Zusammenfassung
Ausgehend von den sozialkonstruktivistischen Grundannahmen, dass (1) Gesellschaften zweigeschlechtlich organisiert sind (Kultur der Zweigeschlechtlichkeit) und dass (2) von normativen Erwartungen abweichendes Verhalten von Moralunternehmern mit Rückgriff auf plausible gesellschaftliche Deutungsmuster öffentlich, d.h. zu einem sozialen Problem gemacht werden muss, um zu sozialer Kontrolle zu motivieren (Definitionsmacht), werden (3) Gewaltdiskurse im gesellschaftspolitischen Kampf der Geschlechter um knappe Ressourcen (Rechtsgüter, Rechtsordnungen, öffentliche Zuwendungen etc.) verortet. In diesem Kampf spiegeln sich mit der jeweiligen Geschlechtszugehörigkeit verbundene, im Sozialisationsprozess vermittelte Weltanschauungsweisen und soziokulturell bedingte, geschlechtstypische Lebenslagen wider, deren (Nicht-) Problematisierung von ökonomischen Interessenkonflikten (Verteilungskonflikten) über Herrschaftsinteressen (Machtkonflikte) bis hin zu grundsätzlichen Konflikten um Lebensstile und Wertorientierungen (Kulturkonflikten) motiviert sein kann. Der Kampf der Geschlechter um die „richtige“ Definition von Gewalt (als interaktivem, institutionellem, strukturellem resp. kulturellem Phänomen) bzw. um das „adäquate“ Problembewusstsein erlangt unterschiedliche Bedeutung für die jeweiligen Geschlechtsangehörigen, je nachdem, ob die Deutungsmuster, auf die in Gewaltdiskursen zurückgegriffen wird, Nullsummen- oder Nicht-Nullsummenspiele suggerieren, also in den Augen der Konfliktakteure die eine Seite nur so viel gewinnen kann, wie die andere verliert, oder aber beide Seiten gewinnen können.
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Ottermann, R. (2003). Geschlechterdividenden in Gewaltdiskursen. In: Lamnek, S., Boatcă, M. (eds) Geschlecht — Gewalt — Gesellschaft. Otto-von-Freising-Tagungen der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97595-9_9
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