Ätiologie und Pathogenese

Die Gonorrhö als nahezu ausschließlich sexuell übertragene Erkrankung betrifft vornehmlich die Schleimhaut des Urogenitaltraktes von Mann und Frau. Es sind jedoch auch extragenitale Lokalisationen (Anorektalbereich, pharyngeal und okulär) zu bedenken [23]. Bei 80–90 % der Patienten bleibt sie auf den Bereich der Eintrittspforten beschränkt. Es kann aber auch zu aufsteigenden Infektionen mit entzündlicher Verklebung sowie Vernarbung von Nebenhoden, Samenstrang und Tuben mit nachfolgender Sterilität kommen.

Epidemiologie

Gonorrhö-Inzidenz in den USA

Die WHO schätzt, dass weltweit jährlich 106 Mio. Neuinfektionen durch Neisseria (N.) gonorrhoeae auftreten [24]. Allein in den USA erkranken pro Jahr etwa 800.000 Menschen [5]. In den USA wurde im Jahr 2015 die bislang höchste Inzidenzrate für die Gonorrhö ermittelt. Diese lag bei 124 pro 100.000 der Bevölkerung, das ist ein Anstieg um 13 % im Vergleich zu 2014. Die Gonorrhö war am häufigsten unter Afroamerikanern und Indianern sowie den Ureinwohnern Alaskas [6]. Betroffen sind in den USA junge homosexuelle sowie bisexuelle Menschen. Der Hauptteil der Infektionen betrifft Mädchen und Frauen im Alter von 15 bis 24 Jahren und Männer von 20 bis 24 Jahren. Die neuen STI („sexually transmitted infection“)-Zahlen in den USA hängen aus Sicht von Prof. Brockmeyer, dem Präsidenten der DSTIG (Deutsche STI-Gesellschaft) mit der Reduzierung der Versorgungsstrukturen in den USA zusammen. Die vorhandenen Versorgungsstrukturen erreichen zudem nur unzureichend den Lebenskontext der Nativ- und Afroamerikaner sowie der Menschen mit lateinamerikanischer Abstammung.

Epidemiologie der Gonorrhö in Europa, Deutschland und Sachsen

Für Deutschland liegen aufgrund fehlender Meldepflicht keine aktuellen Daten zur Epidemiologie vor. In Sachsen stehen jedoch aufgrund der hier geltenden erweiterten Meldeverordnung entsprechend dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) die aktuellen Meldedaten zur Gonorrhö-Inzidenz zur Verfügung.

Vor 2001 war die Gonorrhö in Deutschland meldepflichtig. Das seit 2001 geltende IfSG sieht keine Meldepflicht mehr vor. Entsprechend IfSG (§ 7 Abs. 3) sind heute Syphilis, HIV-Nachweis und auch (sexuell übertragbare) Virushepatitiden dem Robert Koch-Institut (RKI) zu melden. HIV, Syphilis und Virushepatitiden werden direkt vom Labor dem RKI gemeldet. In Sachsen gilt die erweiterte Meldeverordnung laut IfSG. Neben der Syphilis sind in Sachsen N.-gonorrhoeae-, Chlamydia trachomatis- und auch genitale Mykoplasmennachweise meldepflichtig (Labormeldepflicht, § 2 Abs. 1 Nr. 13, § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 3) [32]. Seit 2009 kam es zu einer eindrucksvollen Zunahme der gemeldeten Infektionen durch Ngonorrhoeae (Abb. 1). Im Jahr 2014 wurden 739 Infektionen gemeldet; 824 gemeldete N.-gonorrhoeae-Infektionen im Jahr 2015 sprechen für einen weiteren Anstieg der Gonorrhö-Inzidenz in Sachsen. Über eine adäquate Zunahme der Infektionszahlen in Deutschland kann nur spekuliert werden.

Seit 2009 kam es in Sachsen zu einer deutlichen Zunahme der gemeldeten Infektionen durch N. gonorrhoeae

Abb. 1
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Anzahl der in Sachsen gemeldeten genitalen Neisseria-gonorrhoeae-Infektionen

Im Jahr 2015 betrug die Inzidenz der gemeldeten Gonorrhö-Fälle in Sachsen 20,4/100.000 (Abb. 2). 2014 lag sie in Sachsen bei 17,9 pro 100.000 Einwohner. Damit entsprach sie in der Größenordnung im Wesentlichen den Daten des European Center for Disease Prevention and Control (ECDC), das für 27 europäische Länder im Jahr 2014 eine durchschnittliche Inzidenz der N. gonorrhoeae-Infektionen von 20 pro 100.000 Einwohner ermittelte [11]. Allerdings variierten die Inzidenzen in den einzelnen europäischen Ländern stark. So lagen sie 2014 zwischen 0,5 (Kroatien) und 59,7 (England) pro 100.000 Einwohner. Im Jahr 2014 war in Europa ein Anstieg der gemeldeten N. gonorrhoeae-Infektionen von durchschnittlich 25% gegenüber 2013 zu verzeichnen.

Abb. 2
figure 2

Neisseria-gonorrhoeae-Inzidenzen von 2004 bis 2015 in Sachsen

Der Vergleich der sächsischen Großstädte ergibt, dass der Stadtkreis Leipzig 2015 mit 233 gemeldeten Erkrankungen die höchste Inzidenz (43,8/100.000 Einwohner) aufwies. Es folgten Dresden (157, Inzidenz 29,6) und Chemnitz (101, Inzidenz 41,7). Ursachen für die hohen Zahlen für Leipzig – wie eine häufigere Labordiagnostik seitens der Ärzte, ein ausgesprochen gutes Meldeverhalten der dortigen Laborpraxen, aber auch ein risikobehaftetes Sexualverhalten – können nur vermutet werden.

Klinisches Bild

Symptome einer gonorrhoischen Urethritis des Mannes sind Prickeln in der Harnröhre, Brennen beim Wasserlassen und eitriger, gelbgrüner Fluor, bestehend aus Gonokokken und Leukozyten [13]. Unbehandelt wird der Fluor nach einigen Wochen glasig-schleimig und tritt nur noch morgens als Gonokokken-haltiger Tropfen in Erscheinung („Bonjour-Tropfen“). Die Urethritis durch Ngonorrhoeae ist dagegen bei Mädchen und Frauen häufiger als beim Mann asymptomatisch. Bei der gonorrhoischen Vaginitis tritt grünlich-eitriger bzw. schleimiger Fluor auf.

Zervizitis und entzündliche Beckenerkrankungen („pelvic inflammatory disease“, PID) sind gefürchtete Komplikationen. Zu nennen sind hier auch Bauchhöhlenschwangerschaft, Infertilität und chronische Beckenschmerzen. Bei Männern kann die Gonorrhö als symptomatische Urethritis und Epididymitis imponieren [25]. Sowohl Chlamydien- als auch N.-gonorrhoeae-Infektionen begünstigen die HIV-Übertragung, was vorzugsweise in Regionen mit hoher Prävalenz, beispielsweise in Afrika südlich der Sahara Bedeutung hat.

Pharyngeale Gonorrhö

Die pharyngeale Gonorrhö tritt nach orogenitalen Kontakten auf. Symptome finden sich jedoch nicht auf dem pharyngealen Plattenepithel, sodass man auf anamnestische Hinweise des Patienten angewiesen ist bzw. auf das Ergebnis des mikrobiologischen Abstrichs. (Zur Bewertung der kulturellen und molekularbiologischen Diagnostik mittels Nukleinsäureamplifikationstechniken [NAT] s. im Abschn. Diagnostik.)

Rektale Gonorrhö

Auch die rektale Gonorrhö verläuft oft asymptomatisch. Bei Frauen kommt es zur rektalen Gonorrhö infolge einer Schmierinfektion vom Fluor vaginalis ausgehend oder nach Analverkehr. Eine Proktitis bei homosexuellen Männern sollte Anlass sein, auch an eine Gonorrhö zu denken und eine entsprechende Diagnostik durchzuführen. Die Symptome sind Schmerzen, Tenesmen und auch Fluor, ein asymptomatischer Verlauf ist jedoch ebenfalls möglich.

Aktuell wurde nachgewiesen, dass Speichel als Gleitmittel beim Analverkehr von Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), signifikant mit rektaler Gonorrhö assoziiert ist [7].

Disseminierte Gonokokken-Infektion

Zu einer Disseminierung kommt es bei bis zu 3 % der Patienten nach einer lokalen Gonorrhö. Zum üblichen klinischen Bild der disseminierten Gonokokken-Infektion gehören Hautausschlag (auch vaskulitische Hauterscheinungen), Polyarthralgie und Tenosynovitis [20]. Dazu können Fieberschübe kommen. Kürzlich wurde eine disseminierte Gonokokken-Infektion bei einer 28-jährigen immunsupprimierten Patientin beschrieben, die wegen einer paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie eine Behandlung mit Eculizumab erhielt [16]. Die Gonokokken wurden mittels Blutkultur nachgewiesen.

Diagnostik

Materialentnahme bei Verdacht auf genitale Gonorrhö

Abstriche für den mikroskopischen und kulturellen Gonokokken-Nachweis sind prinzipiell von allen potenziellen Infektionslokalisationen möglich. Bei der Beurteilung ist jedoch zu bedenken, dass es auch apathogene Neisserien-Arten gibt, die insbesondere bei Pharyngealabstrichen zu falsch positiven Ergebnissen im Grampräparat führen können. NAT werden heute aufgrund der höheren Empfindlichkeit und Spezifität bevorzugt eingesetzt. Die DNA-basierten Methoden sind von der U.S. Food and Drug Administration (FDA) für die Untersuchung von urogenitalen Proben zugelassen. Dazu zählen endozervikale und vaginale Abstriche sowie urethrale Abstriche vom Mann, jedoch auch Urin von der Frau und vom Mann. Bei Verwendung von Urin ist den Patienten unbedingt zu erklären, dass nur der Erststrahlurin zu verwenden ist, nicht der Mittelstrahlurin, der bei Harnweginfektionen untersucht wird. Für Rektal- und Pharyngealabstriche gilt diese Zulassung der FDA nicht, im Labor werden die Methoden dafür trotzdem unter Vorbehalt eingesetzt. Manche NAT sind zudem für die Eigenentnahme von Vaginalabstrichen zugelassen.

Vaginalabstriche haben sich im Vergleich mit endozervikalen Abstrichen oder Erststrahlurin als mindestens genauso empfindlich zum molekularbiologischen N.-gonorrhoeae-Nachweis erwiesen. Für das Cobas 4800 CT/NG-Testsystem liegt eine Studie mit 4000 Vaginalabstrichen vor [31]. Die vaginalen Abstriche identifizierten 92,9 % bzw. 98,5 % der Chlamydia-trachomatis- und N.-gonorrhoeae-Infektionen – deutlich mehr als aus anderen Probenmaterialien wie Endozervikalabstriche oder Urin, unabhängig davon, ob es ärztlich abgenommene Proben oder von den Patientinnen selbst entnommene Abstriche waren. Entscheidend für den Nachweis der Erreger ist, dass auch tatsächlich Zellmaterial am Abstrich bzw. im Urin enthalten sein muss, da es sonst zu falsch negativem Testausfall kommen kann.

Extragenitale Gonorrhö

Zum Ausschluss einer extragenitalen Gonorrhö sollten auch Anal- und ggf. Rachenabstriche entnommen werden, insbesondere bei Patienten, die Risikogruppen angehören (MSM, außerdem weibliche Sexarbeiterinnen). Zu beachten ist, dass bestimmte NAT nicht für diese Materialien validiert sind, da es zu falsch positivem Reaktionsausfall wegen Kreuzreaktivität mit apathogenen Neisserien-Arten kommen kann.

Mikroskopischer Nachweis der Gonokokken

Im Grampräparat finden sich bei Gonorrhö gehäuft intraleukozytäre, gramnegative, semmelförmige Diplokokken. Bei Frauen gelingt der mikroskopische Nachweis der Gonokokken am häufigsten aus dem Zervikalsekret, bei Männern aus dem Urethralabstrich. Gramfärbung und Methylenblaupräparat besitzen insbesondere bei Frauen nur orientierenden Wert, da die Begleitflora die Abgrenzung erschwert.

Kultureller Erregernachweis der Gonokokken

Der kulturelle Erregernachweis auf Kochblut- oder Levinthal-Agar („Schokoladenagar“) sowie dem Selektivmedium vom Typ Thayer-Martin sollte immer angestrebt werden, nicht zuletzt mit Blick auf die nur dadurch mögliche Empfindlichkeitstestung des Isolates [22]. Am effektivsten ist die Beimpfung der Nährmedien sofort nach der Materialabnahme vom Patienten. Idealerweise sollte der Abstrich innerhalb von 4 h im Labor sein, um möglichst schnell die Gonokokken-Kulturen ansetzen zu können. Die Bebrütung erfolgt für mindestens 48 h bei 36 °C im CO2-Brutschrank. Möglich ist auch die Schaffung eines mikroaerophilen Milieus (CO2-Gehalt >5 %) im sog. Kerzentopf (Entzünden eines Teelichtes im luftdichten Bebrütungsgefäß). Gonokokken bilden bei Wachstum in 2 Tagen feine, glatte, pigmentlose, grau-opake Kolonien von 0,6–1,5 mm Durchmesser (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Neisseria gonorrhoeae: kleine, glatte, pigmentlose, grau-opake Kolonien von 0,6–1,5 mm Durchmesser nach 2 Tagen Wachstum bei 36 °C unter mikroaerophilen Bedingungen auf Selektivmedium nach Thayer-Martin („Schokoladenagar“)

Identifizierung von Neisseria gonorrhoeae

Die positive Oxidasereaktion gilt allenfalls als orientierender Bestätigungstest. Zusätzlich sollte Ngonorrhoeae von den kommensalen Neisserien-Arten biochemisch durch das unterschiedliche Säurebildungsvermögen aus Glukose, Maltose, Fruktose, Saccharose und Laktose abgegrenzt werden. Dafür kann auf kommerziell verfügbare Testsysteme zurückgegriffen werden. Verwendet werden beispielsweise der manuell durchzuführende API-NH-Identifikations-Streifentest oder der Vitek® 2, ein kompaktes, automatisiertes ID/AST-System (beide von bioMérieux, Nürtingen).

Molekularbiologischer Nachweis von Neisseria-gonorrhoeae-DNA

Die Diagnosesicherung einer Gonorrhö erfolgt heute in erster Linie mittels molekularbiologischer Methoden. Die hohe diagnostische Empfindlichkeit des NAT-Nachweises der N.-gonorrhoeae-DNA ist ein Grund dafür, dass der kulturelle Gonokokken-Nachweis mehr und mehr in den Hintergrund gerückt ist [15]. Das ist jedoch – wie oben ausgeführt – problematisch mit Blick auf die dann nicht mögliche In-vitro-Empfindlichkeitstestung der Isolate.

Folgende NAT-Testsysteme sind beispielsweise im Einsatz: Gen-Probe Aptima Combo 2 transcription-mediated amplification assay (TMA), BD (Becton Dickinson) ProbeTec ET amplified DNA strand displacement assay (SDA) und der klassische Roche Cobas Amplicor PCR (Polymerasekettenreaktion)-Test. Die Empfindlichkeit der Methoden ist sehr hoch. In einer Studie lag die diagnostische Sensitivität bei von Patientinnen selbst entnommenen Vaginalabstrichen für die PCR Roche und für TMA Gen-Probe bei jeweils 100 %, der SDA wies 80 % auf [21].

Eine spanische Studie verglich den kulturellen Gonokokken-Nachweis mit einer Real-Time-PCR [27]. Von den 768 Proben waren 96,9 % konkordant. So waren 21 Proben PCR-positiv und Kultur-negativ, dagegen nur 3 Proben PCR-negativ und Kultur-positiv. Diagnostische Empfindlichkeit, Spezifität, positiver und negativer Vorhersagewert betrugen für die Kultur 86,2 %, 99,8 %, 99,2 % und 96,7 %, die PCR war mit 98,7 %, 100 %, 100 % und 99,7 % überlegen.

Problematisch ist der Nachweis einer pharyngealen Gonorrhö, hierbei versagt die kulturelle Anzucht des Erregers in 50 % der Fälle, da diverse apathogene Neisseria-Stämme stören. Die Amplifikationstechniken sind deutlich sensitiver (PCR Roche 80,3 %, Gen-Probe TMA 83,6 % und BD ProbeTec 93,2 %), jedoch nicht so empfindlich wie bei urethralen, zervikalen oder vaginalen Abstrichen [1].

Die Amplifikationstechniken sind deutlich sensitiver als die Kultur

Eine Therapieerfolgskontrolle mit NAT-Nachweis sollte frühestens 14 Tage nach Beendigung der Therapie erfolgen. Wenn zu früh nachkontrolliert wird, sind falsch positive Ergebnisse möglich.

Resistenzsituation

Vor dem Hintergrund steigender Antibiotikaresistenzen hat die routinemäßige Empfindlichkeitstestung der N.-gonorrhoeae-Isolate für den Therapieerfolg Bedeutung. Außerdem ist die Beurteilung der Epidemiologie der Antibiotikaresistenzen der Gonokokken möglich. Das gilt insbesondere dann, wenn, wie auch vom Erstautor dieses Artikels praktiziert, alle isolierten N.-gonorrhoeae-Stämme an das Konsiliarlabor für Gonokokken in Berlin (Prof. Dr. Peter K. Kohl, Vivantes Klinikum Berlin-Neukölln) gesendet werden. Gerade hat das Robert Koch-Institut mit dem Konsiliarlabor das Gonokokken Resistenz Netzwerk (GORENET) gegründet. Ziel des Projektes ist die Verbesserung der Datenlage zur Gonokokken-Resistenz in Deutschland, um einen besseren Überblick über die Resistenzlage zu bekommen und evidenzbasiert die Therapieempfehlungen anpassen zu können sowie Empfehlungen für zielgerichtete Präventionsmaßnahmen im Gesundheitswesen zu entwickeln.

Resistenzsituation von Neisseria gonorrhoeae in Asien

Aus Japan stammte der erste „Superbug“ Ngonorrhoeae, ein Stamm, der gegen nahezu alle verfügbaren Antibiotika resistent war, insbesondere natürlich gegen die aktuell zur Therapie empfohlenen Cephalosporine wie Ceftriaxon und Cefixim [24, 29]. Wiederholt schon hat die WHO ihre Sorge ausgedrückt, dass solche „high level“-resistenten Isolate von Ngonorrhoeae sich weltweit ausbreiten, sodass die Gonorrhö möglicherweise eine mit Antibiotika nicht mehr behandelbare Infektion werden könnte [30].

Exemplarisch für die Situation der N.-gonorrhoeae-Resistenz in Asien stehen die aktuellen Zahlen aus Nordindien. Dort stieg die Rate der Penicillinase bildenden Stämme von 8 % in den Jahren 1995–1996 auf 20 % von 2004–2005 und zuletzt 88 % (2011–2013) [2]. Die Raten der Chinolon-resistenten Stämme stiegen von 12 % (1995–1996) auf 98,3 % (2004–2005), danach gab es einen geringen Abfall auf 84 % (2011–2013). Die hohen Resistenzraten in Indien unterstreichen, dass Ciprofloxacin für die kalkulierte Behandlung der Gonorrhö nicht mehr infrage kommt. Im Januar 2013 wurden in Nordindien die ersten Gonokokken-Isolate mit verminderter Empfindlichkeit gegenüber Cephalosporinen der 3. Generation (Ceftriaxon, Cefixim und Cefpodoxim) gefunden (MHK [minimale Hemmkonzentration] -Wert für Ceftriaxon = 0,19 μg/ml).

In-vitro-Empfindlichkeit von Neisseria gonorrhoeae in Deutschland

Im Gegensatz zu Treponema pallidum besitzt Ngonorrhoeae außerordentlich vielfältige Mechanismen der Anpassung und Resistenzentwicklung (Resistenz durch chromosomale Mutationen, β‑Laktamase-Plasmide u. a.). In Deutschland hat die Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG) eine Studie zur Antibiotikaempfindlichkeit von Ngonorrhoeae durchgeführt. Im Zeitraum von Oktober 2010 bis Dezember 2011 wurden 213 Gonokokken-Isolate aus 23 Laboren untersucht. Gegenüber Penicillin waren 80 % der Isolate in vitro nicht empfindlich. Für Ciprofloxacin fand sich mit 74 % die höchste Resistenzrate, es folgte Doxycyclin mit 41 %. Eine Azithromycin-Resistenz lag bei 6 % der Isolate vor. Dagegen waren alle Stämme empfindlich gegenüber Spectinomycin, Cefixim und Ceftriaxon [14]. Im Rahmen des European Surveillance (European gonococcal antimicrobial surveillance programme oder Euro-GASP) fanden sich für Deutschland im Jahr 2013 folgende Resistenzraten für Ngonorrhoeae: Cefixim 12,9 %, Ciprofloxacin 63,4 % und Azithromycin 4 % [9]. Insbesondere der hohe Prozentsatz Cefixim-resistenter Stämme sollte Anlass sein, die orale Cefixim-Gabe in Deutschland sehr kritisch zu sehen.

In-vitro-Empfindlichkeit und Multidrug-Resistenz von Neisseria gonorrhoeae in Europa

In den europäischen Ländern ist eine Zunahme der sexuell übertragenen Erkrankungen zu verzeichnen, parallel dazu nehmen Antibiotikaresistenzen von Gonokokken zu. Die seit mindestens 10 Jahren zu beobachtende Entwicklung der Erhöhung der In-vitro-Resistenzraten von Ngonorrhoeae in Europa und Deutschland setzt sich weiter fort [8]. In Österreich hat man von 2010 bis 2014 bei 3584 Gonokokken-Isolaten die MHK mittels Agardilution und den Breakpoint mittels E®-Test bestimmt [28]. In der Untersuchungsperiode hatte sich die Anzahl der Gonokokken-Infektionen in Wien verachtfacht. Die Resistenzraten gegenüber Chinolonen, Penicillin und Doxycyclin hatten sich deutlich erhöht; 21 Isolate waren Cefixim-resistent. Die Azithromycin-Resistenz stieg von 0,9 % (2013) auf 3,2 % (2014) an. Ceftriaxon-resistente Stämme wurden nicht gefunden.

In Europa nehmen die Antibiotikaresistenzen von Gonokokken zu

Im Jahr 2013 wurden insgesamt 1994 Isolate aus 21 europäischen Ländern getestet [9]: 52,9 % waren Ciprofloxacin-resistent (2012: 50,1 %) [8]. Azithromycin-Resistenz fand sich bei 5,4 % der Isolate. Bemerkenswert ist, dass 93 (4,7 %) der untersuchten 1994 Stämme gegenüber Cefixim resistent waren. Cefixim-resistente Isolate fanden sich in 13 der beteiligten 21 Länder. Es waren vorzugsweise Frauen und männliche Heterosexuelle, die ein signifikant höheres Risiko für eine Infektion durch Cefixim-resistente Ngonorrhoeae aufwiesen. Sieben Stämme (0,4 %) waren Ceftriaxon- und gleichzeitig Cefixim-resistent. Alle 93 Cefixim-resistente Isolate waren auch Ciprofloxacin-resistent, 16 (17,2 %) Stämme waren zusätzlich Azithromycin-resistent.

Therapie von Neisseria-gonorrhoeae-Infektionen

Das Spektrum der Antibiotika zur Therapie ist aktuell aufgrund der stark angestiegenen Resistenzraten v. a. bei Fluorchinolonen (z. B. Ciprofloxacin) stark eingeschränkt [18, 19, 26, 29]. Mittel der Wahl für die antibiotische Behandlung der unkomplizierten Gonorrhö ist Ceftriaxon i. m., alternativ i. v., immer in Kombination mit Azithromycin als sog. duale Therapie. Wenn eine i. m.-Verabreichung kontraindiziert und eine i. v.-Verabreichung nicht möglich ist, kann statt Ceftriaxon Cefixim (p. o.) verwendet werden [12, 17]. Die duale Therapie mit gleichzeitiger Verabreichung von Ceftriaxon (bzw. Cefixim) und Azithromycin hat den Vorteil, dass eine möglicherweise gleichzeitig vorliegende Chlamydien-Infektion mit behandelt wird [3]. Durch den doppelten Ansatz gegenüber Ngonorrhoeae bietet sich ein weiterer Angriffspunkt zur Therapie der Gonorrhö an, und es wird der Resistenzentwicklung des Cephalosporins vorgebeugt [17]. In vitro gibt es Hinweise auf eine wohl synergistische oder auch additive Wirkung von Cephalosporinen und Azithromycin [3].

Eine duale Therapie mit Ceftriaxon (bzw. Cefixim) und Azithromycin wird empfohlen

Die Standardtherapie der Gonorrhö erfolgt entsprechend dem aktuellen Leitfaden STI-Therapie, herausgegeben von der Deutschen STI-Gesellschaft (DSTIG) [10]. Der STI-Leitfaden wiederum basiert auf der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften)-Leitlinie 059-004 „Gonorrhoe bei Erwachsenen und Adoleszenten“ [3]. Mittel der Wahl ist Ceftriaxon 1,0 g i. m. oder i. v. einmalig zusammen mit Azithromycin 1,5 g p. o. einmalig [10], bei Kontraindikation für i. m.-Injektion und wenn i. v. nicht möglich: Cefixim 800 mg p. o. plus Azithromycin 1,5 g p. o. jeweils als Einmaldosis. Nur bei kulturell nachgewiesener Empfindlichkeit sollte eine Monotherapie mit entweder Cefuroxim 400 mg, Azithromycin 1,5 g oder Ciprofloxacin 500 mg jeweils p. o. erfolgen. Eine Partnertherapie sollte angestrebt werden [3, 10].

Behandlung einer kombinierten Infektion durch Neisseria gonorrhoeae und Chlamydia trachomatis

Bei gleichzeitiger Gonorrhö und Chlamydien-Infektion kommt Ceftriaxon 1,0 g i. m. oder i. v. (einmalig) zusammen mit Azithromycin 1,5 g p. o. (einmalig) zur Anwendung [4]. Auch hier gilt, dass bei Kontraindikation für i. m.-Injektion und wenn i. v. nicht möglich Cefixim 800 mg p. o. plus Azithromycin 1,5 g p. o. jeweils als Einmaldosis verabreicht werden sollten [3, 10].

Disseminierte Neisseria-gonorrhoeae-Infektionen

Komplizierte und disseminierte N.-gonorrhoeae-Infektionen sollten immer stationär behandelt werden. Laut Leitfaden „STI-Therapie“ wird empfohlen, mit Ceftriaxon 1 g i. v. alle 24 h für mindestens 7 Tage oder länger zu behandeln [10]. Bei der akuten Beckenentzündung ist zu berücksichtigen, dass häufig Mischinfektionen mit Chlamydien und Anaerobiern (Bacteroides spp., Peptostreptococcus spp., Peptococcus spp.) und Enterobacteriaceae, außerdem auch mit Mycoplasma hominis vorliegen können. Deshalb kann eine Kombination des Cephalosporins mit anderen Antibiotika, z. B. mit Doxycyclin, oder die Gabe von Clindamycin plus Gentamicin erforderlich sein.

Therapie der Gonorrhö in der Schwangerschaft

In der Schwangerschaft ist Ceftriaxon 1 g i. v. (i. m.) als Einmaldosis die Therapie der Wahl.

Credé-Prophylaxe

Die Credé-Prophylaxe dient der Vorbeugung einer Gonoblennorrhö des Neugeborenen bei einer N.-gonorrhoeae-positiven Mutter, eine Konstellation, die heute in Deutschland selten zu erwarten ist. Das klassische Vorgehen besteht darin, einige Tropfen 1 %iger Silbernitratlösung (AgNO3) in den Konjunktivalsack des neugeborenen Säuglings einzubringen. Diese Methodik ist in Deutschland seit 1986 nicht mehr gesetzlich vorgeschrieben. Aufgrund der gründlichen vorgeburtlichen Untersuchungen und des geringen Anteils Gonokokken-infizierter Schwangeren wird heute oft ganz auf die Prophylaxe verzichtet. Dagegen steht, dass das Bundesgesundheitsamt 1992 darauf hingewiesen hat, dass neben der Gonorrhö auch andere Formen der Konjunktivitis von Relevanz sind, dass die Prophylaxe „standard of care“ darstellt und dass weltweit nicht ein einziger Fall bleibender Nebenwirkungen nach adäquater Anwendung von 1 % Silbernitratlösung beobachtet wurde. Deshalb werden laut STI-Leitfaden zur Prophylaxe einer Gonoblennorrhö alternativ entweder 1 % Silbernitrat oder antibiotikahaltige Augentropfen (Erythromycin/Tetracyclin) oder PVP-Jod-Lösungen (Ophthalmikum) empfohlen [10].

Behandlung des Sexualpartners

Laut STI-Leitfaden [10] wird die Partnertherapie bei Gonorrhö empfohlen. Aus forensischen Gründen sollte die Partnerin/der Partner jedoch nach Aufklärung einer solchen Behandlung zuvor zugestimmt haben. Auf die alternative Möglichkeit der (wiederholten) Kontrolluntersuchungen sollte hingewiesen werden.

Fazit für die Praxis

  • Die Gonorrhö wird nahezu ausschließlich sexuell übertragen und betrifft vornehmlich die Schleimhaut des Urogenitaltraktes, möglich sind jedoch auch extragenitale Lokalisationen.

  • Besorgniserregend ist die Zunahme der Resistenz von Neisseria gonorrhoeae gegenüber Penicillin, Doxycyclin, Ciprofloxacin und neuerdings auch gegenüber Azithromycin und Drittgenerationscephalosporinen.

  • Die Standardtherapie der Gonorrhö erfolgt heute mit Ceftriaxon (i. v. oder i. m.) zusammen mit Azithromycin p. o., beides als Einmalgabe.