Europäisierung und innerstaatlicher Wandel. Zentralisierung und Entparlamentarisierung?

Zusammenfassung

Viele Untersuchungen der Europäisierungswirkung auf die Institutionen der Mitgliedstaaten stützen sich auf Ansätze der Ressourcenabhängigkeit. Dieser Aufsatz argumentiert, dass solche Ansätze eines institutionalistischen Unterbaus bedürfen, um die innerstaatliche Wirkung der Europäisierung zu erklären. Erstens legen Institutionen die Verteilung von Ressourcen unter den verschiedenen Akteuren fest. Zweitens entscheidet die Kompatibilität von europäischen und innerstaatlichen Institutionen, inwieweit die Europäisierung zu einer Umverteilung von Ressourcen auf der innerstaatlichen Ebene und damit zu institutionellem Anpassungsdruck führt. Drittens beeinflusst die herrschende, Kultur’ innerstaatlicher Institutionen, welche Strategien innerstaatliche Akteure wählen, um auf die Umverteilung von Ressourcen zu reagieren. Die Strategiewahl der Akteure ist ausschlaggebend für die Anpassungsfähigkeit innerstaatlicher Institutionen und somit für das Ausmaß innerstaatlichen Wandels. Die Validität dieses institutionalistischen Arguments wird empirisch überprüft in einem Vergleich der Europäisierungswirkung auf die territorialen Institutionen der fünfstark dezentralisierten EU-Mitgliedstaaten, wobei der Schwerpunkt der Untersuchung auf Deutschland und Spanien als Vertreter gegensätzlicher institutioneller Kulturen liegt. Die Studie zeigt, dass es den Regionen gelungen ist, die durch die Europäisierung bedingte Zentralisierung auszugleichen. Die Kompensation regionaler Kompetenzverluste durch regionale Mitentscheidungsrechte in der innerstaatlichen Willensbildung zu europäischen Angelegenheiten verstärkt jedoch die Exekutivlastigkeit europäischer Entscheidungsprozesse und trägt damit entscheidend zu den Entparlamentarisierungstendenzen in den Mitgliedstaaten bei.

Abstract

A number of studies suggest that European integration impacts upon the domestic institutions of the member states by changing the distribution of resources among domestic actors. This paper argues that resource dependency needs to be embedded in an institutionalist understanding of Europeanisation in order to explain when and how Europe affects the domestic institutions of the member states. First, domestic institutions determine the distribution of resources among the domestic actors in a given member-state. Second, the compatibility of European and domestic institutions determines the degree to which Europeanisation changes this distribution of resources and hence the degree of pressure for institutional adaptation. Third, the domestic institutional culture determines the dominant strategies of actors by which they respond to such a redistribution of resources facilitating or prohibiting institutional adaptation. This argument is empirically tested by comparing the impact of Europeanisation on the territorial institutions of the five most decentralized member states, with special reference to Germany and Spain as representatives of opposite institutional cultures. The study shows that the regions succeeded in balancing the territorial centralization caused by Europeanization. However, the compensation of regional losses of competencies through the intrastate participation of the regions in the formulation and representation of the national bargaining position in European affairs reinforces executive dominance in European decision-making contributing to the tendencies of deparlamentarization in the member states.