Zusammenfassung
Politische Parteien sind verstärkt dazu übergegangen, politische Beteiligung über das Internet zu ermöglichen, beispielsweise mithilfe von Online-Plattformen, die Bürgern und Parteimitgliedern erlauben, politische Fragen zu diskutieren und gemeinsam an Dokumenten wie Wahlprogrammen zu arbeiten. Jedoch nehmen an solchen Beteiligungsformaten oft nur wenige Personen teil. Anhand des Einsatzes einer solchen Plattform seitens der Partei Die Grünen untersucht der Beitrag, warum einige Parteimitglieder von dieser Beteiligungsmöglichkeit Gebrauch gemacht haben, andere wiederum nicht. Dabei wird auf traditionelle Modelle zur Erklärung von politischer Beteiligung zurückgegriffen und gezeigt, dass innerparteiliche Online-Beteiligung weniger durch Ressourcen oder Einstellungen motiviert wird. Vielmehr ist entscheidend, dass es starke Anreize zur Beteiligung gibt.
Abstract
Only recently, political parties tend to encourage participation via the Internet between elections, e. g. by online platforms which allow citizens and party members to discuss policy issues and generate proposals. However, in most cases only few people take part. Drawing on the case of the German Green Party and applying three well established models that explain political participation offline, the paper tries to explain why some party members use these innovative channels to communicate their preferences while others do not. Comparing users and non-users, we conclude that neither resources nor attitudes alone can explain participation. Rather, participation is motivated by incentives the platforms offer to their users.
Notes
Welche Formen von Online-Aktivitäten überhaupt als politische Partizipation angesehen werden können und ob es sich dabei um von der Offline-Partizipation distinkte Partizipationsformen handelt oder ob sie lediglich das online-basierte Substitut zu Offline-Partizipationsformen darstellen, ist strittig (Gibson und Cantijoch 2013; Oser et al. 2013).
Unter „civic skills“ verstehen die Autoren: „communications and organizational capacities that are essential to political activity“ (Brady et al. 1995, S. 272).
Schlozman et al. (2012) zeigen allerdings, dass die Jüngeren im Vergleich zu den Älteren im Rahmen ihrer Online-Partizipation eher neue Partizipationsformen wie die Beteiligung an Online-Diskussionen in Sozialen Netzwerken nutzen. Die Autoren zeigen aber auch, dass auch für Online-Partizipation sowohl innerhalb der Altersgruppen als auch über die Altersgruppen hinweg ein hoher sozioökonomischer Status begünstigend wirkt.
Internet skills werden anhand eines additiven Indexes erhoben, der die folgendenden Items umfasst: „created a Web page, bookmarked a Web page, got news on Web, sent an attachment via email, used a signature file when e‑mailing, and sent secure mail when e‑mailing“ (Krueger 2002, S. 485).
Insgesamt wurden (inklusive Nicht-Mitgliedern) 10.946 Personen zur Teilnahme an der Umfrage aufgefordert. Personen, die nicht auf die erste Einladung reagierten, wurden nach ca. zwei Wochen ein weiteres Mal an die Umfrage erinnert.
Online-Surveys erzielen zumeist deutlich niedrigere Rücklaufquoten als schriftliche oder persönliche Formen der Befragung (Maurer und Jandura 2009). Vor diesem Hintergrund wird der erzielte Rücklauf als noch zufriedenstellend eingestuft.
Die Items und Ausprägungen sind angelehnt an Emmer et al. (2011).
In Anlehnung an Spier et al. (2011).
Die positiven Anreize orientieren sich an den Operationalisierungen der Anreiztypen des General-Incentives-Modells, wie sie in Spier et al. 2011 verwendet wurden.
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Anhang
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1.1 Ergebnistabellen aus den logistischen Regressionsanalysen
Hinweise zur Interpretation der Tabellen: Die abhängige, binär codierte Variable ist die Nutzung der Plattform mit den Ausprägungen Nutzer/innen (0) und Nichtnutzer/innen (1). Ziel ist es, die Nichtnutzung zu erklären, d. h. Faktoren zu finden, die die Nichtnutzung wahrscheinlicher machen. Die Referenzkategorie der unabhängigen Variablen ist daher immer die Kategorie, von der angenommen wird, dass sie die Nutzung (0) wahrscheinlicher macht und damit die Nichtnutzung unwahrscheinlicher. Ein positiver odds-ratio-Wert bedeutet, dass alle Befragten in dieser Kategorie eine x‑mal so hohe Wahrscheinlichkeit haben, zu den Nichtnutzern (1) zu gehören.
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Gerl, K., Marschall, S. & Wilker, N. Innerparteiliche Demokratie 2.0?. Z Vgl Polit Wiss 10 (Suppl 2), 115–149 (2016). https://doi.org/10.1007/s12286-016-0288-7
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