FormalPara Infobox AWMF-Leitlinien Register Nummer: 060/003, Entwicklungsstufe: S3

Version: 2018

Leitliniensekretariat: PD Dr. med. Uta Kiltz, Rheumazentrum Ruhrgebiet, Herne

Methodische Beratung: Frau Dr. S. Blödt, AWMF, Frau C. Weseloh, DGRh

Sie finden Kurzfassung, Langfassung, Patientenleitlinie und den Leitlinienreport auf der Seite der AWMF, unter https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/060-003.html

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Besonderer Hinweis:

Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben, insbesondere zu therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissenstand zur Zeit der Drucklegung der Leitlinie entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Therapie wurde die größtmögliche Sorgfalt beachtet.

Der Benutzer selbst bleibt verantwortlich für jede diagnostische und therapeutische Applikation, Medikation und Dosierung.

1 Einleitung/Vorbemerkung

1.1 Definition

Spondyloarthritiden (SpA) sind entzündlich rheumatische Erkrankungen, die durch Entzündungen im Bereich der Wirbelsäule gekennzeichnet sind, welche häufig zu Rückenschmerzen führen. Die gesamte Gruppe der SpA stellt sich heterogen dar mit einigen klinischen und genetischen Gemeinsamkeiten, aber auch mit Überlappungen und Übergängen in verwandte entzündlich rheumatische Erkrankungen. Die Beteiligung des Achsenskeletts und der Sehnenansätze (Enthesen) sowie die Assoziation mit dem MHC-Klasse-I-Antigen HLA-B27 ist charakteristisch für diese Erkrankungsentität [1].

Die Gesamtgruppe der SpA lässt sich auf Basis klinischer und z. T. radiologischer Befunde unterteilen in eine prädominant axiale SpA inklusive des Morbus Bechterew (M. Bechterew = ankylosierende Spondylitis [AS]) und eine prädominant periphere Form. Bei der Mehrzahl der Patienten überwiegt eine prädominant axiale Manifestation, d. h. bei den Patienten stehen Schmerzen und Bewegungseinschränkung des Achsenskelettes im Vordergrund. Daneben gibt es aber auch Patienten ohne axiale Symptomatik, die unter einer prädominant peripheren Manifestation wie einer Arthritis, Enthesitis und/oder Daktylitis leiden. Patienten mit einer SpA können zusätzlich unter einer Psoriasis vulgaris, einer anterioren Uveitis und/oder einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) leiden [2, 3].

Die Bezeichnung Morbus Bechterew ist gegenüber der internationalen Bezeichnung AS im deutschen Sprachraum gebräuchlicher. Beide Bezeichnungen werden in der Leitlinie parallel für diejenige Form der axialen SpA (axSpA) verwendet, bei der schon strukturelle Läsionen in den Sakroiliakalgelenken (SI-Gelenke) vorhanden bzw. röntgenologisch sichtbar sind (röntgenologische axiale SpA). Mit der Einführung der Assessment of SpondyloArthritis International Society(ASAS)-Klassifikationskriterien ist die axiale SpA in die nichtröntgenologische axiale SpA (nr-axSpA) und die klassische AS (= röntgenologische axSpA) unterteilt worden (s. Abschn. 4.1) [2]. Es handelt sich hierbei aber eher um eine arbiträre Trennung, da es sich um ein einziges Krankheitsbild handelt, d. h. die Unterschiede zwischen der nr-axSpA und der AS bestehen nur hinsichtlich der Krankheitsdauer und hinsichtlich des Ausmaßes der zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhandenen strukturellen Veränderungen. Dementsprechend wird mit dem Terminus nr-axSpA diejenige Patientengruppe beschrieben, bei der (noch) keine eindeutigen strukturellen Läsionen in den SI-Gelenken im konventionellen Röntgenbild zu sehen sind. Die Gruppe nr-axSpA ist nicht mit der früher häufig so genannten Gruppe der undifferenzierten SpA (uSpA) identisch. In dieser Gruppe fanden sich neben Patienten, die heute als nr-axSpA klassifiziert werden, auch Patienten, die unter einer rein peripheren SpA litten.

1.2 Epidemiologie

Die Prävalenz der gesamten Gruppe der SpA liegt zwischen 0,4 und 2 % – belastbare Untersuchungen zur Prävalenz in verschiedenen SpA-Gruppen außerhalb der AS existieren nicht [1, 4]. Ein aktuelles systematisches Review hat eine durchschnittliche AS-Prävalenz pro 10.000 für Europa mit 23,8, für Asien mit 16,7, für Nordamerika mit 31,9, für Lateinamerika mit 10,2 und für Afrika mit 7,4 berechnet [4]. Die Unterschiede in der Häufigkeit sind regional bedingt und ergeben sich z. T. durch die unterschiedliche Häufigkeit von HLA-B27 in der Bevölkerung [1]. Für die AS wird eine Prävalenz weltweit zwischen 0,1 und 1,4 % ermittelt, in Deutschland erscheint eine Prävalenz zwischen 0,3 und 0,5 % wahrscheinlich [5].

Bei der SpA geht man heute von einem Geschlechterverhältnis Männer zu Frauen von zumindest 2:1 aus. Daten der Kerndokumentation des Deutschen Rheuma Forschungs-Zentrums (DRFZ) von 2016 zeigen, dass ca. 61,5 % der Patienten mit M. Bechterew männlich gegenüber 38,5 % weiblichen Patientinnen sind. Das Verhältnis beträgt jedoch 1:1 bei Patienten mit nr-axSpA.

1.3 Krankheitsverlauf/Prognose

Die ersten Symptome einer SpA treten im Durchschnitt im 2. bis 3. Lebensjahrzehnt auf [1]. Patienten mit familiärer Disposition erkranken früher als Patienten mit einer sporadischen Manifestation [6]. Juvenile Manifestationsformen sind mit dem schlechtesten Outcome vergesellschaftet [7]. Anhand der US-amerikanischen Kohorte PSOAS ist beschrieben worden, dass AS-Patienten mit schwarzer Hautfarbe ein schlechteres Outcome haben als AS-Patienten mit weißer Hautfarbe [8]. In einer südamerikanischen Kohorte wurde ein Drittel der Patienten nach dem 50. Lebensjahr symptomatisch und erst im höheren Lebensalter diagnostiziert [9].

In den ersten Jahren stehen Schmerzen an der Wirbelsäule und eine variable extraskeletale Beteiligung im Vordergrund der Beschwerdesymptomatik. Mit zunehmender Dauer der Erkrankung entstehen bei vielen, aber nicht allen Patienten Verknöcherungen am Achsenskelett, die in wenigen Fällen zu der charakteristischen Bambusstabwirbelsäule führen können. Sowohl entzündliche als auch strukturelle Veränderungen führen zu einer Einbuße der Funktionsfähigkeit [10]. Die Einbuße der Funktionsfähigkeit ist nicht allein auf den körperlichen Bereich beschränkt, sondern es liegt auch eine Einschränkung der Lebensqualität, Alltagsaktivität und der Teilhabe (Partizipation) am sozialen Leben vor [11, 12]. Diese Einschränkungen werden durch Umweltfaktoren oder personenbezogene Faktoren beeinflusst (Abschn. 9). Ein Erkrankungsbeginn in jungen Jahren kann bei den Patienten erhebliche sozioökonomische Konsequenzen haben [13, 14].

Rückenschmerzen als erstes Frühsymptom der Erkrankung werden bei SpA-Patienten häufig fehlgedeutet, und es kommt zunächst weder zu einer klaren Diagnose noch zu einer effektiven Therapie [15]. Unter den rheumatischen Erkrankungen zeichnet sich die axiale SpA durch eine lange Zeitdauer (meist von mehreren Jahren) zwischen Symptombeginn und Diagnosestellung aus. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass nicht ein einzelnes Symptom wegweisend für die Diagnose ist, sondern dass die „richtigen“ Patienten aus der großen Gruppe der Patienten mit unspezifischen Rückenschmerzen möglichst optimal vorselektiert werden müssen. Während bei männlichen Patienten mit AS/M. Bechterew eine Diagnoseverzögerung von 5 bis 10 Jahren ermittelt wurde, müssen Frauen mit einer Verzögerung von bis zu 14 Jahren rechnen [16, 17]. Daten aus europäischen Registern (z. B. DANBIO aus Dänemark) zeigen einen Rückgang der Diagnoseverzögerung auf Monate bis wenige Jahre [18]. Weltweite Daten zeigen jedoch weiterhin eine signifikante Diagnoseverzögerung von mehreren Jahren [19].

Die Ausprägung der klinischen Symptomatik der SpA ist variabel, und es kommen häufig fließende Übergänge zwischen den Subgruppen vor. Bei AS/M. Bechterew-Patienten ist bekannt, dass ca. ein Drittel der Patienten einen schwerwiegenden Verlauf erleben wird [20]. Über den natürlichen Verlauf der Gesamtgruppe der axialen SpA ist nur wenig bekannt, die Mehrzahl der Studien konzentriert sich auf die AS.

1.4 Begründung der Leitlinie

Aufgrund des chronischen Verlaufes und der Manifestation der Erkrankung in jungen Lebensjahren hat die axiale SpA eine erhebliche Bedeutung für die Patienten und die Gesellschaft. Durch die oft lange Diagnoseverzögerung kann das Ziel, strukturelle Läsionen am Achsenskelett zu verhindern, nicht erreicht werden. Zudem konnte in kontrollierten Studien gezeigt werden, dass insbesondere Patienten mit einem kurzen Krankheitsverlauf von der Therapie profitierten (s. Abschn. 8). Um eine frühzeitige Therapie bei den Patienten einleiten zu können, ist eine richtige und zeitnahe Diagnosestellung für die Patienten von essenzieller Bedeutung. Durch den Zuwachs an epidemiologischen Daten sowie neuen Therapieoptionen ergab sich die Notwendigkeit eines Updates der Fassung der Leitlinie von 2013.

1.5 Ziel/Adressaten der Leitlinie

Das Ziel der vorliegenden Leitlinie ist, die evidenzbasierte Diagnostik und Therapie der axialen SpA darzustellen und damit den Betroffenen die Möglichkeit einer frühzeitigen Diagnosestellung zu eröffnen und die Einleitung einer wissenschaftlich begründeten Therapie zu ermöglichen. Die Leitlinie soll damit helfen, die medizinische Versorgung dieser Patientengruppe zu verbessern. Dazu soll die Zeit bis zur Diagnosestellung reduziert, eine effektive Therapie rasch eingeleitet, strukturelle Läsionen verhindert, die Versorgung optimiert, die Lebensqualität verbessert und die Arbeitsfähigkeit erhalten werden. Die vorliegende Leitlinie fokussiert auf die axiale SpA inklusive AS/M. Bechterew, und soweit es die Verständlichkeit notwendig macht, werden Aspekte der peripheren SpA, die sich auf die Diagnostik und Therapie der axialen SpA beziehen, mitberücksichtigt.

Die Leitlinie richtet sich an Ärzte sowie Angehörige nichtärztlicher Berufsgruppen, die an der Versorgung der Patienten mit axialer SpA in allen Sektoren beteiligt sind (primäre, sekundäre und tertiäre Versorgungsebene, ambulant als auch stationär unter Berücksichtigung der Rehabilitation). Die Leitlinie bezieht sich somit sowohl auf die primärärztliche Versorgung als auch auf die fachärztliche Versorgung. Die inter- bzw. multidisziplinäre Strategie/Bewertung der Leitlinie wird ausdrücklich betont, dies ist ja Voraussetzung für eine S3-Leitlinie. Die Patientenzielgruppe umfasst alle erwachsenen Patienten mit einer axialen SpA. Die Leitlinie richtet sich darüber hinaus auch an Angehörige von Patienten mit axialer SpA. Betroffene und deren Angehörige werden durch eine speziell für sie erstellte Patientenleitlinie angesprochen.

2 Präambel

Aufgrund der häufig anzutreffenden Unsicherheit, Erkrankungen aus dem Formenkreis der SpA korrekt zu diagnostizieren und eine adäquate Therapie einzuleiten, hat sich die Konsensusgruppe entschlossen, eine Präambel zu formulieren. Diese Statements überlappen sich zum Teil mit denjenigen Empfehlungen, die in der internationalen ASAS(Assessment of Spondyloarthritis international Society)/EULAR(European League Against Rheumatism)-Empfehlung zum Management der axialen SpA getroffen wurden [21]. Aufgrund des vielschichtigen klinischen Bildes sei hier insbesondere auf die Notwendigkeit eines koordinierten multidisziplinären Vorgehens hingewiesen. Nationale Stellungnahmen und Empfehlungen zu übergeordneten Themenkomplexen wie Impfempfehlungen und Familienplanung behalten ihre Gültigkeit.

Empfehlung/Statement

2-1

Unter einer axialen Spondyloarthritis (SpA) versteht man eine entzündliche Wirbelsäulenerkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis, die mit verschiedenen muskuloskelettalen und extraskelettalen Manifestationen vergesellschaftet sein kann.

Empfehlungsgrad: Statement

Evidenz: –

2-2

Die axiale Spondyloarthritis (SpA) ist eine potenziell schwerwiegende Erkrankung mit unterschiedlichen Krankheitserscheinungen und -verläufen, welche vor allem auch unter Berücksichtigung von extraartikulären Manifestationen wie Psoriasis, Uveitis und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und Komorbiditäten (z. B. kardiovaskuläre Erkrankungen) ein koordiniertes multidisziplinäres Vorgehen erfordert.

Empfehlungsgrad: Statement

Evidenz: –

2-3

Die Koordination der Versorgung sowie die Zuständigkeit für Komorbiditäten und deren Risikofaktoren soll zwischen dem Rheumatologen und dem Hausarzt abgesprochen werden.

Empfehlungsgrad: –

Evidenz: Expertenkonsens

2-4

Patienten, die immunsuppressiv behandelt werden, sollen gemäß den STIKO-Empfehlungen geimpft werden.

Empfehlungsgrad: –

Evidenz: Expertenkonsens

2-5

Das primäre Ziel in der Behandlung von Patienten mit axialer SpA ist die Optimierung der Lebensqualität durch das Erreichen einer weitgehenden Symptomfreiheit, die Reduktion der Entzündung, Verhinderung von strukturellen Schäden und die Aufrechterhaltung bzw. Normalisierung von Funktion, Aktivität und sozialer Partizipation einschließlich der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit.

Empfehlungsgrad: –

Evidenz: Expertenkonsens

2-6

Die Behandlung der Erkrankung sollte auf die beste Betreuung ausgerichtet sein und auf der Grundlage einer partizipativen Entscheidungsfindung zwischen Patient und behandelndem Arzt erfolgen.

Empfehlungsgrad: –

Evidenz: Expertenkonsens

3 Klinische Symptomatik

Schlüsselfrage 7

  • Welche muskuloskeletalen Symptome können bei Patienten mit SpA auftreten, und wie sollte das Assessment aussehen (Häufigkeit und welche)?

3.1 Muskuloskeletales System

3.1.1 Symptome

3.1.1.1 Chronischer Rückenschmerz.

Das führende Hauptsymptom bei Patienten mit einer axialen SpA sind chronische Rückenschmerzen, d. h. dass die Rückenschmerzen länger als 12 Wochen bestehen. Prinzipiell kann die gesamte Wirbelsäule schmerzhaft betroffen sein, vorzugsweise sind aber sakroiliakale vor lumbalen und untere thorakale vor zervikalen und oberen thorakalen Strukturen betroffen. Da ca. 75 % der Patienten mit axialer SpA unter einem entzündlichen Rückenschmerz (ERS) leiden, kommt dieser Form des chronischen Rückenschmerzes eine besondere Bedeutung zu [1, 22]. Populationsbasierte Daten aus Großbritannien legen nahe, dass die Prävalenz des ERS in der Primärversorgung zwischen 1,7 und 3,4 % schwankt [23].

Als spezifisches Zeichen einer SpA finden die Symptome des ERS zum ersten Mal 1977 Eingang in die von Calin entwickelten Screening-Kriterien für AS [24]. Die Beschreibungen der einzelnen Charakteristika des ERS sind im Folgenden modifiziert worden [25, 26]. Es gibt keine Einigung international unter den Experten, welche Modifikation zu bevorzugen ist. Eine neuere Untersuchung zeigt, dass die Calin-Kriterien eine hohe Sensitivität, die Berlin-Kriterien eine hohe Spezifität und die ASAS-Kriterien eine gleich hohe Sensitivität und Spezifität aufweisen [27]. In einer Untersuchung anhand Daten der DESIR-Kohorte zeigte sich aber auch, dass eine niedrige Übereinstimmung der Kriteriensets mit der Meinung des Arztes vorliegt [28]. Der charakteristische ERS zeichnet sich dadurch aus, dass er bei jungen Patienten auftritt, die Schmerzphasen schleichend beginnen, die Schmerzen oft in der Nacht auftreten und dass die Schmerzen sich durch Bewegung, nicht aber durch Ruhe bessern lassen (Tab. 1). Keines der Charakteristika des ERS eignet sich als einzelne Variable zur Differenzierung zwischen Patienten mit axialer SpA und nichtspezifischem Rückenschmerz. Die Frage nach „Morgensteifigkeit“ und nach dem „nächtlichen Aufwachen in der 2. Nachthälfte“ scheint in einer Studie am besten zur Differenzierung geeignet zu sein, in einer anderen Studie war dies die Frage nach „Besserung durch Bewegung“ sowie „Gesäßschmerzen“ [25, 27].

Tab. 1 Variablen der verschiedenen Definitionen des entzündlichen Rückenschmerzes

Neben dem Rückenschmerz ist die zunehmende Steifheit der Wirbelsäule für die Patienten mit axialer SpA von zentraler Bedeutung. Der untersuchende Arzt sollte versuchen zu differenzieren, ob die Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit auf strukturelle Schäden oder auf eine entzündliche Komponente zurückzuführen ist [10, 29], denn dies hat mögliche Auswirkungen auf die Therapieentscheidung, da bei eingeschränkter Wirbelsäulenbeweglichkeit aufgrund von Entzündung eine antiinflammatorische Therapie zu einer Verbesserung der Wirbelsäulenbeweglichkeit führen kann – im Gegensatz dazu ist dieses bei einer eingeschränkten Wirbelsäulenbeweglichkeit durch strukturelle Schäden nicht zu erwarten. Mit zunehmenden strukturellen Schäden im Bereich der Wirbelsäule kann es zu einer veränderten Körperhaltung und Statik kommen: Vertikalstellung des Beckens, Ausgleich der Lendenlordose, Verstärkung der Brustkyphose und der Halswirbelsäulen(HWS)-Lordose, Tendenz der Beugestellung der Hüft- und Kniegelenke, Lateraldrehen der Schulterblätter, Überdehnung der Bauchmuskulatur mit dominierender Bauchatmung, Atrophie und Überdehnung der Lumbalmuskulatur, Hypotonie der Gesäß- und Nackenmuskulatur und Mangel an Mitbewegungen der Wirbelsäule beim Gehen.

Als weitere wirbelsäulennahe Gelenke können auch die Gelenke im Bereich des Sternums entzündliche Veränderungen aufweisen. Hier ist häufig eine Schnittbilddiagnostik zur korrekten Diagnosestellung hilfreich [30].

3.1.1.2 Beteiligung peripherer Gelenke.

Patienten mit axialer SpA können zusätzlich zu der axialen Beteiligung an einer peripheren Arthritis leiden, die sich häufig als asymmetrische Oligoarthritis (*M14.8) bevorzugt der unteren Extremität meist unter Aussparung kleinerer Gelenke darstellt [1]. Zirka 30 % der Patienten leiden an einer Arthritis oder Enthesitis (Sehnenansatzentzündung) (s. Abschn. 3.1.1.3). Eine Daktylitis tritt seltener als 30 % auf. Mit einer Daktylitis wird die Entzündung eines ganzen Fingers oder Zehs beschrieben, d. h. es sind alle Gelenke mit umgebender Beteiligung der Weichteile im Strahl entzündet und nicht nur einzelne Gelenke. In einer französischen Kohorte wiesen 21,5 % der Patienten mit SpA eine Daktylitis auf (Gruppe bestand aus 190 [69,1 %] Patienten mit axSpA, 49 [17,8 %] PsA, 37 [13,4 %] uSpA, 23 [8,4 %] SpA-assoziierte CED, 9 [3,3 %] juvenile SpA und 5 [1,8 %] reaktive Arthritis) [31]. Die Daktylitis manifestiert sich häufiger an der unteren (78,0 %) als an der oberen Extremität (42,4 %). Die Daktylitis weist eine hohe diagnostische Aussagekraft bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen auf (pos. Likelihood-Ratio [LR] 4,1) (s. Abschn. 5.2.4) [32].

Die periphere Arthritis zeigt im Vergleich zur rheumatoiden Arthritis (RA) weniger häufig einen destruierenden Verlauf [1]. Der Befall der Hüftgelenke ist prognostisch ungünstig (s. Abschn. 7.2). Patienten mit peripherer Beteiligung weisen eine Einschränkung der körperlichen Funktionsfähigkeit auf, die sich auch in dem auf die Achsenskelettmanifestation fokussierten Fragebogen Bath Ankylosing Spondylitis Functioning Index (BASFI) niederschlägt [33].

3.1.1.3 Enthesitis.

Die Entzündung an Sehnenansätzen ist pathognomonisch für die Patienten mit axialer SpA, wobei auch wieder die untere Extremität am häufigsten betroffen ist. Patienten mit AS wiesen im Vergleich mit gesunden Kontrollen sonographisch doppelt so viel Enthesophyten wie Kontrollpatienten auf [34]. In einer weiteren kontrollierten Studie zeigte sich in der klinischen Untersuchung bei 9,3 % der Patienten eine Enthesiopathie, wohingegen sich bei 60 % der klinisch unauffälligen Enthesen sonographisch mindestens ein Ultraschallzeichen positiv darstellte [35]. In der Regel wird die Enthesitis klinisch diagnostiziert, indem die Druckschmerzhaftigkeit eines anatomischen Areals überprüft wird, das häufig von einer Enthesitis betroffen ist. Die in klinischen Studien am häufigsten verwendeten Instrumente überprüfen den Druckschmerz in folgenden Bereichen: kostochondral, Spina iliaca anterior superior, Processus spinosus, Achillessehne [36, 37]. Patienten mit Enthesitis haben allgemein eine höhere Krankheitsaktivität (gemessen mit dem Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index [BASDAI]) und eine stärkere Einschränkung der Funktionsfähigkeit (gemessen mit dem BASFI) [36].

Die Angaben zu den diagnostischen Testeigenschaften von Anamnese, körperlicher Untersuchung, Labor und Medikation finden sich in Tab. 2.

Kohortendaten zeigen, dass Frauen im Vergleich zu Männern häufiger höhere Schmerzscores, eine stärkere Fatigue-Symptomatik, eine höhere Krankheitsaktivität (BASDAI) sowie eine stärkere Beeinträchtigung der körperlichen Funktionsfähigkeit bei allerdings gleichzeitig geringeren strukturellen Veränderungen (Röntgen) angeben [38,39,40]. In der körperlichen Untersuchung wird bei Frauen häufiger eine Enthesitis bzw. Daktylitis als bei Männern diagnostiziert [41]. Männliche axSpA-Patienten weisen dagegen einen schweren Strukturschaden an der Wirbelsäule auf (s. Abschn. 7.2) [39].

Tab. 2 Diagnostische Testeigenschaften von Anamnese, körperlicher Untersuchung, Labor und Medikation. (Adaptiert nach [42, 43])

3.1.1.4 Veränderung der Knochendichte und Frakturrisiko.

Neben genannten primär entzündlichen muskuloskeletalen Manifestationen findet sich bei SpA-Patienten häufig eine verminderte Knochendichte. Die Mehrzahl der Patienten mit AS zeigt eine Beeinträchtigung der Knochendichte (Osteopenie 59 %, Osteoporose 18 %) [44, 45]. Aber auch schon Patienten mit einer kurzen Erkrankungsdauer weisen eine erniedrigte Knochendichte auf [46]; 14,7 % der 265 Patienten aus der französischen DESIR-Kohorte mit axSpA-Patienten und kurzer Erkrankungsdauer wiesen eine Knochendichte mit einem Z‑Score ≤2 (mindestens einseitig) auf. Folgende Faktoren sind bei AS-Patienten mit einem erhöhten Risiko für eine erniedrigte Knochendichte assoziiert: männliches Geschlecht (OR 3,87 [95 %-CI 1,21–7,36]), hohe Krankheitsaktivität (OR [ASDAS] 2,83 [95 %-CI 1,36–4,76] bzw. OR [MRT Sakroiliitis] 2,83 [95 %-CI 1,77–6,23]) sowie eine röntgenologische Sakroiliitis (OR 2,93 [95 %-CI 1,82–4,45]) [45, 47]. Patienten mit AS haben daher ein hohes Frakturrisiko, insbesondere der Wirbelsäule (Frakturen allgemein OR 1,54 [95%-CI 1,26–1,89]), Frakturen der Wirbelsäule 5,42 (95 %-CI 2,50–11,70) und Frakturen anderer Gelenke 1,39 (95 %-CI 1,12–1,73) [48]. Eine erniedrigte Knochenmineraldichte im Bereich des Femurs korreliert mit dem Risiko, eine vertebrale Fraktur zu erleiden [49]. Patienten unter einer TNFi-Therapie zeigen einen signifikanten Anstieg der Knochendichte an der Wirbelsäule, nicht jedoch an der Hüfte [46, 50, 51] Dies legt nahe, dass die erniedrigte Knochendichte zumindest teilweise entzündlich bedingt ist.

Gemäß einer Registerstudie sind diese Frakturen zu 82 % in der Brustwirbelsäule lokalisiert [52]. Nach adäquatem Trauma (z. B. Sturz, Verkehrsunfall) sind bei AS-Patienten in erster Linie die untere HWS, gefolgt von der unteren Brustwirbelsäule frakturiert (s. Abschn. 8.6.3) [53]. Ursache für diese große Diskrepanz sind die sehr unterschiedlichen Erfassungsmethoden und Verletzungsgrade in der zu bewertenden Literatur. Osteoporosebedingte spontane Keilwirbelbildungen durch Impressionen der Deckplatte bei intakt gebliebener dorsaler Säule können nicht gleichgestellt werden mit der hochgradigen Instabilität einer durch adäquates Trauma hervorgerufenen Fraktur aller knöchernen Anteile der Wirbelsäule. Bei einem AS-Patienten frakturieren diese wie ein langer Röhrenknochen, meist in Form einer distrahierenden Verletzung. Daher sind Letztere hoch instabil und mit einem hohen initialen und Spät-Lähmungsrisiko verbunden (persönliche Kommunikation der beteiligten Wirbelsäulenchirurgen). AS-Patienten mit einer akuten Wirbelfraktur sollten in einem spezialisierten operativen Wirbelsäulenzentrum vorgestellt werden (s. Abschn. 8.6.3). Die in diesem Kapitel zusammengefassten Ergebnisse zur Veränderung der Knochendichte bei AS-Patienten sind vor allem vor dem Hintergrund interessant, dass zumindest AS-Patienten ein erhöhtes Sturzrisiko aufweisen. In einer türkischen Kohorte berichteten 13,1 % der Patienten über einen Sturz, der innerhalb der letzten 12 Monate aufgetreten war [54]. Patienten mit Stürzen haben ein höheres Durchschnittsalter, eine längere Krankheitsdauer und eine stärker eingeschränkte Funktionsfähigkeit.

Das Risiko einer peripheren Fraktur wie Radiusfraktur oder einer Oberschenkelhalsfraktur war bei AS-Patienten gemäß einer umfangreichen Fall-Kontroll-Studie nicht signifikant erhöht (OR 1,21 [95 %-CI 0,87–1,69] bzw. OR 0,77 [95 %-CI 0,43–1,37]) [50]. Das Risiko einer Fraktur war bei Patienten, die mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) therapiert wurden, niedriger (OR 0,65 [95 %-CI 0,50–0,84]) [50]. Alter, hoher BASFI und BASRI (Ausmaß struktureller Läsionen in der Wirbelsäule) sind häufiger mit Frakturen assoziiert [52].

3.1.2 Untersuchung

3.1.2.1 Körperliche Untersuchung.

Bei der körperlichen Untersuchung eines Patienten mit SpA sollte das Augenmerk des Untersuchers besonders auf der Erfassung der Wirbelsäulenbeweglichkeit, von Haltungsveränderungen, der Beteiligung peripherer Strukturen und extraskeletaler Manifestationen (Abschn. 3.2) liegen. Zu beachten ist, dass alle unten angegebenen Maße altersabhängige Normwerte haben und dass alle unten angegebenen Indizes lediglich bei Patienten mit AS untersucht wurden.

3.1.2.1.1 Wirbelsäulenbeweglichkeit.

Die Überprüfung der Wirbelsäulenbeweglichkeit soll alle Wirbelsäulenabschnitte und alle Bewegungsrichtungen der Wirbelsäule einbeziehen. Wie oben bereits erwähnt, kann die Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit sowohl durch entzündliche Prozesse als auch durch strukturelle Veränderungen verursacht werden. Auch der Einfluss von Veränderungen im SIG auf die Wirbelsäulenbeweglichkeit sollte berücksichtigt werden [55]. Es gibt eine Vielzahl von Untersuchungstechniken zur Erfassung der Wirbelsäulenbeweglichkeit. In einem Review sind die verschiedenen Untersuchungstechniken hinsichtlich ihrer Validität zusammengefasst worden [56].

Bei der Lendenwirbelsäule sollen die Anteflexion und die Lateralflexion untersucht werden. Dies erfolgt mittels modifizierter Untersuchung nach Schober. Dabei wird ein definierter Abschnitt der unteren Lendenwirbelsäule (LWS) (Dornfortsatz 5. Lendenwirbel und 10 cm nach kranial) in Normalhaltung und nach Anteflexion vermessen (Norm >4 cm). Das Schober-Maß ist für kurzfristige Verlaufsuntersuchungen weniger sensitiv als die Messung der Lateralbeweglichkeit der Wirbelsäule (Norm >10 cm), die Zuverlässigkeit (Reliabilität) ist jedoch gut (Intraclass-Korrelation >0,9) [56, 57]. Die zervikale Rotation wird am sitzenden Patienten gemessen (Norm >70°). Zur Beurteilung der Kyphosierung können die Messung des Tragus-Wand-Abstandes als auch die Messung des Hinterhaupt-Wand-Abstandes (HWA) durchgeführt werden [58]. Die Messung des HWA ist als zuverlässige Methode in einer longitudinalen Studie über 2 Jahre validiert worden (Intraclass-Korrelation >0,9) [59]. Die Messung der Thoraxexkursion erfolgt vor und nach maximaler In- bzw. Exspiration im 4. ICR mithilfe eines flexiblen Maßbandes (Norm >5 cm). Die Untersuchung der Thoraxexkursion gibt Rückschlüsse auf den Befall bzw. die noch vorhandene Beweglichkeit der kostosternalen und kostovertebralen Gelenke, die Zuverlässigkeit (Reliabilität) ist jedoch schlecht [60, 61]. Querschnittstudien haben eine gute Korrelation zwischen Messungen der Wirbelsäulenbeweglichkeit und radiologischen Veränderungen bei Patienten mit AS gezeigt [57, 62, 63]. In Fall-Kontroll-Studien konnte die Diskriminationsfähigkeit der Wirbelsäulenvermessung zwischen gesunden Kontrollen und AS-Patienten gezeigt werden [64].

Die Auswirkungen einer eingeschränkten körperlichen Funktionsfähigkeit können durch den Fragebogen BASFI erfasst werden (s. Abschn. 3.1.2.2). Die diagnostischen Testeigenschaften der körperlichen Untersuchung weisen eine breite Spannweite auf [42]. Das Summenmaß für die Beweglichkeitseinschränkung der Wirbelsäule kann mithilfe des BASMI (Bath Ankylosing Spondylitis Metrology Index) erfasst werden [65]. In diesem Score ist die Beurteilung der lumbalen Flexion, der lateralen lumbalen Flexion, des Tragus-Wand-Abstandes, des maximalen Intermalleolarabstandes (indirekte Messung der Hüftgelenkbeweglichkeit s. Abschn. 3.1.2.1.2) und des HWS-Rotationswinkels enthalten.

3.1.2.1.2 Periphere Manifestation.

Im Fokus der Untersuchung sollte die untere Extremität stehen, und es sollten die Anzahl der druckschmerzhaften und die Anzahl der geschwollenen Gelenke dokumentiert werden. Im Vergleich zur RA und zum DAS-28 gibt es für die axiale SpA kein validiertes Instrument zur Erfassung der peripheren Gelenkmanifestation. Zur Erfassung des Bewegungsausmaßes wird im klinischen Alltag die Neutral-Null-Methode verwendet. Zur Dokumentation der Hüftgelenkbeweglichkeit eignet sich die Messung des maximalen Intermalleolarabstandes am stehenden oder liegenden Patienten (Norm >100 cm). Neben der peripheren Arthritis sollte die Aufmerksamkeit des Untersuchers auch auf die Erfassung von möglichen Enthesitiden gerichtet sein.

3.1.2.2 Assessment.

Verschiedene Assessments werden bei Patienten mit einer axialen SpA sowohl in der klinischen Routine als auch in Studien eingesetzt.

3.1.2.2.1 Bath-Indizes.

Die Bath-Indizes sind Kompositionsmessinstrumente, die für Patienten mit AS entwickelt worden sind, um die Krankheitsaktivität (BASDAI) (s. Abschn. 7.1) und die körperliche Funktionsfähigkeit (BASFI) zu erfassen [66, 67]. Der BASMI fasst die Ergebnisse der körperlichen Untersuchung zusammen, wird aber überwiegend nur in Studien erhoben [65].

Die Einschränkung der körperlichen Funktionsfähigkeit kann mit der in Deutschland validierten Version des BASFI (Bath Ankylosing Spondylitis Functioning Index) erhoben werden [66, 68]. In diesem Fragebogen werden 10 Alltagsverrichtungen aufgeführt, die anhand einer numerischen Ratingskala von 0–10 eingeschätzt werden müssen. Die Summe des BASFI liegt zwischen 0 (keine Einschränkung) und 10 (sehr starke Einschränkung). Die mit dem BASFI dokumentierte Einschränkung der körperlichen Funktionsfähigkeit ist Folge einer erhöhten Entzündungsaktivität, bereits bestehender röntgenologischer Veränderungen und/oder einer Hüftgelenkbeteiligung [69]. Zusätzlich zu den strukturellen Veränderungen sind eine längere Krankheitsdauer, eine größere Anzahl an Komorbiditäten und eine körperlich anstrengende Berufstätigkeit mit einem höheren BASFI-Wert assoziiert [70]. Neben dem BASFI kann die Einschränkung der körperlichen Funktionsfähigkeit auch mit dem Health Assessment Questionnaire (HAQ) in der Modifikation für Spondyloarthritiden (HAQ-S) beurteilt werden [71]. Der BASFI hat sich aufgrund der einfacheren Berechnung in der klinischen Anwendung durchgesetzt.

3.1.2.2.2 Weitere Patient-reported Outcomes.

Schmerz: Für die Erfassung von Schmerz wird eine visuelle Analogskala (VAS 0–10 oder 0–100) oder eine numerische Ratingskala (NRS 0–10) verwendet. Hierbei kann nach Schmerzen im Allgemeinen als auch nach nächtlichen Wirbelsäulenschmerzen getrennt untersucht werden.

Steifheit: Patienten mit axialer SpA berichten sehr häufig über eine Steifheit der Wirbelsäule. Es existiert kein validiertes Messinstrument. Alternativ können die Fragen 5 und 6 des BASDAI herangezogen werden, die sich auf Ausprägung und Länge der Steifheit beziehen.

Empfehlung/Statement

3-1

Bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen (≥12 Wochen) sollten die Charakteristika des entzündlichen Rückenschmerzes erfragt werden (Morgensteifigkeit >30 min, Aufwachen in der 2. Nachthälfte, Besserung durch Bewegung, keine Verbesserung durch Ruhe, schleichender Beginn, Alter bei Beginn ≤45 Jahre). Hierbei ist zu beachten, dass nur zirka 75 % der Patienten mit SpA diese typischen Charakteristika aufweisen.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 3b

3-2

Bei einer raschen Verschlimmerung oder Veränderung der Schmerzsymptomatik der Wirbelsäule sollte neben einer Entzündung auch eine Fraktur (auch nach geringfügigem Trauma) als mögliche Ursache in Betracht gezogen werden. Eine entsprechende Diagnostik inklusive Bildgebung (Rö/CT/MRT) sollte zeitnah veranlasst werden. Bei Wirbelsäulenverletzungen (Frakturen) sollte aufgrund des höheren Instabilitätspotenzials nur in Ausnahmefällen eine konservative der operativen Therapie vorgezogen werden.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 4

Kommentar:

Die Empfehlung wurde von einer „0“- auf eine „B“-Empfehlung hochgestuft, weil es aufgrund ethischer Verpflichtung keine prospektiven Daten geben kann.

3-3

Bei Patienten mit axialer Spondyloarthritis soll regelmäßig und in Abhängigkeit vom Krankheitsverlauf geprüft werden, ob sich die Wirbelsäulenbeweglichkeit verschlechtert.

Empfehlungsgrad:

Evidenz: Expertenkonsens

3-4

In der Betreuung von Patienten mit axialer Spondyloarthritis sollen regelmäßig und in Abhängigkeit des Krankheitsverlaufes die Krankheitsaktivität und körperliche Funktionsfähigkeit ggf. auch unter Zuhilfenahme von Fragebögen (BASDAI und BASFI) bzw. Composite Scores (ASDAS) erfasst werden.

Empfehlungsgrad: –

Evidenz: Expertenkonsens

3.2 Extraskeletale Manifestation

Schlüsselfrage 6

  • Welche extraskeletalen Manifestationen können bei Patienten mit SpA auftreten, und wie sollte das Assessment aussehen (Häufigkeit und welche)?

Schlüsselfrage 22

  • Wann sollte eine Mitbehandlung durch den Spezialisten erfolgen?

Extraartikuläre Manifestationen (EAM) an den Augen, der Haut und am Darm liegen bei bis zu 40 % der Patienten vor (Tab. 3; [72, 73]). Die meisten Studien liegen zu Patienten mit AS vor. Einige Kohortenstudien berichten jedoch auch von Häufigkeiten der EAM bei Patienten mit nr-axSpA [74, 75]. Am häufigsten leiden Patienten mit einer axSpA an einer Uveitis (25,8 %), einer Psoriasis (9,3 %) oder einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) (6,8 %) [76]. Bei bis zu 10 % der Patienten liegt eine Kombination von EAM vor [72]. Registerdaten aus Spanien haben ähnlich hohe Prävalenzen bei Patienten mit SpA gezeigt [77]. Die Prävalenz der EAM steigt mit zunehmender Krankheitsdauer an [76]. Schwedische Registerdaten zeigen eine erhöhte standardisierte Morbiditätsrate (SMR) bei AS-Patienten mit Uveitis (SMR 34,35 [95%-CI 28,55–40,98]) und CED (SMR 9,28 [95%-CI 7,07–11,97]) (Tab. 3; [78]). Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen und Osteoporose weisen eine geringere Erhöhung der SMR auf (Tab. 3).

Tab. 3 Prävalenz der extraartikulären Manifestationen und Komorbiditäten

Das zugrundeliegende pathophysiologische Konzept der extraskeletalen Manifestationen ist nicht vollständig geklärt. Bei der anterioren Uveitis liegt eine Assoziation mit HLA-B27 vor, dies ist bei Patienten mit extraskeletalen Manifestationen an Haut oder Darm nicht der Fall.

Die Beteiligung des Knochens mit einer verminderten Knochendichte nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als hier mehrere Faktoren für die Ausbildung und Ausprägung der Osteoporose verantwortlich zu sein scheinen, unter anderem chronische Entzündung und relative Immobilität.

Das Vorhandensein von extraskeletalen Manifestationen hat einen wesentlichen Einfluss auf die Lebensqualität der Patienten. So konnte z. B. gezeigt werden, dass insbesondere die psychische Gesundheit der Patienten beeinträchtigt ist [79]. Klinische Symptome wie Diarrhö, Haut- und Nagelprobleme, Augenschmerzen- und/oder -rötungen sowie unerklärter Gewichtsverlust sollten Anlass zu weiteren, in der Regel fachspezifischen Untersuchungen geben.

3.2.1 Augenbeteiligung

Bei Patienten mit SpA manifestiert sich die Augenbeteiligung in der Regel als akute anteriore Uveitis (AAU) und kommt bei 18–40 % der AS-Patienten vor [73, 80, 81]. In einer Metaanalyse mit 29.877 Patienten wurde die Prävalenz mit 32,7 % angegeben, bei AS-Patienten ist sie am höchsten (33,2 %) [82]. In dieser Analyse war die Prävalenz bei HLA-B27-positiven Patienten am höchsten (OR 4,2) [82]. In der niederländischen OASIS-Kohorte war das Vorhandensein einer AAU mit erhöhtem Alter (OR 1,04 [95%-CI 1,01–1,07]), einer längeren Symptomdauer (OR 1,05 [95%-CI 1,02–1,08]) und mit vermehrtem röntgenologischem Schaden (OR 1,02 [95%-CI 1,00–1,04]) assoziiert [83]. In einer französischen Kohorte traten bei 11,7 % der Patienten Komplikationen auf [81]. Weitere genetische Assoziationen mit dem Auftreten einer AAU sind beschrieben worden [84]. Umgekehrt weisen Patienten mit einer HLA-B27-assoziierten Uveitis ohne (bisher) bekannte SpA eine hohe Wahrscheinlichkeit auf, eine Sakroiliitis oder periphere Arthritis zu entwickeln [85]. Die AAU ist durch ein schmerzhaftes rotes Auge charakterisiert und tritt meistens akut und typischerweise unilateral auf [86]. Betroffene Patienten berichten von einer Photophobie, verschwommenem Sehen und einer überschießenden Tränenproduktion. Die AAU bildet sich in der Regel nach 1 bis 3 Monaten zurück – mit einer deutlichen Tendenz zum Rezidiv in den nächsten Monaten. Patienten mit einer Augenbeteiligung sollten ophthalmologisch mitbetreut werden. Durch eine effektive antiinflammatorische Therapie und „Ruhigstellung“ der Pupille durch Mydriatika sollen Komplikationen und Risiken für eine dauerhafte Seheinschränkung durch Hypopyon, Synechien, Katarakt, Glaukom oder Makulaödem verringert werden. In der französischen Kohorte mit mehr als 900 SpA-Patienten zeigte sich eine Komplikationsrate von 11,7 % [81]. Die ophthalmologische Therapie besteht aus der Gabe von topischen Steroiden und Mydriatika (Scopolamin). Peri- und intraokuläre Kortikosteroide und meist hoch dosierte orale Kortikosteroide sind ebenfalls effektiv. NSAR und Methotrexat (MTX) haben nur einen begrenzten Stellenwert. Für das Medikament Sulfasalazin („disease-modyfying antirheumatic drug“ [DMARD]) gibt es einige Studien, die eine vorbeugende Wirksamkeit belegen [87, 88]. Die Datenlage ist hierzu aber begrenzt. Bei Patienten, die nicht auf die Standardtherapie der AAU ansprechen, kann eine Therapie mit Tumor-Nekrose-Faktor-Inhibitoren (TNFi) in Erwägung gezogen werden. Adalimumab ist für die Behandlung der nichtinfektiösen posterioren oder intermediaten Uveitis zugelassen [89]. Kontrollierte Studien für die anteriore Uveitis liegen nicht vor. Unter einer Behandlung mit TNFi verringert sich die Inzidenz von Uveitisschüben verglichen mit Plazebo (Plazebo 15,6/100 Patientenjahre; Infliximab 3,4/100 Patientenjahre; Etanercept 7,9/100 Patientenjahre; p = 0,05) [90]. Adalimumab oder Infliximab sind im Vergleich zum Fusionsprotein Etanercept effektiver in der Verhinderung neuer Schübe oder einer Erstmanifestation einer AAU bei Patienten mit axSpA [91,92,93,94]. Bei retrospektiven Studien mit Sulfasalazin als aktivem Vergleichspräparat unterschied sich die Uveitisrate im Vergleich zu Etanercept nicht (Etanercept 10,7 [95 %-CI 5,5–17,6], Sulfasalazin 14,7 [95 %-CI 6,4–26,5]) [91]. Eine offene Studie mit Adalimumab zeigte, dass sich die Schubhäufigkeit einer AAU unter Therapie mit Adalimumab verglichen mit Plazebo um ca. 50 % senken ließ [95]. Daten zu Certolizumab und Golimumab in Bezug auf AAU liegen nicht vor. Die Studien mit Secukinumab (IL-17-Blocker) zeigten keine Wirksamkeit bei nichtinfektiöser Uveitis [96, 97].

3.2.2 Gastrointestinale Beteiligung

Bis zu 60 % der Patienten mit AS zeigen histologische Zeichen einer Darmentzündung [98] – zumeist ohne klinische Symptome. Ein kleiner Teil dieser Patienten entwickelt mit der Zeit das Vollbild einer CED (entweder einen Morbus Crohn [MC] oder eine Colitis ulcerosa [CU]) [99]. Insgesamt leiden etwa 10 % der Patienten mit AS gleichzeitig an einer CED [73]. Andererseits gaben 40 % der Patienten in einer CED-Ambulanz muskuloskeletale Beschwerden an [100]. In einer belgischen CED-Kohorte, in der alle 251 Patienten eine Röntgenuntersuchung der SI-Gelenke unabhängig von Rückenschmerzen erhielten, wurde bei 27 % eine radiologische Sakroiliitis gefunden [101]. In einer Schweizer CED-Kohorte mit 950 Patienten betrug die Prävalenz der AS nur 2 % bei UC bzw. 6 % bei MC, aber die der peripheren Arthritis 21 % bei UC und 33 % bei MC [102]. Die effektive Behandlung der muskuloskeletalen Manifestationen führte bei AS-Patienten auch zu einer Besserung der Darmsymptome [98]. Die Behandlung mit einem Coxib führte bei Patienten mit CED zu keiner Verschlechterung der Darmsymptome [103].

Die Standardtherapie der CED besteht aus der Gabe antiinflammatorischer Substanzen wie 5‑Aminosalizylsäure oder Kortikosteroiden und Immunsuppressiva wie Azathioprin und TNFi [104]. Etanercept ist bei Patienten mit CED unwirksam [105]. In einer aktuellen Metaanalyse konnte jetzt bestätigt werden, dass die gepoolte CED-Rate unter einer Therapie mit TNFi bei Infliximab (0,2 pro 100 Patientenjahre) und Adalimumab (0,6 pro 100 Patientenjahre) gegenüber Etanercept (2,2 pro 100 Patientenjahre) niedriger ist [92]. Selten kann eine CED als paradoxe Reaktion auch unter einer TNFi-Therapie neu auftreten [106]. Secukinumab als IL-17-Blocker zeigte keine Wirksamkeit in der Behandlung eines Morbus Crohn [107]. Die Behandlung der CED liegt in der Hand des Gastroenterologen und sollte darüber hinaus ggf. in Kooperation mit dem Rheumatologen erfolgen.

3.2.3 Beteiligung der Haut

Patienten mit SpA haben nicht selten psoriasiforme Hautläsionen. Bis zu 20 % der Patienten mit AS leiden zusätzlich an einer Psoriasis vulgaris. In der deutschen Inzeptionskohorte GESPIC hatten 10–15 % der Patienten mit AS zusätzlich eine Psoriasis vulgaris [74]. Patienten mit Nagelbeteiligung bei Psoriasis haben tendenziell häufiger eine Gelenkentzündung [74].

3.2.4 Weitere betroffene Organsysteme

Herz: Patienten mit AS können als kardiale Manifestationen Reizleitungsstörungen, eine Aortitis und/oder eine Aorteninsuffizienz entwickeln [108, 109]. Die Prävalenz für Reizleitungsstörungen schwankt zwischen 1 und 33 % und für die Aorteninsuffizienz zwischen 1 und 10 %. In einer aktuellen Analyse aus dem schwedischen Patientenregister (n = 27.700 Patienten mit SpA) (NPR) bestätigte sich das erhöhte Risiko für Herzrhythmusstörungen und Aortenklappeninsuffizienz (HR für AV-Block: 2,3 [95%-CI 1,6–3,3], HR für Vorhofflimmern: 1,3 [95%-CI 1,2–1,6], HR für Schrittmacher: 2,1 [95%-CI 1,6–2,8] und HR für Regurgitation der Aorta: 1,9 [95%-CI 1,3–2,9]) [110].

Lunge: Restriktive Ventilationsstörungen liegen vornehmlich bei Patienten mit fortgeschrittener AS als Resultat der reduzierten Thoraxbeweglichkeit vor. Zum Teil liegen dabei auch parenchymatöse Veränderungen vor [111,112,113].

Niere: Daten zur Beteiligung der Niere stützen sich überwiegend auf einzelne Kohortenstudien und Fallberichte. Es wird überwiegend über Amyloidose berichtet, wobei die Häufigkeit in einer kleinen Fallserie mit 7 % angegeben wird [114]. Die Inzidenz von renalen Auffälligkeiten schwankt zwischen 10 und 35 % [114, 115]. Patienten mit AS haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Nephrolithiasis [116]. In dieser schwedischen Kohortenstudie konnte als Risikofaktoren das Vorhandensein einer CED sowie einer Nephrolithiasis in der Vorgeschichte herausgearbeitet werden.

3.3 Komorbidität und Mortalität

Bei Patienten mit SpA können Komorbiditäten vorliegen und sollten regelmäßig diagnostiziert und therapiert werden. In der internationalen COMOSPA-Studie zur Erfassung von Komorbiditäten und ihrer Screeningstrategie bei Patienten mit SpA waren die häufigsten Komorbiditäten Osteoporose (13 %), gastrointestinale Ulzerationen (11 %) und kardiovaskuläre Erkrankungen (3,5 %) [117]. Als häufigster Risikofaktor für Komorbiditäten zeigten sich in dieser Studie eine arterielle Hypertonie (34 %), Rauchen (29 %) und eine Hypercholesterinämie (27 %).

Die 2 wichtigsten Komorbiditäten bei Patienten mit SpA sind die kardiovaskulären Erkrankungen und die Veränderung der Knochendichte im Sinne von Osteoporose und Osteopenie. Da es sich bei der Beteiligung der Knochen um eine Folgeerkrankung mit muskuloskeletaler Symptomatik handelt, wird letztere Problematik im Abschn. 3.1.1.4 besprochen.

Eine Vielzahl weiterer Symptome und Komorbiditäten wurde bei Patienten mit SpA beschrieben.

Vitamin-D-Mangel: In einer Untersuchung der DESIR-Kohorte konnte gezeigt werden, dass ein Vitamin-D-Mangel mit einer hohen Krankheitsaktivität und einer Adipositas assoziiert ist [118].

Die Rate an Depression ist bei Patienten mit axSpA erhöht (Frauen 1,81 [95 %-CI 1,44–2,24] und Männer 1,49 [95 %-CI 1,20–1,89]) [119,120,121]. Zudem sind Patienten mit Depression schwieriger analgetisch einzustellen. Daten aus der amerikanischen SpA-Kohorte PSOAS zeigen, dass 9,5 % der Patienten in der Kohorte dauerhaft Opioide einnahmen und diese Patienten auch einen höheren Score in einem Depressionsfragebogen (Center for Epidemiologic Studies Depression Scale [CES-D]) aufwiesen [122].

Adipositas: Auch wenn sich der mittlere BMI bei Patienten in einer niederländischen Fall-Kontroll-Studie nicht signifikant von dem der gesunden Vergleichspopulation unterschied, lagen bei axSpA-Patienten mit Adipositas eine höhere Krankheitsaktivität und eine schlechtere körperliche Funktionsfähigkeit vor als bei normgewichtigen axSpA-Patienten [123]. Patienten mit Adipositas sprechen auf eine TNFi-Therapie deutlich schlechter als normgewichtige Patienten an (s. Abschn. 8 Therapie).

Fibromyalgie: Chronifizierte Schmerzen können bei Patienten mit axSpA auftreten. Die Angaben zur Prävalenz der Fibromyalgie schwanken zwischen 20 und 24 % [124,125,126]. Symptome eines generalisierten Schmerzsyndroms werden häufiger von AS als von Patienten mit nr-axSpA geklagt (29 % in AS und 19 % in nr-axSpA) [124], Patienten mit axSpA und FM zeigen eine niedrigere Ansprechrate auf eine TNFi-Therapie als Patienten ohne generalisiertes Schmerzsyndrom [125].

Sexuelle Dysfunktion: In einer kleinen Fall-Kontroll-Studie wird eine im Vergleich zum Gesunden höhere Rate an sexueller Dysfunktion bzw. Symptomen des unteren Harntraktes beschrieben [121]. Weitere Studien, die die Ein- und Ausschlusskriterien erfüllt hätten, wurden allerdings nicht identifiziert.

3.3.1 Kardiovaskuläres Risiko

Als wesentlicher Faktor für akzelerierte Arteriosklerose ist die unbehandelte systemische Entzündung, wie sie auch bei Patienten mit AS vorliegen kann, identifiziert worden. Bei AS-Patienten liegt eine um 20–40 % erhöhte kardiovaskuläre Mortalität vor [127]. Eine kanadische Fall-Kontroll-Studie mit 21.473 Patienten mit AS berechnete die vaskuläre Mortalität mit einer Hazard Ratio (HR) von 1,36 (95 %-CI 1,13–1,65), wobei die zerebrovaskuläre Mortalität mit einer HR von 1,60 (95 %-CI 1,17–2,2) und die kardiovaskuläre Mortalität mit einer HR von 1,35 (95 %-CI 1,07–1,70) berechnet wurde [128]. AS-Patienten haben verglichen mit Kontrollen eine höhere Arterioskleroseprävalenz, wobei die Breite der Intima-media-Verdickung mit der Höhe der Krankheitsaktivität assoziiert ist [127, 129,130,131]. Einzelne Studien konnten jedoch keinen Unterschied in der Ausprägung der subklinischen Arteriosklerose bei Patienten mit AS im Vergleich zur gesunden Normalbevölkerung identifizieren [132,133,134]. Das erhöhte kardiovaskuläre Risiko konnte in der großen Studie des schwedischen Patientenregisters bestätigt werden [110, 135]. Die Herzinfarktprävalenz von Patienten mit AS war bei einer niederländischen Patientenbefragung mit 4,4 % im Vergleich zu 1,2 % in der niederländischen Bevölkerung erhöht [136]. Die alters- und geschlechtsadjustierte OR, als AS-Patient einen Herzinfarkt zu erleiden, lag bei 3,1 (95%-CI 1,9–5,1). Eine Metaanalyse zeigte dagegen keine Erhöhung der Herzinfarktinzidenz („risk ratio“ 1,88; 95%-CI 0,83–4,28). Das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, war in dieser Analyse ebenfalls nicht erhöht [137]. In einer kleinen chinesischen Fall-Kontroll-Studie konnten zwischen AS-Patienten und gesunden Kontrollen keine Unterschiede in der Herzfunktion (echokardiographisch ermittelt) gezeigt werden [131]. Eine hohe Krankheitsaktivität war bei AS-Patienten mit einer Verschlechterung des Lipidprofils assoziiert [138]. Eine weitere Studie mit Fokus auf Serumparameter wie „asymmetric dimethylarginen“(ADMA)-Spiegel bestätigt die eingeschränkte Endothelfunktion [139].

Die antientzündliche Wirkung einer Therapie mit TNFi hat möglicherweise auch Einfluss auf das kardiovaskuläre Risiko. Zwei unkontrollierte Studien zeigen unter einer TNFi-Therapie ein verbessertes Lipidprofil [140, 141]. Unter Etanercept wurde bei Patienten mit AS eine verbesserte mikrovaskuläre Funktion festgestellt [142]. Die EULAR (European League Against Rheumatism) hat für Patienten mit Arthritis evidenzbasierte Empfehlungen zum Management des kardiovaskulären Risikos herausgegeben, die uneingeschränkt auch für Patienten mit axSpA gelten [143].

3.3.2 Müdigkeit

Ein wesentlicher Faktor der Morbidität bei Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen ist die oft als belastend empfundene Müdigkeit, die nach der Klage über Schmerzen und Steifigkeit als dritthäufigstes Symptom von den Patienten genannt wird [144]. Die Fatigue-Symptomatik tritt signifikant häufiger bei AS-Patienten als bei gesunden Kontrollen auf [145]. Aus pathophysiologischen Überlegungen heraus kann die Fatigue dem gestörten Nachtschlaf aufgrund von Schmerzen oder aufgrund der chronischen Entzündung und der daraus resultierenden Erschöpfung zugeordnet werden. Die Angaben zur Prävalenz der Müdigkeit und Abgeschlagenheit schwanken zwischen 53 und 68 %, wobei verschiedene Definitionen als auch verschiedene Schweregradeinteilungen zur Erfassung der Prävalenz verwendet wurden [145,146,147,148]. Das Ausmaß der Müdigkeit ist mit der Höhe der Krankheitsaktivität und der psychischen Gesundheit (gemessen mit SF-36) assoziiert [149, 150]. Die Prävalenz der Müdigkeit ist bei Frauen im Vergleich zu Männern erhöht und kann auch schon früh im Krankheitsverlauf als limitierender Faktor auftreten [38, 144, 149, 151]. Im klinischen Alltag ist es am sinnvollsten, für die Quantifizierung der Müdigkeit (Fatigue) die 1. Frage des BASDAI zu verwenden (s. Abschn. 7.1.1) [144]. Wie auch schon in interventionellen Studien gezeigt, konnte in einer aktuellen Kohortenstudie erneut gezeigt werden, dass sich die Anzahl der Patienten mit schwerer Fatigue-Symptomatik unter einer TNFi-Therapie signifikant reduzieren lässt (87,8 % vs. 72,7 %, p < 0,0001) [148, 152, 153]. Der Einfluss einer Fatigue-Symptomatik auf die Arbeitsproduktivität ist naheliegend und konnte auf Gruppenebene auch bei AS-Patienten gezeigt werden [154].

Der gestörte Nachtschlaf kann durch Rückenschmerzen entstehen, aber auch durch Depressionen oder Ängste ausgelöst werden. In einer chinesischen Fall-Kontroll-Studie zeigte sich eine reduzierte Schlafqualität bei 35,4 % der AS-Patienten im Gegensatz zu 22,9 % der Kontrollpatienten [120].

3.3.3 Mortalität

Die standardisierte Mortalitätsrate (SMR) liegt bei AS-Patienten zwischen 1,33 und 1,8 [155,156,157]. In einer aktuellen Fall-Kontroll-Studie aus Schweden wird die Mortalität mit einer HR von 1,60 (95 %-CI 1,44–1,77) angegeben [157]. In dieser Kohorte zeigte sich ein höheres Mortalitätsrisiko für Frauen (HR = 1,83; 95 %-CI 1,50–2,22) gegenüber Männern (HR = 1,53; 95 %-CI 1,36–1,72). Komorbiditäten, Hüft-TEP-Implantation und ein niedriger Bildungsstandard wurden als Prädiktoren für Tod identifiziert. In einer britischen Fall-Kontroll-Studie zeigte sich, dass Patienten, die neu mit Statinen behandelt wurden, ein höheres Überleben zeigten als Patienten ohne Statintherapie (HR 0,63 [95 %-CI 0,46–0,85]) [158]. Aktuelle schwedische Registerdaten mit 677 AS-Patienten zeigten bei einer SMR von 1,61 (95%-CI 1,29–1,93) einen Unterschied zwischen den Geschlechtern (männlich 1,63 vs. weiblich 1,38, p < 0,001) [159]. Die Haupttodesursache waren Herz-Kreislauf-Erkrankungen (40 %), gefolgt von malignen Erkrankungen (26,8 %) und Infektionen (23,2 %). Die höhere Mortalität bei Männern konnte in der kanadischen Fall-Kontroll-Studie bestätigt werden (HR für Männer vs. Frauen 1,82 [95 %-CI 1,33–2,48; p < 0,001]). Folgende Faktoren waren mit einer reduzierten Überlebensrate assoziiert: Diagnoseverzögerung (OR 1,05), erhöhtes C‑reaktives Protein (CRP) (OR 2,68), Arbeitsunfähigkeit (OR 3,65) und der Umstand, dass keine NSAR-Therapie durchgeführt wurde (OR 4,35). Die Reduktion der Mortalität bei Gebrauch von NSAR (HR 0,1 [95 %-CI 0–0,61, p = 0,01]) zeigte sich auch in der kanadischen Fall-Kontroll-Studie, die zudem eine Risikoreduktion durch Statine zeigte (HR 0,25 [95 %-CI 0,13–0,51, p < 0,001]) [128]. Die Lebenserwartung ist bei weniger stark betroffenen Patienten mit SpA wohl nicht erheblich vermindert. Schwer betroffene AS-Patienten haben aber ein erhöhtes Risiko, früher zu versterben – vor allem an Herz-Kreislauf‑, Nieren- und Atemwegserkrankungen sowie an Amyloidose [160].

Die Mortalität bei hospitalisierten AS-Patienten ist hauptsächlich durch eine vorliegende HWS-Fraktur und begleitende Rückenmarkverletzung (OR 13,43 [95 %-CI 8,00–22,55]) bzw. durch eine Sepsis (OR 7,63 [95 %-CI 5,62–10,36]) erhöht [161].

Eine deutsche Untersuchung an AS-Patienten, die in den 40er- bis 70er-Jahren eine Radiumtherapie erhalten hatten, zeigte ein erhöhtes Risiko für akute myeloische Leukämie: Es wurden 11 Fälle berichtet, es waren aber nur 2,9 Fälle erwartet worden (p < 0,001) [162].

Empfehlung/Statement

3-5

Extraskeletale Manifestationen und Begleiterkrankungen, wie z. B. gastrointestinale und/oder kardiovaskuläre Erkrankungen, bzw. deren Risikofaktoren sollten regelmäßig evaluiert und therapiert werden.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 3b

4 Klassifikations- und Diagnosekriterien

Schlüsselfrage 3

  • Was sind die wichtigsten Symptome/Befunde/Kriterien bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen, die zur Diagnose SpA führen?

Ein Teil dieser Schlüsselfrage wird in anderen Schlüsselfragen beantwortet. Die Frage nach den Symptomen und Befunden wird im Abschn. 3.1 (muskuloskeletale Beschwerden) und im Abschn. 3.2 (extraskeletale Manifestation) erläutert. Daher wird in diesem Teil der Schlüsselfrage nur auf die Klassifikationskriterien eingegangen.

4.1 ASAS(Assessment of SpondyloArthritis international Society)-Klassifikationskriterien

In Ablösung der ESSG(European Spondylarthropathy Study Group)- und Amor-Kriterien wurden 2009 die ASAS-Klassifikationskriterien für axiale und periphere SpA publiziert [2, 163,164,165]. Auf die Klassifikation und Diagnostik der peripheren SpA wird in der vorliegenden Leitlinie nicht eingegangen, da sich die Leitlinie auf die axiale SpA konzentriert. Die Diagnostik und Therapie von unspezifischen Kreuzschmerzen wird in der Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) „Nicht spezifischer Kreuzschmerz“ thematisiert [166].

Die ASAS-Kriterien erfordern als Eingangskriterium die Präsenz von chronischen Rückenschmerzen ≥3 Monate und ein Patientenalter von <45 Jahren bei Beginn der Symptomatik. Wenn dieses Eingangskriterium bei einem Patienten vorliegt, kann die weitere Abklärung der Verdachtsdiagnose axiale SpA anhand eines klinischen Armes (HLA-B27 plus ≥2 weitere SpA-Kriterien) oder eines bildgebenden Armes (Sakroiliitis in der Bildgebung plus ≥1 weiteres SpA-Kriterium) erfolgen (Abb. 1 und 2). Im Abschn. 5.2.1 wird auf den diagnostischen Nutzen der einzelnen SpA-Parameter eingegangen. Die Kriterien weisen eine Sensitivität von 82,9 und eine Spezifität von 84,4 % auf, wenn das gesamte Set getestet wurde. Wenn nur der bildgebende Arm alleine getestet wurde, liegen eine Sensitivität von 66,2 % und eine Spezifität von 97,3 % vor [2, 167]. Die Spezifität ist damit für die ASAS-Klassifikationskriterien besser als für die Amor- und ESSG-Kriterien (Tab. 4). Inzwischen ist auch die Validität der ASAS-Klassifikationskriterien mittels einer Längsschnittuntersuchung bestätigt worden sowie die Validität der ASAS-Klassifikationskriterien in der Routineversorgung in einer unabhängigen Kohorte bestätigt worden [168, 169]. Der positive prädikative Wert (PPV) lag in der Längsschnittuntersuchung bei 92,2 % (axSpA 93,3) und der negative prädikative Wert bei 62,0 %. In der französischen DESIR-Kohorte konnte zudem die externe Validität des klinischen und des Bildgebungsarms gezeigt werden [170].

Abb. 1
figure 1

Verlauf der axialen Spondyloarthritis [171]. (*Die modifizierten New-York-Kriterien dienen zur Charakterisierung des röntgenologischen Stadiums und werden im Abschn. 4.2 und 6.1.1.1 näher erläutert). (Publikation mit Genehmigung durch ASAS, www.asas-group.org)

Tab. 4 Diagnostische Testgütekriterien der einzelnen Klassifikationskriterien

Theoretisch kann zwischen der NVL Nicht spezifischer Kreuzschmerz und den ASAS-Klassifikationskriterien für axiale SpA eine Diskrepanz bezüglich der Länge der klinischen Symptomatik bestehen. Die NVL Nicht spezifischer Kreuzschmerz empfiehlt eine Diagnostik ab einem Zeitintervall von 6 Wochen, wohingegen die ASAS-Klassifikationskriterien für axiale SpA als Eingangsvoraussetzung einen Rückenschmerz von 12 Wochen erfordern. Der Schwellenwert von 12 Wochen ist arbiträr gewählt worden, weil bei kurzer Krankheitsdauer nichtentzündliche Ursachen wahrscheinlicher als entzündliche Ursachen sind. Die Diskrepanz von 6 Wochen zwischen NVL und ASAS-Klassifikationskriterien ist nach Ansicht der Autoren der vorliegenden Leitlinie lediglich eine theoretische Lücke, da sich die Diagnoseverzögerung für eine axiale SpA eher in Monaten und Jahren als in Wochen bemisst.

Die ASAS-Klassifikationskriterien dienen zur Klassifikation von Patienten und sind NICHT primär für die Diagnosestellung für diese Patienten entwickelt worden (Abb. 2). Die Kriterien ermöglichen die Durchführung von Studien. Rheumatologen können die Klassifikationskriterien aber nichtsdestoweniger zur Bestätigung ihrer Diagnose heranziehen. Da die Sensitivität dieser Kriterien aber „nur“ etwas höher als 80 % ist, ist davon auszugehen, dass es SpA-Patienten gibt, die die Erkrankung haben – ohne dass sie die genannten Kriterien erfüllen (ca. 20 %). Dies sollte aber immer fachärztlich begründet werden. Da die Spezifität ebenfalls nur 80–85 % beträgt, wird es auch Patienten geben, die die Klassifikationskriterien formal erfüllen, die aber keine axiale SpA haben.

Abb. 2
figure 2

ASAS-Klassifikationskriterien für die axiale SpA

Die ASAS-Klassifikationskriterien sind für die gesamte Gruppe der Patienten mit axialer SpA entwickelt worden, d. h. in dieser Gruppe sind sowohl Patienten ohne strukturelle Veränderungen als auch Patienten mit strukturellen Veränderungen in den SI-Gelenken eingeschlossen. Die erstere Gruppe wird als nichtröntgenologische axiale SpA (nr-axSpA), die letztere als AS bezeichnet.Footnote 1

Die ASAS-Klassifikationskriterien für die axiale SpA dienen der Kategorisierung von Patienten in Studien. Die klinische Diagnose kann auf die Präsenz von SpA-Variablen, wie sie in den Klassifikationskriterien benannt sind, beruhen, die Diagnosestellung umfasst aber immer eine klinische Bewertung des Krankheitsbildes. Je mehr SpA-Parameter bei einem Patienten vorliegen, umso eher wird auch die Diagnose einer axialen SpA gestellt werden, wie dies z. B. in der niederländischen Frühkohorte SPACE gezeigt werden konnte [172]. In demselben Kollektiv untersuchten die niederländischen Kollegen auch die Frage, welche der SpA-Variablen zur Diagnosestellung einer SpA beitragen, wenn bei Patienten keine oder nur eine SpA-Variable vorliegt [173]. Als wichtige SpA-Variablen wurde in dieser Studie das Vorhandensein von einer Sakroiliitis bzw. einem positiven HLA-B27-Befund identifiziert. In der spanischen ESPERANZA-Kohorte konnte die Bedeutung des Vorhandenseins einer Sakroiliitis unterstrichen werden [174]. Der Nachweis einer Sakroiliitis in der MRT (LR 6,6) oder Sakroiliitis im konventionellen Röntgenbild (pos. LR 31,3) sowie peripherer Arthritis (pos. LR 8,9) wies eine hohe diagnostische Aussagekraft auf. Eine geringe diagnostische Aussagekraft wies jedoch die SpA-Variable familiäre Disposition (pos. LR 1,5), gutes Ansprechen auf NSAR (pos. LR 1,6), entzündlicher Rückenschmerz (pos. LR 2,3) und HLA-B27 (pos. LR 2,8) auf. In dieser Kohorte waren allerdings auch nur 48 % der Patienten HLA-B27-positiv.

4.2 Modifizierte New-York-Kriterien

Die auf der Basis der modifizierten New-York-Kriterien vorgenommene Differenzierung zwischen den verschiedenen Ausprägungen von strukturellen Veränderungen der SI-Gelenke beruht auf dem Schweregrad der röntgenologischen Veränderungen in diesen Gelenken und berücksichtigt darüber hinaus auch klinische Parameter (Tab. 5; [175]). Für die Diagnose einer AS ist ein Grad ≥2 beidseits oder ≥3 unilateral gefordert (s. Abschn. 6.1.1.1).

Tab. 5 Klassifikationskriterien für die ankylosierende Spondylitis (New York, 1984)

Die Unterscheidung zwischen Patienten mit (= AS) und ohne (= nr-axSpA) nativ-röntgenologisch sichtbaren strukturellen Veränderungen in den SI-Gelenken ist primär eine historische Unterteilung, die zum Teil auch zulassungstechnische Aspekte hat. Zur Beschreibung des Schweregrades der Erkrankung können die genannten Kriterien begrenzt hilfreich sein. In der klinischen Präsentation unterscheiden sich Patienten mit AS und nr-axSpA nur hinsichtlich des Ausmaßes des strukturellen Schadens und der Entzündungsaktivität, jedoch nicht hinsichtlich subjektiver Parameter wie Schmerz, Funktionseinschränkung und anderer patientenberichteter Endpunkte (siehe auch Abb. 1; [75, 176, 177]). Einzelne Studien zeigen jedoch auch eine stärkere Beeinträchtigung der nr-axSpA-Patienten [178].

Empfehlung/Statement

4-1

Die Diagnosestellung einer axialen SpA soll aufgrund von Anamnese, klinischer Untersuchung, Laborbefunden, Bildgebung und unter Berücksichtigung von Differenzialdiagnosen erfolgen.

Empfehlungsgrad: –

Evidenz: Expertenkonsens

4-2

Die ASAS-Klassifikationskriterien beinhalten wichtige Parameter der axialen SpA, können die oben beschriebene Diagnosefindung aber nicht ersetzen.

Empfehlungsgrad: Statement

Evidenz: –

5 Erstdiagnose/Überweisungsstrategie

Schlüsselfrage 4

  • Welches Ausmaß an Labor/Röntgen ist in der Primärversorgung vernünftig?

5.1 Rationale und Ziele für eine verbesserte Frühdiagnostik

Unter den rheumatischen Erkrankungen zeichnet sich die AS durch eine lange Zeitdauer zwischen Symptombeginn und Diagnosestellung aus. Die mittlere Zeit der Diagnoseverzögerung schwankt und beträgt zwischen 5 und 14 Jahren [16, 17]. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass nicht ein einzelnes Symptom wegweisend für die Diagnose ist, sondern dass die relativ wenigen betroffenen Patienten aus der großen Gruppe der Patienten mit unspezifischen Kreuz- oder Rückenschmerzen möglichst optimal selektiert werden müssen. Das Ziel der vorliegenden Leitlinie ist es deshalb, möglichst evidenzbasierte, aber auch praktikable Empfehlungen für die Frühdiagnostik bzw. die Überweisung in der Primärversorgung zu geben und die Häufigkeit von Diagnoseverzögerungen zu minimieren. Die Praktikabilität soll dadurch gewährleistet werden, dass die zu erhebenden Variablen einfach zu verwenden sind, dass sie sicher als auffällig oder unauffällig zu identifizieren sind und dass die Auswertung der Variablen zuverlässige Ergebnisse erzielt [179].

Das Ziel einer frühen Diagnosestellung bei Patienten mit axialer SpA ist die rechtzeitige Sicherstellung einer optimalen Therapie und die Vermeidung unnötiger weiterer Diagnostik und nicht indizierter Therapie. Grundsätzliches Ziel ist auch die Verhinderung struktureller Schäden, das bedeutet Vermeidung von Funktionseinbußen und von Knochenneubildung. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Auftreten struktureller Schäden bei Patienten mit axialer SpA variabel ist. In einer Kohorte von Patienten mit entzündlichem Rückenschmerz, die kürzer als 2 Jahre bestanden, hatten 20 % der Patienten bereits strukturelle Veränderungen in den SI-Gelenken [180]. Es ist darauf hinzuweisen, dass zwei Drittel der Patienten mit AS nicht fachrheumatologisch, sondern allgemeinmedizinisch versorgt werden. Dies konnte unabhängig voneinander in einem schottischen und einem US-amerikanischen Register gezeigt werden [181, 182].

5.2 Untersuchte Variablen

Die getesteten Variablen und die untersuchten Populationen unterscheiden sich in den einzelnen Studien. Klinische Variablen wurden allein oder in Kombination mit HLA-B27 und/oder bildgebender Diagnostik getestet. Klinische Variablen, die durch einfache Befragung der Patienten erhoben wurden, sind am häufigsten untersucht worden. Keine der getesteten Variablen ist als Einzelparameter zu empfehlen, da Sensitivität und Spezifität nicht ausreichen, um eine Frühdiagnostik praktikabel zu gestalten. Die Erhebung von mehreren Variablen (sog. Sets) erhöht die Aussagekraft deutlich. Die Leitlinien-Autoren stellen in diesem Kontext aber klar, dass das alleinige Erfüllen von Klassifikationskriterien NICHT die Diagnose einer axialen SpA sichern kann.

Für die Bewertung der einzelnen Variablen sind Sensitivität, Spezifität und LR von besonderer Bedeutung. Die LR gibt an, um wie viel Mal häufiger ein positives Testresultat bei Personen mit Erkrankung im Vergleich zu Personen ohne Erkrankung vorkommt. Die Vortestwahrscheinlichkeit ist die geschätzte Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient an einer gewissen Krankheit leidet, bevor Zusatzinformationen aus einem diagnostischen Test vorliegen. Die Vortestwahrscheinlichkeit ergibt sich aus der Prävalenz der Erkrankung unter näher zu definierenden Umständen der Erhebungsart (z. B. Versorgungsprävalenz vs. Bevölkerungsprävalenz). So unterscheidet sich die Prävalenz in der Bevölkerung von der Prävalenz in einer bestimmten Praxis oder Ambulanz. Anamnestische Daten (z. B. Risikofaktoren) und Befunde der klinischen Untersuchung können ebenfalls eine Rolle spielen. Das heißt, dass die Vortestwahrscheinlichkeit auch dadurch beeinflusst wird, ob die Vorstellung des Patienten im primärärztlichen oder im fachärztlichen Bereich erfolgt. Die Nachtestwahrscheinlichkeit ist die Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung nach Vorliegen von Testergebnissen. Die entsprechenden Parameter sind für die einzelnen Variablen der Abschn. 2.1–2.3 in Tab. 6 aufgeführt.

Tab. 6 Parameter der Frühdiagnostik der axialen SpA. (Modifiziert nach Sieper und Rudwaleit [179] und Rudwaleit et al. [43])

5.2.1 Klinische Variablen

Mögliche klinische Variablen im Rahmen der Diagnostik sind Fragen nach Art der Rückenschmerzen, nach anderen Symptomen der SpA, nach der Familienanamnese und nach dem Ansprechen auf eine NSAR-Therapie.

5.2.1.1 Rückenschmerz, entzündlicher Rückenschmerz.

Das zentrale Symptom bei Patienten mit axialer SpA ist der chronische Rückenschmerz (>3 Monate) (s. Abschn. 3.1.1.1). Die Prävalenz der AS innerhalb einer Gruppe von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen in Allgemeinpraxen wird zwischen 1 und 5 % (China 11 %) geschätzt [15, 183,184,185]. Die neuesten Daten zur Prävalenz des entzündlichen Rückenschmerzes in der Allgemeinbevölkerung stammen aus den US-amerikanischen NHANES (National Health and Nutrition Examination Survey) 2009–2010-Daten [186]. Die Prävalenz wird hier mit Werten zwischen 5 und 6 % angegeben (Schwankung beruht auf der Analyse verschiedener Kriteriensets). Als typisches Charakteristikum für die axiale SpA gilt der entzündliche Rückenschmerz (ERS) (s. Abschn. 3.1.1.1). Die Abklärung, ob ein ERS vorliegt oder nicht, setzt eine gewisse Erfahrung bei dem Untersucher voraus. In einer britischen Befragung konnten nur 5 % der Hausärzte im Bezirk Norfolk (n = 186) alle Charakteristika des ERS nennen [187]. Tatsächlich ist bei etwa einem Drittel der Patienten nicht einfach zu entscheiden, ob ein ERS vorliegt oder nicht [179, 188, 189]. Zudem gibt es verschiedene Definitionen des ERS (s. Abschn. 3.1.1.1). In einer deutschen Kohorte von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen, die vor dem 45. Lebensjahr begonnen hatten, wurden die einzelnen Variablen für den ERS untersucht [190]. Es konnten Parameter identifiziert werden, die prädiktiv für eine positive Diagnosestellung waren und die in der Primärversorgung ohne apparativen Aufwand erhoben werden können (Tab. 7). Diese Variablen zeigen eine Sensitivität von 52,2 % und eine Spezifität von 74,6 %. Die positive LR liegt bei 2,8 und die negative LR bei 0,64. Interessanterweise zeigte die Variable „Morgensteifigkeit >30 min“ in dieser Kohorte in der Regressionsanalyse keine signifikanten Unterschiede.

Tab. 7 Bildgebende Methoden mit Zielparametern

In einer weiteren deutschen Kohorte konnte bei 57,9 % der überwiesenen Patienten die Diagnose einer axialen SpA gestellt werden, wenn ERS in Kombination mit einem positiven HLA-B27-Befund vorlag [188]. Wenn allerdings nur ERS ohne HLA-B27 und ohne bildgebende Hinweise auf eine SpA vorlag, konnte die Diagnose axiale SpA nur in 16,2 % der Fälle gesichert werden [191]. Entzündlicher Rückenschmerz ist somit also ein wichtiges Leitsymptom, der diagnostische Wert allein ist jedoch begrenzt.

5.2.1.2 Ansprechen auf NSAR.

Patienten mit SpA sprechen im Vergleich zu Patienten mit unspezifischen Rückenschmerzen deutlich besser auf eine NSAR-Therapie an – deshalb ist dies auch als Parameter in die ASAS-Klassifikationskriterien für axiale SpA (s. Abschn. 4) aufgenommen worden [25]. Die NSAR-Variable zeigt eine Sensitivität von 61–93 % und eine Spezifität von 48–85 % bei einer positiven LR von 1,8–5,1. Zur Verwendung dieser Variablen im hausärztlichen Bereich ist aber zu bedenken, dass nicht alle Patienten auch NSAR einnehmen. Es ist zu betonen, dass das Ansprechen auf NSAR nach 24–48 h vor allem dann gewertet werden kann, wenn die Maximaldosis des entsprechenden NSAR eingenommen wurde.

5.2.1.3 Extraspinale Manifestationen.

Bei Verdacht auf SpA ist es empfehlenswert, die Patienten auf das Vorhandensein bzw. die Anamnese von peripherer Arthritis, Enthesitis (oder Fersenschmerz), Psoriasis vulgaris und anteriorer Uveitis zu befragen. Bei diesen Variablen sollte die niedrige Sensitivität bei allerdings hoher Spezifität (Sensitivität schwankt zwischen 5 und 62 %, Spezifität schwankt zwischen 89 und 99 %) grundsätzlich beachtet werden. In einer Untersuchung mit chronischen Rückenschmerzpatienten zeigte sich, dass die Anamnese einer Uveitis eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Diagnose einer AS mit sich bringt (OR 7,2) und dass die Anamnese einer Enthesitis (OR 2,7) und einer Psoriasis (OR 3,6) ein erhöhtes Risiko birgt, eine nr-axSpA zu haben [190].

5.2.1.4 Manifestationsalter.

Wenn bei Patienten die chronischen Rückenschmerzen im jungen Alter beginnen, ist das Risiko, an einer axialen SpA zu erkranken, erhöht (OR 2,6 [95 %-CI 1,5–4,5]) [190]. In den verschiedenen Untersuchungen zur Selektion von hilfreichen Variablen zur Identifizierung von Patienten mit SpA ist das Alter mit unterschiedlichen Grenzwerten festgelegt. Daher schwanken die Altersangaben zwischen 35 und 45 Jahren.

5.2.2 Variablen Labor

Als Variablen zur Frühdiagnostik kommt die Bestimmung von HLA-B27 und die quantitative Messung von Akute-Phase-Proteinen wie dem C‑reaktiven Protein in Betracht.

5.2.2.1 HLA-B27.

Bei Verdacht auf SpA ist die Bestimmung von HLA-B27 empfehlenswert. Der Nachweis von HLA-B27 weist eine gute Sensitivität (83–96 %) und eine hohe Spezifität (90–96 %) mit einer positiven LR von 9,0 auf [43]. Zu beachten ist, dass ein positiver HLA-B27-Befund allein keinesfalls die Diagnose sichert. In der Primärversorgung müssen die nicht geringen Testkosten von HLA-B27 berücksichtigt werden, eine gesundheitsökonomische Analyse liegt hierzu allerdings bis jetzt nicht vor.

Eine Verlaufskontrolle des HLA-B27 ist nicht sinnvoll. Dies gilt sowohl für HLA-B27-positive als auch für -negative Befunde, da die kommerziellen Testverfahren nur wenig falsch negative Befunde produzieren (2–3 %).

Abhängig von der untersuchten Kohorte sind im Mittel 80–95 % der Patienten mit AS HLA-B27-positiv. Betrachtet man die Gesamtgruppe der Patienten mit axialer SpA inklusive der nr-axSpA, fällt dieser Durchschnittswert auf 60–85 % [74, 192]. HLA-B27-positive Patienten mit axialer SpA haben insgesamt einen schwereren Verlauf [16, 193,194,195,196,197,198]. Kohortenstudien haben gezeigt, dass die HLA-B27-positiven Patienten früher erkranken, eine höhere Krankheitsaktivität aufweisen, an größeren funktionellen Einbußen leiden und häufiger eine Uveitis und kardiale Manifestationen entwickeln, während HLA-B27-negative Patienten später und meist weniger schwer erkranken, sie leiden aber häufiger an Psoriasis vulgaris und/oder einer CED [193]. Bei Patienten mit einer kurzen Krankheitsdauer haben HLA-B27-positive Patienten häufiger als HLA-B27-negative Patienten eine in der MRT nachweisbare Entzündung in den SI-Gelenken (OR 2,13) [194]. HLA-B27 und männliches Geschlecht beeinflussen unabhängig voneinander die Wahrscheinlichkeit, eine kernspintomographisch nachweisbare Sakroiliitis aufzuweisen [195]. In dieser Studie ist bei HLA-B27-negativen Patienten ohne kernspintomographisch nachweisbare Sakroiliitis die Wahrscheinlichkeit, ein positives MRT nach 2 Jahren entwickelt zu haben, nur 5 %. Für die Schwere der Erkrankung scheint es unwichtig zu sein, ob HLA-B27 homozygot vorliegt [198]. Die Analyse von HLA-B27-Polymorphismen ist für die klinische Versorgung ebenfalls nicht relevant [199].

5.2.2.2 CRP und BSG.

Die Bestimmung von CRP und/oder Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) kann zur Abklärung der Verdachtsdiagnose axiale SpA eingesetzt werden, aber nur etwa die Hälfte der Patienten mit axialer SpA weist erhöhte Spiegel der Entzündungsparameter auf [74, 200]. Die Post-Test-Wahrscheinlichkeit eines erhöhten CRP oder der BSG liegt nur bei 12 %. Die Sensitivität erhöhter Entzündungszeichen liegt zwischen 38 und 69 %, Spezifität bei 67–80 % und die positive LR bei 2,5 [43]. Wegen der geringen Kosten wird die Bestimmung des CRP in der Primärversorgung aber häufig durchgeführt und kann bei erhöhten Werten differenzialdiagnostisch hilfreich sein, da Patienten mit nichtspezifischen Kreuzschmerzen im Prinzip keine erhöhten Entzündungszeichen aufweisen.

Siehe auch ausführliche Darstellung von CRP und BSG in Abschn. 6.2.

5.2.3 Variablen der bildgebenden Diagnostik

Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Patienten die Verdachtsdiagnose einer axialen SpA bestätigt wird, ist bei Vorliegen von strukturellen Läsionen im konventionellen Röntgenbild oder von kernspintomographisch darstellbaren Entzündungen im SI-Gelenk hoch (sie ist nicht 100 %, da auch Differenzialdiagnosen zu erwägen sind wie stärkere mechanische Belastung oder auch in seltenen Fällen mal infektiologische Ursachen). Der Vorteil der MRT-Diagnostik ist die hohe Sensitivität und Spezifität. In der Berliner Kohorte war die MRT-Untersuchung die sensitivste Methode zur Diagnose einer axialen SpA (69,7 %) [191]. Hervorzuheben bleibt aber, dass in dieser Kohorte die Mehrzahl der überwiesenen Patienten eine radiologisch nachweisbare Sakroiliitis aufwiesen verglichen mit den (wenigen) Patienten, die aufgrund einer in der MRT darstellbaren Sakroiliitis überwiesen wurden. Wegen der für Patienten mit entzündlichen Rückenschmerzen oft nicht optimalen Initialbildgebung (z. B. aufgrund einer falschen Methodenwahl oder einer ungünstigen Auswahl des Bildbereiches) sollte die Indikation für Bildgebung bei Patienten in der Primärversorgung eher zurückhaltend gestellt werden.

Die Wertigkeit von MRT und Röntgen sind im Abschn. 6 Bildgebung ausführlich dargestellt.

5.2.4 Kombination von Variablen

Das Ziel, selektiv Patienten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für axiale SpA zur weiteren Abklärung bzw. Diagnosesicherung zum Rheumatologen zu überweisen, gelingt am besten mit einer Kombination von Variablen. Einzelvariablen können nur eingeschränkt verwendet werden, aber die Kombination von mehreren Variablen erhöht die prädiktive Aussagekraft. Alle oben genannten Strategien beruhen auf einer Kombination von Variablen [188, 190, 191, 201]. In einer niederländischen Kohorte wurde bei 364 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen überprüft, welche Variablen der ASAS-Klassifikationskriterien bei Patienten mit Rückenschmerzen vorliegen [202]. Hierbei zeigte sich, dass die Variablen ERS, positive Familienanamnese, gutes Ansprechen auf eine NSAR-Therapie und Symptomdauer hinweisend für die Diagnose einer axSpA sein können. Allerdings wurde in dieser Studie das Erfüllen der ASAS-Klassifikationskriterien gleichgesetzt mit der Diagnosestellung einer axSpA – welches der Verwendung von Klassifikationskriterien zuwiderläuft (s. Abschn. 4). In einer US-amerikanischen Untersuchung zeigte sich, dass bei 63 % der Risikopatienten (18 bis 44 Jahre alte Patienten mit Rückenschmerzen) in 101 zufällig ausgewählten rheumatologischen Praxen die ASAS-Klassifikationskriterien positiv waren, woraus sich eine nationale Prävalenz von 0,70 % (95%-CI 0,38–1,1 %) ergibt [184].

Der Vorteil von Überweisungsstrategien, die auf einer Kombination aus Variablen bestehen, konnte in der internationalen RADAR-Studie gezeigt werden [203]. Wenn 3 Variablen (ERS, Sakroiliitis oder HLA-B27) kombiniert wurden, konnte die Diagnose axSpA bei einem Drittel der Patienten gestellt werden. Wenn mehr als 3 Variablen (z. B. Familienanamnese, gutes Ansprechen auf eine NSAR-Therapie, Vorhandensein von EAM) berücksichtigt werden konnten, wurde die Diagnose bei 35,6 % der Patienten gestellt. Innerhalb der SPACE Kohorte wurde evaluiert, welche Überweisungsstrategie eine hohe diagnostische Wertigkeit hat [204]. Es wurde geziegt, dass keine der Überweisungsstrategien auf internationaler Ebene uneingeschränkt empfohlen werden kann, da sie entweder zu zeitaufwendig oder zu kostenintensiv sind.

Aufgrund der hohen Prävalenz chronischer Rückenschmerzen in der Allgemeinbevölkerung ist die Frage, welche SpA-Variablen zur Selektion geeigneter Patienten in besonders hohem Maße beitragen, relevant. Auf die diagnostische Wertigkeit verschiedener Variablen wurde bereits im Abschn. 4.1 eingegangen. In der spanischen EPSERANZA-Kohorte wurde diese Frage mit Hinblick auf die eher teuren Untersuchungen der HLA-B27-Bestimmung und der MRT-Untersuchung analysiert [32]. Die Kollegen konnten zeigen, dass das Vorhandensein eines alternierenden Gesäßschmerzes (LR+ 2,6), einer Daktylitis (LR+ 4,1) oder einer CED (LR+ 6,4) die Wahrscheinlichkeit, bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen eine Sakroiliitis in der MRT zu identifizieren, erhöht. Lagen eine Daktylitis oder eine CED vor, erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit für eine Sakroiliitis in der MRT von 40 auf 79 %. HLA-B27 hatte in dieser Untersuchung keine hohe Vorhersagekraft.

Es fehlen randomisierte Studien, die zeigen, dass die Anwendung von Überweisungsstrategien zu einer Verkürzung der Diagnoseverzögerung oder einer Verhinderung der Zunahme röntgenologischer Progression führt.

Empfehlung/Statement

5-1

Die axiale SpA ist eine wichtige Differenzialdiagnose bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen, wenn diese vor dem 45. Lebensjahr beginnen.

Empfehlungsgrad: Statement

Evidenz: –

5-2

Patienten mit chronischen Rückenschmerzen (≥3 Monate), einem Alter bei Beginn der Rückenschmerzen <45 Jahre und mindestens einem weiteren Parameter, der für eine SpA spricht, sollen zur weiteren Klärung zum Rheumatologen überwiesen werden. Besonders geeignete Parameter sind:

  • entzündlicher Rückenschmerz (s. Empfehlung 3‑1),

  • Nachweis von HLA-B27.

Empfehlungsgrad: NA

Evidenz: NA

Kommentar zu NA:

Eine methodenkritische Bewertung ist bei diesen Studien überwiegend nicht möglich, da es sich weder um Kohorten noch um Fall-Kontroll-Studien im definierten Sinne handelt. Daher wurde weder ein Empfehlungsgrad noch ein Evidenzlevel vergeben.

6 Diagnostik

Schlüsselfrage 8

  • Wann und wie oft sollte welche Bildgebung/welches Labor bei Patienten mit SpA durchgeführt werden (Stellenwert)?

6.1 Bildgebung

Die Bildgebung ist bei Patienten mit axialer SpA essenziell für die Diagnose und das Management der Erkrankung – dies schließt die Bestimmung der Krankheitsaktivität (Entzündung) und die Messung von strukturellen Schäden (Knochenneubildung, Erosionen) mit ein. Die wichtigsten Lokalisationen von pathologischen Veränderungen bei axialer SpA sind die SI-Gelenke, die Wirbelsäule und die Hüftgelenke.

Grundsätzlich ist zwischen aktiven entzündlichen und chronischen strukturellen Veränderungen zu unterscheiden. Bei Patienten mit SpA kann ein Nebeneinander von entzündlichen Veränderungen (z. B. Nachweis eines Knochenmarködems bei Spondylitis) und strukturellen Prozessen der Knochenneubildung (z. B. Syndesmophyten, Ankylose) vorliegen. Inwieweit diese charakteristischen pathophysiologischen Phänomene zusammenhängen, ist nicht vollständig klar [205].

Es liegen verschiedene Studien über den Zusammenhang von Entzündung und Knochenneubildung in der Wirbelsäule bei AS-Patienten vor [205,206,207,208,209]. Einige Studien zeigen, dass ein Teil der Syndesmophyten an denjenigen Stellen entsteht, an denen meist 2 Jahre vorher eine Entzündung dargestellt werden konnte [207]. Auf der anderen Seite gab es parallel dazu auch Knochenneubildung ohne vorherigen Nachweis von entzündlicher Aktivität [205].

Die Rolle chronischer struktureller Veränderungen im Achsenskelett wie fettige Läsionen und die daraus resultierende Potenz zur Knochenneubildung wird zurzeit erforscht. Vor Kurzem veröffentlichte Studien haben gezeigt, dass sowohl ein initial erhöhtes CRP als auch das Vorhandensein von Syndesmophyten bei der Erstvorstellung von Patienten mit AS die Entwicklung neuer knöcherner Veränderungen im weiteren Verlauf vorhersagen können [210]. Eine wichtige pathophysiologische Hypothese ist, dass die Entzündung das Wachstum von Syndesmophyten begünstigt und dass das Wachstum von Syndesmophyten indirekt durch Unterdrückung der Entzündung oder direkt durch Unterdrückung der Knochenneubildung verhindert oder zumindest verlangsamt werden kann. Mögliche Gründe dafür sind, dass (i) entzündliche Aktivität und Knochenneubildung, zumindest zum Teil, voneinander unabhängig verlaufen („uncoupling“) und/oder (ii) eine Therapie mit TNFi durch Osteoklasteninhibition und Osteoblastenaktivierung über eine Modifikation des sog. Wnt und/oder RANKL-Systems den ankylosierenden Prozess bei AS-Patienten sogar fördern kann [211,212,213].

Um die richtige Methode der Bildgebung auswählen zu können, muss der Untersucher neben der Lokalisation zunächst festlegen, ob entzündliche Veränderungen oder ob morphologische strukturelle Veränderungen im Fokus der Fragestellung stehen (Tab. 7). Die Fragestellung bestimmt somit die Auswahl des bildgebenden Verfahrens.

6.1.1 Konventionelle Röntgentechniken

Bei der konventionellen Radiographie steht die Darstellung chronischer knöcherner Strukturveränderungen im Vordergrund. Diese treten bei Patienten mit axialer SpA vorwiegend in der Wirbelsäule sowie den SI- und Hüftgelenken als Folge vorausgegangener Entzündungszustände auf. Die Knochenneubildung am Achsenskelett mit Ausbildung von Syndesmophyten gilt als besonders charakteristisch für die AS [1, 210].

6.1.1.1 Röntgenuntersuchung der Sakroiliakalgelenke.

Der entzündliche Krankheitsprozess bei axialen SpA beginnt in der Mehrzahl der Fälle in den SakroiliakaIgelenken (SI-Gelenke). Die Indikation für die röntgenologische Darstellung erfolgt in Abhängigkeit von der Lokalisation der angegebenen Beschwerden: Bei typischem tief sitzendem entzündlichem Rückenschmerz sollte eine Röntgen-Beckenübersichtsaufnahme anterior-posterior erfolgen. Diese ist ebenfalls sinnvoll bei Verdacht auf Beteiligung der Hüftgelenke. Bei parallelem Vorliegen von höher liegenden Rückenschmerzen ist eine Darstellung der LWS a.-p. (mit weiter Aufblendung zur Darstellung der Sakroiliakalgelenke) und lateral der konventionellen Beckenübersicht vorzuziehen. Die Spezialaufnahme der SI-Gelenke nach Barsony bzw. die Beckenübersichtsaufnahme nach Ferguson ermöglicht dagegen nur die Darstellung der SI-Gelenke ohne bzw. mit verzerrter Abbildung der Hüftgelenke. Die Sensitivität der Untersuchung wird bei Patienten mit AS mit 35 % angegeben, die Spezifität liegt zwischen 95 und 100 % (abhängig von der untersuchten Population) [42].

Das Röntgenbild der SI-Gelenke ist für die qualitative Differenzierung zwischen AS (= M. Bechterew) und nr-axSpA definitionsgemäß ausschlaggebend. Hierbei wird der Schweregrad der strukturellen Veränderungen an den SI-Gelenken quantifiziert. Unter einer ankylosierenden Spondylitis (AS = Morbus Bechterew) versteht man daher diejenige Form der axialen SpA, die bereits röntgenologisch sichtbare knöcherne Veränderungen in den Sakroiliakalgelenken (SI-Gelenken) und/oder der Wirbelsäule hervorgerufen hat. Die Graduierung der Veränderungen an den SI-Gelenken ist die Grundlage der Klassifikation einer AS nach den 1984 modifizierten New-York-Kriterien (s. Abschn. 4.2) (Tab. 8).

Tab. 8 Scoring der SI-Gelenke, Graduierung nach den modifizierten New-York-Kriterien [175]

Zur Klassifikation (oft auch für Diagnosestellung verwendet) einer AS müssen nach diesen Kriterien neben einem von 3 klinischen Zeichen strukturelle Veränderungen (= röntgenologische Sakroiliitis) mindestens Grad 2 beidseits oder unilateral Grad 3 oder 4 vorliegen [175]. Eine Diagnosestellung nur auf der Basis von Wirbelsäulenveränderungen (meist Syndesmophyten bzw. Ankylose) ist möglich, aber vergleichsweise selten.

Häufig treten knöcherne Veränderungen erst relativ spät im Krankheitsprozess auf – zum Teil dauert es mehrere Jahre [214]. In sog. Frühkohorten finden sich aber auch Patienten, die schon nach einer kurzen Krankheitsdauer eine röntgenologische Progression in den SI-Gelenken aufweisen. Die röntgenologische Progression war definiert mit „Verschlechterung von mindestens einem Grad gemäß der modifizierten New-York Kriterien“. In der niederländischen Kohorte (n = 68) hatten 20 % der Patienten schon nach nur 18 Monaten röntgenologische Auffälligkeiten in den SI-Gelenken [180]. In einer deutschen Frühkohorte (54,8 % AS-Patienten, 45,2 % nr-axSpA-Patienten) mit einem Symptombeginn <5 Jahre trat nach 2 Jahren bei 10,5 % der Patienten mit nr-axSpA eine röntgenologische Progression in den SI-Gelenken auf [215]. In der französischen Frühkohorte lag die Progressionsrate an den SIG über 5 Jahre bei 5,1 % (Wechsel nr-axSpA zu AS) [216]. Epidemiologische Daten aus der Rochester-Kohorte zeigen, dass Patienten mit nr-axSpA über Jahrzehnte keinen Progress der Erkrankung aufweisen können (Wahrscheinlichkeit des Verbleibens als nr-axSpA in 15 Jahren: 73,6 % [95%-CI, 62,7–86,3]) [217]. Eine weitere Studie aus den USA zeigte eine ähnlich hohe Rate an Persistenz im nr-axSpA-Klassifikationsarm [217]. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass diese Patienten zwar die ASAS-Klassifikationskriterien für axSpA erfüllen, es bleibt aber unklar, ob die Diagnose einer axSpA auch rheumatologisch gestellt wurde.

6.1.1.1.1 Differenzialdiagnose der Sakroiliitis im Röntgenbild.

Als Differenzialdiagnose der Sakroiliitis müssen im konventionellen Röntgenbild die entzündlichen Läsionen von degenerativen Läsionen, tumorösen oder septischen Läsionen abgegrenzt werden. Die Osteitis condensans ilii (= Hyperostosis triangularis) und Veränderungen im Rahmen eines DISH-Syndroms (diffuse idiopathische Skeletthyperostose, Morbus Forestier) (M48.19) müssen als besondere Formen degenerativer Veränderungen im SI-Gelenk von der Sakroiliitis im Rahmen einer axialen SpA abgegrenzt werden. Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis wie SAPHO-Syndrom (Synovitis, Akne, Pustulosis, Hyperostosis, Osteitis) (M86.3), Morbus Behçet (M35.2), Morbus Paget (M88.99) sowie Psoriasisarthritis (L40.5, *M07.3) können ebenfalls das Bild einer Sakroiliitis hervorrufen. Eine rein morphologische Differenzierung ohne Berücksichtigung der klinischen Symptome (aktuell und auch anamnestisch) ist anhand der Röntgenbilder oft nicht möglich.

Die früher häufiger durchgeführten röntgenologischen Schichtuntersuchungen der SI-Gelenke (Tomographie) gelten heute wegen der Strahlenexposition und der Verfügbarkeit von MRT als obsolet.

6.1.1.2 Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule.

Bei mehr als der Hälfte der Patienten mit AS manifestiert sich der Krankheitsprozess im Verlauf der Erkrankung auch an der Wirbelsäule. Die Wirbelsäule kann in allen Etagen betroffen sein, am häufigsten ist jedoch der thorakolumbale Übergang beteiligt [218]. Syndesmophyten und Ankylosierungen sind pathognomonisch für die AS. Weitere typische Röntgenveränderungen in der Wirbelsäule von AS-Patienten sind:

  • Sklerosierungszonen an den Wirbelkörperecken (glänzende Ecken = „shiny corners“ = Romanus-Läsion), wahrscheinlich als Folge einer stattgehabten Spondylitis,

  • Erosionen in den Grund- oder Deckplatten der Wirbelkörper (Anderson-Läsion), wahrscheinlich als Folge einer stattgehabten Spondylodiszitis,

  • Bildung von sog. Kasten- oder Tonnenwirbeln, wahrscheinlich als Ausdruck von entzündlichen Veränderungen an den Wirbelkörperkanten,

  • Wirbelfrakturen, die vor allem im späteren Krankheitsverlauf auftreten.

Sind bei einem Patienten Strukturveränderungen eingetreten, liegt meist auch eine Beeinträchtigung der körperlichen Funktionsfähigkeit und Lebensqualität vor [219]. Der Schweregrad der röntgenologischen Progression (Knochenneubildung) bei Patienten mit axialer SpA ist variabel [220]. Zirka ein Viertel der Patienten mit AS hat einen schnellen Progress [20] (s. Abschn. 7). Bei Patienten der deutschen Inzeptionskohorte GESPIC (AS und nr-axSpA) lag die Progressionsrate an der Wirbelsäule (Differenz von ≥2 mSASSS-Punkten) bei 15,2 % in einem Beobachtungszeitraum von 2 Jahren. Dieselben Autoren konnten zeigen, dass 11,2 % der Patienten neue Syndesmophyten entwickelten oder an existierenden Syndesmophyten einen Progress zeigten [221]. In der niederländischen Kohorte mit ausschließlich AS-Patienten lag die Rate neuer Syndesmophyten bei 33 % in 2 Jahren [222]. In allen Kohorten konnte gezeigt werden, dass eine hohe Krankheitsaktivität mit einem hohen Risiko der röntgenologischen Progression assoziiert ist [223]. In der deutschen Kohorte lagen folgende Prädiktoren für eine Progression vor: bei Baseline vorhandene Syndesmophyten (OR 6,29), erhöhter CRP-Wert (OR 3,8) und Nikotinkonsum (OR 2,75) [224]. In einer niederländischen Kohorte lag das relative Risiko, innerhalb von 4 Jahren neue Syndesmophyten zu entwickeln, bei 5,0 (95%-CI 2,5–10,2) [222].

Auf den möglichen Einfluss von NSAR und Biologika auf die röntgenologische Progression wird in Abschn. 8.1.4 (NSAR) und 8.4.2 (Biologika) noch näher eingegangen.

Die LWS und Brustwirbelsäule (BWS) werden in der Regel in 2 Ebenen geröntgt (a.-p. und lateral), wohingegen zur Beurteilung von strukturellen Läsionen in der HWS oft eine seitliche Aufnahme ausreicht. Die Indikation, welcher Abschnitt der Wirbelsäule geröntgt wird, ergibt sich aus der klinischen Beurteilung. Hierbei ist zu beachten, dass bei einigen Patienten nicht ausschließlich der Schmerz im Vordergrund stehen muss, sondern der behandelnde Arzt kann z. B. bei einer Zunahme der Funktionseinschränkung auch ohne begleitende Schmerzsymptomatik eine Röntgenuntersuchung veranlassen. Eine Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule ist in der Regel nicht häufiger als alle 2 Jahre indiziert [225]. Dies liegt zum einen an dem im Mittel geringen Progress bei den AS-Patienten und der begrenzten Sensitivität für Veränderungen der Scoring-Methoden sowie der kumulativen Strahlenexposition bei diesen zum Teil relativ jungen Patienten.

Für die Quantifizierung struktureller Veränderungen der Wirbelsäule sind 3 verschiedene Scores entwickelt worden, die aber lediglich im wissenschaftlichen Kontext ihre Berechtigung haben und deshalb hier nicht einzeln aufgeführt werden [226,227,228,229].

6.1.1.2.1 Differenzialdiagnose der Wirbelsäulenveränderung im Röntgenbild.

Als Differenzialdiagnose müssen Spondylophyten als morphologisch führendes Bild degenerativer Veränderungen von den Knochenanbauten im Rahmen einer SpA abgegrenzt werden. In einer niederländischen Untersuchung zeigte sich innerhalb der SAPCE-Kohorte (junge Patienten mit chronischen Rückenschmerzen hinweisend auf eine SpA) eine hohe Prävalenz an degenerativen Wirbelsäulenveränderungen (zwischen 50 und 90 % für verschiedene Degenerationen) [230]. Spondylophytäre Veränderungen können im Rahmen eines DISH-Syndroms bestehen, wobei multiple benachbarte Wirbelsegmente durch überschießende ventrale Ossifikationen überbrückt sind, häufig an der unteren HWS und der gesamten BWS. Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis wie SAPHO-Syndrom, Morbus Paget sowie Psoriasisarthritis sind in der differenzialdiagnostischen Abklärung von Knochenneubildungen der Wirbelsäule zu bedenken.

6.1.1.3 Erfassung der Knochendichte und Erfassung von Wirbelkörperdeformitäten.

Die Prävalenz von Frakturen der Wirbelsäule ist bei Patienten mit AS erhöht (s. Abschn. 3.1.1.4) [48,49,50, 52]. Die Erfassung von stärkeren Schmerzen in der Wirbelsäule und von plötzlichen Veränderungen im Krankheitsverlauf ist daher wichtig und sollte Anlass für eine Abklärung geben. Zum Nachweis von Wirbelkörperdeformitäten sind verschiedene Verfahren entwickelt worden, wobei sich die Technik der Bildgebung und die Definition „Fraktur“ unterscheiden. Zwei Methoden sind bei postmenopausalen Frauen evaluiert worden: die radiologische Wirbelkörpermorphometrie (MRX) und eine Wirbelkörpermorphometrie auf der Basis einer DXA-Messung (MXA). Beide Verfahren sind in einer Studie an 30 AS-Patienten getestet worden [231]. Die Ergebnisse beider Methoden sind auf einem globalen Level vergleichbar, nicht jedoch, wenn einzelne Wirbelkörper miteinander verglichen werden.

Die Messung der Knochendichte kann durch das Vorhandensein von Syndesmophyten verfälscht sein, weshalb die Messwerte der LWS mit Vorsicht interpretiert werden müssen. Schwedische Kohortendaten zeigen, dass sich die Knochendichte bei AS-Patienten zwischen Hüfte und LWS unterscheidet und an der Hüfte deutlich niedrigere Messwerte vorliegen [51].

6.1.2 MRT

Die Magnetresonanztomographie (MRT) dient vor allem der Diagnostik früher und aktiver Entzündungsstadien. Die Entzündung kann in der Wirbelsäule, den SI-Gelenken, peripheren Gelenken oder extraartikulären Strukturen wie Sehnenansätzen (Enthesen) dargestellt werden. Die MRT-Technik erlaubt auch die Erfassung von bestimmten strukturellen Veränderungen wie lokalen Verfettungen; Knochenneubildungen oder Erosionen sind ebenfalls sichtbar. Die Erfassung struktureller Veränderungen in der MRT ist mit den derzeit verbreiteten Standardverfahren jedoch deutlich schlechter standardisiert. Neuere Untersuchungen zeigen, dass im Vergleich zur CT-Untersuchung (Goldstandard in der Erfassung struktureller Läsionen) mit der MRT mehr und zuverlässiger Erosionen in den SIG erfasst werden können als in der konventionellen Röntgenuntersuchung [232].

Es gibt insgesamt 4 MRT-Techniken, die sowohl in der klinischen Praxis als auch bei klinischen Studien eingesetzt werden. Grundsätzlich muss bei pathologischen Befunden zwischen entzündlichen und strukturellen bzw. chronischen Veränderungen unterschieden werden. T1-gewichtete Spinechosequenzen werden eingesetzt, um strukturelle Veränderungen zu erfassen. Dabei zeigt sich das Fettmark als hyperintense Struktur, wodurch gut zwischen verschiedenen anatomischen Strukturen differenziert werden kann. Entzündliche Veränderungen können entweder mit T2-gewichteten fettsupprimierten Sequenzen (T2/FSE), mit „short-tau inversion recovery“ (STIR) oder mit T1-gewichteten fettsupprimierten Sequenzen nach Gabe von Kontrastmittel (normalerweise Gadolinium (auch Gadopentetat-Dimeglumin [T1/Gd]) genannt) dargestellt werden. Diese letzten 3 MRT-Techniken zeigen die entzündlichen Läsionen als hyperintense Strukturen, wobei sich normales Knochenmark als hypointense Struktur darstellt. Die T2/FS- und die STIR-Sequenz sind sensitiv für die Erfassung von Flüssigkeit, sodass auch pathologische Flüssigkeit, wie z. B. beim Knochenmarködem, als hyperintenses Signal dargestellt wird. Die T1/Gd-Sequenz zeigt entzündliche Läsionen als hyperintenses Signal. Hierbei führt die vermehrte Vaskularisierung im Falle von Entzündung zu einer Diffusion von Kontrastmolekülen in das Interstitium. Es kann keine Präferenz für oder gegen STIR und T1-Sequenz mit Kontrastmittel gegeben werden, da beide Sequenzen entzündliche Areale adäquat abbilden [233, 234]. Die Kontrastmittelgabe ist aber teurer und hat keinen eindeutigen Vorteil gegenüber der STIR-Technik [233].

Ein in der klinischen Praxis häufig benutztes MRT-Protokoll beinhaltet eine sagittale T1- sowie eine sagittale STIR-Sequenz mit einer Bildmatrix von 512 Pixel und einer Schichtdicke von 3–4 mm. Üblicherweise werden 1,5-T-MRT-Geräte für die Untersuchung dieser Patienten benutzt, neuere Geräte mit höheren Feldstärken sind ebenfalls einsetzbar.

Die (experimentelle) Ganzkörper-MRT wird bei Patienten mit AS/SpA eingesetzt, um verschiedene Pathologien (Spondylitis, Enthesitis, Arthritis) multilokulär zeitgleich abzubilden. Somit können die gesamte WS inklusive SI-Gelenken, die Hüft- und Schulterregion sowie die vordere Thoraxapertur untersucht werden [235, 236]. Für die SI-Gelenke und die Wirbelsäule liegt eine sehr gute Korrelation zwischen Ganzkörper-MRT und konventioneller MRT-Untersuchung vor [237, 238].

6.1.2.1 MRT der Sakroiliakalgelenke.

Für die SI-Gelenke wird eine Schnittführung in schräg koronarer Schicht (parallel zu einer Linie, die den oberen dorsalen Anteil von S1 und S3 tangiert) empfohlen. Die Erfassung von pathologischen MRT-Veränderungen in den SI-Gelenken ist bei Patienten mit früher SpA von großer Bedeutung, da bis zur Ausbildung von strukturellen, im konventionellen Röntgenbild sichtbaren Veränderungen zum Teil Jahre vergehen können, entzündliche Veränderungen in den SI-Gelenken jedoch schon frühzeitig darstellbar sind. Die durch MRT erfassten entzündlichen Veränderungen korrelierten in einer Untersuchung aus Deutschland gut mit dem histologischen Nachweis von entzündlichen Zellinfiltraten [239]. In einer aktuellen Studie aus China wurde die gute Korrelation aber wieder infrage gestellt. Hier lag die Sensitivität nur bei 37,7 % [240].

Entzündliche Aktivität in den SI-Gelenken findet man bei MRT-Untersuchungen von Patienten mit Sakroiliitis auf dem Boden einer SpA in allen Stadien unabhängig von der Krankheitsdauer und vom Ausmaß der bereits stattgehabten strukturellen Veränderungen [241]. Es gibt verschiedene Vorschläge, wie MRTs der SI-Gelenke systematisch ausgewertet und die Veränderungen quantitativ erfasst werden können. Alle Methoden sind nicht validiert, und es gibt keine vergleichenden Studien [242,243,244,245]. Im Wesentlichen erfolgt die Graduierung aktiv entzündlicher und chronisch struktureller Läsionen bezogen auf 4 Quadranten pro SI-Gelenk.

Die ASAS/OMERACT-Gruppe MRT hat als Zeichen einer aktiven Entzündung in den SI-Gelenken folgende Pathologika definiert [234]:

  • Knochenmarködem: Typischerweise liegt das Knochenmarködem periartikulär und subchondral. Zur Bewertung einer aktiven Entzündung sollte es obligat vorhanden sein.

  • Synovitis, Enthesitis oder Kapsulitis: Wenn diese Veränderungen alleine ohne subchondrales Knochenmarködem bestehen, ist dies vereinbar mit, aber nicht ausreichend für die Diagnosestellung einer aktiven Sakroiliitis.

Als Zeichen chronischer Veränderungen in den SI-Gelenken gelten:

  • Erosionen: Diese befinden sich an der Knorpel-Knochen-Grenze und stellen ein wichtiges Merkmal zur Diagnose der SpA dar.

  • Subchondrale Sklerose: Sie kann sowohl bei Patienten mit SpA als auch bei Gesunden vorkommen.

  • Fettmetaplasie: Sie gilt als Zeichen einer abgelaufenen Entzündung.

  • Ankylose oder Knochenbrücken: Sie können so stark ausgebildet sein, dass das SIG komplett durchbaut ist.

Zurzeit wird diskutiert, ob chronische Veränderungen in der MRT-Untersuchung allein oder in Kombination mit akut-entzündlichen Veränderungen für die Diagnose einer Sakroiliitis als Hinweis auf eine SpA mit verwendet werden sollten. Erosionen und Fettmetaplasie scheinen in der Beurteilung bei Patienten mit SpA eine wichtige Rolle zu spielen. Fettmetaplasie im SIG ist ein spezifisches Zeichen für axSpA, jedoch nur wenig änderungssensitiv [246]. Die diagnostische Aussagekraft von Erosionen ist aber nicht vollständig klar, insbesondere wenn es sich um geringe Veränderungen und um einzelne Läsionen handelt [247]. Eine aktuelle Fall-Kontroll-Studie kommt zu dem Schluss, dass die Kombination Sakroiliitis plus Erosion die Sensitivität erhöht ohne Reduktion der Spezifität [248]. In einer kürzlich publizierten Studie aus der Charité Berlin konnte gezeigt werden, dass die MRT der SIG dem Röntgen im Vergleich zur CT in der Detektion struktureller Veränderungen am SI-Gelenk überlegen ist [232].

6.1.2.1.1 Diagnostischer Nutzen von MRT der SI-Gelenke.

Der diagnostische Nutzen einer MRT-Untersuchung der SI-Gelenke ist sehr hoch. Allerdings ist die Angabe von Sensitivität und Spezifität sowie positiver und negativer LR problematisch, da ein Goldstandard, gegen den die MRT getestet werden kann, fehlt. In einer kanadischen Studie wurde der diagnostische Nutzen einer MRT der SI-Gelenke bei 187 geschlechts- und altersgematchten Gruppen untersucht [249]. Die Spezifität der MRT der SI-Gelenke bei Patienten mit gesicherter AS lag zwischen 94 und 99 % und die Sensitivität zwischen 83 und 99 %. Die positive und negative LR lag bei 44,6 bzw. 0,10. Die Spezifität der MRT der SI-Gelenke bei Patienten mit entzündlichem Rückenschmerz schwankte zwischen 94 und 99 %, die Sensitivität lag niedriger bei 48–52 %. Die positive und negative LR lag bei 46,0 bzw. 0,50. Die Autoren fanden, dass die zusätzliche Beurteilung und Miteinbeziehung von Erosionen in den Gesamtscore zusätzlich zum alleinigen Knochenmarködem die diagnostische Aussage erhöhen können. Durch Hinzunahme der Erosionen konnten sie die Sensitivität von 67 auf 81 % steigern bei gleichbleibender hoher Spezifität (von 88 %). Zusätzlich erhöhte das Nebeneinander von akuten entzündlichen Veränderungen und bereits strukturellen Veränderungen als Folge früherer Entzündungen die diagnostische Sicherheit der MRT der SI-Gelenke [250].

6.1.2.1.2 Indikation zur MRT der SI-Gelenke.

Erstdiagnostik: Bei einem Verdacht auf eine axiale SpA und unauffälligem Röntgenbild der SI-Gelenke sollte zunächst eine MRT-Untersuchung der SI-Gelenke mit Entzündungssequenz durchgeführt werden, unabhängig von der Lokalisation des Rückenschmerzes. In den Studien wird über eine Häufigkeit eines positiven MRT-Befundes bei Patienten mit einem Verdacht auf SpA zwischen 26 und 85 % berichtet [2, 188]. Es liegt keine signifikante Korrelation zwischen dem Ausmaß der akuten Entzündung und klinischen Parametern vor. Das Vorhandensein eines Knochenmarködems korrelierte nicht mit der Einnahme von NSAR [244]. Das Ausmaß der Entzündung in den SI-Gelenken ist bei HLA-B27-positiven Patienten größer [244, 251]. In einer britischen Studie konnte gezeigt werden, dass bei Patienten mit entzündlichem Rückenschmerz die Kombination von HLA-B27 mit einer ausgeprägten Sakroiliitis eine hohe Spezifität für die Entwicklung einer AS aufwies (positive LR 8,0; Spezifität 92 %) [252]. Bei Patienten mit gering ausgeprägter Sakroiliitis lag unabhängig vom HLA-B27-Status eine geringe Wahrscheinlichkeit vor, eine AS zu entwickeln.

Im Verlauf: In der Literatur werden nur wenige Studien mit Verlaufsuntersuchungen der MRT der SI-Gelenke sowohl bei axialer SpA als auch bei AS-Patienten vorgestellt [244, 245, 251]. Es kann keine sichere Aussage darüber getroffen werden, wie sich in der MRT nachweisbare Veränderungen in den SI-Gelenken im zeitlichen Verlauf verhalten. In einer dänischen Beobachtungsstudie bei Patienten mit axialer SpA, die die ESSG-Kriterien erfüllten, nahmen die Veränderungen, insbesondere der chronischen SIG-Veränderungen, über den beobachteten Zeitraum (im Mittel Folgeuntersuchung nach 51 Monaten) zu; allerdings wurde keine Aussage über mögliche Begleittherapien gemacht [251]. Innerhalb des 2‑jährigen Beobachtungszeitraumes entwickelten 61 % der Patienten eine AS. Diese Progressionsrate ist als hoch bzw. erhöht einzuschätzen. In einer britischen Beobachtungsstudie zeigte sich bei Patienten mit entzündlichen Rückenschmerzen (90 % erfüllten ESSG-Kriterien) eine geringe Abnahme des Knochenmarködems über den beobachteten Zeitraum von 12 Monaten. Die Patienten hatten in der Mehrzahl eine NSAR-Therapie erhalten, 20 % der Patienten waren neu auf Sulfasalazin eingestellt worden [244]. In beiden Studien waren das Auftreten und das Ausmaß der Entzündung bei HLA-B27-positiven Patienten größer. In einer neueren Studie aus Dänemark zeigte sich, dass sich unter einer 12-wöchigen Therapie mit Adalimumab das Ausmaß der Sakroiliitis stärker im Vergleich zur Plazebomedikation zurückbildete (Verum: Berlin Score: −62 %, SPARCC Score: −58 %, Plazebo: Berlin Score: −5 %, SPARCC Score: −12 %) [253].

6.1.2.1.3 Differenzialdiagnose der Sakroiliitis in der MRT.

In die Betrachtung müssen septische Sakroiliitiden, (Insuffizienz‑)Frakturen, Knochentumoren oder eher degenerative Veränderungen wie bei Osteitis condensans ilii (Hyperostosis triangularis) mit einfließen. SpA-typische Veränderungen finden sich in der Regel innerhalb der anatomischen Grenzen und sind auf den Knochen und die SI-Gelenke limitiert.

In den Studien, die Aussagen zu Sensitivität und Spezifität der MRT bei SpA machen, ist bei ansonsten fehlendem „Goldstandard“ als Vergleichsmethode die Bestätigung der Diagnose durch einen Rheumatologen als Goldstandard mit den MRT-Ergebnissen verglichen worden. Daher wird die Evidenz nach den Oxford-Kriterien mit 1B bewertet, sofern die anderen Studiencharakteristika auf eine gute Methodik hinweisen.

6.1.2.2 MRT der Wirbelsäule.

Die MRT-Untersuchung der Wirbelsäule erfasst unterschiedliche Pathologien in verschiedenen bei AS betroffenen Wirbelsäulenstrukturen wie den Wirbelkörpern, den Bandscheiben und den Ligamenten und Sehnenansätzen in axialen, sagittalen und koronaren Schnittbildern. Dabei werden in der täglichen Praxis die sagittalen Schnittbilder als wichtig angesehen. Wie auch in den SI-Gelenken wird bei der Erfassung pathologischer Veränderungen in der Wirbelsäule bei Patienten mit SpA zwischen entzündlichen und strukturellen/chronischen Veränderungen unterschieden. Die Veränderungen treten in allen Regionen der Wirbelsäule auf; die untere BWS ist jedoch bevorzugt sowohl von entzündlichen (45–75 %) als auch von chronischen Veränderungen (60 %) betroffen [254, 255].

Die in der Wirbelsäule am häufigsten vorkommenden pathologischen Veränderungen sind die Spondylitis anterior und posterior, die (abakterielle) Spondylodiszitis (Andersson-Läsion) und die Arthritis/Enthesitis der Kostovertebral- und Kostotransversalgelenke sowie der Zygoapophysealgelenke [255]. Eine pathologische Signalanhebung (als Zeichen entzündlicher Veränderung) in den STIR- oder T1/Gd-Sequenzen, interpretiert als Knochenmarködem oder Osteitis, entspricht in histopathologisch untersuchten Zygoapophysealgelenken von AS-Patienten dem Befund entzündlicher Zellinfiltrate [256]. Allerdings zeigte diese Studie auch, dass die MRT nicht immer sensitiv genug ist, Bereiche mit geringer Entzündungsaktivität in der Wirbelsäule sichtbar zu machen.

Entzündliche Veränderungen finden sich besonders häufig an den Wirbelkörperecken – die sog. Spondylitis anterior und posterior. Solche entzündliche Läsionen repräsentieren das Vorliegen eines Knochenmarködems bzw. einer Osteitis, sie können als Zeichen einer Enthesitis angesehen werden [257]. Nachdem in der Vergangenheit überwiegend die anterioren Anteile der Wirbelkörperecken im Fokus standen, zeigen neuere Studien, dass die posterioren Anteile genauso häufig betroffen sind [258, 259]. Wenn sich die entzündlichen Areale im posterioren Anteil der Wirbelsäule (also Facettengelenke und Kostovertebralgelenke) befinden, ist die diagnostische Aussagekraft hoch (LR 14,5) [259].

Entzündliche Veränderungen, welche die Wirbelkörperkanten und die Bandscheiben betreffen, werden (abakterielle) Spondylodiszitis oder Andersson-Läsion genannt [260]. Solche Veränderungen kommen zwar bei weniger als 10 % der Patienten mit AS vor, bieten jedoch differenzialdiagnostische Schwierigkeiten [261]. In der STIR-Sequenz zeigen sie sich als hyperintenses Signal in der Bandscheibe und in einer oder beiden angrenzenden Wirbelkörper. In der Differenzialdiagnose muss auch an bakterielle Ursachen, wie z. B. Tuberkulose, oder an mechanische Ursachen wie die erosive Osteochondrosis intervertebralis gedacht werden.

Der Stellenwert chronischer Veränderungen in der Wirbelsäule wie Erosionen, Fettablagerungen und Syndesmophyten oder Ankylose ist bei Patienten mit axialer SpA nicht gut untersucht. Es gibt lediglich eine (retrospektive) Studie, die Aussagen zum diagnostischen Nutzen chronischer Veränderungen in der WS macht [262]. Es wiesen 31 % der Patienten mit früher SpA in dieser Kohorte chronische Veränderungen im Sinne einer Romanus-Läsion mit fettiger Degeneration auf. Die Mehrheit der Läsionen war in der BWS zu finden (60 %). In der Erfassung chronischer Veränderungen ist die MRT den konventionellen Röntgenbildern nicht überlegen [263].

Für die Erfassung entzündlicher Veränderungen der Wirbelsäule sind 3 verschiedene Scores entwickelt worden [264,265,266,267]. Da die Erfassung chronischer Läsionen schwieriger ist, gibt es lediglich Vorschläge für eine Quantifizierung [263]. Alle 3 Methoden zur Analyse von entzündlichen Veränderungen sind sowohl als zuverlässig und übertragbar als auch als sensitiv gegenüber Veränderung unter Therapie geprüft worden [268]. Auf Grundlage der Daten kann keine Methode priorisiert werden. Da die Scores im klinischen Alltag keine Rolle spielen, werden sie hier nicht gesondert aufgeführt.

Die Korrelation zwischen dem Ausmaß entzündlicher Läsionen in der MRT und der klinischen Krankheitsaktivität ist relativ niedrig [75, 269, 270]. Daher sollen häufige Wiederholungen von MRT-Untersuchungen vermieden werden – das gilt vor allem, wenn bereits negative Befunde vorliegen.

Es gibt nur wenig Übereinstimmung zwischen dem Ausmaß chronischer Veränderungen in der MRT und dem Ausmaß struktureller Veränderungen im konventionellen Röntgenbild [263, 271]. Dies beruht hauptsächlich auf der Tatsache, dass Syndesmophyten in der MRT nur schwer zu erkennen sind und andererseits in der MRT sichtbare Fettablagerungen nicht im konventionellen Röntgenbild dargestellt werden.

6.1.2.2.1 Diagnostischer Nutzen der MRT der Wirbelsäule.

Für den Nachweis entzündlicher Areale in einer MRT der Wirbelsäule ist ein zusätzlicher diagnostischer Nutzen anzunehmen. Je mehr entzündete Areale in der Wirbelsäule vorliegen, umso höher ist die diagnostische Aussagekraft. In einer prospektiven Studie, die nach Geschlecht und Alter gematcht war, zeigten sich eine Sensitivität der MRT der Wirbelsäule bei AS-Patienten von 69 % und eine Spezifität von 94 % mit einer positiven LR von 12,0 [235]. In der Gruppe der Patienten mit entzündlichem Rückenschmerz lagen die Sensitivität bei 32 %, die Spezifität bei 96 % und die positive LR bei 8,0. In dieser Studie fand sich bei 26 % (9/35) gesunden Individuen mindestens eine entzündliche Läsion, allerdings bei nur 5 % (2/35) mehr als 2 entzündliche Läsionen. Zeigten die entzündlichen Areale noch ein besonders intensives hyperintenses Signal und handelte es sich um jüngere Patienten, sind diese Befunde wegweisend für die Diagnose einer axialen SpA [252].

Der diagnostische Nutzen chronischer Veränderungen ist im Vergleich zum diagnostischen Nutzen entzündlicher Areale geringer. Die diagnostische Aussagekraft von Fettläsionen an der Vorderkante der Wirbelkörper wird mit einer positiven LR von 4,7 angegeben [262].

Der diagnostische Nutzen einer MRT der Wirbelsäule in Kombination mit einer MRT der SIG im Rahmen einer Diagnosesicherung bei nr-axSpA-Patienten wird als gering angesehen [272].

Die ASAS/OMERACT MRT-Gruppe hat als Zeichen einer aktiven Entzündung in den SI-Gelenken folgende Pathologika definiert [273]:

  • Veränderungen, hinweisend auf entzündliche Läsionen:

    • anteriore/posteriore Spondylitis,

    • Spondylodiszitis,

    • Arthritis der Kostovertebralgelenke,

    • Arthritis der zygoapophysealen Gelenke,

    • Enthesitis der Bandstrukturen der Wirbelsäule;

  • Veränderungen, hinweisend auf strukturelle Läsionen:

    • fettige Degeneration,

    • Erosionen,

    • Syndesmophyten,

    • Ankylose.

Gemäß diesem Konsensuspapier gelten die anteriore/posteriore Spondylitis und die fettige Degeneration als besonders charakteristische Veränderungen. Die Definition einer „positiven MRT“, welche hinweisend auf eine spinale Manifestation der SpA ist, ist erfüllt, wenn an mehr als 3 Lokalisationen eine anteriore/posteriore Spondylitis vorliegt.

6.1.2.2.2 Indikation der MRT der Wirbelsäule.

Bei Patienten mit Verdacht auf eine Wirbelsäulenbeteiligung im Rahmen der axialen SpA sollte eine MRT-Untersuchung der Wirbelsäule mit Entzündungssequenz durchgeführt werden. Die MRT der Wirbelsäule ist die zentrale Untersuchungsmethode für die Feststellung der Lokalisation und des Ausmaßes entzündlicher Veränderungen, insbesondere im Bereich der Wirbelkörper, aber auch der angrenzenden Strukturen.

Neben der Möglichkeit der Lokalisation entzündlicher Areale, kann das Ausmaß der Entzündung zur Vorhersage eines therapeutischen Ansprechens genutzt werden. Besteht eine ausgedehnte Entzündung in der Wirbelsäule, spricht dies für eine gute Ansprechwahrscheinlichkeit auf eine TNFi-Therapie [274]. Das Ausmaß der Entzündung (auch CRP) und die (Kürze der) Krankheitsdauer waren statistisch signifikante Prädiktoren für ein mindestens 50%iges Ansprechen auf eine TNFi-Therapie in Woche 12 der Behandlung. Unter einer TNFi-Therapie kann schon nach 6 Wochen eine Verbesserung der Wirbelsäulenentzündung nachgewiesen werden [275,276,277,278]. Es hat sich jedoch gezeigt, dass entzündliche Veränderungen in der Wirbelsäule trotz TNFi-Therapie oft nicht vollständig verschwinden. Bei ca. 30–40 % der Patienten mit AS verbleiben entzündliche Restzustände [278]. In der klinischen Routine ist eine Kontrolle der entzündeten Areale mittels MRT wegen fehlender Konsequenzen zum jetzigen Zeitpunkt als nicht sinnvoll zu erachten.

Ein positiver Einfluss einer NSAR-Therapie auf die entzündlichen Läsionen in der WS ist bisher nicht nachgewiesen. Es gibt eine kleine offene Studie über 6 Wochen mit Etoricoxib, welche eine MRT-Messung der Wirbelsäule in Woche 0 und 6 umfasst (allerdings ohne Kontrollgruppe) [279]. Innerhalb dieser kurzen Zeit hatten sich keine Veränderungen in den entzündlichen Arealen der Wirbelsäule dargestellt. Diese Patienten waren jedoch schon klinisch NSAR-Versager bei Studieneinschluss.

Bei Patienten mit Verdacht auf eine Wirbelfraktur sollte unverzüglich eine entsprechende Bildgebung veranlasst werden. Diese kann neben einer MRT-Untersuchung der Wirbelsäule auch eine Röntgendarstellung bzw. Computertomographie des entsprechenden Wirbelsäulenabschnittes umfassen. Die entsprechenden Details werden in Abschn. 3.1.1.4 und 8.6.3 dargestellt.

6.1.2.2.3 Differenzialdiagnose.

Zu den wichtigsten Differenzialdiagnosen pathologischer MRT-Befunde gehören im Bereich der Wirbelsäule physiologisch vorkommende kleine dorsoventral verlaufende Gefäße und Hämangiome. Blutgefäße können vor allem dorsalseitig der Wirbelkörper gefunden werden und ein hyperintenses Signal in STIR oder T1/Gd aufweisen. Hämangiome unterscheiden sich von entzündlichen Läsionen hauptsächlich durch ihre Form und Lage (rund, gut abgegrenzt, in der Mitte des Wirbelkörpers).

Insgesamt gibt es wenige Daten zur Spezifität unterschiedlicher MRT-Läsionen im Rahmen der Differenzialdiagnose zwischen SpA und anderen Erkrankungen des Achsenskeletts. Im Bereich der Wirbelsäule können die im Röntgenbild als Andersson-Läsionen bezeichneten Auffälligkeiten im Frühstadium leicht mit Modic-I-Läsionen verwechselt werden. In ähnlicher Weise können ältere Andersson-Läsionen mit Modic-II-Läsionen verwechselt werden. Weiterhin gibt es bisher keine systematischen Untersuchungen über die Differenzierung zwischen aktivierter Facettengelenkarthrose bei degenerativen Wirbelsäulenbeschwerden und dem entzündlichen Befall dieser Gelenke bei Patienten mit axialer SpA. Das bedeutet, dass eine rein morphologische Differenzierung zwischen unterschiedlichen Diagnosen ohne Berücksichtigung der klinischen Symptome (aktuell und auch anamnestisch) anhand der MRT-Befunde allein oft nicht möglich ist.

6.1.3 Sonographie

Die Sonographie erlaubt die bildgebende Diagnostik entzündlicher Veränderungen am peripheren Skelettsystem und kann mit akzeptabler Sensitivität sowohl eine Arthritis als auch eine Enthesitis nachweisen. Allerdings ist die diskriminative Fähigkeit des Ultraschalls gerade bei Fersenschmerzen gering, da häufig positive Befunde auch bei Patienten ohne SpA vorkommen [280].

Zur Diagnostik der Arthritis sind viele kontrollierte Studien bei Patienten mit RA durchgeführt worden. Bei Patienten mit SpA gibt es keine Studien, die den diagnostischen Nutzen der Sonographie bei peripherer Arthritis untersuchen. Klinisch ist bei V. a. eine periphere Arthritis die Durchführung einer Arthrosonographie hilfreich zur Abklärung, ob ein Erguss oder eine Synovialitis detektiert werden kann. Auch bei unklaren Gelenkbeschwerden, insbesondere bei Patienten mit Hüftschmerzen, kann die Durchführung einer Arthrosonographie wertvolle Hinweise für die Genese der Beschwerden erbringen (z. B. Nachweis einer Arthritis oder Bursitis).

Für die Wirbelsäule können mittels Sonographie kaum Aussagen getroffen werden. In kleinen Studien wurden kürzlich SI-Gelenke bewertet [281, 282]. Da bislang nur wenige Patienten unter kontrollierten Bedingungen untersucht worden sind, erfolgt hier noch keine Bewertung dieser neuen Methode.

Die Sonographie ist hilfreich im Aufdecken einer enthesialen Beteiligung bei SpA-Patienten und sensitiver als die klinische Untersuchung [35, 283]. Die Sensitivität der Sonographie wird bei Patienten mit SpA zwischen 55,7 und 76,5 % angegeben und die Spezifität zwischen 81,3 und 89,5 % [284, 285]. Die Hypervaskularisation im Bereich von Sehnenansätzen mittels Power-Doppler-Signal von mindestens einem Sehnenansatz hat die höchste diagnostische Aussagekraft (positive LR 4,1 [OR 14,1; p < 0,0001]), negative LR 0,2 [284, 286]. Allerdings zeigt sich keine Korrelation zwischen im US dokumentierter Enthesitis und klinischer Krankheitsaktivität sowie bildmorphologisch nachgewiesener Sakroiliitis, wie in der Frühkohorte DESIR gezeigt werden konnte [287].

6.1.4 Szintigraphie

Der diagnostische Nutzen einer Szintigraphie ist bei Patienten mit axialer SpA gering [288, 289]. Die Sensitivität wurde für Patienten mit AS mit 51,8 % und für Patienten mit möglicher Sakroiliitis mit 49,4 % angegeben. Die Spezifität lag für eine beidseitige Sakroiliitis bei 57,7 %, für einseitige Sakroiliitis bei 92,8 % und insgesamt für Sakroiliitis (ein- oder beidseitig) bei 50,5 %. Somit war die positive LR der Szintigraphie für Sakroiliitis nur 1,3.

6.1.5 Computertomographie

Die Computertomographie (CT) kann zur Beurteilung von strukturellen Veränderungen in den SI-Gelenken eingesetzt werden. Eine KM-Applikation ist in der Regel nicht erforderlich. In Kohorten mit definitiver AS wird die Sensitivität der CT zur Darstellung von postentzündlichen Strukturveränderungen bei Sakroiliitis mit 90 % angegeben [42]. Die CT ist besonders sensitiv für die Detektion von Erosionen, Ankylose und Fusionen. In Kohorten mit V. a. eine axiale SpA wird die Sensitivität allerdings nur mit 49 % angegeben bei allerdings hoher Spezifität zwischen 73 und 96 % (je nach untersuchter Vergleichsgruppe [Kontrollen oder mechanischer Rückenschmerz]) [42, 290]. Die gegenüber konventionellen Röntgenuntersuchungen höhere Strahlenexposition sollte bei der Indikationsstellung berücksichtigt werden. Eine kleine kontrollierte Studie zur PET/CT lässt keine Aussagen hinsichtlich der diagnostischen Aussagekraft zu [291].

Empfehlung/Statement

6-1

Bei Patienten mit Verdacht auf axiale Spondyloarthritis sollte eine Bildgebung der Sakroiliakalgelenke erfolgen. Abhängig von der Symptomdauer und unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht kann eine konventionelle Röntgenuntersuchung (Beckenübersicht) oder eine MRT-Untersuchung der Sakroiliakalgelenke mit Entzündungssequenz (STIR und/oder T1 nach Kontrastmittelgabe) erfolgen. Insbesondere bei jüngeren Erwachsenen mit kurzer Symptomdauer sollte die MRT bevorzugt werden.

Empfehlungsgrad: –

Evidenz: Expertenkonsens

6-2

Wenn strukturelle knöcherne Läsionen (Syndesmophyten) an der Wirbelsäule z. B. zur Beurteilung der Prognose erfasst werden sollen, sollte eine Röntgenuntersuchung des betroffenen WS-Abschnitts erfolgen.

Empfehlungsgrad: –

Evidenz: Expertenkonsens

6-3

Röntgenuntersuchungen der Wirbelsäule im Krankheitsverlauf sollten nicht routinemäßig, sondern bedarfsorientiert erfolgen.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 1+

6-4

Bei Patienten mit unauffälligem Röntgenbild der SI-Gelenke und mit starkem Verdacht auf eine axiale Spondyloarthritis soll eine MRT-Untersuchung der SI-Gelenke mit Entzündungssequenz (STIR und/oder T1 nach Kontrastmittelgabe) durchgeführt werden.

Empfehlungsgrad: A

Evidenz: 2b/3b

Kommentar:

Die Empfehlung wurde aufgrund der konsistenten Studienlage von einer „B“- auf eine „A“-Empfehlung hochgestuft. Da ein unabhängiger Referenzstandard für eine Diagnosestudie Level 1 fehlt, wird eine andere Studienqualität nicht möglich sein.

6-5

Bei Patienten mit gesicherter axialer SpA und Rückenschmerzen soll beschwerdeorientiert eine MRT-Untersuchung des betroffenen Abschnitts des Achsenskeletts mit Entzündungssequenz (STIRE, T1, KM) zum Nachweis entzündlicher Veränderungen in der Wirbelsäule durchgeführt werden.

Empfehlungsgrad: A

Evidenz: 2b/3b

Kommentar:

Die Empfehlung wurde aufgrund der konsistenten Studienlage von einer „B“- auf eine „A“-Empfehlung hochgestuft. Da ein unabhängiger Referenzstandard für eine Diagnosestudie Level 1 fehlt, wird eine andere Studienqualität nicht möglich sein.

6-6

Ist bei Verdacht auf eine periphere Enthesitis eine Bildgebung erforderlich, sollten eine Sonographie oder eine MRT der betroffenen Region durchgeführt werden.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 3b

6-7

Zur Diagnosestellung einer axialen SpA sollte die Szintigraphie nicht eingesetzt werden.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 2a

6-8

Unter strenger Indikation kann zum Nachweis von Fusionen und Erosionen oder zur Differenzialdiagnose eine CT-Untersuchung der SI-Gelenke indiziert sein.

Empfehlungsgrad: –

Evidenz: Expertenkonsens

6.2 Laborparameter

Der Stellenwert von HLA-B27 wird ausführlich im Abschn. 5.2.2.1 behandelt, da der Parameter ausschließlich bei der Diagnosestellung eine Rolle spielt und nicht zur Verlaufsuntersuchung herangezogen wird.

6.2.1 Entzündungsparameter

Nur ca. 40–60 % der Patienten mit axialer SpA weisen im Verlauf ihrer Erkrankung erhöhte CRP-Werte auf [74, 200, 292, 293]. Patienten mit einer AS haben tendenziell höhere CRP- und BSG-Werte als Patienten mit nr-axSpA [74]. Der Nachweis von strukturellen Veränderungen in den SI-Gelenken im konventionellen Röntgenbild ist bei Patienten mit erhöhten CRP-Werten häufiger (adjustierte OR 1,85; 95 %-CI 0,96–3,56 [p = 0,066]) [74]. In der deutschen Inzeptionskohorte konnte gezeigt werden, dass initial erhöhte CRP-Werte bei Patienten mit axSpA das Risiko einer Röntgenprogression erhöhen [215, 294, 295].

In einer Metaanalyse wurde die klinische Relevanz von verschiedenen CRP-Werten bei Patienten mit AS untersucht. Die Höhe des CRP korrelierte schwach positiv mit männlichem Geschlecht, Krankheitsaktivität (gemessen mit BASDAI) und Funktion (gemessen mit BASFI), alle p < 0,0001 [293]. Mit einem hochsensitiven Standard (hs-CRP) gemessene CRP-Werte korrelieren allerdings besser mit klinischen Parametern für Krankheitsaktivität [296]. Bei AS-Patienten wurde in dieser Studie eine signifikante Korrelation zwischen der Höhe des CRP und nächtlichen Rückenschmerzen (ρ = 0,3; p = 0,012) und bei nr-axSpA-Patienten eine signifikante Korrelation zwischen der Höhe des CRP und Druckschmerz bei Patienten mit Enthesitis gefunden (ρ = 0,2; p = 0,031). Die Relevanz des hochsensitiven CRP für die tägliche Praxis ist gegenwärtig noch unklar. Bei Patienten mit axSpA kann trotz normaler CRP-Werte gleichwohl eine aktive Erkrankung vorliegen – in diesen Fällen ist dann eine Bildgebung zielführender. In der oben zitierten Studie lag ein Trend für stärkere Schmerzen, mehr Steifigkeit und funktionelle Einbußen vor, wenn bei negativem CRP hohe hs-CRP-Konzentrationen vorlagen.

Zu beachten ist, dass die Höhe der CRP-Werte durch medikamentöse Therapie beeinflussbar ist. Sowohl NSAR als auch, deutlich stärker, TNFi führen zu einer Senkung des CRP. Der Effekt der NSAR auf die Höhe des CRP ist bei Patienten mit erhöhtem CRP stärker ausgeprägt. Das Ansprechen auf eine Therapie mit TNFi ist bei Patienten mit erhöhten CRP-Werten höher als bei Patienten mit normalen Werten (OR 2,8; 95 %-CI 1,3–5,7; adjustiert auf Alter und Geschlecht) [297].

Die Wertigkeit der BSG wurde bei Patienten mit SpA bisher nur in wenigen Studien untersucht. Die Studien zur Wertigkeit von BSG und CRP für die Patientenselektion und zur Überwachung von Patienten unter Therapie mit TNFi konnten keinen Vorteil für die Bestimmung der BSG gegenüber dem CRP nachweisen [297].

Es fehlen Studien, die untersuchen, wie häufig Entzündungsparameter bei Patienten mit axialer SpA bestimmt werden sollen. Die Häufigkeit der Untersuchung wird daher auf individueller Basis gewählt in Abhängigkeit von Symptomen, allgemeinem Gesundheitszustand des Patienten und von der Medikation.

In einzelnen Studien wird die diagnostische Wertigkeit von Calprotectin im Serum bei Patienten mit SpA untersucht [298]. Kleinere Kohortenstudien zeigen eine positive Korrelation zwischen erhöhten Calprotectin-Spiegeln und einer intestinalen Entzündung, wie dies bei Patienten mit gesicherter CED ja ebenfalls beschrieben ist [299]. Die Bestimmung des Calprotectins ist bei Patienten mit axSpA in der klinischen Routine nicht gebräuchlich. In die Bewertung des Calprotectin-Spiegels muss die Beeinflussung durch externe Faktoren (z. B. NSAR-Therapie) mit einfließen.

Empfehlung/Statement

6-9

Zur Erfassung und Überprüfung der Krankheitsaktivität bei Patienten mit axialer SpA sollten CRP und/oder BSG bestimmt werden.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 2b

Kommentar:

Es gibt keine Studien, die überprüfen, mit welcher Methode (Labor/MRT) die Krankheitsaktivität erfasst werden sollte.

7 Krankheitsaktivität und Prognose der SpA

Schlüsselfrage 5

  • Welche Fragen oder Maßnahmen eignen sich am besten zur Selektion/zur intensiveren Diagnostik/möglichen Überweisung von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen?

Da sich die Leitlinie sowohl an Ärzte der hausärztlichen Versorgung als auch an Rheumatologen richtet, stehen zur Beantwortung dieser Schlüsselfrage für den einzelnen Arzt jeweils andere Aspekte im Fokus. So sind z. B. Patienten mit hoher Krankheitsaktivität Kandidaten für eine intensivere Diagnostik und Überwachung – daher wird die Erfassung und Messbarkeit der Krankheitsaktivität in diesem Kapitel näher erläutert. Die Erläuterung der diagnostischen Maßnahmen findet sich im Abschn. 6.1 und 6.2. Zur Abschätzung des Risikos, einen schweren Krankheitsverlauf zu erleiden, eignen sich Prognosefaktoren, die (und deren Wertigkeit) im zweiten Abschnitt dieses Kapitels unter besonderer Berücksichtigung der röntgenologischen Progression vorgestellt werden.

Die Schlüsselfrage impliziert, dass auf das Stadium bzw. auf die Schwere der Erkrankung eingegangen werden soll. Allerdings ist hierbei grundsätzlich zu beachten, dass es keine internationale Übereinstimmung hinsichtlich einer Definition für die Schwere der Erkrankung („severity“) bei Patienten mit axialer SpA gibt.

7.1 Krankheitsaktivität

Mit dem Begriff Krankheitsaktivität wird das Ausmaß der entzündlichen Aktivität beschrieben. Das Ausmaß der entzündlichen Aktivität kann grundsätzlich sowohl durch die klinische Untersuchung als auch durch Laborparameter oder durch Bildgebung evaluiert werden. Zur Erfassung der Krankheitsaktivität stehen neben Ergebnissen der klinischen Untersuchung, der Bildgebung und der Labordiagnostik 2 validierte Messinstrumente zur Verfügung: zum einen der vom Patienten selbst auszufüllende BASDAI (Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index) und zum anderen der neu entwickelte ASDAS (Ankylosing Spondylitis Disease Activity Score), der auf einigen BASDAI-Fragen beruht und das CRP einschließt [67, 300].

7.1.1 Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index (BASDAI)

Der BASDAI gehört zu den Bath-Indizes (s. Abschn. 3.1.2.2.1). Der BASDAI erfasst die Krankheitsaktivität der Patienten, indem diese 6 Fragen nach Müdigkeit, Rückenschmerzen, Schmerzen in peripheren Gelenken und nach Morgensteifigkeit auf einer numerischen Ratingskala zwischen 0 und 10 beantworten [67, 301]. Der BASDAI hat einen Wert zwischen 0 (niedrige Krankheitsaktivität) und 10 (hohe Krankheitsaktivität). Die Übereinstimmung des Messinstrumentes zwischen verschiedenen Anwendern liegt zwischen 0,87 und 0,94 und ist damit ausreichend hoch. Eine klinisch wichtige Verbesserung (MCID = „minimum clinically important difference“) ist mit 1,0 schmal [302]. Zur Abgrenzung hoher und niedriger Krankheitsaktivität wurde willkürlich vor Jahren ein BASDAI von 4 festgelegt [303]. In der klinischen Anwendung ist die hohe intraindividuelle Variabilität des BASDAI-Summenscores zu berücksichtigen [304]. Nur ca. 30 % der Patienten mit AS haben auch eine periphere Arthritis (BASDAI-Frage 3) bzw. Enthesitis (BASDAI-Frage 4). Die Evaluation einer Mini-BASDAI-Version, bei der die Fragen 3 und 4 den Patienten nicht gestellt wurden, bot jedoch keine Vorteile gegenüber der herkömmlichen Version [305]. Die BASDAI-Summenwerte korrelieren gut mit Schmerzen und Steifigkeit [210]. Allerdings grenzt der BASDAI-Schwellenwert von 4 nicht zuverlässig Patienten mit viel und wenig Entzündung in der Wirbelsäule ab [270].

7.1.2 Ankylosing Spondylitis Disease Activity Score (ASDAS)

Der ASDAS wurde in Analogie zum DAS-28 der rheumatoiden Arthritis entwickelt – ein „zusammengesetztes Instrument, welches aus 3 von 6 BASDAI-Fragen (BASDAI 2 Rückenschmerz, BASDAI 3 Gelenkschwellung, BASDAI 6 Dauer Morgensteifigkeit) sowie dem CRP und dem Patientenglobalurteil besteht [300]. Bezüglich der CRP-Werte ist aufgrund einer Auswertung der DESIR Kohorte festgelegt worden, dass bei normwertigem CRP (bzw. hs-CRP <2 mg/l) mit einem Wert von 2,0 mg/l zu rechnen ist.“ [306]

Der ASDAS kann Werte zwischen 0 und 10 annehmen. Die Schwellenwerte wurden auf Datenbasis und per Expertenkonsensus definiert mit: <1,3 = inaktive Erkrankung bzw. Remission, 1,3–2,0 = niedrige, 2,1–3,4 = hohe und ≥3,5 = sehr hohe Krankheitsaktivität [307]. Eine klinisch wichtige Verbesserung (MCID) wurde mit ≥1,1 Punkten festgelegt, eine bedeutende Verbesserung („major improvement“) mit ≥2,0 Punkten [307]. Mit Anwendung des ASDAS kann gut zwischen hoher und niedriger Krankheitsaktivität differenziert werden [308,309,310]. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Patientenpopulation, die mit Schwellenwert BASDAI ≥4 oder ASDAS ≥2.1 erfasst werden, nicht deckungsgleich sind. Bei 568 Patienten mit einem BASDAI <4 aus dem REGISPONDER-Register hatten 210 Patienten einen ASDAS ≥2,1 und 16 Patienten einen ASDAS ≥3,5 [311]. Umgekehrt gab es jedoch keine Patienten mit einem BASDAI ≥4, die einen ASDAS <1,3 aufwiesen. Die diskriminatorische Kapazität des ASDAS unterscheidet sich nicht zwischen AS- und nr-axSpA-Patienten [312]. Wie auch bei anderen PRO dokumentiert, liegen die ASDAS Scores für Frauen höher als die für Männer, welches jedoch aufgrund der unterschiedlichen Beantwortung der BASDAI Fragen zustande kommt [313].

Daten der deutschen Kerndokumentation zeigen, dass der Anteil von Patienten mit hoher Krankheitsaktivität (BASDAI ≥4,0) von 37 % im Jahr 2000 auf 19 % im Jahr 2012 gesunken ist [314]. Parallel hierzu stieg der Anteil von Patienten mit guter Funktionsfähigkeit (FFbH ≥75) von 36 % im Jahr 2000 auf 49 % im Jahr 2012.

7.2 Prognosefaktoren

Eine Vielzahl von Prognosefaktoren, die mit einem ungünstigen Verlauf assoziiert sind, ist für Patienten mit AS identifiziert worden. Allerdings wurden diese Faktoren überwiegend in retrospektiven Studien bzw. in Kohortenanalysen gefunden. Von den verschiedenen Faktoren ist die röntgenologische Progression am intensivsten untersucht worden. Des Weiteren wird im Abschn. 10 die Bedeutung des Rauchens als Prognosefaktor im Detail erläutert.

Prognostisch ungünstige Faktoren bei Patienten mit AS sind [70, 215, 224, 315,316,317,318,319,320]:

  1. 1.

    männliches Geschlecht,

  2. 2.

    Syndesmophyten bei der Erstvorstellung,

  3. 3.

    früher Beginn und lange Krankheitsdauer,

  4. 4.

    Hüftgelenkbeteiligung,

  5. 5.

    erhöhtes CRP,

  6. 6.

    röntgenologische SI-Gelenk-Veränderungen in den ersten 2 Jahren,

  7. 7.

    erhebliche Sakroiliitis in der MRT bei der Erstvorstellung.

Darüber hinaus sind Einschränkungen der körperlichen Funktionsfähigkeit durch körperlich belastende Arbeit, durch die Anzahl an Komorbiditäten und durch die Erkrankungsdauer möglich [70]. Die Durchführung regelmäßiger Bewegungsübungen sowie eine gute soziale Unterstützung führen offenbar zu einer besseren körperlichen Funktionsfähigkeit [319].

Patienten mit ungünstigen Prognosefaktoren sollten adäquat überwacht werden, um die Therapie dem Krankheitsverlauf anpassen zu können. Generelle Empfehlungen sind hier nicht möglich, da nicht nachgewiesen worden ist, dass eine engmaschige Überwachung in Kenntnis der schlechten Prognosefaktoren das Outcome verbessert. Die Überwachung der Erkrankung sollte deshalb in Abhängigkeit vom aktuellen klinischen Zustand des Patienten erfolgen, und die Häufigkeit des Monitorings sollte individuell unter Berücksichtigung der klinischen Symptomatik, des Schweregrads der Erkrankung und der durchgeführten Behandlung erfolgen (s. Abschn. 8.1).

8 Therapien

Die Behandlung von Patienten mit axSpA zeichnet sich durch ein multimodales Behandlungskonzept aus (Abb. 3). Dies umfasst neben Schulungsmaßnahmen (Abschn. 10.1) insbesondere die Kombination von nichtpharmakologischen und pharmakologischen Maßnahmen (Abschn. 8.3 und 8.4) [21]. Im Laufe der Erkrankung können rehabilitative und invasive Maßnahmen wie Injektionen oder Operationen notwendig werden (Abschn. 8.7).

Abb. 3
figure 3

ASAS/EULAR-Empfehlung für die Behandlung der axialen Spondyloarthritis. (Publikation mit Genehmigung durch ASAS [www.asas-group.org])

Empfehlung/Statement

Die meisten Therapiestudien sind bei Patienten mit AS durchgeführt worden. Bei der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Gesamtgruppe der axialen SpA muss daher diskutiert werden, ob dadurch der Empfehlungsgrad automatisch reduziert werden sollte. Dies wurde von der Leitliniengruppe verneint, da es keine überzeugenden Hinweise darauf gibt, dass die therapeutischen Optionen bei Patienten mit axSpA im Gegensatz zu AS-Patienten schlechter wirken.

8-1

Das optimale Management für Patienten mit axialer SpA sollte eine Kombination aus nichtpharmakologischen und pharmakologischen Maßnahmen beinhalten.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 1b

Kommentar zu 8‑1:

Herabstufung der Empfehlung von Empfehlungsgrad „A“ auf „B“, da die Kombination der beiden Maßnahmen in den klinischen Studien nicht der primäre Endpunkt war.

8-2

Die Therapiemöglichkeiten von Patienten mit axialer SpA können auch operative Maßnahmen umfassen.

Empfehlungsgrad: Statement

Evidenz: –

8.1 Therapieziele

Schlüsselfrage 1

  • Welches sind die vorrangigen Therapieziele (z. B. Schmerzreduktion, Verhinderung der röntgenologischen Progression, Arbeitsfähigkeit, Funktionserhalt)?

Wichtige Ziele für Patienten mit SpA sind die Schmerzreduktion, der Erhalt der körperlichen Funktionsfähigkeit, Reduktion der Steifigkeit, die Verhinderung struktureller Läsionen und der Erhalt der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit. Ein Teil dieser Ziele kann systematisch erfasst werden (Tab. 9; [321, 322]).

Tab. 9 Möglichkeiten der systematischen Erfassung von Therapiezielen

An zentraler Stelle in der Behandlung von Patienten mit axialer SpA stehen die Reduktion der Krankheitsaktivität und das Erreichen einer klinischen Remission. Remission wird für die axiale SpA entweder durch eine Kombination klinischer Parameter („ASAS partial remission“: 4 Domänen [Schmerz, Funktion, Entzündung, Patientenurteil], kein Wert höher als 2 Einheiten) oder durch das Erreichen eines ASDAS-Schwellenwertes von <1,3 angegeben (s. Abschn. 7.1.2) [307, 323]. Prädiktoren für das Erreichen einer niedrigen Krankheitsaktivität bzw. Remission sind kurze Erkrankungsdauer, erhöhte Entzündungsparameter und erhaltene Funktionsfähigkeit [15, 324,325,326,327,328].

Die Verhinderung der röntgenologischen Progression in Gelenken und Wirbelsäule ist ebenfalls ein wichtiges Ziel in der Rheumatologie. Die Hemmung der röntgenologischen Progression ist im Gegensatz zum Effekt von Therapien auf das Entstehen von Erosionen bei der RA bei Patienten mit axialer SpA bisher noch nicht ganz überzeugend gezeigt worden.

Empfehlung/Statement

8-3

Die Therapie eines Patienten mit axialer SpA sollte immer wieder an den aktuellen Gesundheitszustand, die Auswirkungen der Behandlung und die gemeinsam vorab definierten Ziele angepasst werden (s. Präambel 2.5).

Empfehlungsgrad: –

Evidenz: Expertenkonsens

8-4

Die Behandlung sollte fortwährend an ein festgelegtes Therapieziel angepasst werden. Dieses wird zwischen Arzt und Patient festgelegt und kann im Krankheitsverlauf adaptiert werden. Dabei liegt für das Erreichen einer Remission/niedrigen Krankheitsaktivität die größte Evidenz vor.

Empfehlungsgrad: –

Evidenz: Expertenkonsens

8.2 Therapiestrategie

Schlüsselfrage 23

  • Wie wirken sich die verschiedenen Facetten der Erkrankung auf die Therapiestrategie aus?

Es gibt keine Studien, die verschiedene Therapiestrategien miteinander vergleichen.

8.3 Nichtpharmakologische Therapiemaßnahmen

Schlüsselfrage 15

  • Welche Effekte haben physiotherapeutische Verfahren, und welche Behandlungsmethode erzielt die besten Ergebnisse und mit welcher Intensität?

Schlüsselfrage 16

  • Welche Effekte haben Trainings- und Rehabilitationsprogramme?

Körperliche Aktivität stellt neben der gewöhnlich parallel laufenden medikamentösen Therapie eine wesentliche Säule im Behandlungskonzept der axialen SpA dar (Abb. 3). Dabei bezieht sich der Begriff „körperliche Aktivität“ sowohl auf die Steigerung der Alltagsaktivität, die sportliche Betätigung oder Durchführung physiotherapeutischer Maßnahmen. Ziele der Bewegungstherapie sind nicht nur der Erhalt der körperlichen Beweglichkeit und die Verminderung der Steifheit, sondern auch die Schmerzreduktion, eine verbesserte Haltung, Koordination, Sturzprophylaxe und der Erhalt der funktionalen Gesundheit (s. Abschn. 9). Dabei ist ein erklärtes Ziel der Therapie, an die Ressourcenpotenziale der Patienten anzuknüpfen. Es ist wichtig, den Patienten zu vermitteln, dass die Bewegungsübungen regelmäßig durchgeführt werden sollen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist es, den Patienten darauf hinzuweisen, dass Bewegung im Alltag ein essenzieller Aspekt der Behandlung ist. Die EULAR-Empfehlungen zur körperlichen Aktivität bei Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen fassen die wesentlichen Empfehlungen zusammen [329]. Die körperliche Aktivität sollte sich auf die Bereiche kardiorespiratorisches Training, Widerstandsübungen, Dehnungen und Stabilisationsübungen erstrecken. Vor dem Hintergrund von Komorbiditäten bei Patienten mit axialer Spondyloarthritis sollte der Gesundheitszustand des Patienten vor Einleitung einer Physiotherapie bekannt sein und in die Überlegungen mit einfließen [330].

Da Studien nur bei Patienten mit AS durchgeführt worden sind, gibt es keine Grundlage für Empfehlungen für Patienten mit nr-axSpA. Im Analogieschluss ist jedoch davon auszugehen, dass regelmäßige Bewegungsübungen auch bei Patienten mit nr-axSpA sinnvoll sind. Zudem gibt es keine Untersuchungen zu der Frage, ob Patienten mit Steifigkeit wegen struktureller Veränderungen im Gegensatz zu Patienten mit vorwiegend entzündlichen Veränderungen von Maßnahmen der Physiotherapie profitieren.

Die Studienlage zu Bewegungstherapien ist auch bei AS, methodisch bedingt, eher spärlich. Bei vielen Studien fehlt eine Kontrollgruppe, oft ist die Studiendauer zu kurz und die Anzahl der Patienten zu gering, und nicht selten fehlt ein definierter Endpunkt. Die Studien zeigen, dass physiotherapeutische und rehabilitative Maßnahmen kurz- und mittelfristig wirksam sind [331, 332]. Es ist schwierig, die Ergebnisse der einzelnen Studien direkt zu vergleichen, zumal die Art und Weise der Interventionen und die verwendeten Outcome-Parameter meist unterschiedlich sind.

Insgesamt ist die Rate der physiotherapeutischen Verordnungen immer noch gering. In der französischen Frühkohorte lag sie bei 24 % innerhalb der ersten 6 Monate nach Diagnosestellung [333]. Die Daten der deutschen Kerndokumentation zeigen, dass 47 % der AS-Patienten Physiotherapie verordnet bekamen [334]. Die Rate an Verordnungen war bei Patienten mit Funktionseinbußen am größten.

8.3.1 Bewegungstherapie

8.3.1.1 Bewegungstherapie im Trockenen.

Für Patienten mit AS sind folgende Bewegungstherapien im Trockenen beschrieben worden: angeleitete Einzelkrankengymnastik, Eigenübungsprogramm im Rahmen der häuslichen Bewegungstherapie, angeleitete Gruppentherapien und kombinierte Therapien. Eine Cochrane-Analyse zeigt, dass häusliche Bewegungstherapie oder angeleitete Übungen besser sind als keine Therapie, dass angeleitete Gruppentherapien besser sind als häusliche Übungen und dass kombinierte Therapien mit Übungen im Wasser und Übungen auf dem Trockenen gefolgt von Gruppentherapien besser sind als alleinige Gruppentherapie [331]. Eine Metaanalyse zeigt einen Einfluss angeleiteter Bewegungsübungen auf die Krankheitsaktivität („weighted mean deviation“ = −0,581 [95 %-CI = −0,940 bis −0,222]), auf die körperliche Funktionsfähigkeit („weighted mean deviation“ = −0,438 [95 %-CI = − 0,791 bis −0,085]) und auf den Bewegungsumfang der Wirbelsäule („weighted mean deviation“ = −0,513 [95 %-CI = −0,948 bis −0,078]) [335]. Dass Patienten mit AS von Übungsprogrammen profitieren, belegt ein systematisches Review, in der der Einfluss von Bewegungsübungen auf Schmerzen, Steifigkeit der Wirbelsäule, des Thorax und der Hüftgelenke, Krankheits- und Alltagsaktivität belegt wurde. Ebenso wurde der Patientenaufklärung sowie der aktiven Beteiligung und Motivation eine hohe Bedeutung zugemessen [336]. In einer kontrollierten Studie mit 70 Patienten konnte gezeigt werden, dass sowohl Übungen zur Steigerung der körperlichen Fitness als auch Dehnungsübungen die körperliche Funktionsfähigkeit bei Patienten mit AS positiv über 24 Wochen beeinflussen [337]. Die Durchführung eines häuslichen Übungsprogramms wirkt sich nicht nur auf die Krankheitsaktivität und die körperliche Funktionsfähigkeit aus, sondern auch auf depressive Symptome des Patienten [338]. Für ein kardiovaskuläres Fitnesstraining, das 3‑mal pro Woche zusätzlich zu wöchentlichen Übungen zur Förderung der Beweglichkeit durchgeführt wurde, konnten im Vergleich zu alleinigen Bewegungsübungen eine höhere Fitness sowie eine Schmerzreduktion nachgewiesen werden [339]. In einer kleinen Studie mit 48 AS-Patienten pro Gruppe zeigte sich, dass ein multimodales Training mit Pilates, McKenzie- und Heckscher-Übungen im Vergleich zu einem klassischen Bewegungsprogramm die körperliche Funktionsfähigkeit, die Krankheitsaktivität und die Lungenfunktion verbessert [340]. Die Effektivität von Pilates-Training in Bezug auf eine Besserung der körperlichen Funktionsfähigkeit zeigte sich auch in einer weiteren, kleineren Studie mit insgesamt 55 Patienten [341].

Jedoch zeigen Versorgungsstudien, dass regelmäßige Bewegungstherapie nur von ca. einem Drittel der Patienten auch wirklich konsequent durchgeführt wird – unabhängig von einer begleitenden Therapie mit TNFi [342]. In einer norwegischen Kohortenstudie wurden der Grad der körperlichen Aktivität sowie der Energieverbrauch in metabolischen Äquivalenten erhoben [343]. Hier zeigte sich, dass alle Patienten mit AS gegenüber gesunden Kontrollen einen geringeren Energieverbrauch angeben und dass Patienten mit einer hohen Krankheitsaktivität den niedrigsten Energieverbrauch angeben (Median MET/Woche 4,300 in der Kontrollgruppe und 3,073 bei hoher- bzw. 4,290 bei niedriger Krankheitsaktivität [p = 0,02]). In einer weiteren RCT wurde die Wirksamkeit eines 3‑wöchigen multidisziplinären Rehabilitationsprogramms gegenüber einer üblichen Therapie bei Patienten mit AS verglichen. Die Ergebnisse zeigten signifikante Verbesserung von Krankheitsaktivität, Schmerzsituation, Wohlbefinden und der körperlichen Funktionsfähigkeit [344]. Der nachhaltige Effekt von Rehabilitationstraining in Form von Kräftigung, Dehnungen, Herz-Kreislauf-Training, Wirbelsäulen‑, Thorax- und Hüftgelenkmobilisationen wurde in einer kontrollierten, klinischen Untersuchung untersucht. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit einer Verhaltensschulung konnte nach 12 Monaten eine verbesserte Wirbelsäulenbeweglichkeit, Thoraxexpansion und Krankheitsaktivität nachgewiesen werden [345] (s. auch Abschn. 8.7).

8.3.1.1.1 Eigenübungsprogramm im Rahmen der häuslichen Bewegungstherapie verglichen mit keiner Therapie.

Die Mehrzahl der Studien zeigt eine Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit nach 2 bis 4 Monaten sowohl in der Behandlungs- als auch in der Kontrollgruppe [331, 346,347,348,349,350]. In einer Metaanalyse von 6 RCTs mit insgesamt 1098 Patienten wurden durch Bewegungsprogramme im häuslichen Bereich größere Effekte in Bezug auf Krankheitsaktivität, Funktionsfähigkeit und depressive Symptome nachgewiesen, die allerdings nur für die Funktionsfähigkeit von klinischer Relevanz waren [338]. Die regelmäßige Bewegungstherapie bestand aus angeleiteten Übungen durch Physiotherapeuten, die die Patienten in der Regel regelmäßig (Schwankung zwischen täglich bis 2‑mal wöchentlich) selbstständig zu Hause durchführen sollten. Die Kontrollgruppe bestand aus Patienten, die eine Gruppentherapie oder keine bestimmte Bewegungstherapie durchgeführt haben. Eine Metaanalyse aus 3 kontrollierten Studien fand ebenfalls nach Bewegungsübungen bessere Funktionsfähigkeit, Krankheitsaktivität und Beweglichkeit gegenüber alltäglichen Bewegungsaktivitäten [335]. Im Widerspruch hierzu steht eine Studie, die keine Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit zeigte [351]. Neue Entwicklungen der Exergames (körperliche Übungsprogramme in Verbindung mit spielerischen Computeranimationen) haben verglichen mit Kontrollen ohne Exergames-Übungen höhere Effekte auf die körperliche Funktionsfähigkeit gezeigt [352]. Es überwiegen erste Studien, die eine Verbesserung der pulmonalen Funktion durch regelmäßige Bewegungstherapie zeigen.

In einer Studie wurde mittels einer experimentellen Methode (Global Postural Reeducation[GPR]-Methode) eine Verbesserung der pulmonalen Funktionsparameter erreicht, während in einer anderen Studie keine Verbesserung festgestellt werden konnte [347, 349]. Die Diskrepanz kann jedoch auch auf die relativ kurze Beobachtungszeit (12 bzw. 8 Wochen) zurückzuführen sein.

Das aktuelle Cochrane-Review zur Physiotherapie bei AS kommt hinsichtlich der Physiotherapie bei AS zu ähnlichen Schlussfolgerungen [331, 353, 354]. In 3 Studien wurden eindeutige Verbesserungen der körperlichen Funktionsfähigkeit festgestellt [353,354,355], aber nur in einer konnte gezeigt werden, dass auch die Schmerzen durch die Bewegungstherapie abnahmen [355]. In einer Studie wurde insbesondere eine Verbesserung der Thoraxbeweglichkeit und des Hinterkopf-Wand-Abstandes erzielt (gewichtete mittlere Differenz 1,46; 95 %-CI 0,29–2,63) [354]. In einer weiteren Arbeit konnte die erreichte Funktionsverbesserung durch eine dauerhafte gering intensive Behandlung, bei der im Mittel nur 1,5 Visiten durch den Physiotherapeuten in 4 Monaten erforderlich waren, aufrechterhalten werden [356].

8.3.1.1.2 Einzeltherapie verglichen mit Gruppentherapie.

Eine Studie, die Effekte einer Gruppentherapie mit denjenigen von häuslichen Übungen verglich, fand in keiner Gruppe eine Verbesserung von körperlicher Funktionsfähigkeit und Schmerzen nach einer Therapie von 6 Wochen [357]. Für das allgemeine Gesundheitsgefühl der Patienten waren Bewegungstherapie in der Gruppe mit Maßnahmen physikalischer Therapie besser als eine Individualtherapie [358]. Im Vergleich zu einem häuslich durchgeführten Eigenübungsprogramm zeigte sich in einer Studie nach einem 3‑wöchigen Programm mit Bewegungstherapie in der Gruppe und Hydrotherapie eine kurzfristige Verbesserung der Schmerzen, dieser Effekt hielt aber nicht über 6 Monate hinaus an [359]. Eine andere randomisierte Studie zeigte keinen zusätzlichen Effekt einer solchen Intervention auf Schmerzen und Funktion [360]. Bewegungstherapie in der Gruppe wurde darüber hinaus als kosteneffektiv bewertet [361].

8.3.1.2 Bewegungstherapie im Wasser (Balneotherapie).

Studien, die Ergebnisse von Maßnahmen im Wasser berichten, werden häufig in Thermalbädern durchgeführt. Innerhalb der Studien gibt es für die Patienten häufig kombinierte Anwendungen mit aktiven Übungen in warmem Wasser und passiven Anwendungen wie Fangopackungen. Teilweise werden die Ergebnisse während eines stationären Rehabilitationsprogrammes erhoben, was die Analyse der einzelnen Effekte erschwert [351, 362, 363]. In 2 der 3 Studien erhielten die Patienten zusätzlich eine Therapie mit TNFi [351, 362]. In einer Studie verbesserte sich nur die Therapiegruppe an den 3 Untersuchungszeitpunkten (T1 nach den Anwendungen, T2 nach 3 Monaten und T3 nach 6 Monaten) bezüglich der körperlichen Funktionsfähigkeit (gemessen mit BASFI). Die Krankheitsaktivität (gemessen mit BASDAI) war nach 6 Monaten aber in beiden Gruppen nicht signifikant unterschiedlich gegenüber Baseline. Ein Gruppenvergleich wurde in dieser Studie nicht durchgeführt. Dagegen besserten sich in einer anderen Studie nach 6 Monaten nicht der BASFI, sondern nur die Parameter für Lebensqualität [351]. In einer weiteren Studie wurde eine Therapie mit Stangerbädern in Kombination mit Bewegungstherapie über eine Periode von 3 Wochen mit einer Gruppe verglichen, die nur Bewegungstherapie über eine Periode von 3 Wochen durchgeführt hatte [363]. Hierbei zeigte sich in beiden Gruppen eine signifikante Verbesserung in BASFI und BASDAI, jedoch nicht im BASMI. Die Prüfung des Gruppenunterschieds zeigte eine stärkere Verbesserung für die kombinierte Therapiegruppe. In einem Cochrane-Review zeigten die eingeschlossenen Studien keine Unterschiede zwischen der Balneotherapiegruppe und der Vergleichsgruppe, weder bei Beweglichkeit noch bei Schmerzen und Steifheit [331, 364, 365].

8.3.2 Manuelle Therapie

Manuelle Mobilisation kann zu einer verbesserten Körperhaltung und zu einer Zunahme der Wirbelsäulen- und Thoraxbeweglichkeit führen (Thoraxexpansion) [349]. In der manuellen Medizin kommen als Behandlungstechniken Weichteiltechniken, Mobilisation, Manipulation und neuromuskuläre Therapie zur Anwendung. Aufgrund des geringeren Kraftimpulses mit hoher Geschwindigkeit und kleiner Amplitude stellt die Manipulation eine Besonderheit dar und sollte an der Wirbelsäule bei Patienten mit axialer SpA nicht eingesetzt werden. Die manuelle Mobilisationsbehandlung löst sensomotorische (wie beispielweise veränderte Schweißsekretion, Durchblutung und Tonusregulation) und neurophysiologische (z. B. Schmerzverarbeitung) Effekte aus. Ziel dieser Methode ist die Normalisierung und Ökonomisierung von Körperfunktionen. Die oben zitierte, kleine Studie (n = 34 Patienten mit AS) von Widberg et al. enthält keine Angaben zu vorbestehenden funktionellen Einbußen, die als Einschlusskriterium gewählt wurden. Insbesondere gibt es keine Angaben zu bereits bestehenden Strukturveränderungen. Der BASFI in der Erstuntersuchung lag bei 3,2 ± 1,75; ein Schmerzlevel wird nicht angegeben. Die Studie zeigt eine Verbesserung der Körperhaltung und eine Verbesserung im BASMI, die sich nach einer 8‑wöchigen Therapie zeigte. Außerhalb dieser Studie und einer Studie von 2005 gibt es lediglich Fallberichte zum Themenkreis der manuellen Medizin [366]. Diese beschränken sich auf manuelle Therapien am Achsenskelett und umfassen weitgehend Mobilisationstechniken und zielen weniger auf Manipulationen ab. Manipulationen am SI-Gelenk spielen lediglich in der frühen Erkrankungsphase eine Rolle.

Generell sollte ein erfahrener Therapeut die genannten Techniken durchführen. Es können aufgrund der Datenlage keine Aussagen zur Selektion der Patienten, zur Häufigkeit der Verordnungen und zur Dauer der Maßnahme getroffen werden. Die zitierte Studie basiert auf einer Studiendauer von 8 Wochen.

8.3.3 Hyperthermie/Kältetherapie

Diese Verfahren sind in kleinen kontrollierten Studien untersucht worden. In einer niederländischen Studie mit 17 AS-Patienten führte eine Therapie mit 2 Saunagängen (55 °C) 2‑mal wöchentlich über einen Zeitraum von 4 Wochen zu einer Reduktion der Steifheit und Schmerzen unmittelbar nach den Saunagängen [367]. Dieser Effekt bestand ebenfalls in der Kontrollgruppe mit RA-Patienten, in beiden Gruppen hielten die Effekte aber nicht dauerhaft an. Eine milde Hyperthermie im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe führt bei Patienten mit AS ohne Entzündungsschub zu signifikant niedrigeren Zytokinspiegeln 6 und 12 h nach einem Überwärmungsbad [368].

Die Ganzkörperkältetherapie wurde bezüglich der Schmerzreduktion von AS-Patienten in einer kleinen kontrollierten Studie als nicht effektiv angesehen [369].

8.3.4 Elektrotherapie, Magnetfeldtherapie und Ultraschall

Eine sehr begrenzte Anzahl an Studien nimmt zu elektrotherapeutischen Verfahren Stellung. Stangerbäder in Kombination mit Bewegungstherapie über 3 Wochen führten gegenüber der Gruppe mit Übungen ohne Stangerbäder zu einer Verbesserung von BASMI, BASFI, BASDAI und ASQoL [363].

Die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) im Vergleich zu einer simulierten TENS-Behandlung über 3 Wochen ergab im Rahmen einer randomisierten klinischen Studie keine signifikante Kurzwirksamkeit hinsichtlich Schmerzen in der Behandlungsgruppe [370].

Für eine 20-minütige Magnetfeldtherapie der Hüftregionen (2 Hz) zusätzlich zu Kurzwellentherapie und Bewegungsübungen an 15 Tagen wurde im 6‑monatigen Verlauf bei 66 AS-Patienten kein Unterschied gegenüber Plazeboultraschall bei sonst gleicher Kombinationstherapie festgestellt [371].

In einer kleinen kontrollierten Studie mit 52 AS-Patienten wurde der additive Effekt von einer Ultraschaltherapie (5 Hz) der paravertebralen Muskulatur vor dem Hintergrund eines supervidierten Übungsprogramms untersucht [372]. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass die zusätzliche Ultraschalltherapie den Effekt der Übung bei Patienten mit AS erhöht.

8.3.5 Ergotherapie

Ergotherapie kann dazu beitragen, dass bei Patienten mit AS die Krankheitsaktivität abnimmt und die körperliche Funktionsfähigkeit zunimmt, wenn die Patienten eine Schulung zu gelenkschonendem Verhalten und Selbstmanagementmethoden anwenden [373].

Empfehlung/Statement

8-5

Patienten mit axialer SpA sollten zu Beginn und im Verlauf der Erkrankung auf die Wichtigkeit von Sport, Bewegung im Alltag und regelmäßige Bewegungstherapie hingewiesen und individuell beraten werden.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 1/2+

8-6

Bewegungsübungen, die zu Hause durchgeführt werden, sind zwar effektiv, aber alleine nicht immer ausreichend. Angeleitete Bewegungstherapien (als Trocken- oder Wasserübungen), individuell oder als Gruppe, sollten zusätzlich zum häuslichen Bewegungsprogramm verordnet werden.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 1/2+

8-7

Bewegungstherapien sollten zusätzlich zur medikamentösen Therapie (B) bzw. zu interventionellen Therapien (Expertenkonsens) erfolgen, da sie zu einer weiteren Verbesserung der Beweglichkeit und der Funktionsfähigkeit im Alltag führen.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 1/2+

Kommentar zu 8‑5 bis 8‑7:

Die kontrollierten Studien ohne Randomisierung sind mehrheitlich über einen kurzen Zeitraum durchgeführt worden. Daher wurde der Empfehlungsgrad von „A“ auf „B“ herabgestuft. Die Aussagen beruhen auf Studien mit AS-Patienten, sodass sich der Empfehlungsgrad mindert, wenn er auf die Gesamtgruppe der axialen SpA übertragen wird.

8-8

Manuelle Therapie (Mobilisation) kann durchgeführt werden, um eine Verbesserung der Wirbelsäulenbeweglichkeit und eine verbesserte Körperhaltung zu erreichen.

Empfehlungsgrad: 0

Evidenz: 2

Kommentar zu 8‑8:

Herabstufung des Empfehlungsgrades von „B“ auf „0“, da nur eine schmale Datenlage vorliegt.

8-9

Manipulationen an der Wirbelsäule sollten nicht durchgeführt werden.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 2

8.4 Medikamentöse Therapie

Schlüsselfrage 10

  • Welche medikamentöse Therapie sollte zu welchem Zeitpunkt bei Patienten mit axialer SpA eingesetzt werden und für wie lange?

Schlüsselfrage 11

  • Zu welchem Zeitpunkt kann eine medikamentöse Therapie beendet werden?

Schlüsselfrage 12

  • Nach welchem Zeitraum sollte bei den verschiedenen Medikamenten ein Therapieerfolg evaluiert werden?

Schlüsselfrage 13

  • Welche unerwünschten Wirkungen von medikamentösen Therapien müssen im Langzeitverlauf beachtet und mit dem Patienten kommuniziert werden?

Das Ziel einer medikamentösen Therapie besteht in Schmerzreduktion, Verbesserung der Funktionsfähigkeit und der Steifheit sowie der Reduktion inflammatorischer Prozesse und in einer Hemmung der röntgenologischen Progression.

8.4.1 Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR)

8.4.1.1 Wirksamkeit.

Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) spielen in der Behandlung von Patienten mit axialer SpA eine zentrale Rolle. Für die AS liegt klare Evidenz vor, dass NSAR sowohl bei kurzfristiger als auch bei längerer Behandlungsdauer hinsichtlich der Linderung von Schmerzen und Steifigkeit an der Wirbelsäule und an peripheren Gelenken wirksam sind [374,375,376,377,378,379,380]. In den Studien wird über einen mittleren Rückgang der Schmerzen um 30 mm auf einer visuellen Analogskala (VAS) 0–100 mm berichtet. Die Besserung setzt in der Regel in den ersten 48 h nach Einnahme der Medikation ein. Die Mehrzahl der Patienten (70–80 %) berichtet von einer guten bis sehr guten Besserung ihrer Symptome. In einer neueren kontrollierten Studie konnte gezeigt werden, dass unter einer NSAR-Monotherapie (in dieser Studie hatte die Vergleichsgruppe Infliximab erhalten) 35,3 % der Patienten mit einer NSAR-Monotherapie den Endpunkt der partiellen Remission in Woche 28 erreichten (Infliximab-Gruppe allerdings 61,9 %) (s. Abschn. 8.4.2) [381]. Dieser Effekt ist unabhängig von der Gegenwart einer peripheren Arthritis. Patienten, die zusätzlich eine Synovitis hatten, zeigten aber weniger Besserung bei den Wirbelsäulenschmerzen [382]. Die Wirksamkeit der NSAR ist individuell unterschiedlich. In den Studien zeigte sich auf Gruppenebene eine höhere Wirksamkeit bei Gebrauch von höheren Dosen [378, 383]. Die Effektstärke für NSAR bezüglich „Schmerz“ wurde in einer Metaanalyse mit −1,07 SMD (standardisierte mittlere Differenz) (95%-CI −1,55 bis −0,58) angegeben [384]. In derselben Metaanalyse zeigte sich eine moderate Effektstärke bezüglich „körperlicher Funktionsfähigkeit“ mit −0,54 SMD (95%-CI −0,67 bis −0,42). Das Ausmaß der Effektstärke bei Patienten mit AS konnte in einem neueren Cochrane-Review, einer Metaanalyse und einer kontrollierten Studie bestätigt werden [379, 380, 385]. Daten zu Patienten mit nr-axSpA gibt es nicht, sodass medikamentöse Empfehlungen für diese Patientengruppe nur im Analogieschluss möglich sind. In einer kontrollierten Studie mit Naproxen vs. Naproxen + Infliximab zeigte sich, dass 35,3 % der Patienten im Naproxen-Monotherapiearm den Status einer klinischen Remission nach einer Therapiedauer von 24 Wochen erreichten, dabei fand sich kein Unterschied zwischen den Subgruppen AS und nr-axSpA [381].

In den meisten randomisierten Studien über NSAR in der Behandlung von AS-Patienten werden verschiedene Substanzen miteinander verglichen. Bis jetzt gibt es hierbei allerdings keine klare Evidenz, dass ein NSAR besser ist als das andere. Bezüglich der Wirksamkeit der Medikation gibt es nach bisherigen Erkenntnissen keinen Unterschied zwischen traditionellen NSAR und Coxiben [386].

Eine Wirkung von NSAR auf in der MRT nachweisbare entzündliche Läsionen in der Wirbelsäule ist nicht nachgewiesen. In einer 6‑wöchigen Studie mit Etoricoxib 90 mg/Tag bei Patienten mit aktiver AS traten nur geringfügige Änderungen der in der MRT sichtbaren entzündlichen Läsionen der Wirbelsäule auf – allerdings wurden hier auch nur relativ wenige Patienten eingeschlossen und vor allem solche, die klinisch auf NSAR nicht gut angesprochen hatten [279].

Ein geringer Einfluss einer NSAR-Therapie auf die Höhe von CRP und BSG ist nach Datenlage wahrscheinlich [293, 374, 383]. In einer gepoolten Analyse zeigte sich, dass die Änderung des CRP zwischen der NSAR- und der Plazebogruppe unterschiedlich war und dass der Therapieeffekt umso höher lag, je höher das CRP bei Einschluss in die Studie mit 851 AS-Patienten war [293]. In einer Metaanalyse zeigte sich allerdings kein sicherer Einfluss auf Akute-Phase-Proteine [384].

Die Anzahl der zu behandelnden Patienten, um eine Verbesserung zu erzielen („number needed to treat“ = NNT), ist für eine Therapie mit Coxiben oder konventionellen NSAR klein und bewegt sich zwischen 2 und 3 [387]. In dieser Post-hoc-Analyse einer Studie mit 4 Armen (Etoricoxib 90 mg, Etoricoxib 120 mg, Naproxen 1000 mg, Plazebo) errechnete sich zu Woche 6 eine NNT für eine mindestens 30 %ige Verbesserung des BASDAI von 2,0, 2,0 und 2,7 in den aktiven Gruppenarmen. Bei Patienten mit einer TNFi-Therapie konnte gezeigt werden, dass die Dosis der NSAR-Medikation durch die effektive Kontrolle der Krankheitsaktivität gesenkt werden kann (s. Abschn. 8.4) [388].

Der Therapieerfolg von einem einzelnen NSAR-Präparat kann in der Regel nach 1 bis 2 Wochen bei einer Dosierung in Maximaldosis beurteilt werden [378, 383]. In den ASAS-Empfehlungen zur TNFi-Therapie bei Patienten mit axialer SpA wird vor dem Beginn einer solchen Therapie eine Behandlung mit mindestens 2 NSAR über insgesamt 4 Wochen empfohlen, bevor eine nicht ausreichende Effektivität angenommen werden kann [389].

In der klinischen Praxis wird der behandelnde Arzt bei Unwirksamkeit eines Medikamentes häufig einen Präparatewechsel vornehmen. Studien über die Wirksamkeit eines Wechsels fehlen vollständig. In der oben zitierten DVMB-Befragung gaben 20 % der Patienten an, dass sie innerhalb des letzten Jahres vor Durchführung der Befragung mehr als ein NSAR-Präparat verwendet haben [390]. Bei Patienten mit noch nicht ganz beherrschten Schmerzen oder Schmerzen aus nichtentzündlichen Gründen können Schmerzmittel wie Paracetamol oder Opioide bzw. Opioid-ähnliche Medikamente berücksichtigt werden, wenn eine NSAR-Behandlung nicht angeschlagen hat, kontraindiziert war und/oder schlecht vertragen wurde [21]. Studien liegen hierzu allerdings nicht vor.

8.4.1.2 Therapiedauer.

Die Datenlage bezüglich der optimalen Dauer der Medikation mit NSAR ist spärlich. Die Studien umfassen meist nur eine relativ kurze Studiendauer zwischen 6 und 12 Wochen, nur eine Studie ist in den letzten Jahren über einen Zeitraum von einem Jahr durchgeführt worden [378]. In einer offenen Befragung der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew (DVMB) gaben 71,4 % der Patienten an, dass sie mehr als 4 Jahre mit NSAR behandelt wurden [390].

Es ist unklar, ob NSAR als Dauertherapie bei Patienten mit AS möglicherweise einen krankheitsmodifizierenden Effekt mit einer Reduktion der röntgenologischen Progression haben. In einer 2005 publizierten kontrollierten und randomisierten Studie wurde die Wirksamkeit von einer kontinuierlichen Therapie mit Celecoxib im Vergleich zu einer Bedarfstherapie untersucht. Hierbei ergaben sich deutliche Anhaltspunkte, dass die kontinuierliche Therapie einen günstigeren Einfluss auf die Röntgenprogression an der Wirbelsäule nach 2 Jahren hatte [391]. In einer Subgruppenanalyse zeigte sich nur bei Patienten mit erhöhtem CRP ein geringeres Fortschreiten der Röntgenprogression [294]. Diese Ergebnisse konnten in einer Analyse der deutschen Inzeptionskohorte bestätigt werden [295]. Allerdings konnte die Hemmung der radiologischen Progression unter einer kontinuierlichen NSAR-Gabe in einer weiteren großen kontrollierten Studie nicht bestätigt werden [392]. In der Diclofenac-Gruppe mit kontinuierlicher Medikation war die mSASSS-Progression sogar numerisch höher (1,28 [95%-CI 0,7–1,9]) als in der Diclofenac-bei-Bedarf-Gruppe mit 0,79 (95%-CI 0,2–1,4).

8.4.1.3 Unerwünschte Wirkung.

Die Sicherheit von NSAR ist besonders wichtig, wenn man in Betracht zieht, dass diese Behandlungsform bei einem nicht geringen Teil der Patienten über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden muss. Die Studienlage hinsichtlich der Sicherheit von NSAR bei Patienten mit axSpA ist spärlich. In 2 Cochrane-Reviews zu NSAR bei Arthritiden bzw. bei axialer SpA wurden 17 bzw. 35 Studien eingeschlossen [379, 393]. Bei Patienten mit axSpA liegen kontrollierte Studien nur für Patienten mit AS vor. In dem aktuellen Cochrane-Review zur NSAR-Therapie bei axSpA wurde kein Unterschied zwischen traditionellen NSAR und COX-2-Hemmer hinsichtlich gastrointestinaler unerwünschter Ereignisse berichtet, insgesamt lagen in der Verumgruppe im Vergleich zu Plazebo mehr gastrointestinale unerwünschte Ereignisse (RR 1,92, 95 % CI 1,41–2,61) [379]. In einer Studie wurde in den 3 Behandlungsgruppen (Diclofenac 75 mg 2‑mal täglich, Celecoxib 200 mg 1‑mal täglich, Celecoxib 200 mg 2‑mal täglich) über eine Rate von unerwünschten Wirkungen von 54,8 % berichtet [383]. Die Rate an schweren unerwünschten Ereignissen lag bei 20 %. Die Rate an gastrointestinalen unerwünschten Wirkungen lag in der Diclofenac-Gruppe (28,4 %) signifikant höher als in der Celecoxib-Gruppe (200 mg/Tag: 15 %, 400 mg/Tag: 16,7 %) (p = 0,006). In einer kürzlich publizierten Kohortenstudie aus Schweden mit 21.872 Patienten mit SpA waren die Sicherheitsdaten vergleichbar mit denen publizierter Daten [394]. Das relative Risiko für arteriosklerotische Ereignisse unterschied sich in dieser Kohorte nicht zwischen COX-Hemmer und nichtselektiven NSAR: RR 1,0; 95 %-CI 0,7–1,5. Das relative Risiko für gastrointestinale Ereignisse war niedriger für Patienten, die keine NSAR erhalten haben: RR 0,5; 95 %-CI 0,4–0,7. Es liegen allerdings liegen umfangreiche Sicherheitsdaten zur NSAR-Langzeittherapie bei anderen Erkrankungen wie RA und Osteoarthrose vor [395, 396], diese Patientengruppen sind allerdings im Mittel durchweg deutlich älter als Patienten mit axialer SpA. Aufgrund der guten Effektivität der NSAR-Therapie bei axSpA wird das Nutzen-Risiko-Verhältnis der NSAR bei dieser Indikation für insgesamt günstig gehalten [397].

Neben Blutungsrisiken sind NSAR und Coxibe mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert [398, 399]. Allerdings ist bei der Interpretation der kardiovaskulären Daten bei NSAR im Allgemeinen zu bedenken, dass bei Patienten mit AS eine erhöhte Mortalität für diejenigen Patienten gezeigt wurde, die wenig oder keine NSAR eingenommen hatten [128, 159]. Die norwegischen Forscher analysierten eine OR von 4,35 (95%-CI 1,753–10,771) bei Patienten, die wenig oder keine NSAR eingenommen hatten, und die kanadischen Kollegen analysierten eine reduzierte HR von 0,1 (95%-CI 0,01–0,61) für den Tod aufgrund eines vaskulären Ereignisses, wenn traditionelle NSAR eingenommen wurden.

Aufgrund des Sicherheitsprofils der NSAR-Präparate sollten die Dosierung und Dauer der Therapie kritisch fortwährend überprüft werden. Hierzu liegen DGRh-Empfehlungen zur Verordnung von NSAR vor [400]. Da es sich bei Patienten mit chronisch rheumatischen Erkrankungen um eine besondere Patientengruppe handelt, sind von einem multidisziplinären Expertengremium Empfehlungen zum Einsatz von NSAR und Coxiben veröffentlicht worden [401]. Bei Patienten über 60 Jahren und/oder weiteren gastrointestinalen Risiken sollte die Kombination mit einem Protonenpumpeninhibitor erwogen werden [402]. Zusätzlich wird bei Patienten mit Risikofaktoren wie gastrointestinale Blutung in der Anamnese, Komedikation mit Thrombozytenaggregationshemmer, oraler Antikoagulation, Bisphosphonaten, Colitis ulcerosa, Alkoholismus eine Kombination mit Protonenpumpenhemmern empfohlen [403].

Patienten, die eine Indikation zur Thrombozytenaggregationshemmung mit ASS haben, müssen diese Medikation ca. 1 h vor dem NSAR einnehmen, da ansonsten die Wirksamkeit der Thrombozytenaggregationshemmung reduziert sein kann [404, 405].

NSAR sind formal erst ab einer eGFR <30 ml/min kontraindiziert. Da NSAR mit einem erhöhten Risiko für akutes Nierenversagen assoziiert sind und zu Progression der Niereninsuffizienz führen, sind eine individuelle Entscheidungsfindung und Monitoring notwendig [406, 407].

Ein Problem bei Patienten mit SpA kann selten darin bestehen, dass es durch den NSAR-Gebrauch zu einer Exazerbation einer Psoriasis vulgaris kommen kann [408]. Aufgrund dessen empfehlen die EULAR-Empfehlungen für die Behandlung der PsA NSAR als Erstlinientherapie [409].

Empfehlung/Statement

8-10

Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) inklusive Coxibe sollen bei symptomatischen Patienten mit axialer SpA als Mittel der ersten Wahl eingesetzt werden.

Empfehlungsgrad: A

Evidenz: 1+

Kommentar zu 8‑10:

Die Aussagen beruhen auf Studien mit AS-Patienten, sodass sich der Empfehlungsgrad mindert, wenn er auf die Gesamtgruppe der axialen SpA übertragen wird.

8-11

Die Dosierung und Therapiedauer der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) inklusive Coxibe richtet sich nach der Intensität der Beschwerden des Patienten.

Empfehlungsgrad: Statement

Evidenz: –

8-12

Die Effektivität einer neu begonnenen Therapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) sollte nach 2 bis 4 Wochen beurteilt werden. Weitere Kontrollen sollen individuell vereinbart werden.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 1+

8-13

Wenn ein NSAR nicht gewirkt hat, sollte ein zweites NSAR für weitere 2 bis 4 Wochen versucht werden

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 1+

Kommentar zu 8‑13:

Es gibt keine Strategiestudien, die den Ablauf verschiedener NSAR-Medikation miteinander vergleichen. Diese Schlussfolgerung beruht allein auf verschiedenen unabhängigen RCTs. Daher wurde die Empfehlung von Empfehlungsgrad „A“ auf „B“ herabgestuft.

8-14

Eine kontinuierliche Therapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) ist indiziert, solange diese für eine gute Symptomkontrolle erforderlich sind.

Empfehlungsgrad: Statement

Evidenz: –

8.4.2 Biologika („biologic disease-modifying antirheumatic drugs“ [bDMARDs])

Patienten, die unter der Standardtherapie mit NSAR keine ausreichende Reduktion der entzündlichen Krankheitsaktivität erreichen, können Biologika verschrieben bekommen. In der französischen Frühkohorte haben innerhalb eines Jahres nach Einschluss in die Kohorte 23,4 % der Patienten Biologika verordnet bekommen [410]. Bei Patienten mit axSpA spielen die Zytokine Tumor-Nekrose-Faktor(TNF)-α und Interleukin-17 in der Pathogenese eine wichtige Rolle, die beide durch biotechnologisch hergestellte Substanzen geblockt werden können. TNF-Inhibitoren (TNFi) sind für die Gesamtgruppe der axSpA zugelassen, Interleukin-17-Inhibitoren im Moment nur für die AS.Footnote 2

8.4.2.1 Tumor-Nekrose-Faktor-Inhibitoren (TNFi).

TNFi sind bei Patienten mit axialer SpA klinisch effektiv und werden bei Patienten mit hoher Krankheitsaktivität eingesetzt [411,412,413,414,415,416]. Die pathophysiologische Rationale für den Einsatz von TNFi bei Patienten mit persistierend hoher Krankheitsaktivität beruht auf dem Nachweis von TNF-α in Biopsien aus entzündeten SI-Gelenken [417]. Die Wirkstärke („effect size“) der verschiedenen TNFi ist bei Patienten mit AS sehr hoch („effect size“ 0,89 und 1,3) [418, 419]. Die Anzahl der zu behandelnden AS-Patienten, um eine Verbesserung zu erzielen („number needed to treat“ = NNT) ist klein und bewegt sich zwischen 2 und 3 zu behandelnder Patienten [412, 418, 420]. Die NNT bei Patienten mit nr-axSpA unter einer Therapie mit TNFi liegt zwischen 3,9 und 6,6 und somit etwas höher als bei AS-Patienten [421].

Die Wirksamkeit und Sicherheit der TNFi ist bei Patienten mit AS sehr gut belegt [250, 256,257,258,259,260,261,262,263,264,265,266,267,268,269,270,271,272,273,274,275,276,277,278,279,280,281,282,283,284,285,286, 422]. Patienten mit totaler Ankylose der Wirbelsäule profitieren ebenfalls von einer Therapie mit TNFi [423, 424]. Die Wirksamkeit und Sicherheit einer Gabe von TNFi ist bei Patienten mit nr-axSpA ebenfalls sehr gut belegt [425,426,427,428]. Die Indikation zur Einleitung einer Therapie mit TNFi umfasst jedoch zusätzlich zu einer klinisch definierten erhöhten Krankheitsaktivität noch den objektiven Entzündungsnachweis mit entweder erhöhtem CRP oder dem Nachweis einer kernspintomographisch darstellbaren aktiven Sakroiliitis (subchondrales Knochenmarködem) [21]. Die bei nr-axSpA-Patienten bestehende geringere Effektstärke im Vergleich zur AS-Population wird durch verschiedene Autoren auf eine heterogenere Population der nr-axSpA-Patienten und auf geringere Krankheitsschwere in einigen der kontrollierten Studien zurückgeführt [413, 429]. In der Metaanalyse von Callhoff et al. zeigte sich nach Korrektur für das Publikationsjahr (als Proxy für die Krankheitsschwere) jedoch kein Unterschied zwischen der Effektstärke von TNFi bei AS und nr-axSpA [413]. Daten der Schweizer Biologikakohorte zeigen, dass die Wirksamkeit der TNFi-Therapie bei Patienten mit AS und nr-axSpA vergleichbar ist, wenn vergleichbare Ausgangsbedingungen (wie erhöhtes CRP) vorliegen [430]. Andere Kohorten konnten ebenfalls keinen Unterschied auf Gruppenniveau zwischen AS und nr-axSpA in Bezug auf das Therapieansprechen von bDMARDs sehen [431]. Die Wirksamkeit einer TNFi-Therapie beginnt in der Regel früh, schon nach Tagen bis wenigen Wochen, bei den meisten Patienten ist dies spätestens in Woche 12 klar.

Prädiktoren für ein gutes Ansprechen auf eine TNFi-Therapie sind junges Alter bzw. kurze Krankheitsdauer, eine hohe Krankheitsaktivität (CRP, ASDAS), ein positiver HLA-B27-Befund, eine gute körperliche Funktionsfähigkeit (gemessen mit BASFI oder modifiziertem Schober), das Vorhandensein einer peripheren Arthritis und männliches Geschlecht [297, 326, 327, 432,433,434,435].

Die Indikation für eine Therapieeinleitung mit einem TNF-Inhibitor ist im Abschn. 8.4.2.4.1 näher erläutert.

Klinisches Bild: Die klinische Wirksamkeit von TNFi beginnt meist relativ schnell und hält bei einem größeren Teil der Patienten unter fortlaufender Therapie mehrere Jahre an [152, 253, 381, 388, 424,425,426, 428, 436,437,438,439,440,441,442,443,444,445,446,447,448,449,450,451,452,453,454,455,456,457,458,459,460]. Fast alle kontrollierten Studien sind unter Einschluss von Patienten mit AS durchgeführt worden. Ausnahmen sind die Studie mit Certolizumab [460], die in der Gesamtgruppe axiale SpA durchgeführt wurde, und Adalimumab [428], die in der Indikation nr-axSpA durchgeführt wurde. Biosimilardaten mit äquivalenten pharmakokinetischen Profilen liegen für Infliximab bzw. CT-P13 für die Indikation AS vor [461].

In den Zulassungsstudien der TNFi konnten eine Reduktion der Wirbelsäulenschmerzen und der Morgensteifigkeit sowie eine Verbesserung der Funktionsfähigkeit und eine Reduktion der Müdigkeit erzielt werden [153, 425, 427, 436, 438, 441, 448, 449, 454]. Studienergebnisse und die klinische Erfahrung zeigen, dass nicht alle Patienten mit axialer Symptomatik von einer Therapie mit den TNFi so ausreichend profitieren, dass die Schmerzmedikation vollständig abgesetzt werden kann. Im klinischen Alltag spielen bei der Bewertung eines nicht ausreichenden Ansprechens auf eine neu eingeleitete TNFi-Therapie Überlegungen zu Komorbiditäten wie vorbestehende degenerative Wirbelsäulenveränderungen bzw. eine generalisierte Schmerzsymptomatik eine Rolle. In einer Kohortenstudie konnte gezeigt werden, dass Patienten mit axSpA und FM eine niedrigere Ansprechrate auf eine TNFi-Therapie zeigen als Patienten ohne generalisiertes Schmerzsyndrom [125]. Auf die Dosisreduktion von NSAR unter einer suffizienten TNFi-Therapie wurde bereits im Kapitel NSAR (s. Abschn. 8.4.1) eingegangen [388].

Neben axialen Symptomen klagen Patienten mit axialer SpA auch häufig über extraspinale Manifestationen, wie z. B. periphere Arthritis und/oder Enthesitis. Das Vorliegen einer peripheren Arthritis ist ein Prädiktor für die Fortführung einer TNFi-Therapie (HR 0,49 [95 %-CI 0,27–0,88]) [432, 433]. SpA-Patienten mit einer Enthesitis im Bereich der Fersenregion geben eine bessere globale Beurteilung nach einer 12-wöchigen Therapie mit Etanercept an als Patienten, die Plazebo erhalten haben [445]. Darüber hinaus bestehen bei einer peripheren Arthritis noch Therapieoptionen mit Sulfasalazin zur Beeinflussung einer peripheren Arthritis (s. Abschn. 8.4.3) und die Option einer Synovektomie, wobei hierzu allerdings keine Daten vorliegen.

Der Einfluss der TNFi auf pulmonale Funktionsparameter wurde in einer französischen Studie mit 82 AS-Patienten, die an einer fortgeschrittenen Ankylose der Wirbelsäule litten, geprüft. Es zeigte sich nach 3 Monaten ein positiver Trend für die mit Etanercept behandelte Gruppe, die Unterschiede waren jedoch nicht signifikant [424].

TNFi wirken sich günstig auf die Häufigkeit von Schüben einer AAU aus (s. Abschn. 8.4.2) [90,91,92,93,94]. Wie bei der Inzidenzrate der AAU unter verschiedenen TNFi gibt es Hinweise auf eine partiell unterschiedliche Wirksamkeit der TNFi hinsichtlich eines Krankheitsschubes im Rahmen einer CED [105]. In einer Metaanalyse von Studien mit AS-Patienten zeigte sich, dass es während einer Therapie mit Infliximab kaum zu Aktivität einer CED kam, während dies unter Etanercept häufiger beobachtet wurde [105]. Daher sollte bei begleitender CED eine Therapie mit monoklonalen Antikörpern einer Therapie mit dem Fusionsprotein Etanercept vorgezogen werden. Als weitere wichtige extraskeletale Manifestation bei Patienten mit axialer SpA gilt die Psoriasis vulgaris. Es gibt Berichte über paradoxe Reaktionen einer vorbekannten Psoriasis als auch Berichte über das Neuauftreten einer Psoriasis vulgaris [462]. Es fehlen Daten aus großen plazebokontrollierten Studien, sodass hier keine evidenzbasierte Stellungnahme möglich ist.

Patient-reported Outcome: Unter der Therapie mit TNFi steigt die Lebensqualität der Patienten stärker an als bei Patienten unter Plazebo [152, 463, 464]. Signifikante Veränderungen zeigen sich schon ab Woche 12 mit einer lang anhaltenden Besserung im Langzeitverlauf [465]. Das Ausmaß der Veränderungen übersteigt die zu erwartende klinische Verbesserung mit einem MCID von 3,5 Punkten für den Gesundheitsstatus SF-36 [463]. Betrachtet man die Subskalen des SF-36, verbessert sich die Summenskala für die körperliche Funktionsfähigkeit. Die Summenskala für die psychische Funktionsfähigkeit verändert sich nicht signifikant [463]. Trotz der Effektivität der Therapie mit Biologika bleiben die SF-36-Werte auch unter Therapie unterhalb der der Vergleichspopulation [466].

Laborwerte: Die Wirksamkeit der TNFi lässt sich auch in laborchemischen Verlaufsuntersuchungen nachweisen. CRP und BSG fallen unter einer Therapie mit einem TNFi parallel zum Rückgang der klinisch gemessenen Krankheitsaktivität [436, 438, 449]. Die Sensitivität und Spezifität des CRP für die Vorhersage eines ASAS-20-Ansprechens wurden in einer Kohorte mit 155 AS-Patienten mit 69 % und 57 % berechnet [297]. Patienten mit erhöhten CRP-Werten bei Beginn einer TNFi-Therapie sprechen generell besser auf eine Therapie mit TNFi an.

Die Verbesserung einer vorbestehenden Anämie durch eine Therapie mit TNFi konnte in einer plazebokontrollierten Studie mit Infliximab (ASSERT) gezeigt werden [467]. Eine Regressionsanalyse in dieser Studienpopulation zeigte, dass die Verbesserung des Hämoglobinwertes mit einer Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit (gemessen am BASFI) und der Müdigkeit einhergeht. Diese Daten sprechen dafür, dass die Hämoglobinwerte entzündungsbedingt niedrig waren.

Unter der Gabe von TNFi kann es zum Auftreten von antinukleären Antikörpern kommen. In einer französischen Kohorte mit 70 AS-Patienten ist das Auftreten von antinukleären Antikörpern beschrieben worden [468]. Zu Beginn der Therapie mit TNFi hatten 27 % der AS-Patienten einen erhöhten ANA-Titer (Immunfluoreszenzmessung, Titer musste >1:250 sein), im Laufe eines Jahres entwickelten dann 52 % der Patienten einen erhöhten ANA-Titer. Allerdings zeigte kein SpA-Patient einen medikamentös induzierten Lupus.

Bildgebung: Die Wirksamkeit der TNFi lässt sich auch in MRT-Verlaufsuntersuchungen nachweisen. Bei Patienten mit axialer SpA zeigte sich nach 16 Wochen ein deutlicher Rückgang der Entzündung in den SI-Gelenken unter einer Therapie mit Infliximab [427]. Die Patienten mit einer höhergradigen Entzündung in den SI-Gelenken zeigten einen stärkeren Rückgang der Entzündung verglichen mit Patienten, die eine geringe Entzündung in den SI-Gelenken aufwiesen.

Unter Therapie mit TNFi kommt es zu einem mittels MRT nachweisbaren Rückgang der Entzündung auch in der Wirbelsäule, der nach 6 Monaten deutlicher ausgeprägt war als nach 6 Wochen [275, 277, 469]. Jedoch können auch nach 2‑jähriger Therapie mit einem TNFi immer noch residuale entzündliche Läsionen in der Wirbelsäule nachgewiesen werden [275]. Die Bedeutung dieses Befundes für die Langzeitprognose ist unklar.

Im klinischen Alltag sind systematische Verlaufsuntersuchungen bei einzelnen Patienten nicht indiziert, diese sind für die weitere Erforschung jedoch wichtig und notwendig.

Es liegen derzeit keine kontrollierten Studien vor, die eine Hemmung der röntgenologischen Progression durch TNFi bei Patienten mit axSpA zeigen. Es existiert aber eine Reihe an Kohortenstudien, die eine Verlangsamung der Knochenneubildung nahelegen [216, 470,471,472,473,474,475,476]. Die Interpretation dieser Daten ist allerdings durch das Fehlen einer Kontrollgruppe erschwert.

Unter einer Therapie mit TNFi steigt die Knochendichte signifikant deutlicher an als bei Patienten, die Plazebo erhalten haben [477, 478]. Dies hat für die Patienten eine große Bedeutung, da bekannt ist, dass die Patienten durch die Achsenskelettentzündung häufig eine Osteopenie aufweisen (s. Abschn. 3.1.1.4).

Erwerbstätigkeit: Die Effekte einer Therapie mit TNFi haben auch Einfluss auf die Erwerbstätigkeit der Patienten [479,480,481,482,483]. Schwedische Registerdaten zeigen, dass das Risiko, arbeitsunfähig zu sein, mit dem Beginn der Therapie mit TNFi abnimmt: Drei Monate vor Beginn der Therapie betrug die OR 8,0 (95 %-CI 4,6–13,9) und 12 Monate nach Beginn der Therapie nur noch 4,0 (95 %-CI 2,1–6,3) [482]. Auch eine neuere Studie aus Schweden bestätigte den Rückgang der Arbeitsunfähigkeit innerhalb der ersten 2 Jahre nach Einsatz der TNFi-Therapie [484]. Eine Studie aus England zeigte, dass arbeitslose Patienten unter einer TNFi-Therapie erneut ein Arbeitsverhältnis wieder aufnehmen können – allerdings umfasste die Kohorte nur 65 AS-Patienten [481]. Bei Patienten mit unsicherem Arbeitsverhältnis aufgrund der aktiven AS-Erkrankung reduzierte sich das Risiko, den Job zu verlieren, um 55 % nach einer 12-wöchigen Therapie mit Etanercept [480].

8.4.2.2 Interleukin-17-Blocker.

Secukinumab als Interleukin-17A-Hemmer zeigte in den Zulassungsstudien als auch in der Proof-of-concept-Studie eine gute Wirksamkeit und eine Sicherheitslage, wie sie von TNFi bekannt ist [485,486,487,488]. In der MEASURE 1 (i.v.-Aufdosierung)-Studie lag die ASAS-20-Antwort in Woche 16 bei 61 % bei einer Plazeboresponse-Rate von 29 % [486]. In der MEASURE 2-Studie (75 und 150 mg s.c. mit Aufdosierung über die ersten 4 Wochen) lag für die 150-mg-Dosierung die ASAS-20-Antwort in Woche 16 bei TNFi-naiven Patienten bei 68,2 % bei einer Plazeboresponse-Rate von 31,1 % und bei TNFi-erfahrenen Patienten bei 50,0 % bei einer Plazeboresponse-Rate von 24,1 % [487]. In der MEASURE 3-Studie zeigte sich für die 150-mg (bzw. 300-mg)-Dosierung eine ähnliche ASAS-20-Antwort von 58,1 % (bzw. 60,5 %) bei einer Plazeboresponse-Rate von 36,8 % [488]. In allen Zulassungsstudien konnten somit eine Reduktion der Wirbelsäulenschmerzen und der Morgensteifigkeit sowie eine Verbesserung der Funktionsfähigkeit erreicht werden.

Die Wirksamkeit von Secukinumab auf das Vorhandensein extraspinaler Manifestationen ist nicht in gesonderten RCTs untersucht worden. Secukinumab hat eine exzellente Wirksamkeit in Bezug auf eine Psoriasis vulgaris, aber keine Wirksamkeit in Bezug auf eine akute anteriore Uveitis oder eine CED. In den Zulassungsstudien konnte gezeigt werden, dass die Lebensqualität unter einer Therapie mit Secukinumab signifikant gegenüber Plazebo ansteigt [489, 490]. In der Proof-of-concept-Studie mit Secukinumab konnte gezeigt werden, dass es zu einem mittels MRT nachweisbaren Rückgang der Entzündung in der Wirbelsäule kommt [491].

Secukinumab ist mit einer Dosis von 150 mg s.c. alle 4 Wochen im Anschluss an eine wöchentliche Aufdosierung über die ersten 4 Wochen mit 150 mg s.c. für die AS zugelassen. Es liegen auch Daten aus Phase-III-Studien zur Dosierung mit einer i.v.-Aufdosierung (Secukinumab i.v. 10 mg/kgKG in Woche 0,2 und 4), mit nachfolgender monatlicher Dosierung wie bei den s.c.-Gaben, zu einer Dosierung mit 75 mg (statt 150 mg), aber auch mit Gaben von 300 mg s.c. alle 4 Wochen (wie sie bei der PsA zugelassen ist) vor.

Inzwischen liegen für die MEASURE 1- und 2-Studie 3‑Jahres-Daten vor, die eine lang anhaltende Wirksamkeit der Therapie mit Secukinumab zeigen [492,493,494].

8.4.2.3 Andere Biologika.

Weitere bDMARDs sind bei Patienten mit AS zwar untersucht worden, haben sich jedoch als ineffektiv erwiesen.

In einer prospektiven offenen Phase-II-Studie mit Rituximab bei AS-Patienten mit und ohne Versagen auf eine vorangegangene Therapie mit TNFi zeigte sich ein besseres Ansprechen in der Gruppe der TNFi-naiven Patienten [495]. Die ASAS-20-Ansprechrate lag in dieser Gruppe bei 50 %. Jedoch fehlte in dieser Studie eine Kontrollgruppe.

Eine weitere prospektive offene Studie mit Abatacept bei Patienten mit und ohne Versagen auf eine vorangegangene Therapie mit TNFi zeigte kein Ansprechen [496]. Die ASAS-20-Ansprechrate lag zwischen 20 und 27 % – und ist damit deutlich niedriger, als bei den TNFi berichtet.

Kontrollierte, randomisierte Studien mit Tocilizumab bzw. Sarilumab erreichten nicht den primären Endpunkt, sodass keine Interleukin-6 blockierende Substanz bei Patienten mit axSpA zur Verfügung steht [497, 498].

Ustekinumab hat sich sowohl in einer Proof-of-concept-Studie als auch in Phase-II-Studien als unwirksam in der Therapie der AS erwiesen [499, 500].

8.4.2.4 Einleitung einer Therapie mit bDMARDs.

Die Einleitung einer bDMARD Therapie sollte gemäß internatioanler Empfehlungen erfolgen.

8.4.2.4.1 Internationale Empfehlungen.

Für die Einleitung einer Therapie mit Biologika liegen evidenzbasierte Empfehlungen von ASAS und EULAR vor (Abb. 4 und 5; [21]). Entsprechend dieser Empfehlung soll die Effektivität der Therapie nach 12 Wochen überprüft werden. Bei Patienten, die ein Ansprechen zeigen (BASDAI-Verbesserung um ≥2 Punkte [auf einer Skala von 0–10] oder eine Verbesserung im ASDAS um ≥1,1) und bei denen eine positive Expertenmeinung für eine Fortführung vorliegt, kann die Therapie fortgeführt werden.

Abb. 4
figure 4

ASAS-Empfehlungen zur Anwendung von bDMARDs bei Patienten mit axialer Spondyloarthritis. (*Röntgenologische Sakroiliitis ist notwendig für Infliximab und IL17i) (Publikation mit Genehmigung durch ASAS, www.asas-group.org)

Abb. 5
figure 5

ASAS-Empfehlungen zur Überprüfung der bDMARD-Therapie. (*Entweder ASDAS oder BASDAI können verwendet werden, jedoch dasselbe Messinstrument pro Patient) (Publikation mit Genehmigung durch ASAS, www.asas-group.org)

Zusammengefasste Empfehlungen dieser S3-Leitlinie zur bDMARD-Therapie:

8.4.2.4.2 Retentionsrate der bDMARD-Therapie.

Die 1‑Jahres-Retentionsrate in einem norwegischen Register für TNFi lag bei Patienten mit AS bei 77,5 % und ist damit im Vergleich zu anderen rheumatischen Erkrankungen (RA 65,4 %, Psoriasisarthritis 77,3 %) am höchsten [501]. Die 2‑Jahres-Retentionsrate lag in einem schwedischen Register bei 74 % [432]. In der dänischen Kohorte betrug die mittlere Dauer der Medikation 3,1 Jahre (erster TNFi) bzw. 1,6 (zweiter TNFi) und 1,8 (dritter TNFi) Jahre (p < 0,001) [502]. Die Ansprechraten liegen hierbei ähnlich hoch, fallen in verschiedenen Populationen aber durchaus unterschiedlich aus. Etwa 50–80 % der Patienten mit axialer SpA erreichen eine Ansprechrate mit einer ASAS-20-Antwort, 30–60 % ASAS-40-Antwort, und 20–50 % kommen sogar in Remission. In kontrollierten Studien mit Populationen, die eine kurze Erkrankungsdauer (hier <3 Jahre) aufwiesen, konnte eine höhere Rate der (partiellen) Remission erreicht werden (z. B. INFAST mit 61,9 %) [381].

Der stärkste Prädiktor für eine dauerhafte Remission im Jahr 1 und 5 nach Einleitung der TNFi-Therapie war das Erreichen einer Remission in Woche 12 nach Beginn einer TNFi-Therapie [324]. Prädiktoren für ein schlechtes Ansprechen auf eine TNFi-Therapie sind Nikotinkonsum sowie Übergewicht [503,504,505]. Adipöse Patienten hatten eine niedrige Wahrscheinlichkeit, ein ASAS-40-Ansprechen zu erreichen, als normalgewichtige Patienten (OR 0,27 [95 %-CI 0,09–0,70] vs. 0,62 [95 %-CI 0,24–1,14]) [505].

Bei Patienten mit AS und vorwiegend axialer Beteiligung werden die TNFi als Monotherapie verwendet, da sich kein zusätzlicher Nutzen einer begleitenden Basistherapie mit Methotrexat zeigen ließ (s. Abschn. 8.4.3.2) [506,507,508]. Es liegen allerdings nur Daten zu einer Kombinationstherapie mit Infliximab und Methotrexat vor. In einer Studie mit schlechter Studienqualität wurde über einen zusätzlichen Effekt von MTX in Kombination mit Infliximab berichtet. Grund für die Nichtbewertung dieser Aussage ist die geringe Patientenanzahl (19 AS-Patienten), die fehlende Verblindung und das hohe Risiko einer Verzerrung der Studienergebnisse (Bias) [509].

8.4.2.4.3 Stratifikation IL-17-Inhibitoren und TNF-Inhibitoren untereinander.

Es liegen weder Vergleichsstudien (Head-to-head-Studie) zwischen TNFi und IL-17-Inhibitoren noch Strategiestudien bei Patienten mit axialer SpA vor. Aufgrund der unterschiedlichen Wirksamkeit von TNFi und Secukinumab in Bezug auf extraskeletale Manifestationen kann in der klinischen Entscheidungsfindung die Wirksamkeit auf eine begleitende Psoriasis oder AAU bzw. CED einer Einzelsubstanz berücksichtigt werden. Zudem sind die Unterschiede im Zulassungsstatus (TNFi für axSpA-Gesamtgruppe, Secukinumab für AS) zu berücksichtigen.

8.4.2.5 Unerwünschte Wirkungen einer bDMARD-Therapie.

Die unerwünschten Wirkungen einer Therapie mit Biologika sind potenziell vielfältig, das Nutzen-Risiko-Profil wird jedoch allgemein als günstig eingeschätzt. Die Datenlage bezüglich unerwünschter Wirkungen ist für TNFi sehr viel größer als für Secukinumab, für das bisher nur Sicherheitsdaten aus den kontrollierten Studien zur Verfügung stehen.

Die Inzidenz unerwünschter Ereignisse der Therapie mit TNFi wird mit einem Risiko von RR = 1,22; 95 %-CI: 1,12–1,33 angegeben [510]. Da die meisten Biologika s.c. appliziert werden, sind Probleme an der Injektionsstelle beschreiben worden, stellen in der klinischen Versorgung jedoch kein relevantes Problem dar. In einer Metaanalyse wurde die Inzidenz einer Reaktion an der Injektionsstelle mit einem Risiko von RR = 2,93; 95 %-CI: 2,02–4,23 angegeben [510]. In der täglichen Praxis konzentriert sich die Aufmerksamkeit hinsichtlich der unerwünschten Wirkungen vor allem auf die gesteigerte Rate an Infektionen inklusive der Reaktivierung einer latenten Tuberkulose (TB) und einer infektiösen Hepatitis, insbesondere der Hepatitis B. Das effizienteste Vorgehen zur Minderung des Risikos für TB ist vor Einleitung einer Biologikatherapie ein sorgfältiges Screening auf eine latente TB-Infektion und ggf. umgehende Einleitung einer TB-Prophylaxe [511]. In den verfügbaren Metaanalysen zeigt sich eine nicht signifikant erhöhte Rate schwerwiegender Infektionen bei Patienten mit AS unter Biologika [512, 513]. In der Metaanalyse aus dem Jahr 2010 wurden schwerwiegende Infektionen in der Plazebogruppe mit einer Häufigkeit von 0,4/100 Patientenjahren beschrieben im Vergleich zur Verumgruppe mit 1,9/100 Patientenjahren. Eine weitere Metaanalyse zeigte keinen signifikanten Unterschied in der Inzidenz schwerwiegender unerwünschter Ereignisse zwischen den verschiedenen TNFi [510]. In der Metaanalyse aus dem Jahr 2017 wurde bestätigt, dass schwere Infektionen bei Patienten mit AS unter TNFi nicht signifikant häufiger im Vergleich zu plazebobehandelten Patienten auftreten (RR 1,57 [95 %-CI 0,63–3,91]) [513]. In dieser Metaanalyse zeigte sich, dass bei Durchführung von einem Screening auf Tuberkulose kein erhöhtes Risiko unter einer Therapie mit TNFi besteht (RR 2,52 [95 %-CI, 0,53–12,09]).

Selten kann es unter einer Therapie mit einem TNFi zu malignen Erkrankungen kommen. In einer Metaanalyse aller TNFi und Einbeziehung von Patienten mit diversen entzündlich rheumatischen Erkrankungen lag das zusammengefasste Risiko bei 0,95 (95 %-CI 0,85–1,05) [514]. In dieser Metaanalyse zeigte sich ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung maligner Hauttumoren, insbesondere von Nicht-Melanomen (1,45 [95 %-CI 1,15–1,76]). In einzelnen Fällen wurde über kardiale Dekompensationen (Herzinsuffizienz Grad III und IV sind Kontraindikationen) und entzündliche neuromuskuläre Erkrankungen berichtet.

Die Sicherheitsdaten aus den Secukinumab-Studien zeigen ebenfalls ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Infektionen. Allerdings fehlen Real-world-Daten sowie Longitudinaldaten über einen längeren Zeitraum.

8.4.2.6 Dosisreduktion bzw. Absetzen der bDMARD-Therapie.

Ein Absetzen der Therapie führt bei einem hohen Prozentsatz der AS-Patienten zu klinischen Rückfällen, diese treten zum Teil bereits nach 7 Wochen auf, die mittlere Zeit bis zum Rückfall beträgt 17 Wochen [515]. Eine Wiederaufnahme der bDMARD-Therapie scheint aber ohne wesentliche Probleme möglich zu sein, und die meisten, aber nicht alle Patienten sprechen auch erneut an. Die erneute Zunahme der Krankheitsaktivität nach dem kompletten Absetzen der TNFi-Therapie ist konsistent in etablierten AS-Kohorten mit eher langer Erkrankungsdauer gezeigt worden [515].

Dosisreduktion ist möglicherweise eine Option für Patienten, die unter einer TNFi-Therapie eine Remission bzw. niedrige Krankheitsaktivität erreicht haben.Footnote 3 In einer kontrollierten Studie mit Infliximab bei Patienten mit axialer SpA und kurzer Erkrankungsdauer konnte gezeigt werden, dass bei Patienten in Remission unter einer Infliximab-Therapie der TNFi abgesetzt werden konnte und ca. 50 % der Patienten innerhalb der folgenden 28 Wochen in Remission verbleiben [517]. Retrospektive Studien konnten zeigen, dass ca. 60 % der AS-Patienten mit niedriger Krankheitsaktivität die bDMARD-Dosis um ein Drittel reduzieren konnten [518]. In einer französischen Studie zeigte sich, dass die kontinuierliche Gabe mit 5 mg/kgKG Infliximab alle 6 Wochen in einem festen Schema der Infusion mit 5 mg/kgKG Infliximab bei Bedarf durchgeführten Gabe überlegen ist [506]. Eine niedrig dosierte Gabe mit Infliximab 3 mg/kgKG ist Plazebo ebenfalls überlegen (ASAS-20-Antwort 53,5 % vs. 30,6 %, p = 0,042) [519]. Jedoch haben 68 % der Patienten in der offenen Beobachtungsphase eine Dosiseskalation auf Infliximab 5 mg/kgKG benötigt, um die Symptome der AS adäquat zu behandeln.

8.4.2.7 Wirkverlust und Switching der bDMARD-Therapie.

bDMARDs können neben einem primären Wirkverlust (eine Wirksamkeit kann von Anfang an nicht beobachtet werden) auch einen sekundären Wirkverlust zeigen, d. h. nach einer Phase der Wirksamkeit tritt ein Wirkverlust ein. Die Genese wird kontrovers diskutiert, und die Ursache ist bislang unklar, wobei immunogene Faktoren und die Entwicklung von Autoantikörpern diskutiert werden. Eine französische Studie zeigte, dass kein Zusammenhang zwischen den Infliximab-Serumkonzentrationen und der Krankheitsaktivität nach einer 1‑jährigen Therapie mit Infliximab besteht [520]. Im Gegensatz zu dieser Studie hat eine niederländische Gruppe eine Korrelation zwischen der Höhe der Serumspiegelbestimmung verschiedener TNFi und der Krankheitsaktivität gefunden [521]. Es zeigte sich insbesondere eine negative Korrelation zwischen Höhe der Serumspiegelbestimmung und der Krankheitsaktivität für Adalimumab nach 6 Monaten Therapie. In dieser Studie wurden die Patienten auch auf die Induktion von Antikörpern gegen TNFi untersucht. Diese und eine weitere Studie aus den Niederlanden stützen die These, dass für den sekundären Wirkverlust bei Patienten mit AS unter Therapie mit einem TNFi, Autoantikörper gegen Adalimumab und Infliximab eine Rolle spielen können [521, 522]. In diesen Studien konnte keine Antikörperbildung gegen Etanercept nachgewiesen werden [523]. Die Untersuchung auf Antikörper gegen TNFi ist derzeit nicht kommerziell erhältlich.

Die Datenlage zu Therapiewechsel bei bDMARD-Therapie ist spärlich und bezieht sich überwiegend auf TNFi-Daten. Der Wechsel von einem TNFi zu einem anderen ist möglich, ist aber mit einem schlechteren Therapieansprechen verknüpft. Diese Aussage basiert auf 3 systematischen Reviews und mehreren Registerstudien; kontrollierte Studien fehlen [502, 524,525,526,527]. Beide Reviews zeigen, dass der Wechsel für einen Teil der Patienten erfolgreich ist, aber mit einem schlechteren Therapieansprechen verknüpft ist. „Drug survival“ war bei dem zweiten TNFi (47–72 % über 2 Jahre) oder dritten TNFi (49 % über 2 Jahre) niedriger als beim ersten TNFi. In der dänischen Kohorte mussten 30 % der Patienten auf einen zweiten TNFi umgestellt werden, wobei der Hauptgrund für die Umstellung der sekundäre Wirkverlust war [502]. Von den umgestellten Patienten erreichten immer noch 52 % der Patienten eine klinische Remission, Daten der Schweizer Kohorte legen nahe, dass die mittlere Therapiedauer bei Patienten mit Wechsel auf einen zweiten TNFi bei primärer Wirkungslosigkeit deutlich kürzer ist als bei einem sekundären Wirkverlust (mittlere Therapiedauer mit einem zweiten TNFi: 1,06 Jahre [95 %-CI 0,75–1,96]) nach primären Versagen vs. 3,76 Jahre (95 %-CI 3,12–4,28) nach sekundärem Versagen [525]. In einer prospektiven longitudinalen Kohorte aus Schweden mit 514 AS-Patienten wechselten 77 Patienten auf einen zweiten TNFi entweder wegen Wirkverlust oder wegen Nebenwirkungen [524]. Die Krankheitsaktivität konnte zwar für einige Patienten gesenkt werden, die Krankheitsaktivität war aber höher als in der Patientengruppe, die keinen Wechsel der Medikation durchführen mussten.

Daten zur Effektivität einer Änderung des Wirkprinzips liegen nicht vor.

Empfehlung/Statement

8-15

Eine Therapie mit Biologika soll bei Patienten mit persistierend hoher entzündlicher Krankheitsaktivität und unzureichendem Ansprechen auf eine NSAR-Therapie oder Unverträglichkeit von NSAR begonnen werden. Dabei sind Unterschiede in der Zulassung für TNF- und IL-17-Inhibitoren zu beachten.

Empfehlungsgrad: A

Evidenz: 1++

8-16

Bei Patienten mit axialer SpA und symptomatischer peripherer Arthritis sollte eine TNF-Blocker-Therapie versucht werden, wenn der Patient auf mindestens eine lokale Steroidinjektion ungenügend angesprochen hat und ein angemessener Behandlungsversuch mit einem Basistherapeutikum, bevorzugt Sulfasalazin, keine Wirkung gezeigt hat.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 1

Kommentar zu 8‑16:

Diese Empfehlung setzt sich aus Informationen von mehreren Studien zusammen. Sequenzielle Studien (lokales Steroid, Sulfasalazin-Therapie und danach Therapie mit einem TNFi) bei Patienten mit peripherer Arthritis sind nicht durchgeführt worden. Daher wird der Empfehlungsgrad von „A“ auf „B“ herabgestuft.

8-17

Bei Patienten mit extramuskuloskeletalen Manifestationen, insbesondere bei Vorliegen einer Uveitis, chronisch entzündlichen Darmerkrankung oder Psoriasis sollte die unterschiedliche Effektivität der verschiedenen Biologika auf diese Manifestationen beachtet werden.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 1+/2b

8-18

Bei Patienten mit verbleibenden muskuloskeletalen Symptomen unter einer Biologikatherapie kann eine zusätzliche Therapie mit NSAR erfolgen.

Empfehlungsgrad: Statement

Evidenz: –

8-19

Die Wirksamkeit einer Biologikatherapie soll nach 12 Wochen überprüft werden.

Empfehlungsgrad: A

Evidenz: 1++

8-20

Bei Patienten, die ein Ansprechen zeigen (BASDAI-Verbesserung um ≥2 Punkte [auf einer Skala von 0–10] oder eine Verbesserung im ASDAS um ≥1,1) und bei denen eine positive Expertenmeinung für eine Fortführung vorliegt, kann die Therapie fortgeführt werden.

Bei Patienten ohne Ansprechen sollte ein Absetzen in Erwägung gezogen werden.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 2b

8-21

Eine Empfehlung, ob mit einem TNF-Inhibitor oder mit einem IL-17-Inhibitor begonnen werden soll, kann aufgrund der Studiendaten zur Wirksamkeit auf das Achsenskelett und Sicherheit nicht gegeben werden. Für TNF-Inhibitoren bestehen längere Erfahrungen in der klinischen Anwendung.

Empfehlungsgrad: Statement

Evidenz: –

8-22

Bei nicht ausreichender Wirksamkeit eines Biologikums und bestehender hoher entzündlicher Krankheitsaktivität sollte der Wechsel auf ein weiteres Biologikum erfolgen.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 2

8-23

Bei Patienten in anhaltender Remission (mindestens für 6 Monate) unter einer Biologikagabe können eine Dosisreduktion bzw. eine Intervallverlängerung und später evtl. auch das Absetzen des Biologikums erwogen werden.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 2

8.4.3 Chemisch-synthetische „disease-modifying antirheumatic drugs“ (csDMARDs) (sog. Basistherapie)

Der Begriff „Basistherapeutika“ ist bei Patienten mit axialer SpA irreführend, da im Gegensatz zur RA diese Therapieoption nicht als „Basis“ der Therapie angesehen wird. Da es sich aber in der Rheumatologie um einen weitverbreiteten Begriff handelt, wird der Begriff „Basistherapie bzw. Basistherapeutikum“ in dieser Leitlinie weiterverwendet. In der Literatur wird kontrovers diskutiert, ob die Komedikation mit einem DMARD zusätzlich zu einer bestehenden Biologikatherapie die Zeitdauer der Biologikagabe verlängert. In einer portugiesischen Kohorte mit 954 Patienten hatte die Gabe von DMARDs keinen messbaren Effekt auf die Retention der TNFi über die Zeit [528], wohingegen die Kollegen der Schweizer Kohorte zeigten, dass eine TNFi-Monotherapie zu einer geringeren Retention der Biologikamedikation führt (HR 1,17, 95%-CI 1,01–1,35) [529].

8.4.3.1 Sulfasalazin.

Es liegt ein Cochrane-Review mit Update von 2014 zum Gebrauch von Sulfasalazin bei Patienten mit AS vor [530, 531]. Nach Auswertung von 12 randomisierten kontrollierten Studien kommen die Autoren zu dem Schluss, dass Sulfasalazin bei axialer Manifestation keinen klinisch relevanten Einfluss auf die Wirbelsäulensymptome hat, dass aber Sulfasalazin möglicherweise eine Rolle in der Behandlung der aktiven peripheren Arthritis spielt. In einer Langzeitstudie über 3 Jahre traten unter Sulfasalazin weniger Episoden von peripheren Gelenkbeschwerden auf als bei den mit Plazebo behandelten Patienten. In den im Review eingeschlossenen Studien, bei denen sich Hinweise auf eine Wirksamkeit auf periphere Symptome ergaben, lag eine kurze Krankheitsdauer mit einer starken entzündlichen Komponente vor. In einer norwegischen Kohortenstudie zeigte sich, dass Patienten mit peripherer Arthritis stärker von einer Sulfasalazin-Therapie profitierten als Patienten mit reiner Achsenskelettbeteiligung [532]. Eine kleine kontrollierte Studie mit RA- und AS-Patienten zeigte bei Beobachtung über 1 Jahr keine Wirksamkeit von Sulfasalazin bei Patienten mit Enthesitis [533]. Die Wirksamkeit von Sulfasalazin scheint sich zwischen Patienten mit kurzer und langer Krankheitsdauer zu unterscheiden. In einer Studie zeigte sich, dass Patienten mit kurzer Erkrankungsdauer (<5 Jahre) auf eine Therapie mit Sulfasalazin auch bei axialen Symptomen mit allerdings geringer Effektstärke ansprechen [534]. Die Wirksamkeit von Sulfasalazin bei Patienten mit kurzer Erkrankungsdauer und jungem Erkrankungsalter (<25 Jahre) konnte in einer 2017 publizierten randomisierten Studie bestätigt werden [535]. In dieser kleinen Studie erreichte allerdings kein Patient eine ASDAS-Remission. In 2 weiteren Studien wurde Sulfasalazin mit Etanercept bei Patienten mit aktiver AS bzw. mit nr-axSpA-Patienten verglichen [426, 447]. Da die Studien insgesamt wegen der Verwendung verschiedener Outcome-Parameter nur schwer vergleichbar sind und die Qualität der Studien ebenfalls variiert, sind generelle Aussagen hierzu schwierig. In der Studie mit AS-Patienten erreichte die Etanercept-Gruppe zwar signifikant häufiger den primären Endpunkt ASAS-20-Ansprechrate in Woche 16 als die mit Sulfasalazin behandelte Gruppe (ASAS-20-Ansprechrate: 76 % vs. 53 %; p < 0,0001), die Ansprechrate war in der Sulfasalazin-Gruppe jedoch nach 16 Wochen Therapie relativ hoch (53 %; p < 0,0001) [447]. In der zweiten genannten Studie (Einschlusskriterium: Patienten mit axialer SpA und einem Krankheitsverlauf von weniger als 5 Jahren [AS-Patienten und Patienten mit nr-axSpA]) zeigte sich bezogen auf den primären Endpunkt (Veränderung entzündlicher Areale in der MRT in Woche 48) kein Unterschied in der Etanercept- und in der Sulfasalazin-Gruppe. Nach 48 Wochen zeigte sich bei 50 % der mit Etanercept und 19 % der mit Sulfasalazin behandelten nr-axSpA-Patienten eine klinische Remission [426]. Eine neuere Metaanalyse aus China vergleicht die Wirksamkeit von mit Sulfasalazin behandelten Patienten im Vergleich zu mit Etanercept behandelten Patienten [536]. Auch in dieser Studie wurde die Überlegenheit von Etanercept auf sämtliche Outcome-Variablen bestätigt. Eine Kombinationstherapie Etanercept plus Sulfasalazin wurde in keiner Studie durchgeführt. Eine chinesische Studie untersuchte, ob sich nach einer durch Biologika induzierten klinischen Remission die Remission durch die Gabe von Sulfasalazin im Vergleich zu Thalidomid bzw. NSAR aufrechterhalten ließ [537]. In allen 3 Armen zeigte sich eine Rezidivrate von deutlich mehr als 50 % (NSAR 89,2 %, SSZ 84,4 %, Thalidomid 60 %).

Darüber hinaus wurde gezeigt, dass eine Sulfasalazin-Therapie das Auftreten von akuten Episoden einer anterioren Uveitis bei AS-Patienten verhindert [88]. Patienten mit einer Colitis ulcerosa oder Crohn-Kolitis mit leichter bis mäßiger Aktivität sollten entsprechend der DGVS-Leitlinie entweder mit Sulfasalazin oder systemisch wirksamen Glukokortikoiden behandelt werden [104].

8.4.3.2 Methotrexat.

Methotrexat (MTX) hat auf die Wirbelsäulensymptomatik von AS-Patienten keine Wirkung [538, 539]. Ob ein Effekt auf die periphere Gelenksymptomatik von Patienten mit AS vorliegt, ist nicht klar, da keine der 3 randomisierten kontrollierten Studien eine ausreichende Fallzahl aufweist [538]. Die aktuellen Studien untersuchen alle die Wirkung von MTX in Kombination mit TNFi [506, 508, 509]. In 2 randomisierten kontrollierten Studien zeigte sich keine zusätzliche Wirksamkeit (gemessen mit ASAS-20-Kriterien) von MTX gegenüber Infliximab allein [506, 508]. In einer kleinen Studie (n = 19) im Parallelgruppendesign zeigte sich eine bessere Wirksamkeit von MTX in Kombination mit Infliximab verglichen mit Infliximab alleine nach 30 Wochen (gemessen mit BASDAI 50) [509]. Da es sich hierbei aber um eine recht kleine Studie mit hohem Risiko für Bias der Studienergebnisse handelt, wird das Ergebnis kritisch bewertet.

8.4.4 Andere medikamentöse Therapien

Insgesamt gibt es keine überzeugende Evidenz, um den Gebrauch von anderen traditionellen DMARDs bei Patienten mit AS zu empfehlen – dies betrifft vor allem die Achsenskelettsymptomatik und schließt Gold, Hydroxychloroquin, D‑Penicillamin, Ciclosporin A und Leflunomid ein [418].

Glukokortikoide: Es gibt lediglich eine kleine Studie (n = 39, Laufzeit 2 Wochen) zu oralen Glukokortikoiden (sog. systemische Applikation), die die Wirksamkeit von Prednisolon 50 mg/Tag vs. 20 mg/Tag vs. Plazebo bei Patienten mit AS randomisiert-kontrolliert untersucht hat [418, 540]. Der primäre Endpunkt BASDAI 50 wurde von 33 und 27 % in der 50- und 20-mg-Dosierung, aber nur von 8 % der Plazebogruppe erreicht. Die mittlere BASDAI-Verbesserung war in der 50-mg-Dosierung signifikant größer ausgeprägt als in der 20-mg-Dosierung (2,39 ± 0,5 vs. 1,19 ± 0,53; p = 0,410; Plazebo 0,66 ± 0,49). Die Studie zeigt, dass orale Glukokortikoidgaben in höheren Dosierungen wirksam sind, und die erreichten Verbesserungen müssen vor dem Hintergrund des Potenzials einer bDMARD-Versorgung gesehen werden.

Nur wenige Studien befassen sich mit der lokalen Applikation von Glukokortikoiden – entweder als intraartikuläre Injektion oder als Injektion im Bereich der Enthesen. Die Datenlage wird im Abschn. 8.6.1 erläutert.

Siehe auch Empfehlung 8‑28 und 8‑29 zur lokalen Injektion von Glukokortikoiden (Abschn. 8.6.1).

Intravenöse Bisphosphonate: Bisphosphonate weisen keinen krankheitsmodifizierenden Effekt bei Patienten mit AS auf [541,542,543,544,545,546]. In der randomisierten kontrollierten Studie aus Kanada wurde zwar mit der höheren Dosis Pamidronat eine signifikant bessere Wirkung sowohl für Wirbelsäulenschmerz als auch für Funktion ermittelt, jedoch erst beginnend ab Monat 4. Da die Behandlung mit Pamidronat mit transienten Gelenkschmerzen und Muskelschmerzen nach der Infusion bei der Mehrheit der Patienten assoziiert ist, ist eine prospektive doppelblinde kontrollierte Studie kaum möglich. Studien, die die Wirksamkeit von Bisphosphonaten auf Patienten mit AS und Osteoporose untersuchen, liegen nicht vor.

Komplementärmedizin: Patienten mit chronischen Erkrankungen nutzen komplementärmedizinische Angebote. In einer Querschnittstudie aus Australien gaben 94,7 % an, dass sie komplementärmedizinische Angebote genutzt haben [547]. Zwei randomisierte kontrollierte Studien überprüften die Wirksamkeit von Probiotika bei Patienten mit SpA [548, 549]. Beide Studien zeigen keinen Unterschied gegenüber Plazebo in Bezug auf Krankheitsaktivität, Funktionsfähigkeit und körperliches Wohlbefinden.

Empfehlung/Statement

8-24

Bei Patienten mit axialer SpA und klinisch führender peripherer Arthritis sollte eine Basistherapie mit Sulfasalazin durchgeführt werden (B). Andere Basistherapeutika wie Methotrexat können alternativ eingesetzt werden (Expertenkonsens).

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 1

Kommentar zu 8‑24:

Diese Empfehlung basiert auf einer Cochrane-Analyse, die einen geringen Effekt der Sulfasalazin-Behandlung bei Patienten mit peripherer Arthritis diskutiert hat. Daher wird der Empfehlungsgrad von „A“ auf „B“ herabgestuft.

8-25

Bei Patienten mit AS sollte keine Behandlung der Wirbelsäulensymptomatik mit Methotrexat erfolgen.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 1

Kommentar zu 8‑25:

Herabstufung des Empfehlungsgrads von „A“ auf „B“, da hier eine Extrapolation der Ergebnisse aus der Evidenzebene 1 vorgenommen wurde.

8-26

Es gibt keine ausreichende Evidenz, eine Kombination von TNF-Inhibitoren mit MTX zur Vermeidung von „anti-drug-antibodies“ (ADAs) zu empfehlen.

Empfehlungsgrad: Statement

Evidenz:

8-27

Die systemische Langzeitgabe von Glukokortikoiden wird bei Patienten mit Achsenskelettbeteiligung nicht empfohlen. Für die Wirksamkeit einer kurzfristigen Therapie mit Glukokortikoiden gibt es nur sehr begrenzte Evidenz.

Empfehlungsgrad: 0

Evidenz: 4

8.5 Familienplanung vor dem Hintergrund einer medikamentösen Therapie

Schlüsselfrage 9

  • Welche Aspekte müssen bei Patienten/Patientinnen mit Kinderwunsch bzw. in der Schwangerschaft beachtet werden?

Familienplanung: Bei der Frage nach der Wahl der Therapiestrategie sowie der Überwachung der eingesetzten Therapie klingen auch immer häufiger Fragen zu Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillzeit an. Sowohl die EULAR als auch die britischen Kollegen haben hierzu Stellungnahmen publiziert [550, 551]. In beiden Stellungnahmen wird zu dem Einsatz von csDMARD und bDMARD bei Frauen mit Kinderwunsch bzw. bestehender Schwangerschaft detailliert Stellung genommen.

Der Einfluss von TNFi auf die Spermatogenese wird kontrovers diskutiert. Es gibt Hinweise, dass sich die bei Patienten mit einer aktiven AS bestehenden Abnormalitäten der Spermien unter einer Therapie mit TNFi zurückbilden [552].

In Registern ist der Verlauf von einigen Hundert Schwangerschaften dokumentiert, allerdings überwiegend bei Patienten mit RA [553]. In einer schwedischen Fall-Kontroll-Studie zeigte sich, dass Patientinnen mit AS eine höhere Prävalenz an Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen hatten, die die Autoren sowohl auf die Krankheitsschwere als auch bestehende Komorbiditäten zurückführten [554]. Sowohl die Rate an Notfall- und elektiven Kaiserschnitten war erhöht (OR 3,00 [95 %-CI 2,01–4,46] bzw. 1,66 [95%-CI 1,09–2,54]) als auch die Rate an Frühgeburten und niedrigem Geburtsgewicht (OR 1,92 [95 %-CI 1,17–3,15] bzw. 2,12 [95 %-CI 1,00–4,50]). In einer prospektiven Schweizer Kohorte mit RA- und axSpA- (n = 62) Patienten zeigte sich, dass knapp ein Drittel der Patientinnen einen Schub ihrer Grunderkrankung in der Schwangerschaft erlebte, wobei das relative Risiko bei 3,08 (95 %-CI 1,2–7,9) für die Entwicklung eines Schubes lag, wenn der TNFi mit Bekanntwerden der Schwangerschaft pausiert wurde [555].

In einer amerikanischen Kohorte konnte kein Zusammenhang zwischen Einnahme von oralen Kontrazeptiva und dem Beginn bzw. der Schwere der SpA festgestellt werden [556].

8.6 Invasive Therapie

8.6.1 Injektionen

Schlüsselfrage 21

  • Bei welchen Patienten mit SpA kommt eine Injektionstherapie am Achsenskelett infrage?

Intraartikuläre Gelenkinjektionen können bei Patienten mit axialer SpA im Bereich der SI-Gelenke und im Bereich der peripheren Gelenke bzw. Enthesen durchgeführt werden. Kontrollierte Studien für Patienten mit SpA gibt es für die Injektion in die SI-Gelenke und in die Achillessehne [557,558,559]. Es fehlen kontrollierte Studien zur Injektion peripherer Gelenke und zu Injektionen im Bereich der Wirbelsäule.

Achillessehne: Es liegt nur eine kontrollierte Studie mit 12 AS-Patienten und schwergradiger unilateraler Enthesitis der Achillessehne vor, in der eine Kortikoidinjektion mit einer lokalen Etanercept-Injektion verglichen wird [557]. Die Injektion mit Betamethason war genauso effektiv wie die lokale Etanercept-Injektion, gemessen mit ASAS-20 in Woche 2, 4, 8 und 12.

SI-Gelenke: In einer kontrollierten Studie aus China wurde die Wirkung einer Radiofrequenzdenervierung mit der von Celebrex 400 mg/Tag verglichen, wobei sich ein stärkerer Effekt durch die Radiofrequenztherapie als durch die NSAR-Gabe nach 24 Wochen zeigte [560]. Eine kleine randomisierte, kontrollierte und doppelblinde Studie mit insgesamt 10 Patienten und symptomatischer florider Sakroiliitis (8 AS, 2 Patienten mit SAPHO-Syndrom) zeigt eine Verbesserung der Schmerzen im SI-Gelenk über 6 Monate für die Kortikosteroidgruppe im Vergleich zu der Plazebogruppe (Wirkstärke 1,94 [95 %-CI 0,53–3,35]) [558]. Eine ältere Querschnittstudie mit 30 SpA-Patienten (9 AS, 11 uSpA-Patienten) zeigte ebenfalls eine Verbesserung der Schmerzen im SI-Gelenk über 6 Monate [561]. Periartikuläre Injektionen im Bereich der SI-Gelenke zeigen ebenfalls eine Effektivität über 2 Monate [559]. Es gibt keine Vergleichsstudien zwischen CT-gesteuerter intraartikulärer SI-Gelenkinjektion und einer periartikulären Injektion.

8.6.2 Totalendoprothese

Schlüsselfrage 19

  • Welche Indikation besteht zur Durchführung einer TEP?

Eine Beteiligung der Hüftgelenke geben bis zu 36 % der Patienten mit AS in Registerstudien an [562]. In den Registerdaten ist die Diagnose „Hüftbeteiligung“ aufgrund klinischer Kriterien gestellt worden und dann ins Register aufgenommen worden. Dies bedeutet, dass es sich um eine Koxitis gehandelt haben kann, eine enthesitische Beteiligung periartikulärer Strukturen ist jedoch auch möglich. Eine Totalendoprothese (TEP) der Hüfte wurde bei 5–8 % der Patienten in der gesamten Kohorte implantiert, bei 47 % dieser Patienten wurde diese beidseitig vorgenommen. Patienten mit einer Erkrankungsdauer von über 30 Jahren haben in 12–25 % eine Hüft-TEP erhalten. Patienten mit einer Hüftgelenkbeteiligung hatten eine signifikant schlechtere körperliche Funktionsfähigkeit. Das Risiko für eine Hüft-TEP-Implantation war für AS-Patienten in einer taiwanesischen Fall-Kontroll-Studie deutlich gegenüber einer gesunden Vergleichspopulation erhöht (Inzidenzrate: 12,59 [95 %-CI 5,54–28,58]) [563].

Nach einem Hüftgelenkersatz berichten 83 % der Patienten über eine gute bis sehr gute Schmerzreduktion, und 52 % der Patienten berichten über eine gute bis sehr gute Funktionsfähigkeit [418]. Es liegen Daten zu 340 AS-Patienten mit Hüft-TEP vor, die im Mittel über 14 Jahre nachverfolgt wurden. Verglichen mit Patienten, die aus anderen Gründen eine Hüft-TEP erhalten haben, sind die AS-Patienten deutlich jünger – im Mittel 40 Jahre alt [418]. Revisionen werden entsprechend den Daten aus England überwiegend in den ersten 7 Jahren meist aufgrund einer Prothesenlockerung durchgeführt. Nach 10 Jahren mussten 90 % der TEP und nach 20 Jahren 65 % der TEP nicht gewechselt werden [418]. Die in den initialen Berichten gesehene hohe Rate an heterotopen Ossifikationen (um 80 %) bestätigt sich in jüngeren Publikationen nicht (22 %) [564]. Die Patienten erhalten in den Fallserien, die in jüngerer Zeit publiziert wurden, eine kontinuierliche NSAR-Therapie perioperativ zur Verhinderung heterotoper Ossifikationen. Kontrollierte Studien liegen hierzu nicht vor.

8.6.3 Wirbelsäulenoperation

Schlüsselfrage 20

  • Wann sollte eine Korrektur-OP der Wirbelsäule empfohlen werden?

Wirbelsäulenkorrekturosteotomie: AS-Patienten, die aufgrund ihrer Wirbelsäulendeformität die Fähigkeit zur horizontalen Sicht verloren haben, kommen für eine Aufrichtungsoperation mit Korrekturosteotomie infrage [418, 565, 566]. Es kann keine der 3 Techniken (Opening-wedge-Osteotomie, Polysegmental-wedge-Osteotomie, Closing-wedge-Osteotomie = „pedicle subtraction osteotomy“ [PSO]) eindeutig favorisiert werden [418]. Eine Winkelverbesserung der Wirbelsäule zwischen 10 und 60° kann erzielt werden [418, 567]. Die Komplikationsrate schwankt zwischen den Studien beträchtlich. Neben meist temporären neurologischen Störungen handelt es sich dabei vor allem um Implantatlockerungen mit konsekutivem Korrekturverlust und schmerzhafter Pseudarthrosenbildung.

Wirbelsäulenfrakturen: Aufgrund der verminderten Knochendichte und der fehlenden Pufferwirkung verknöcherter Bandscheiben und Gelenke (s. Abschn. 3.1.1.4) können AS-Patienten bereits ohne erinnerliches Trauma spontan eine Wirbelkörperfraktur erleiden. Wirbelsäulenverletzungen nach adäquatem Trauma sind am häufigsten an der HWS und am zweithäufigsten an der unteren BWS lokalisiert. Von den an der Halswirbelsäule Verletzten waren bei 67,2 % der Patienten bei Einlieferung in das Krankenhaus bereits Lähmungen aufgetreten [53]. Wegen der Einsteifung der Bewegungssegmente frakturiert bei Patienten mit AS fast immer auch die hintere Säule (Wirbelbögen). Diese Verletzungen sind hoch instabil, lassen sich durch konservative Maßnahmen meist nicht suffizient ruhigstellen und sollten operativ angegangen werden [568,569,570,571,572]. Von diesen Autoren werden in kleinen Patientenkollektiven eine sehr hohe Komplikationsrate von 51,1 % und eine Gesamtmortalitätsrate nach 3 Monaten von 17,7 % nach der operativen Frakturversorgung angegeben. In einer Analyse aus den USA, die auf Krankenhausdaten basiert, zeigte sich eine erhöhte Sterblichkeit bei hospitalisierten AS-Patienten mit Halswirbelsäulenfraktur (OR 1,61 [95 %-CI 1,16–2,22]) (s. Abschn. 3.2.3) [161].

Die Bildgebung zur Erkennung einer Wirbelsäulenfraktur bei Patienten mit AS ist nicht standardisiert. Die Schnittbildverfahren MRT und CT liefern unterschiedliche Informationen. Eine angemessene Einschätzung ist in ausgewählten Fällen manchmal nur durch beide Verfahren gewährleistet. AS-Patienten mit einer akuten Wirbelfraktur sollten in einem spezialisierten operativen Wirbelsäulenzentrum vorgestellt werden.

Die Empfehlung 3-2 wurde aus dem Abschn. 3.1.1.4 hier eingefügt, da der Inhalt sich mit dem der invasiven Therapie überschneidet.

Bei allen invasiven Maßnahmen sind die DGRh-Empfehlungen zur perioperativen Vorgehensweise bei Patienten, die eine Therapie mit DMARDs und Biologika erhalten, zu beachten [573].

Empfehlung/Statement

8-28

Bei Patienten mit axialer SpA und symptomatischer peripherer Arthritis (Statement) oder Enthesitis kann eine lokale Injektion mit Glukokortikoiden erfolgen.

Empfehlungsgrad: 0

Evidenz: 1

Kommentar:

Die Empfehlung bezüglich der Enthesitis basiert auf einer einzigen kontrollierten Studie, in der eine Glukokortikoidinjektion gegenüber einer Injektion mit einem TNFi verglichen wird. Randomisierte Studien mit einem Vergleich Glukokortikoidinjektion vs. Plazebo fehlen. Daher wird der Empfehlungsgrad von „A“ auf „0“ herabgestuft.

8-29

Bei Patienten mit axialer SpA und symptomatischer florider Sakroiliitis kann eine Glukokortikoidinjektion in das Sakroiliakalgelenk erfolgen.

Empfehlungsgrad: 0

Evidenz: 4

8-30

Bei Patienten mit AS und einer klinisch symptomatischen Destruktion der Hüftgelenke sollte die Indikation zur Versorgung mit einer Totalendoprothese unabhängig vom Lebensalter gestellt werden.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 4

Kommentar:

Die Empfehlung wurde von einem Empfehlungsgrad „0“ auf eine „B“-Empfehlung hochgestuft, weil es aufgrund ethischer Verpflichtung keine prospektiven Daten geben kann.

8-31

Die Möglichkeit einer Wirbelsäulenaufrichtungsoperation in einem erfahrenen Zentrum sollte AS-Patienten mit einer erheblichen Wirbelsäulenkyphose und dem Verlust der horizontalen Sicht angeboten werden.

Empfehlungsgrad: Statement

Evidenz: –

3-2#

Bei einer raschen Verschlimmerung oder Veränderung der Schmerzsymptomatik der Wirbelsäule sollte neben einer Entzündung auch an eine Fraktur (auch nach geringfügigem Trauma) gedacht werden. Eine entsprechende Diagnostik inklusive Bildgebung (Rö/CT/MRT) sollte zeitnah veranlasst werden. Bei Wirbelsäulenverletzungen (Frakturen) sollte aufgrund des höheren Instabilitätspotenzials nur in Ausnahmefällen eine konservative der operativen Therapie vorgezogen werden.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 5

Kommentar zur Empfehlung 3‑2:

Die Empfehlung wurde von einem Empfehlungsgrad „0“ auf eine „B“-Empfehlung hochgestuft, weil es aufgrund ethischer Verpflichtung keine prospektiven Daten geben kann und gleichzeitig Patienten mit einer Wirbelkörperfraktur ein schlechtes Outcome haben.

# Wiedergabe der Empfehlung aus Abschn. 3

8-32

Patienten mit axialer SpA und ankylosierter Wirbelsäule und einer Wirbelfraktur sollten in einem spezialisierten operativen Wirbelsäulenzentrum vorgestellt werden.

Empfehlungsgrad: 0

Evidenz: 4

8.7 Rehabilitation

Schlüsselfrage 15

  • Welche Effekte haben Trainings- und Rehabilitationsprogramme?

Medizinische Rehabilitationsmaßnahmen wirken sich positiv auf die körperliche Funktionsfähigkeit aus [574]. Ein 3‑wöchiges stationäres Rehabilitationsprogramm zeigte gegenüber der üblichen ambulanten Versorgung durch Rheumatologen und Hausärzte noch nach einem Jahr Verbesserungen der Krankheitsaktivität und der Lebensqualität [344]. Es gibt Anhaltspunkte, dass Klima und Umgebung eine Rolle bei der Effektivität von Maßnahmen spielen könnten. So zeigte eine Studie aus Norwegen, dass 16 Wochen nach einer 4‑wöchigen stationären Rehabilitationsleistung eine ASAS-20-Ansprechrate von 23 % erwartet werden kann, wenn die Rehabilitationsleistung in Norwegen erbracht wurde, und dass 50 % zu erwarten sind, wenn die Rehabilitationsleistung in Mittelmeerraum erbracht wurde [575]. Rehabilitationsmaßnahmen wirken besonders gut, wenn sie mit einem verhaltenstherapeutischen Modul während der Rehabilitationsmaßnahme kombiniert sind [576]. Welchen additiven Effekt ein körperliches Training im Vergleich zu einer Verhaltensschulung hat, ist aber unklar [345].

Eine Besonderheit in deutschsprachigen Ländern ist die Heilstollen-Behandlung (teilweise auch als Wannenbad), in deren Rahmen das schwach radioaktive Edelgas Radon über die Haut und Atmung in den Organismus aufgenommen wird. Eine randomisierte Studie untersuchte eine 3‑wöchige Rehabilitationsmaßnahme in einem speziellen Kurort (Heilstollen, Radontherapie) im Vergleich zu einem anderen Kurort ohne Radontherapie sowie einer alleinigen ambulanten Physiotherapie, gefolgt von wöchentlichen Gruppen-Physiotherapiesitzungen über 37 Wochen. Die Rehabilitationsmaßnahmen verbesserten Schmerzen und Allgemeinbefinden von AS-Patienten in beiden Gruppen deutlicher und anhaltender als in der Gruppe mit alleiniger Physiotherapie mit einem nichtsignifikanten Vorteil für die nicht verblindet untersuchbare Heilstollen-Gruppe gegenüber der konventionellen Rehabilitation [332]. In einer damit verbundenen sozioökonomischen Analyse wurde darüber hinaus errechnet, dass bei parallel laufender konventioneller medikamentöser Behandlung die kombinierte Rehabilitation und kontinuierliche Gruppenphysiotherapie ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis und einen realen Nutzwert aufweisen [577].

Adäquate Rehabilitationsmaßnahmen sind bei Patienten mit einer hohen Krankheitsaktivität teilweise erst nach Einleitung medikamentöser Maßnahmen durchführbar. Von 60 AS-Patienten, die wegen unzureichenden Ansprechens auf NSAR mehrheitlich Bewegungstherapie ablehnten und daraufhin alle Etanercept erhielten, wurde nach Besserung unter 2‑monatiger Biologikatherapie bei zufällig ausgewählten 30 Patienten ein 7‑tägiges intensives Rehabilitationsprogramm durchgeführt und mit der nur medikamentös behandelten Gruppe verglichen [351]. Nach 6 Monaten zeigte die Rehabilitationsgruppe eine höhere Lebensqualität (EQ-5D) als die Vergleichsgruppe. In einer weiteren randomisierten kontrollierten Studie wurden 62 AS-Patienten mit bestehender und effektiver Therapie mit einem TNFi 3 Studienarmen zugeordnet: (A) intensives Rehabilitationsprogramm (inklusive eines verhaltenstherapeutischen Moduls), (B) 2-wöchentliches Schulungsprogramm und (C) keine zusätzliche Intervention [373]. Nach 6 Monaten war die Reha-Gruppe hinsichtlich Schmerz, BASFI, BASDAI, BASMI, Wirbelsäulen- und Thoraxbeweglichkeit der Kontrollgruppe und bezüglich der meisten Parameter auch der Schulungsgruppe überlegen. Insbesondere Bewegungstherapie, die in Kombination mit anderen adhärenzfördernden Maßnahmen entsprechend einem komplexen rehabilitativen Ansatz durchgeführt wurde, zeigte gegenüber der alleinigen Biologikatherapie zahlreiche zusätzliche Effekte.

Allerdings nimmt nur ein relativ kleiner Teil der Patienten Rehabilitationsmaßnahmen in Anspruch. In einer Befragung unter 400 deutschen Rheumapatienten der Region Halle und einer gleichzeitigen Befragung von internistischen Rheumatologen zeigte sich, dass nur ca. 50 % der AS-Patienten mit Rehabilitationsbedarf auch wirklich eine rehabilitative Leistung beantragen [578].

Empfehlung/Statement

8-33

Die medizinische Rehabilitation wirkt sich positiv auf die Schmerzen, Beweglichkeit und körperliche Funktionsfähigkeit bei Patienten mit funktionellen Einschränkungen aus. Die Indikation zur Rehabilitation sollte bedarfsorientiert evaluiert werden, auch vor Ablauf des 4‑jährigen Regelabstandes zu einer vorausgegangenen medizinischen Rehabilitation.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 2b

9 Internationale Klassifikation für Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF)

Schlüsselfrage 9

  • Welche Probleme der Alltagsfähigkeit und sozialen Teilhabe sollen erfasst werden (ICF)?

9.1 ICF Core Set für AS

Patienten mit einer axialen SpA erleben eine vielfältige Beeinträchtigung im Leben durch ihre Erkrankung. In vielen Untersuchungen wird auf die reduzierte Lebensqualität und Funktionsfähigkeit von axSpA-Patienten eingegangen [74, 152, 463, 465]. Studien, die die Gesamtgruppe der axialen SpA untersucht haben, zeigen, dass die Krankheitslast sich bei Patienten mit AS und mit nr-axSpA kaum unterscheidet [74, 75, 176].

Zur systematischen Erfassung der Beeinträchtigung der Alltagsfähigkeit und sozialen Teilhabe ist die Internationale Klassifikation für Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) durch die WHO 2004 entwickelt worden [465]. Die ICF ist in die Komponenten Körperfunktion und Körperstruktur sowie Aktivität und Teilhabe aufgeteilt. Diese Komponenten können von Umweltfaktoren oder personenbezogenen Faktoren beeinflusst werden.

Neben dieser konzeptuellen Anwendung des Modells bietet die gesamte ICF ein Klassifikationssystem mit mehr als 1500 Kategorien, deren Anwendung sich in der Praxis noch nicht allgemein durchgesetzt hat. Für spezifische Erkrankungen existieren sog. „Core Sets“, die die relevanten Beeinträchtigungen für eine bestimmte Erkrankung zusammenfassen. Im Jahr 2009 ist ein ICF Core Set für AS entwickelt worden, das insbesondere für die spezialfachärztliche, therapeutische und rehabilitative Versorgung einen systematischen Zugang zu bedeutenden Aspekten der Funktionsfähigkeit bietet [579]. Die Entwicklung des Core Sets, dessen Themen in einem Delphi-Verfahren zusammengestellt wurden, basiert auf strukturierten Patienteninterviews sowie Expertenmeinungen [580, 581]. In Tab. 10 sind die Beeinträchtigungen erfasst, die AS-Patienten nach Ansicht von Patientenvertretern und nach Ansicht des Gesundheitspersonals spüren.

Tab. 10 Häufigkeit der Funktionseinschränkungen anhand der ICF

In einer anderen Analyse mit einer norwegischen Population wurde auf die Beeinträchtigung nur im Bereich der Aktivität und Teilhabe eingegangen. Die Probleme, die am häufigsten während dieser Interviews genannt wurden, waren: „unterbrochener Schlaf“, „eingeschränkte Kopfbewegungen beim Autofahren“, „Einkäufe tragen“ und „Energie für soziale Tätigkeiten“ haben [12].

Schon vor 12 Jahren wurde in einer amerikanischen Population gezeigt, wie bedeutsam Beeinträchtigungen im Alltag für AS-Patienten sind [582]. Diese Ergebnisse von 175 AS-Patienten zeigen nicht nur eine Beeinträchtigung der Körperfunktionen (Schmerz, Steifheit), sondern die Patienten waren auch durch Zukunftsängste, reduzierte soziale Kontakte und Medikamentennebenwirkungen beeinträchtigt. Diese Erhebung beruhte zwar nicht primär auf der ICF, die hierbei identifizierten Hemmnisse sind jedoch auf die Systematik der ICF übertragbar.

Die Beeinträchtigung ist im Bereich der Körperfunktionen auf die Problembereiche Schmerz und Funktionseinschränkung in der Region Rumpf/Becken/untere Extremität zurückzuführen. In den Bereichen Aktivität und Teilhabe sind die Limitationen direkt auf Beeinträchtigungen der Körperfunktionen und -strukturen zurückzuführen (Körperposition). Sowohl Freizeit- und Berufsleben als auch die Verrichtung von Hausarbeit werden von der Mehrzahl der Patienten als beeinträchtigt angegeben. Hinsichtlich der Umweltfaktoren werden die Unterstützung und Haltung der Familie, von Freunden und von der Peergroup als wichtig erachtet. Bei den Umweltfaktoren werden fast alle Bereiche überwiegend positiv bewertet. Lediglich das Klima wird als mögliche Barriere empfunden.

Idealerweise sollte die Untersuchung von Patienten sich auf alle Bereiche beziehen, die von den Patienten als problematisch erlebt werden. Die angegebene Beeinträchtigung sollte grundsätzlich aber möglichst mit validen Messinstrumenten überprüft werden. Die im Kapitel Assessments erläuterten Messinstrumente erfassen überwiegend die Bereiche Körperfunktion und Körperstruktur. Die Bereiche Aktivität und Teilhabe werden zwar ebenfalls erfasst, die Aspekte unterscheiden sich zum Teil aber erheblich [583, 584]. Eine Untersuchung mit 522 AS-Patienten aus Kanada und Australien hat gezeigt, dass die Varianz von Messinstrumenten (in der Studie wird dies anhand von BASDAI, BASFI, ASQoL, EQ-5D gezeigt) erheblich durch Umweltfaktoren und personenbezogene Faktoren (in der ICF als kontextuale Faktoren zusammengefasst) beeinflusst wird [585].

Empfehlung/Statement

9-1

Die systematische Erfassung von funktionellen Beeinträchtigungen zur Beurteilung der Krankheitslast bei Patienten mit axialer SpA kann mit der Internationalen Klassifikation für Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) erfolgen. Das ICF Core Set für AS gibt auch für relevante Bereiche der Teilhabe eine Orientierung.

Empfehlungsgrad: Statement

Evidenz: –

9.2 Aktivitäten und Teilhabe

Schlüsselfrage 2

  • Welche Interventionen können die Aktivität und Teilhabe (Partizipation) positiv beeinflussen?

Die Beeinträchtigungen von Patienten mit AS im Alltag können durch systematische Anwendung der ICF erhoben werden (s. Abschn. 9.2). In diesem Kapitel wird auf die Beeinträchtigung im Berufsleben und auf mögliche Interventionen eingegangen. Für AS-Patienten haben verschiedene soziale Rollen eine höhere subjektive Bedeutung als für Vergleichspersonen aus der Bevölkerung, aber ihre Zufriedenheit mit ihrem Ausfüllen dieser Rollen ist deutlich geringer als bei den Kontrollpersonen [586]. Die standardisierte Beschäftigungsrate von AS-Patienten in Deutschland bei Patienten im Alter von 20 bis 59 Jahren zwischen 1993 und 2001 lag bei 0,94 [13]. Bei Patienten mit einer Krankheitsdauer >10 Jahre lag das relative Risiko, berufstätig zu sein, von Patienten mit AS im Vergleich zu RA bei 1,42. Vergleichende Daten der deutschen rheumatologischen Kerndokumentation ambulant betreuter AS-Patienten im erwerbsfähigen Alter der Jahre 2000 und 2012 zeigen, dass sich die Anteile der Erwerbstätigen unter der Frauen von 51 auf 56 % und deutlicher bei den Männern von 54 auf 71 % erhöhten [314, 587]. Entsprechend verminderte sich in diesem Zeitraum der Anteil der männlichen AS-Patienten mit Erwerbminderungsrente von 20,8 auf 12,4 %, während er sich unter den Frauen nicht änderte (16,7 % gegenüber 16,5 %). Weibliches Geschlecht, niedriger Bildungsstand und höheres Lebensalter sind mit einem höheren Risiko der vorzeitigen Berentung assoziiert [20]. Daten aus den USA, Holland und der Türkei zeichnen ein ähnliches Bild der Beschäftigungssituation [11, 14, 588,589,590,591,592]. Es waren 13,2 % der Patienten mit AS in einer US-amerikanischen Kohorte dauerhaft erwerbsunfähig, und insgesamt 24,3 % hatten jemals eine Zahlung wegen Arbeitsunfähigkeit erhalten [588]. Risikofaktoren sind höheres Lebensalter, geringere Bildung, Anzahl der Komorbiditäten und körperlich anstrengende Berufe. Das Risiko, innerhalb von 4 Jahren nach Diagnose die Arbeitszeit reduzieren zu müssen, war assoziiert mit einer größeren Einschränkung der körperlichen Funktionsfähigkeit und einem höheren Schmerzlevel. Im Vergleich zur US-amerikanischen Normalbevölkerung war dies signifikant erhöht [11]. Dies lag besonders an der Altersgruppe ≥45 Jahre mit ≥20 Jahren Krankheitsdauer. In einer türkischen Kohorte gaben 44 % der Patienten an, die Arbeit gewechselt zu haben und zum Zeitpunkt der Befragung einen „leichteren“ Job zu verrichten [589].

Es gibt Untersuchungen für TNFi, die zeigen, dass eine suffiziente antientzündliche Therapie zu besserer Arbeitsfähigkeit und Produktivität sowie zu einem geringeren Risiko, den Job zu verlieren, führt [480, 481, 483].

Positive Effekte auf die Arbeitsfähigkeit und Produktivität wurden auch für ein strukturiertes Patientenschulungsprogramm für Patienten mit AS im Rahmen einer stationären Rehabilitation nachgewiesen: Noch 1 Jahr danach wurden bei Schulungsteilnehmern gegenüber Rehabilitanden ohne Schulung weniger Arbeitsunfähigkeit, seltener Rentenanträge und geringere indirekte Krankheitskosten durch Arbeitsausfälle festgestellt [593, 594]. Die multimodale Rehabilitation, die neben einer suffizienten antientzündlichen Therapie ein intensives Bewegungsprogramm und eine strukturierte Patientenschulung für Patienten mit AS einschließt, verbessert somit die Aktivität und Teilhabe am Erwerbsleben.

Zunehmend relevant sind auch stärker berufsbezogene Therapieelemente der Rehabilitation wie arbeitsplatzbezogenes Training einschließlich ergonomischer Beratung und Sozialberatung, die individuell nach den empfundenen Arbeitsbelastungen, den funktionellen Einschränkungen und vor allem den beruflichen Kontextfaktoren der Rehabilitanden angeboten werden [595].

Empfehlung/Statement

9-2

Patienten sollen darüber informiert werden, dass Aktivität und Teilhabe durch pharmakologische und nichtpharmakologische Maßnahmen positiv beeinflusst werden. Zu den nichtpharmakologischen Maßnahmen gehören:

  • multimodale Rehabilitation mit intensiver Bewegungstherapie (B),

  • strukturierte Patientenschulung (B),

  • berufsbezogene Therapieelemente in der Rehabilitation (Expertenkonsens).

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 1/2+

10 Patienteninformation

10.1 Strukturiertes Schulungsprogramm

Schlüsselfrage 18

  • Welche Effekte haben strukturierte Patientenschulungsprogramme?

Von der DGRh ist ein strukturiertes Patientenschulungsprogramm für Patienten mit AS entwickelt worden. Das Programm wird sowohl ambulant als auch stationär angeboten. Eine kontrollierte Studie verglich AS-Patienten mit und ohne Schulungsprogramm im Rahmen einer stationären Rehabilitation [593, 594]. Schulungsteilnehmer hatten noch nach einem Jahr eine bessere Krankheitsbewältigung durch erhöhte Selbstwirksamkeit sowie geringere Krankheitskosten vor allem durch weniger Arbeitsausfälle. Die Durchführung eines strukturierten Schulungsprogramms führte bei spanischen AS-Patienten dazu, dass die Patienten mehr Informationen zu ihrer Erkrankung hatten und dass Bewegungsübungen häufiger durchgeführt wurden (selbstberichtet) [596]. Allerdings waren die Effekte auf die Krankheitsaktivität und körperliche Funktionsfähigkeit nur marginal.

Empfehlung/Statement

10-1

Patienten mit einer axialen SpA sollten an einem strukturierten Schulungsprogramm teilnehmen, da die Krankheitsbewältigung verbessert wird und die Krankheitskosten reduziert werden.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 1/2+

Kommentar:

Die zugrunde liegende Studie hat ein kontrolliertes, quasi-randomisiertes, prospektives multizentrisches Design.

10.2 Gesundheitsfördernde Verhaltensweise

Schlüsselfrage 17

  • Welche gesundheitsfördernde Verhaltensweise soll empfohlen werden (Nichtrauchen, Ernährung, [Freizeit-]Sport, Selbsthilfegruppe)?

Rauchende AS-Patienten haben mehr Schmerzen, eine höhere Krankheitsaktivität und einen größeren röntgenologischen Schaden als nicht rauchende Patienten, und die Höhe des Zigarettenkonsums korreliert mit der Höhe der Krankheitsaktivität [597, 598]. Rauchende Patienten mit axialer SpA haben eine größere Einschränkung der körperlichen Funktionsfähigkeit als nicht rauchende Patienten (BASFI 5,5 vs. 3,8; p = 0,002) [70, 319]. Das Ausmaß struktureller Läsionen (gemessen am BASRI) ist bei rauchenden Patienten höher als bei nicht rauchenden Patienten (OR 4,72) [599]. Diese Ergebnisse konnten in den 2 großen europäischen Frühkohorten bestätigt werden [224, 600, 601].

Zum Einfluss von Ernährung gibt es keine Daten.

Daten über den Einfluss von (Freizeit‑)Sport liegen ebenfalls nicht vor. Es gibt kontrollierte Studien, die Patienten ohne und mit regelmäßiger Bewegung sowie Patienten mit regelmäßiger Bewegung im Vergleich zu strukturierten Therapieprogrammen untersuchen (s. Abschn. 8.3).

Empfehlung/Statement

10-2

Patienten mit axSpA sollen darüber informiert werden, dass neben den allgemeinen gesundheitlichen Risiken des Rauchens speziell für sie stärkere Einbußen der Funktionsfähigkeit, eine stärkere röntgenologische Progression und ein schlechteres Therapieansprechen auf Biologika im Vergleich zu Nichtrauchern bestehen.

Empfehlungsgrad: B

Evidenz: 2b

10.3 Selbsthilfegruppe

Die Datenlage zur Effektivität von Selbsthilfegruppen ist spärlich, da keine kontrollierten Studien oder größere Kohortenstudien vorliegen. Es liegen keine Daten zum Einfluss von Selbsthilfegruppen auf den Krankheitsverlauf vor. Experten gehen allerdings davon aus, dass Selbsthilfegruppen hilfreich in der Unterstützung von Patienten sein können [602]. Das betrifft sowohl die gegenseitige Beratung als auch die gemeinsame Organisation von Bewegungstherapie.

Empfehlung/Statement

10-3

Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen können das Management der Erkrankung unterstützen.

Empfehlungsgrad: Statement

Evidenz: –