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Familiäre Gesundheitsförderung

Gesetzliche Rahmenbedingungen und die Bedeutung gelingender Übergänge

Family-related health promotion

Legal framework and the relevance of successful transitions

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Prävention und Gesundheitsförderung Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Hintergrund

Gesundheitsverhalten wird wesentlich über frühkindliche Erfahrungen in Familien als erstem Sozialisationsort determiniert. Als grundgesetzlich geschützter sozialer Raum können Familien jedoch nicht zu Präventionsmaßnahmen verpflichtet werden. Familie ist keine Lebenswelt im Sinne des Präventionsgesetzes (PrävG), die Interventionslogik des Settingansatzes ist auf sie nicht unmittelbar anwendbar.

Zielstellung

Der Beitrag geht den neuen Herausforderungen für familiäre Gesundheitsförderung nach, die sich durch das PrävG ergeben.

Methoden

Es werden die familienbezogenen gesetzlichen Neuregelungen des PrävG inklusive der relevanten Akteure, Zuständigkeiten und Schnittstellenprobleme analysiert, insbesondere vor dem Hintergrund des 2012 verabschiedeten Bundeskinderschutzgesetzes. Folgend werden Anforderungen an familiäre Gesundheitsförderung aus der Ottawa-Charta abgeleitet. Abschließend wird der Transitionsansatz am Beispiel der Gesundheitsförderung rund um die Geburt zur Identifikation von Präventionsbedarfen und -potenzialen familiärer Gesundheitsförderung dargestellt.

Ergebnisse

Familiäre Gesundheitsförderung sollte als gemeinsame Aufgabe des Gesundheitswesens und der Kinder- und Jugendhilfe sowie weiterer lokaler Akteure gestaltet werden. Sie können sich an den Kernstrategien der Ottawa-Charta – Advocate, Enable und Mediate – als Handlungsmaximen orientieren. In Präventionsketten werden Akteursnetzwerke aufgebaut zur Unterstützung von Familien durch Gesundheitsförderung insbesondere im Management von Übergängen. Das PrävG eröffnet einerseits Möglichkeiten für ein ärztliches Präventionsmanagement, andererseits Potenzial für Kommunen zur Profilierung als „Dach-Setting“ und damit neue Potenziale für Gesundheitsförderung, die strukturgestützt aufgebaut und etabliert werden sollten.

Diskussion

Familiäre Gesundheitsförderung ist eine komplexe Herausforderung für die Akteure in der Versorgung, im Sozialraum und in den Steuerungsebenen. Es bedarf eines eigenständigen, wissenschaftlich begründeten Interventionsansatzes mit Methodenprogrammen und institutionellen Zuordnungen.

Abstract

Background

Health behaviour is substantially determined and shaped by early childhood experiences within the family environment. However, as a constitutionally protected social space, families are not obliged to follow specific health behaviour standards or to take part in preventive measures. This means that the family cannot be seen as a setting, as described in the prevention law (PrävG) and the intervention logic of the setting approach is not directly applicable to the family environment.

Objectives

The purpose of the article is to explore the new challenges for family health promotion arising from the PrävG prevention law.

Methods

The article analyses the new family-related statutory regulations of PrävG including the relevant actors, responsibilities and intersecting regulation issues taking into account the federal child protection law (Bundeskinderschutzgesetz) adopted in 2012. The article then goes on to define requirements for health promotion in families derived from the Ottawa Charter. In the final section, the transition approach is applied, considering relevant factors for health promotion especially around childbirth and identifying needs and enabling factors for health promotion in the family environment.

Results

Family health promotion should be designed as a common task of health services, child and youth services and other local actors. The three core strategies of the Ottawa Charter—Advocate, Enable and Mediate—are suitable to guide the process. “Prevention Chains” are coordinated actor networks constructed to assist families in the promotion of health and the management of transitions. The PrävG creates a new role for medical prevention management and for communities to become the “umbrella setting” for health promotion.

Discussion

Family health promotion is a complex challenge for actors involved in providing and supporting health services, those in the local environment and at the steering level. It requires an independent research-based intervention approach including the identification of adequate methods and clearly acknowledged institutional responsibilities.

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Abb. 1

Notes

  1. Dem Beitrag liegt ein moderner, weiterführender Familienbegriff zugrunde, der der Pluralisierung unserer Gesellschaft entspricht und die Vielfalt heutiger Lebens- und Familienformen berücksichtigt. Familie wird verstanden als privaten Lebenszusammenhang, in dem Menschen verschiedener Generationen in verbindlichen Beziehungen füreinander Sorge tragen [19].

  2. Ergänzend kommen in Deutschland noch Zuständigkeitsfragen (u. a.) zwischen Gesundheitsversorgung (SGB V) und Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) als besondere Herausforderung hinzu: Während das SGB V die Krankenkassen als öffentlich-rechtliche Körperschaften mit der Gestaltung der gesundheitlichen Versorgung beauftragt, ist Familienhilfe als Teil des Kinder- und Jugendhilfegesetzes institutionell und finanziell den Kommunen zugewiesen.

  3. Einzelne Modellprojekte nach Vorbild des britischen Sure start-Programms entwickeln in diesem Sinne Kitas zu Familienzentren; der Ansatz ist jedoch nur marginal entwickelt. Vgl. den Beitrag zu Setting Kita in diesem Heft.

  4. Mit Gesundheitswesen sind das in SGB V umfassend geregelte Versorgungssystem im Leistungsbereich der Krankenversicherung, d. h. niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser, sowie auch der kinder- und jugendärztliche Dienst im öffentlichen Gesundheitswesen gemeint. Auch die Schnittstelle zwischen diesen beiden Bereichen des Gesundheitswesens ist unzureichend verbunden.

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Danksagung

Die Autorinnen und der Autor danken Susanne Borkowski und Merle Müller für die Unterstützung beim Erstellen des Manuskriptes.

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Interessenkonflikt

R. Geene, U. Thyen, E. Quilling und B. Bacchetta geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.

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Geene, R., Thyen, U., Quilling, E. et al. Familiäre Gesundheitsförderung. Präv Gesundheitsf 11, 222–229 (2016). https://doi.org/10.1007/s11553-016-0560-3

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