Methode und Stichprobe
Die in diesem Artikel vorgestellten Untersuchungsergebnisse gehen auf zwei quantitative Studien zurück, die im Jahr 2015 sowie 2020 im Auftrag der GPM – Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. durchgeführt wurden. Die Studien weisen inhaltliche Verknüpfungen auf, beleuchten aber jeweils auch singuläre Aspekte. So fokussierte die erste Studie (2015) vor allem den selbstbestimmten Umgang mit Arbeitszeit (Arbeitszeitsouveränität), während die aktuelle Untersuchung (2020) Arbeitssouveränität in verschiedenen Dimensionen betrachtete. Beide Erhebungen erfolgten als Onlinebefragung, die über verschiedene Kanäle beworben wurde, darunter insbesondere Newsletter, die durch die GPM an ihre Mitglieder versandt wurden. Die Zielgruppe bildeten jeweils Mitarbeiter:innen in wissensintensiven Projekten bzw. Wissensarbeiter:innen.Footnote 6
In der Studie von 2015 haben insgesamt 425 Personen, im Jahr 2020 231 Personen teilgenommen. In der Befragung von 2015 waren 43,6 % der Teilnehmenden weiblich und 55 % männlich (1,4 % haben keine Angabe zu ihrer Geschlechtszugehörigkeit gemacht), innerhalb der Stichprobe des Jahres 2020 waren 45 % männlichen und 47 % weiblichen Geschlechts, 1,6 % wählten die Kategorie „divers“ (6,4 % haben keine Angabe zu ihrer Geschlechtszugehörigkeit gemacht). Die Befragten wiesen in beiden Erhebungen ein Durchschnittsalter von ca. 43 Jahren auf.
Wissens- und Projektarbeit
Die nachfolgende Auswertung zur Beurteilung der ausgeführten Tätigkeiten lässt rückschließen, dass die befragten Projektmitarbeiter:innen Tätigkeiten durchführen, die der Wissensarbeit zugeordnet werden können; ihr Arbeitsalltag ist geprägt von:
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Immaterialität der Ergebnisse ihrer Arbeit (70,0 %) (2015: 55 %)Footnote 7,
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Integrativität der Prozesse (72,9 %) (2015: 73 %),
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umfangreichen Fachwissen (76,5 %) (2015: 89 %),
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kontinuierlicher Weiterbildung (66,2 %) (2015: 62 %),
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hoher Komplexität der Prozesse und Aufgaben (78,4 %) (2015: 83 %) und
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nicht standardisierten, situativen Prozessen und Ergebnissen (68,3 %) (2015Footnote 8: 71 %).
Unterschiede zwischen den beiden Erhebungszeitpunkten in Bezug auf die Tätigkeit bestehen insbesondere hinsichtlich des erhöhten Umfangs der Immaterialität der Ergebnisse (Zustimmung von 55 % auf 70 %) und des verringerten Einsatzes umfangreichen Fachwissens (von 89 % auf 76,5 %). Der Prozess der Digitalisierung scheint hier einerseits eine „Immaterialisierung der Ergebnisse“ voranzubringen, andererseits scheinen auch erste Verschiebungen relevanter Kompetenzanforderungen – wie auch schon durch unterschiedliche Studien bestätigt (u. a. Kirchherr et al. 2018) – deutlich zu werden, sodass Fachkompetenzen an Bedeutung verlieren und Selbst- und Sozialkompetenzen an Bedeutung gewinnen.
Eng verbunden mit den Charakteristika der Wissensarbeit stellt sich auch die Komplexität der Projekte dar. Orientiert an den von Kuster et al. (2011) konzipierten Dimensionen der „sozialen Komplexität“ und „Offenheit der Aufgabenstellung“ zeigt sich im Zeitvergleich (2015 zu 2020) sowohl eine Zunahme der sozialen Komplexität, als auch der Offenheit der Aufgabenstellung (Abb. 2) und folglich eine Zunahme der Projektkomplexität insgesamt.
Im Jahre 2020 ist bereits über ein Drittel der Befragten (37 %) in Pionierprojekten tätig. Diese zeichnen sich nach Kuster et al. (2011) durch einen hohen sozialen Komplexitätsgrad bei einer zugleich weitgehend offenen Aufgabenstellung aus (Tab. 1). Fast ein Drittel (32,4 %) ist in Akzeptanzprojekten tätig, die durch eine hohe soziale Komplexität, aber eine geschlossene Aufgabenstellung charakterisiert sind. In Standardprojekten mit einem geringeren Komplexitätsgrad (und weitgehend geschlossener Aufgabenstellung) sind 17,4 % der Befragten tätig, weitere 11 % sind in Potenzialprojekten aktiv.
Tab. 1 Komplexität der Projekte (2020 sowie 2015) Ein Vergleich mit der Studie von 2015 verdeutlicht dabei, dass die Relevanz an Pionierprojekten signifikant zugenommen hat. Eine hohe soziale Komplexität sowie Offenheit der Aufgabenstellung gewinnt also im Rahmen aktueller Projektarbeiten zunehmend an Bedeutung, was die vorherig benannte Zunahme der Komplexität der Projektarbeit spiegelt.
Arbeitssouveränität
Bei der Betrachtung des Status Quo der einzelnen Faktoren (Selbstbestimmtheit, Hierarchiearmut, Agilität, Ortsunabhängigkeit, Zeitunabhängigkeit) zur Arbeitssouveränität stuft fast Dreiviertel der Befragten (72 %) ihre Arbeitstätigkeit insgesamt als selbstbestimmt ein (Abb. 3). Die Selbstbestimmtheit ist dabei tendenziell durch zeitunabhängiges und ortsunabhängiges Arbeiten charakterisiert und findet im Kontext hierarchiearmer Strukturen statt. Dies gilt für jeweils deutlich mehr als 40 % der Befragten. Somit arbeitet ein Großteil nicht (mehr) in klassischen Zeit- und Raumkonstellationen von Organisationen, wenngleich das Ausmaß selbstbestimmten Arbeitens noch nicht bei allen befragten Mitarbeiter:innen bereits in weitem oder vollem Umfang ausgeprägt scheint. Dies unterstreicht auch das Ergebnis hinsichtlich agiler Arbeitsformen: Agiles Arbeiten ist zwar bereits für viele (27 %) Bestandteil der alltäglichen Arbeitsweise, ein ebenso großer Teil (26 %) sieht dies allerdings noch „kaum“ oder „überhaupt nicht“ zutreffend für die Arbeitstätigkeit an. Ein noch größerer Teil der Befragten (37 %) erachtete die Agilität ihrer Arbeit als immerhin „teilweise“ zutreffend. Scheinbar gehört die Organisation von Arbeit in agilen Strukturen und Prozessen für einige Wissensarbeiter:innen bereits zum Alltag, ein größerer Teil digitaler Projektarbeit befindet sich aktuell jedoch noch mitten in einem Erprobungs- bzw. Übergangsprozess.
In einer Reliabilitätsanalyse wurde die Konsistenz der fünf Items unter Berechnung von Cronbach’s Alpha geprüftFootnote 9. Bei Ausschluss des Items „… in agilen Projekten“ lassen sich die Items „selbstbestimmt“, „hierarchiearm“, „ortsunabhängig“ und „zeitunabhängig“ unter Verwendung des arithmetischen Mittelwerts (Mittelwertindex) zu einem einzelnen Faktor „Arbeitssouveränität“ zusammenfügen (vgl. Kuckartz et al. 2013). Der geringe Beitrag des Items „… in agilen Projekten“ zum Gesamtkonstrukt deutet sich bereits in der grafischen Gegenüberstellung (Abb. 3) an. Agile Projektarbeit scheint damit kein die Arbeitssouveränität beschreibendes Charakteristikum zu sein.
Dem konstruierten Faktor „Arbeitssouveränität“ folgend ist mit 58 % die Mehrheit der Befragten arbeitssouverän tätig (Abb. 4). Dem konstruierten Faktor lässt sich nun die Selbsteinschätzung der Arbeitssouveränität gegenüberstellen (Abb. 5). Dabei zeigt sich, dass mit einem Anteil von 71 % weite Teile der Befragten ihre Arbeitstätigkeit als arbeitssouverän einstufen. Das Ausmaß der Arbeitssouveränität wird von den Befragten selbst demnach deutlich höher eingestuft (71 %) als dies durch das theoriegeleitete Konstrukt „Arbeitssouveränität“ (58 %) ausgewiesen wird. Schließlich erreicht mit Ausnahme der Selbstbestimmtheit (72 %) keines der Kriterien eine solch hohe Zustimmung wie die selbstempfundene Arbeitssouveränität.
Eine Korrelationsanalyse unterstreicht den engen Zusammenhang von Arbeitssouveränität und Selbstbestimmung: Die Einschätzung der eigenen Arbeitssouveränität korreliert höchst signifikant mit den einzelnen Aspekten der Arbeitssouveränität – mit Ausnahme der agilen Projektarbeit (rs = 0,200, ρ = 0,002). Die höchste Korrelation kann dabei mit der Selbstbestimmtheit (rs = 0,487, ρ = 0,000) festgestellt werden, gefolgt von der Zeitunabhängigkeit (rs = 0,322, ρ = 0,000), der Hierarchiearmut (rs = 0,305, ρ = 0,000) und schließlich der Ortsunabhängigkeit (rs = 0,259, ρ = 0,000). Das Verständnis der Befragten hinsichtlich ihrer Arbeitssouveränität scheint demnach sehr eng mit der Einschätzung des Ausmaßes der Selbstbestimmtheit ihrer Arbeit zusammenzufallen.
Betrachtet man weiterhin, inwiefern die beiden Faktoren der WissensarbeitFootnote 10 und Arbeitssouveränität in Verbindung stehen, wird zwischen beiden Faktoren eine signifikante positive Korrelation (rs = 0,193, ρ = 0,005). deutlich. Je intensiver also die Wissensarbeit ausgeprägt ist, desto arbeitssouveräner ist das Arbeitshandeln.
Dabei verbinden die Befragten mit „arbeitssouveränem Handeln“ vor allem einen „Ausdruck des Vertrauens“ in ihre Tätigkeit (89 %), begreifen Arbeitssouveränität zudem aber auch als „sinnstiftend“ (64 %) und als eine Form der „Anerkennung ihrer Tätigkeit“ (64 %) (Abb. 6).
Selbstbestimmtes Arbeiten geht aber offenbar nicht zwingend mit Orts- und Zeitunabhängigkeit einher und muss nicht in jedem Falle in hierarchiearmen Strukturen stattfinden. Arbeitssouveränität bedeutet demnach (u. a.) die grundsätzliche Option, orts- und zeitunabhängig zu arbeiten; nicht immer bzw. nicht alle Mitarbeiter:innen machen davon aber in vollem Umfang Gebrauch. So gaben zusammen 66 % an, die eigene Arbeitszeit Alles in Allem frei gestalten zu können (Abb. 7), während das zeitunabhängige Arbeiten (s. oben) nur zu 41 % auch genutzt wurde.
Der souveräne Umgang mit der Arbeitszeit kann ein wesentlicher Grundbaustein einer zufriedenstellenden Projektarbeit bilden. Hinzu kommen weitere Ansprüche und Grundbedürfnisse, die in Bezug auf zeitgemäße Arbeitsbedingungen formuliert werden. Grob können diese in die Kategorien des Kompetenzerlebens, sozialer Eingebundenheit und Autonomie differenziert werden. Eine detailliertere Analyse zur Selbstbestimmung und -organisation als Basis arbeitssouveränen Handelns lässt – in Anlehnung an die Erkenntnisse der Selbstbestimmungstheorie (z. B. Deci und Ryan 1985) – alles in allem signifikante Korrelationen zwischen der sozialen Eingebundenheit, dem Autonomieerleben sowie dem Kompetenzerleben eines/einer Wissensarbeiter:in sowie seiner/ihrer intrinsischen Arbeitsmotivation erkennen. Insgesamt ergeben sich folgende statistische Ergebnisse:
Die soziale EingebundenheitFootnote 11 von Wissensarbeiter:innen korreliert hoch signifikant mit der intrinsischen ArbeitsmotivationFootnote 12 (r = 0,467, p = 0,001). Eine Korrelationsanalyse zwischen den Items zur AutonomieFootnote 13 sowie dem Konstrukt der intrinsischen Arbeitsmotivation identifiziert stellenweise hochsignifikante Korrelationen. Konkret ergeben sich folgende Korrelationen:
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Ich habe bei meiner Arbeitstätigkeit das Gefühl, ich selbst sein zu können (r = 0,520, ρ = 0,000).
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Bei meinen Arbeitstätigkeiten muss ich tun, was mir gesagt wird (−)Footnote 14 (r = 0,183, ρ = 0,070).
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Ich bekomme regelmäßiges Feedback zu meiner Arbeit (r = 0,218, ρ = 0,010).
Eine Korrelationsanalyse zwischen den Items zum Faktor KompetenzerlebenFootnote 15 sowie dem Konstrukt zur intrinsischen Arbeitsmotivation identifiziert auch bei diesen Items hochsignifikante Korrelationen zwischen den Items und dem Konstrukt mit geringen bis hohen Zusammenhängen. Konkret ergeben sich folgende Korrelationen:
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An den meisten Tagen fühle ich mich von meiner Arbeitstätigkeit erfüllt (r = 0,646, ρ = 0,000).
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In meinem Job habe ich nicht wirklich die Möglichkeit zu zeigen, wie fähig ich bin (−) (r = 0,459, ρ = 0,000).
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Ich erlebe Situationen, in denen ich mich nicht kompetent empfinde (−) (r = 0,206, ρ = 0,000).
Insgesamt lässt sich also feststellen, dass je sozial eingebundener sowie kompetenter und autonomer sich Wissensarbeiter:innen erleben, desto intrinsisch motivierter sind sie.
Arbeitssouveränität während der CORONA/COVID 19-Pandemie
Die CORONA/COVID 19-Pandemie brachte eine ungewollte Notwendigkeit und Nachfrage nach räumlich und zeitlich flexiblen Arbeitsmöglichkeiten mit sich. Viele der 2020 befragten Projektarbeiter:innen machten von der Option des Arbeitens im Homeoffice Gebrauch, wodurch zugleich die physische Distanz zu möglichen Vorgesetzten mitbedingt wurde. Die Mehrheit (61 %) gab an, dass die CORONA-Lage auch Einfluss auf ihre Arbeitssouveränität genommen habe. Damit war für mehr als die Hälfte aller Befragten (58,4 %) ein ortsunabhängigeres Arbeiten die logische Folge. Neben der räumlichen Dimension stuften etwa ein Drittel (32,9 %) ihre Arbeitssituation zudem gegenüber der Zeit vor der COVID-19-Pandemie auch als nunmehr zeitunabhängiger ein. Veränderungen der Arbeitsweisen in Zeit oder Raum bedingen einander und bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die jeweils andere Arbeitsweise. Demgegenüber sind es nur wenige, die während der CORONA-Situation häufiger agil (4,8 %) als auch hierarchieärmer (4,8 %) arbeiten. Die räumliche Distanz zu Vorgesetzten hat sich offensichtlich nicht allzu stark auf das Hierarchiegefüge bzw. dessen Einflussnahme auf die Arbeitssituation der Projektarbeiter:innen ausgewirkt. 25,5 % der Befragten erachten ihre Arbeitstätigkeit selbstbestimmter als vor der Pandemie.
Der selbstbestimmte Umgang mit Arbeitszeit – und dessen Folgen
Die 2015 durchgeführte Erhebung widmete sich der Arbeitszeitsouveränität in besonderem Maße. Ihre Ergebnisse erlauben somit einen tieferen Einblick in die Dimension des souveränen Umgangs mit dem Faktor „Zeit“. Die 2015 befragten Mitarbeiter:innen wissensintensiver Projekte verstanden unter einem selbstbestimmten Umgang mit Arbeitszeit („Arbeitszeitsouveränität“) mehrheitlich die Verteilung, d. h. Beginn und Ende (Uhrzeit) des Arbeitstags selbst zu bestimmen (92 %), Arbeitsaufgaben selbstbestimmt durchführen zu können (87 %), die Arbeit im Homeoffice (83,5 %) und die Möglichkeit, Überstunden abbauen zu können (72 %).
Die Verfügungsgewalt hinsichtlich der Verteilung und der räumlichen Verortung spielt demnach eine sichtlich wichtigere Rolle als der Volumenaspekt, d. h. die Handhabe, nach eigenem Ermessen Arbeitszeitkontingente zunächst als Mehrstunden aufzuwenden, um diese dann zu einem späteren Zeitpunkt als Freizeit wieder zur Verfügung zu haben. So wich (2015) z. B. auch das im Durchschnitt an sich gewünschte (wöchentliche) Arbeitszeitvolumen von 36,9 h deutlich von dem tatsächlich geleisteten (Durchschnitts‑)Wert von 44,1 h ab. Und etwa 60 % der Befragten führten aus, sie würden als Folge ihrer Arbeitssouveränität mehr/länger arbeiten; nur 11,5 % gaben an, deutlich weniger/kürzer zu arbeiten.
Und doch ist der selbstbestimmte Umgang mit Arbeitszeit von den Befragten mehrheitlich positiv konnotiert: Der überwiegende Teil der befragten Projektmitarbeiter:innen begriff (2015) Arbeitszeitsouveränität überwiegend als Freiheit (85 %) und als effizient (75 %) sowie allgemein als Chance (73 %) und war der Auffassung, Arbeitszeitsouveränität trage zur persönlichen Lebensqualität bei (86 %). Sie eröffne den Projektbeteiligten größere Handlungsspielräume (80 %), ermögliche die Balance von Berufs- und Familienleben (72 %) und fördere die Produktivität der Projektakteure (70 %).
Zu beiden Befragungszeitpunkten erklärte jeweils eine deutliche Mehrheit der Befragten, ihre Organisation erwarte, dass sie selbstbestimmt mit ihrer Arbeitszeit umgingen. Im Jahr 2015 waren es 72,5 % und in der Befragung von 2020 mit 79 % sogar noch etwas mehr (Abb. 7). In der Studie von 2015 gaben die meisten Befragten hierzu an, es sei der jeweiligen Organisation egal, wie lange (Stunden/Tag) und wann (Uhrzeit Beginn/Ende) gearbeitet und dass die Arbeitszeit ohnehin bei mehr als der Hälfte (58 %) nicht kontrolliert werde, da zuvorderst die termingerechte Leistungserbringung von Relevanz sei. Somit kommt hinsichtlich des Zeitmanagements insbesondere der individuellen Eigenverantwortung der höchste Stellenwert zu, während der Einfluss der Organisation auf die eigene Arbeitszeit vergleichsweise gering eingestuft wird: 83 % der Befragten (2015) sahen die Projekte und somit die individuellen Herausforderungen und Situationen für die Arbeitszeit maßgebend. Arbeitsverträge oder Vorgaben der Linie bzw. Organisation (jeweils ca. 41 %) scheinen demgegenüber deutlich zurückzustehen. Ein wesentlicher, die Arbeitszeit bestimmender Faktor (71,4 %) ist die eigene Fähigkeit die Arbeitszeit zu managen.
Als Folge selbstbestimmten Umgangs mit Arbeitszeit sieht die deutliche Mehrheit der Befragten (90,4 %) ein Anwachsen ihrer Verantwortung als Mitarbeiter:in, die von einem Großteil (80,5 %) zugleich aber auch insgesamt als Eröffnung größerer Handlungsspielräume eingeschätzt wird (2020). Nahezu identische Werte konnten bereits in der Untersuchung von 2015 ermittelt werden: Hier wiesen 92 % der Befragten eine steigende Verantwortung und 80 % größere Handlungsspielräume als Ergebnis ihrer Arbeitszeitsouveränität aus. Arbeitszeitselbstbestimmung wird von Organisationen zunehmend erwartet (s. oben). Somit verlagern sich hier auch verschiedene Aufgaben und Verantwortungen und damit auch Kompetenzanforderungen in Richtung der Mitarbeiter:innen. So waren 60 % der Befragten der Auffassung, dass Arbeitszeitselbstbestimmung dazu führe, dass die Ansprüche der Mitarbeiter:innen an sich selbst steigen (2015).
Die Organisation scheint als Akteur in den Hintergrund zu treten. Faktisch setzt diese aber durch ihre Erwartung an eine termingerechte Erbringung einer einwandfreien Arbeitsleistung den Zielmaßstab und damit schließlich eine, den gesamten Arbeitsprozess umspannende extrinsische Motivation. Die Druckwirkung dieses Motivators auf die Leistungsansprüche an sich selbst führt – bei aller positiven Konnotation (s. oben) – durchaus zu Negativfolgen, die auch die Kehrseite der Arbeitszeitsouveränität offenlegen: So zeigte die Untersuchung von 2015, dass als Folge von Arbeitszeitsouveränität tendenziell eine Zunahme von Zeit- und Erfolgsdruck, wie auch ein steigendes Risiko zum Burnout gesehen wird und diese zu Mehrarbeit und längeren Arbeitszeiten (nach 18:00 Uhr und am Wochenende) führe.
Es zeigt sich aber auch, dass eine Arbeitszeitselbstbestimmung dem Selbstbewusstsein und Selbstverständnis von Mitarbeiter:innen entspricht und (z. B. gegenüber der Organisation) eingefordert wird: In der Untersuchung von 2015 zeigten sich 23,7 % derjenigen, die sich noch nicht als Arbeitszeitsouveränen ansahen, bereit „… nötigenfalls auch den Arbeitgeber (Organisation) zu wechseln“, wenn sie infolgedessen mehr Freiheiten im Umgang mit der Arbeitszeit erlangen könnten.
Offensichtlich weisen Mitarbeiter:innen wissensintensiver Projekte nicht nur ein wachsendes Selbstwirksamkeitsbewusstsein, sondern richten im Zuge des wachsenden Selbstbewusstseins auch vermehrt Forderungen an ihre Organisation. So wird der Erfolg von Projekten auch von Rahmenbedingungen abhängig gemacht, die im Verantwortungsbereich der Organisation liegen: Die Befragten gaben mehrheitlich an, dass ihnen für die erfolgreiche Durchführung von Projekten transparente Verfahren, Anpassungsoffenheit (bzgl. Rollen und Aufgaben) und Wissenskultur geboten werden müssen, sowie dass sie selbst in die Verantwortlichkeit aktiv eingebunden werden müssen. Demgegenüber spielen Freiheiten bezüglich der Wahl der Arbeitsmittel sowie neue Vertragsformen eine vergleichsweise untergeordnete Rolle (Abb. 8).