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Die Drei-Punkte-Regel in der deutschen 1. Fußballbundesliga und der Anteil unentschiedener Spiele

Eine Replik auf den Beitrag von Dilger und Geyer 2007

The three-point rule in the German premier soccer league and the proportion of ties

A reply to the article by Dilger and Geyer 2007

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Zusammenfassung

Dilger und Geyer (2007) analysieren in ihrer Publikation die Auswirkungen der Einführung der Drei-Punkte-Regel 1995/96 durch die FIFA bzw. den DFB auf die Ergebnisse der 1. Fußballbundesliga. Sie argumentieren, dass die Einführung dieser Regel u. a. zu einer Reduktion der Anzahl der Unentschieden führen müsste, da der Anreiz des Gewinnens mit der Möglichkeit, 3 anstelle von 2 Punkten zu erzielen, größer geworden sei. Zur Überprüfung betrachten sie alle n=6194 Spiele der 1. Fußballbundesliga 10 Jahre vor und 10 Jahre nach der Einführung der Drei-Punkte-Regel und finden für diesen Zeitraum einen signifikanten Unterschied (p<0,01). Sie interpretieren dies als Beleg für den Einfluss der Drei-Punkte-Regel auf das Spielergebnis.

Wir widersprechen und sind der Auffassung, dass dieses zweifelhaft ist. In dieser Replik möchten wir aufzeigen, dass die Einführung der Drei-Punkte-Regel keine bzw. keine praktisch bedeutsamen Auswirkungen auf den Anteil der unentschiedenen Spiele hat. Zu diesem Zweck wurden alle n=13.406 Spiele seit 1963/64 in die Auswertung miteinbezogen. Es zeigt sich, dass sich im 44-jährigen Bestehen der Fußballbundesliga auch unabhängig von der Einführung der Drei-Punkte-Regel Schwankungen in den Anteilen ergeben. Ein Einfluss dieser Regel auf den Anteil der Unentschieden ist im Lichte dieser Resultate nicht zu erkennen.

Abstract

Dilger and Geyer (2007) analysed the impact of introducing the three-point rule in 1995/1996 on the results in the German premier soccer league (1. Fußballbundesliga). The authors argue that this change, among others, would lead to a reduction in the number of draws as the possibility to gain 3 points instead of 2 would cause a higher incentive for winning. Examining the entire n=6194 games in the German premier soccer league 10 years before and after the rule change, respectively, they found a significant difference for this specific period (p<0.01). This finding is interpreted as evidence for the impact of the three-point rule.

We contradict this questionable interpretation by Dilger and Geyer (2007). In our reply we show that the implementation of the three-point rule has no (practically relevant) impact on the proportion of draws. For this purpose, all of the n=13,406 matches since 1963/1964 were included in the analysis. The results indicate fluctuations in the percentage of draws during 44 years of existence of the German premier soccer league independently of the implementation of the three-point rule. In light of this, an impact of the three-point rule on the proportion of draws cannot be identified at all.

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Abb. 1

Notes

  1. Zusätzlich formulieren sie noch 4 Nebenhypothesen (H2–H5), wovon sie 3 nach der empirischen Analyse verwerfen (H3: „Insgesamt fallen weniger Tore“; H4: „Die Anzahl der Hin- und Rückspiele mit Siegumkehr steigt mit Einführung der Drei-Punkte-Regel“; H5: „Die Anzahl der Heimsiege steigt“). Lediglich die Nebenhypothese H2: „Die Siege unter der Drei-Punkte-Regel fallen knapper aus“ wird von Dilger und Geyer (2007) nicht verworfen (s. hierzu aber Gegenargument 4 in diesem Beitrag).

  2. Es sollte hinzugefügt werden, dass Dilger und Geyer (2007, S. 275) selbsteinschränkend erwähnen, „dass neben der Einführung der Drei-Punkte-Regel weitere Regeländerungen sowie Änderungen in der taktischen Spielweise der Mannschaften im Untersuchungszeitraum einen Einfluss auf die signifikanten Änderungen in den vorgestellten Ergebnissen haben könnten.“

  3. Dass keine Maße der praktischen Bedeutsamkeit zur Abschätzung der Größe des Effekts angegeben werden, trifft nicht nur für die Studie von Dilger und Geyer (2007) zu, sondern ebenso für die meisten anderen Studien zur Drei-Punkte-Regel.

  4. Wird keine Adjustierung wegen der Saison 1991/92 vorgenommen, könnte dies ebenfalls mit einem χ2-Test geprüft werden, dann allerdings nicht auf Gleichverteiltheit (mit den Erwartungswerten unter H0: vorher 50% vs. nachher 50%), sondern mit Berücksichtigung leicht abweichender Erwartungswerte (50,597% vs. 49,403%). Dies erbringt ein fast identisches Ergebnis mit χ2(1, n=1704)=6,80; p<0,01; w=0,063.

  5. Man könnte mit Behnke (2005) sogar argumentieren, dass im Fall einer solchen Vollerhebung (Stichprobe und Population fallen zusammen) auf Signifikanztests zu verzichten sei. Ein Gutachter wies uns dankenswerter Weise auf diesen lesenswerten Beitrag hin. Ein solcher Verzicht wäre aber auch nicht unstrittig, wie dies bereits in einer Replik auf Behnke (2005) von Broscheid und Gschwend (2005) diskutiert wird. Wenn stochastische Elemente in der Theoriebildung (etwa durch explizite und implizite Annahmen über das Zustandekommen von Unentschieden) enthalten sind, sehen sie eine inferenzstatistische Prüfung, auch bei Vollerhebungen, als zwingend notwendig an. Da Dilger und Geyer (2007) hier als einziges statistisches Argument die inferenzstatistische Prüfung eingeführt haben und unser Beitrag eine Replik darstellt, ist die Mitteilung von inferenzstatistischen Kennwerten in unserem Beitrag alleine schon aus Gründen der direkten Vergleichbarkeit geboten; unabhängig von der Frage, ob bei Vollerhebungen grundsätzlich Signifikanztests angewendet werden sollten oder nicht, und ob man eher den Argumenten von Behnke (2005) oder Broscheid und Gschwend (2005) den Vorzug gibt. Es sollte aber auch festgehalten werden, dass unser zentrales statistisches Gegenargument 1 der nicht vorhandenen bzw. äußerst geringen praktischen Bedeutsamkeit von dieser Diskussion über Signifikanztests bei Vollerhebungen in keiner Weise tangiert ist.

  6. Folgt man der Argumentation von Dilger und Geyer (2007) sollte im Übrigen besonders der Anteil der torlosen Spiele mit Einführung der Drei-Punkte-Regel signifikant und praktisch bedeutsam gesunken sein. Dies ist für die zwei 10 Jahres-Zeiträume bei einem p<0,05 nicht der Fall: Anteil der torlosen Spiele vorher: 8,17%, nachher: 6,93%; χ2(1, n=468)=3,16; n.s.; w=0,08.

  7. Insgesamt gibt es – bei der gewählten Variante der Adjustierung wegen der Saison 91/92 – vier weitere Intervalle (Intervalle 7, 8, 9, 11) mit einem Unterschied auf dem 5%-Niveau (vgl. Tab. 1). Die Betrachtung aller Effektgrößen zeigt jedoch, dass w in keinem betrachteten Intervall größer als w=0,064 (im 7-Jahres-Intervall) wird. In allen 12 betrachteten Intervallen liegen somit keine praktisch bedeutsamen Unterschiede vor.

  8. Kritisch zu erwähnen sei hier, dass Dilger und Geyer (2007, S. 272) in ihrer Darstellung in Abb. 1 durch eine durchgehend ansteigende Gerade im 10-Jahres-Intervall vor der Drei-Punkte-Einführung suggerieren, dass die Unentschiedenrate durchgängig gestiegen sei. Dies trifft tatsächlich aber für die letzten 5 Jahre des Intervalls, die genau vor der Einführung der Drei-Punkte-Regel liegen, nicht zu.

  9. Gleiches gilt im Übrigen für den Vergleich der beiden Anteile der torlosen Unterschieden: 6,37% (Zwei-Punkte-Regel), 7,08% (Drei-Punkte-Regel); χ2(1, n=880)=2,05, n.s., w=0,024.

  10. Wie zuvor wurde auch hier der beobachtete Anteil an Unentschieden im nach der WM 1982 betrachteten 10-Jahres-Intervall aufgrund der Saison 1991/92 adjustiert.

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Strauß, B., Hagemann, N. & Loffing, F. Die Drei-Punkte-Regel in der deutschen 1. Fußballbundesliga und der Anteil unentschiedener Spiele. Sportwiss 39, 16–22 (2009). https://doi.org/10.1007/s12662-009-0003-9

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