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Zwei Begriffe von Selbstbestimmung

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Ideologien in der Weltpolitik
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Zusammenfassung

Im Völkerrecht der Nachkriegszeit, welches stark durch den Prozess der Entkolonialisierung geprägt war, wurde Selbstbestimmung vor allem eingefordert, um die Unabhängigkeitsbestrebungen einzelner „Völker“ gegenüber fremder Herrschaft zu unterstützen. Euphemistischerweise war in diesem Zusammenhang die Rede von „nicht-selbstregierten Territorien“, obwohl es nicht so sehr um das Regieren von Territorien, sondern vielmehr um das Regieren der betreffenden Einwohner ging. Wurde doch von letzteren erwartet, dass sie Souveränität im Rahmen eines Staates erlangen und es war die Anerkennung sowie die Respektierung dieser Souveränität, wozu das Recht auf Selbstbestimmung andere Staaten und deren Bürger verpflichtete. In den letzten Jahren sieht sich jedoch eine beständig zunehmende Zahl von Staaten gerade jener Gewalten entzogen, die bis vor kurzem noch die Grundlage ihrer Souveränität ausmachten. Dieser Verlust an staatlicher Autorität hat eine Reihe von Gründen. Was heutzutage recht vage als Globalisierung bezeichnet wird — welches für viele der ärmsten Staaten der Welt nichts anderes als eine Verschuldungskrise bedeutet, durch die sie gezwungen sind, die steuerliche und finanzielle Vormundschaft internationaler Finanzinstitutionen zu akzeptieren — ist dabei nur einer dieser Gründe. Entwicklungen, die präziser als regional begriffen werden müssen, spielen eine mindestens ebenso wichtige Rolle. Die weitreichendste dieser regionalen Entwicklungen ist dabei sicherlich der Prozess der europäischen Integration, der, ob zum Guten oder Bösen sei dahingestellt, durch eine signifikante Verlagerung oder Delegierung von Machtbefugnissen der EU-Mitgliedsstaaten an „überstaatliche“ europäische Institutionen gekennzeichnet ist. Schließlich sollte, obwohl dies gewöhnlich verschleiert wird, nicht unterschätzt werden, inwieweit der Souveränitätsverlust einiger Staaten ein Resultat der willkürlichen und gewaltsamen Interventionen anderer Staaten darstellt. Dabei sind derartige Interventionen heutzutage nicht seltener als in der Vergangenheit — ganz im Gegenteil, seit dem Zusammenbruch der relativ stabilen bipolaren Machtbalance aus den Zeiten des Kalten Krieges haben sowohl Umfang als auch Intensität derartiger Interventionen spürbar zugenommen.

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© 2004 VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

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Rosenthal, J. (2004). Zwei Begriffe von Selbstbestimmung. In: Giesen, KG. (eds) Ideologien in der Weltpolitik. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-87372-9_9

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-87372-9_9

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-8100-4015-2

  • Online ISBN: 978-3-322-87372-9

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