FormalPara Koordinierende Leitautor_innen

Andreas Novy, Klaus Kubeczko und Margaret Haderer.

FormalPara Leitautor_innen

Richard Bärnthaler, Ulrich Brand, Thomas Brudermann, Antje Daniel, Andrea*s Exner, Michael Getzner, Christoph Görg, Michael Jonas, Markus Ohndorf, Michael Ornetzeder, Leonhard Plank, Thomas Schinko, Nicolas Schlitz, Anke Strüver und Franz Tödtling.

FormalPara Beitragende Autor_innen

Alina Brad, Julia Fankhauser, Veronica Karabaczek, Mathias Krams und Joanne Linnerooth-Bayer.

FormalPara Revieweditorin

Nora Räthzel

FormalPara Zitierhinweis

Novy, A., K. Kubeczko, M. Haderer, R. Bärnthaler, U. Brand, T. Brudermann, A. Daniel, A. Exner, M. Getzner, C. Görg, M. Jonas, M. Ohndorf, M. Ornetzeder, L. Plank, T. Schinko, N. Schlitz, A. Strüver und F. Tödtling (2023): Theorien des Wandels und der Gestaltung von Strukturen. In: APCC Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben (APCC SR Klimafreundliches Leben) [Görg, C., V. Madner, A. Muhar, A. Novy, A. Posch, K. W. Steininger und E. Aigner (Hrsg.)]. Springer Spektrum: Berlin/Heidelberg.

24.1 Einleitung

Teil 5 nimmt eine Bestandsaufnahme von Theorien vor, die in einem weiten Sinne Wandel untersuchen. „Theorien des Wandels“ ist ein Überbegriff für all diejenigen Theorien, die helfen, aktuelle Dynamiken der Klimakrise zu verstehen und sowohl die stattfindenden als auch die notwendigen Transformationen zu fassen.

So sind wir bei der Bestandsaufnahme vorgegangen: Nach einem ersten Brainstorming zu relevanten und prominenten Ansätzen sind wir an Expert_innen herangetreten mit der Bitte, ihren Forschungsansatz nach den vier berichtleitenden Fragen (siehe Kap. 1) darzulegen: (1) Fragen nach dem Status quo und den Herausforderungen, (2) nach Notwendigkeiten, (3) nach Strukturen und Akteur_innen sowie (4) Gestaltungsoptionen. Alle Ansätze werden jeweils ihrer inneren Logik folgend dargestellt. Sie werden vor allem in Hinblick auf ihren Beitrag zu Strukturveränderungen hin zu einem klimafreundlichen Leben kritisch betrachtet. Lücken in der Darstellung von Theorien des Wandels wurden im Austausch mit den am Bericht Beteiligten identifiziert und dort, wo es möglich war, gefüllt.

Die vorliegende Bestandsaufnahme erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Sie ist das Ergebnis eines Bottom-up-Prozesses und der Bereitschaft von Expert_innen, ihnen besonders relevant erscheinende Ansätze gemäß der oben dargestellten Systematik darzulegen. Die Bestandsaufnahme stellt ein erstes Sammeln und Auswerten von in Klimawandeldiskursen oft weniger präsenten, dezidiert sozialwissenschaftlichen Ansätzen dar, die sich mit klimaunfreundlichen Strukturen sowie deren Transformation in Richtung klimafreundlicher Strukturen beschäftigen.

Die Zuordnung der Theorien des Wandels zu Perspektiven – der Markt-, Innovations-, Bereitstellungs- und Gesellschaft-Natur-Perspektive – stand im Vorfeld nicht fest, sondern ist Ergebnis eines reiterativen und kollaborativen Review- und Assessment-Prozesses. Die Perspektiven haben, wie schon in Kap. 2 ausgeführt, eine Doppelfunktion. Sie dienen – innerhalb des Sachstandsberichtes – dem Schärfen von Sichtweisen. Beispielweise kann das Handlungsfeld „Wohnen“ und dessen Transformation in Richtung Klimafreundlichkeit aus allen Perspektiven betrachtet werden. Je nach Betrachtungsweise wird man Unterschiedliches sehen: zu regulierende Wohnungsmärkte aus der Marktperspektive oder die Klimabilanz von Neubauten aus der Gesellschaft-Natur-Perspektive. Dasselbe gilt für Strukturen. Begreift man Erwerbsarbeit als eine Struktur, kann man sie ebenfalls aus unterschiedlichen Blickwinkeln – Perspektiven – ausleuchten. Die Perspektiven dienen im Bericht dem bewussten Umgang mit epistemischem Pluralismus, das heißt der Vielfältigkeit von Wissensformen. Wie stark oder schwach die Perspektiven in den jeweiligen Kapiteln und Unterkapiteln präsent sind, hängt vor allem davon ab, wie stark sich die Autor_innen der einzelnen Subkapitel beim Ausleuchten ihres Themas auf Multiperspektivität einlassen konnten.

Die Perspektiven sensibilisieren generell für Multiperspektivität, also dafür, dass es nie nur eine wissenschaftliche Perspektive auf den Status quo, tatsächlichen und notwendigen Wandel, Barrieren und Akteur_innen gibt. Multiperspektivität ist weniger ein normatives Ideal, dem sich die Autor_innen von Kap. 2 und Teil 5 verpflichtet fühlen, sondern vielmehr dem tatsächlich existierenden „epistemischen Pluralismus“ geschuldet: Es gibt eine Vielzahl an Theorien des Wandels. Es gibt aber auch „Familienähnlichkeiten“, die sich aus ähnlichen Werthaltungen, Interessen und Herangehensweisen (Methoden) ergeben. Die Wissenschaftstheorie unterscheidet unter anderem „epistemic communities“ (Haas, 1992), Paradigmen (Kuhn, 1976) und Denkkollektive mit jeweils gemeinsamen Denkstilen (Fleck, 1935). Wir sprechen von „Perspektiven“ (vgl. Kap. 2). Unterschiedliche Perspektiven implizieren unterschiedliche Problematisierungen klimarelevanter gesellschaftlicher Transformationen, die Auswahl als relevant identifizierter Strukturen klimafreundlichen Lebens und damit verbundener Lösungsstrategien. Damit mit Hilfe von Multiperspektivität umzugehen, heißt: Differenzen, Inkompatibilitäten (die nach Grundsatzentscheidungen verlangen), Stärken und Schwächen, Ähnlichkeiten und mögliche produktive Überschneidungen zwischen Ansätzen und Perspektiven zu erkennen und diese Erkenntnis sowohl in Analysen und Zielvorstellungen als auch in Gestaltungsoptionen zu übersetzen (Novy, Bärnthaler, & Heimerl, 2020; siehe auch Abschn. 2.3).

Im Folgenden werden verschiedene Theorien des Wandels geordnet nach den vier Perspektiven ausführlicher vorgestellt. Jeweils vorangestellt ist nochmals eine kurze Zusammenfassung der jeweiligen Perspektive. Manche Theorien des Wandels – auch dies sei noch angemerkt – können nicht nur einer, sondern mehreren Perspektiven zugeordnet werden. Ein Beispiel: Der Exnovations-Ansatz liefert eine gesellschaftliche Perspektive auf notwendigen Wandel. Er kann aber auch als Ergänzung bzw. kritischer Blick auf Innovationsansätze verstanden werden und als solcher unter der Innovationsperspektive verortet werden.

Es gibt zudem Theorien des Wandels, die relevant sind, aber aufgrund fehlender personeller Kapazitäten in diesem Bericht nicht in die Bestandsaufnahme aufgenommen wurden. Dies sind insbesondere systemtheoretische Ansätze. Dazu zählen Ansätze, die sozial-ökologische Systeme als komplexe, adaptive Systeme und deren Zusammenspiel als Panarchie begreifen, also als ein Zusammenspiel, das systemischen Eigenlogiken Aufmerksamkeit schenkt (Fischer-Kowalski & Erb, 2016). Weiters fehlen Theorien zur ökologischen Ökonomie, ökologischen Modernisierung, zum Wertewandel, zu „urban transitions“ und zu Umweltbewegungen.