Recherchen aufzubauen, wurden diese Recherchen nach dessen Suchzeiträumen sortiert. Alle gefundenen Artikel, welche in diesen Suchzeitraum gefallen sind, wurden im Beitrag nicht weiterverfolgt, um damit Dopplungen zu vermeiden. Für die Auswertung bedeutet das, dass nur Beiträge von den Jahren 2019–2021 betrachtet wurden. Damit konnte an bestehenden Erkenntnissen angeknüpft und für die Hochschullehre weiter fortgeführt werden. Bei der Quellenauflistung muss zudem kritisch angemerkt werden, dass keine Analysen im Kontext unterschiedlicher Hochschultypen vorgenommen wurden. In der fünften und letzten Phase des Rahmenwerks sollen nun die Analysen interpretiert und weiterführende Implikationen für Forschung und Praxis aufzeigt werden.

5 Interpretation und Implikation für Praxis und Forschung

Die qualitativ-deduktive Literaturrecherche setzte sich mit der Fragestellung auseinander, wie der aktuelle Stand der Forschung zum Thema des Einsatzes von agilen Methoden aus einer mikro-orientierten Organisationsperspektive zu sehen ist und welche damit einhergehenden Implikationen für weitere Forschung und Praxis im Kontext der deutschen Hochschulorganisation getroffen werden können. Zur Beantwortung der Frage hinsichtlich des Stands der Forschung, wurde zuerst die entdeckten systematischen Literaturrecherchen zusammengefasst, um auf dessen Erkenntnisse weiter aufzubauen [X1–X5] (Tab. 3):

Tab. 3 Auswertung von entdeckten Literaturrecherchen

Zusammengefasst zeigen die gefundenen Recherchen auf, dass das Feld des Einsatzes von agilen Methoden aus einer mikro-organisatorischen Perspektive bereits intensiv untersucht wurde. Hier grenzen nun die Ergebnisse des Beitrags an, um den gefundenen Forschungsstand zeitlich betrachtet für die Jahre 2019–2021 zu erweitern. Zusätzlich wurde durch die größere Methodenvielfalt versucht einen breiteren Suchfokus anzusetzen. Aus den entdeckten Literaturquellen konnten folgende Gesamtaussagen beobachtet werden:

  • Agile Methoden stellen ein relevantes Thema für die Hochschullehre dar und werden kontinentalübergreifend untersucht und angewendet.

  • SC, DT und AP sind die agilen Methoden, welche den größten Zugang in der Hochschullehre besitzen. Bei allen weiteren agilen Methoden wurden wenig bis keine Forschungsbeiträge zu dessen Einsatz in der Hochschullehre bei den untersuchten Datenbanken entdeckt.

  • Agile Methoden werden in unterschiedlichen fachlichen Lehrkontexten angewendet.

Aus einer Einzelbetrachtung der Beiträge heraus können folgende Interpretationen für den Einsatz von agilen Methoden aus einer mikro-organisatorischen Perspektive für die Jahre 2019–2021 gezogen werden:

  • Durch den Einsatz von agilen Methoden in der Hochschullehre kann/können …

    • … die Leistung und Interaktion der Studierenden gesteigert werden [1].

    • … eine erfolgreiche Verbindung von Wissenschaft und Praxisbezug hergestellt werden [2].

    • … die Lern- und Forschungsfähigkeit verbessert werden [12].

    • … die Präsenz- und Online-Lehrformate erfolgreich angewendet werden [14].

    • … die Effizienz von Bildungsprozessen gesteigert werden [15].

    • … die Problemlösungs‑, Team- und Kreativitätsfähigkeit gesteigert werden [18].

  • DT wird zum Erwerb von Zukunftskompetenzen eingesetzt [3]; [4]; [5]. Beim Einsatz von DT werden wenige Iterationsschleifen empfohlen [8].

  • DV erhält einen immer stärkeren Untersuchungsbezug im Lehrkontext [6]; [13].

  • Die Reflektionsphasen in agilen Methoden (Beispiel: SC = Retrospektive) sind eine der Erfolgsfaktoren im Kontext des Einsatzes in der Hochschullehre [11].

  • Agiles Lernen kann am besten mit realen Praxisprojekten umgesetzt werden. Universitätsprojekte können dies nicht vollständig abbilden [16].

  • Trotz der unterschiedlichen Herkunft existieren Überschneidungen zwischen dem Einsatz von AP und DT im Lehrkontext [17].

Die Auflistung zeigt auf, dass die agile Methoden AP, SC und DT eine starke Präsenz in der (internationalen) Hochschullehre besitzen und auch kombiniert umgesetzt werden. Dies lässt die Aussage zu, dass die Forderung nach einem Aufbau von einem Lehr-Lernumfeld mittels eines „Agility by Design“ (Arbeitsgruppe Curriculum 4.0 2018, S. 21) bereits umgesetzt wird. Bei der näheren Betrachtung der Ergebnisse muss kritisch angemerkt werden, dass der Verdacht eines Zirkelschlusses aufkommen kann: „Agilität ist gut, deshalb wird das Feld untersucht. Im Ergebnis zeigt sich, dass viele Agilität verwenden und es gut finden. Damit ist Agilität gut und es soll mehr davon benutzt werden.“ Um diesem Umstand entgegenzuwirken, muss die agile Anwendung dezidierter betrachtet werden. Darum sollen im Folgenden die dargestellten Herausforderungen aufgegriffen und analysiert werden, ob agile Methoden einen Mehrwert zur Umsetzung der Anforderungen aus (1) Studierenden- (2) Praxis- und (3) Organisationsperspektive besitzen:

  1. 1.

    Die Umsetzung von Anforderungen aus der Perspektive des Studierenden kann durch eine studierendenorientierte Lehre beim Einsatz von agilen Methoden dargelegt werden, welche, speziell bei AP, SC und DT, erkannt werden konnte. Dieser Umstand kann darin begründet werden, weil die Werte des agilen Lehrens den Studierenden als Kunden in den Fokus stellen und sich dies auch in den entdeckten Untersuchungen wiederspiegeln. Praxisseitig kann damit die Empfehlung abgeleitet werden, dass versucht werden sollte, sich der bereits existierenden Anwendung von agilen Methoden in die Hochschullehre anzuschließen und die Anwendungsempfehlungen aus den dargelegten Einzelbetrachtungen zu berücksichtigen. Zusätzlich kann forschungsseitig aus einer mikro-orientierten Perspektive heraus zudem die Aufforderung gestellt werden, dass Untersuchungen zu agilen Methoden im Lehrkontext betrieben werden sollten, welche noch keine große Berücksichtigung erfahren haben, um die damit einhergehende Forschungslücke zu verkleinern.

  2. 2.

    Durch das Erkennen einer kooperativen Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis im Rahmen von Lehrveranstaltungen mit agilen Methoden, kann eine bedarfsgerechte Lehrplangestaltung und -umsetzung vermutet werden. Zusätzlich unterstützt diese Vermutung die Fähigkeitssteigerung durch die Nutzung von agilen Methoden. Ob damit aber die gezielte Berücksichtigung von notwendigen Kompetenzbedarfe aus dem Arbeitsmarkt umgesetzt werden, konnte in den Ergebnissen nicht erkannt werden. Damit wird die finale Beantwortung erschwert, ob die umgesetzten Lehrplanveranstaltungen so gestaltet sind, dass die verlangten Kompetenzbedarfe aus dem Arbeitsmarkt eingeplant wurden. Nachdem die aktuelle Forschung die Aushandlung zwischen verschiedenen Akteuren im Entwicklungs- und Umsetzungsprozess von Bildungsprodukten als herausfordernd dargestellt wird (Sweers 2019), muss die Wirksamkeit gezielter und mit weiteren Forschungsaktivitäten untersucht werden. Damit könnte eine genauere Aussage erlangt werden, ob agile Methoden möglicherweise die Aushandlung und die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren aus dem Arbeitsmarkt und den Akteuren einer Hochschulorganisation im Entwicklungs- und Umsetzungsprozess von Bildungsprodukten positiv beeinflussen kann.

  3. 3.

    Sofern die agile Thematik einen Einzug in die weiteren Bereiche der Hochschulorganisation erhalten soll, wurden im Rahmen der Recherche die bestehenden Beiträge (Siehe Tab. 2) und weitere Beiträge zur Interpretation und Implikationsableitung herangezogen. Einige Beiträge sind der Ansicht, dass das dargestellte volatile Umfeld einer makro-orientierten Hochschulebene und der damit einhergehende ständige Anpassungsbedarf durch agile Eigenschaften bedient werden könnte (Matthies et al. 2018; Becker und Stang 2020; [7]; [20]). Dahingegend wurde ein Beitrag von Wilhelm (2019) entdeckt, die sich mit dem Thema des Einsatzes von agilen Methoden für die Hochschulorganisation kritisch auseinandergesetzt hat. Die Autorin kommt in ihren Ausführungen zur Meinung, dass eine agile Vorgehensweise die Probleme auf einer meso-orientierten Organisationsebene vermutlich nicht lösen kann und es auch schwierig erscheint, die Dynamik einer makro-organisatorischen Ebene erfolgreich aufzugreifen und damit umzugehen. Dies könnte auch an dem konfliktbeladenen Aufeinandertreffen traditioneller und neuer Organisationsprinzipien liegen, was die Metaanalyse von Adler und Lalonde (2019) aufdeckt. Der Lösungsvorschlag von Wilhelm (2019) wiederum zeigt sich in der Empfehlung, dass Hochschulorganisationen einen Agilitätsbezug im Innovationskontext benötigen, um einen erfolgreichen Umgang der bestehenden Herausforderungen zu erzielen. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen des Einsatzes von agilen Methoden aus der mikro-orientierten Perspektive und der Forderung nach mehr Innovationsbezug, lässt dies ein Untersuchungsfeld des Einsatzes von DT in anderen Hochschulbereichen zu, weil DT als ein agiler Methodenansatz mit der Herkunft aus dem Innovationsmanagement gilt (Matthies et al. 2018; [3]). Demnach wird die Empfehlung an die Praxis und die Forschung gleichsam kommuniziert, DT in der Hochschulorganisation als ein agil-innovativer Methodenansatz in einer ganzheitlichen Organisationsbetrachtung anzuwenden und dessen Wirksamkeit zu untersuchen. Dies könnte exemplarisch am Beispiel der Curriculum- und Studiengangsentwicklung untersucht werden, da der Einsatz von agilen Methoden hier bereits Anknüpfungspunkte besitzt (Arbeitsgruppe Curriculum 4.0 2018; Matthies et al. 2018; Meyer-Guckel et al. 2019; Seidl und Vonhof 2017; [9]). Nachdem die Forderung zur Berücksichtigung von Bedürfnissen von beteiligten Personen aus miko-, meso- und makroorientierter Perspektive der Curriculums- und Studiengangsentwicklung ebenfalls unterliegt (Gerholz und Sloane 2013; Hanft et al. 2016, S. 113; Kretschmer 2018; Schmid und Wilkesmann 2018; Seufert 2013) sollte bei diesem Untersuchungsfeld der Ansichten von Scheidig (2016) gefolgt werden, dass ein Entwicklungsprozess von Studiengängen und Curriculums nicht einer Ebene zugeordnet werden sollte, sondern ganzheitlich aus einem Mehrebenensystem zu sehen ist, da jede Ebene seinen eigenen Einfluss auf den Prozess nimmt. Abschließend kann die Empfehlung weitergegeben werden, eine Differenzierung zwischen Curriculums- und Studiengangsentwicklung diesbezüglich zu betrachten, da diese Begrifflichkeiten oftmals als Synonym gewählt werden. Hier kann das Verständnis von Jenert (2012) gefolgt werden, der zur Meinung kommt, dass die Studiengangsentwicklung inhaltsbezogen über eine Curriculumentwicklung hinausgeht.

5.1 Anmerkungen

  1. 1.

    Auf eine ausführliche Beschreibung der einzelnen agilen Methodenansätze wird aufgrund der Beitragsgröße verzichtet.