Bis vor wenigen Jahren galt die psychodynamische Langzeittherapie vielerorts – insbesondere in der akademischen Psychologie – als Auslaufmodell. Fehlende Wirksamkeitsbelege und sinkende Ausbildungszahlen gingen einher mit einem immer geringeren Anteil an der psychotherapeutischen Versorgung. Aktuelle Daten zur Wirksamkeit psychodynamischer Langzeittherapie zeigen jedoch, dass dieser Behandlungsform durchaus auch weiterhin ein wichtiger Stellenwert in der Versorgung psychisch Kranker zukommen sollte.

Forschung zu psychodynamischer Langzeittherapie

Es gibt eine stetig wachsende Zahl randomisierter kontrollierter Studien, die die Wirksamkeit psychodynamischer Therapie bei spezifischen psychischen Störungen belegen (Shedler 2010; Leichsenring et al. 2015). Dies gilt sowohl für die psychodynamische Kurzzeittherapie (Abbass et al. 2014) wie auch zunehmend für die psychodynamische Langzeittherapie (Leichsenring und Rabung 2008, 2011a). Während die empirische Fundierung psychodynamischer Kurzzeittherapie inzwischen auch von Vertretern anderer therapeutischer Orientierungen weitgehend anerkannt ist, wird die Evidenz für psychodynamische Langzeittherapie immer noch kontrovers diskutiert.

Die vorliegende Arbeit gibt vor diesem Hintergrund einen Überblick über die bislang verfügbaren systematischen Übersichtsarbeiten zu der Wirksamkeit psychodynamischer Langzeittherapie und ihrer Perzeption in der wissenschaftlichen Gemeinschaft.

Systematische Reviews

Wirtschaftlichkeit

Das erste systematische Review zur Wirtschaftlichkeit psychodynamischer Langzeittherapie wurde von de Maat et al. (2007) veröffentlicht. Analysiert wurden 7 Beobachtungsstudien (3 prospektive und 4 retrospektive), die in den Jahren 1986 bis 2004 veröffentlicht worden waren und definierte methodische Mindeststandards erfüllten. Die teilnehmenden erwachsenen Patienten (n = 861) wiesen „typische“ psychische Erkrankungen auf, waren mindestens ein Jahr und mindestens 50 Sitzungen (Mittelwert [M] = 275 Sitzungen) ambulant psychoanalytisch bzw. psychoanalytisch orientiert behandelt worden. Zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit der psychodynamischen Langzeittherapie wurden ökonomische Faktoren wie die Therapiekosten, die Inanspruchnahme sonstiger medizinischer Leistungen (Medikation, Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte) sowie die Arbeitsunfähigkeitszeiten als Ergebnismaße erfasst. Im Verlauf der Therapie zeigten sich in allen Ergebnismaßen bedeutsame Verbesserungen die – soweit die vorliegenden Daten entsprechende Vergleiche erlaubten – auch im Katamnesezeitraum (M = 2,9 Jahre) stabil blieben. Die Therapiekosten hätten sich gemäß den vorliegenden Daten nach etwa 3 Jahren amortisiert („break-even point“).

Wirksamkeit

Erstes Review

Ein Jahr später veröffentlichten Leichsenring und Rabung (2008) das erste systematische Review zur Wirksamkeit von psychodynamischer Langzeittherapie, in das neben 12 Beobachtungsstudien 11 randomisierte kontrollierte Studien aufgenommen werden konnten. Berücksichtigt wurden ausschließlich prospektive Studien mit und ohne Kontrollgruppe, die mindestens eine Prä- und eine Post- bzw. Katamnesemessung aufwiesen sowie zwischen 1984 und 2008 publiziert worden waren.

Die teilnehmenden erwachsenen Patienten (n = 1053) wiesen ein breites Spektrum – überwiegend komplexer – psychischer Störungen auf und waren mindestens ein Jahr (M = 1,8) oder mindestens 50 Sitzungen (M = 151 Sitzungen) in psychodynamischer Therapie behandelt worden. In 8 Studien wurden verwertbare Daten zur Vergleichsbehandlung berichtet (einmal dialektisch-behaviorale Therapie, einmal dynamisch-stützende Therapie, einmal Ernährungsberatung, einmal Familientherapie, einmal kognitiv-analytische Therapie, 2‑mal kognitive Therapie, 4‑mal psychiatrische Routinebehandlung, einmal psychodynamische Kurzzeittherapie). Als Ergebnismaße wurden reliable und valide Selbst- und Fremdbeurteilungsinstrumente zur Erfassung von Zielsymptomen, allgemeinen psychischen Symptomen, Persönlichkeitsfunktionen und sozialem Funktionieren berücksichtigt. Da nur für 8 der 23 analysierten Studien Daten zum Vergleich von psychodynamischer Langzeittherapie mit einer anderen Behandlung vorlagen, konnten keine Zwischengruppeneffekte als durchgängiges Effektstärkemaß bestimmt werden. Stattdessen wurden für jede einzelne Studiengruppe der 23 Studien Intragruppeneffekte zu den genannten Ergebnisdimensionen berechnet. Im Verlauf der psychodynamischen Langzeittherapie zeigten sich in allen Ergebnisdimensionen signifikante Verbesserungen von großer Effektstärke (Gesamteffekt d = 1,03). Die größten Effekte fanden sich erwartungsgemäß im Bereich der Zielsymptomatik (d = 1,54). Die Effektstärken zum Katamnesezeitpunkt (M = 93 Wochen) fielen in den meisten Ergebnisdimensionen nochmals signifikant höher aus (Gesamteffekt d = 1,25, Zielsymptomatik d = 1,98). Subgruppenanalysen über ausgewählte Studien zu Patientengruppen mit komplexen psychischen Störungen (definiert als chronische psychische Störungen, multiple psychische Störungen oder Persönlichkeitsstörungen) resultierten in vergleichbaren Befunden. Der auf den 8 Studien mit entsprechenden Daten basierende Vergleich der Effekte von psychodynamischer Langzeittherapie mit denen von kürzeren Behandlungen (M = 39 vs. 53 Wochen) bzw. weniger intensiven Behandlungen (M = 33 vs. 103 Sitzungen) ergab in allen Ergebnisbereichen eine deskriptive Überlegenheit der psychodynamischen Langzeittherapie. Diese ließ sich allerdings nur für den Gesamteffekt (d = 0,95 vs. d = 0,49), die Zielsymptomatik (d = 1,11 vs. d = 0,59) und die Persönlichkeitsfunktionen (d = 0,90 vs. d = 0,18) als statistisch signifikant absichern. Auch dieser Befund konnte in einer Subgruppe von Studien zu Patientengruppen mit komplexen psychischen Störungen repliziert werden. Es fanden sich keine signifikanten Zusammenhänge zwischen der Qualität der analysierten Studien und dem Outcome.

Weitere systematische Reviews

Parallel zum Review von Leichsenring und Rabung (2008) wurde in der niederländischen Arbeitsgruppe um de Maat ein systematisches Review zur Wirksamkeit von psychodynamischer Langzeittherapie, allerdings mit stärkerem Schwerpunkt auf psychoanalytischer Behandlung, erstellt, das im Jahr 2009 veröffentlicht wurde (de Maat et al. 2009). Unter Anwendung von z. T. deutlich abweichenden Ein- und Ausschlusskriterien konnten 26 Beobachtungsstudien bzw. Befragungen (16 prospektive, 10 retrospektive) sowie eine randomisierte kontrollierte Studie aufgenommen werden, die in den Jahren 1972 bis 2006 veröffentlicht worden waren. Die teilnehmenden erwachsenen Patienten (n = 5063) wiesen „normale“ psychische Erkrankungen auf und waren mindestens ein Jahr (M = 2,8 Jahre) und mindestens 50 Sitzungen (M = 249 Sitzungen) ambulant psychoanalytisch bzw. psychoanalytisch orientiert behandelt worden. Als Ergebnismaße wurden Selbst- und Fremdbeurteilungsinstrumente zur Erfassung von allgemeinen psychischen Symptomen und Persönlichkeitsfunktionen berücksichtigt. Im Verlauf der Therapie zeigten sich in allen Ergebnismaßen bedeutsame Verbesserungen (Gesamteffekt psychoanalytisch orientierte Psychotherapie d = 0,78, Psychoanalyse d = 0,87), die – soweit die vorliegenden Daten entsprechende Vergleiche erlaubten – auch im Katamnesezeitraum (M = 3,2 Jahre) stabil blieben bzw. noch weiteranstiegen (Gesamteffekt psychoanalytisch orientierte Psychotherapie d = 0,94, Psychoanalyse d = 1,18). Auch hier fanden sich erwartungsgemäß die größten Effekte bezüglich der Symptomreduktion, während sich hinsichtlich der Veränderung der Persönlichkeitsfunktionen lediglich mittlere bis große Effekte zeigten. Subgruppenanalysen ergaben, dass die Ergebnismuster weitestgehend unabhängig vom Schweregrad der untersuchten Patienten sind. Beim Vergleich von Studien von höherer vs. niedrigerer Qualität zeichneten sich keine Hinweise auf einen systematischen Zusammenhang zwischen der Studienqualität und dem Outcome ab. Auf die Darstellung eines weiteren, von derselben Arbeitsgruppe im Jahr darauf veröffentlichten Reviews, das sich ausschließlich mit der Wirksamkeit von Psychoanalyse befasst, wird im vorliegenden Beitrag aufgrund des deutlich engeren Fokus nicht näher eingegangen (de Maat et al. 2010).

Als Reaktion auf teilweise heftige Kontroversen (s. Abschn. „Kontroversen in der wissenschaftlichen Gemeinschaft“) in Bezug auf ihr erstes Review erstellten Leichsenring und Rabung (2011a) ein Update ihres Reviews, in dem die verschiedentlich vorgebrachten Kritikpunkte berücksichtigt wurden. Aufgenommen wurden 10 ausschließlich (randomisierte) kontrollierte Studien, in denen ausschließlich Patientengruppen mit komplexen Störungen (Definition s. Abschn. „Erstes Review“; 5‑mal Borderline-Persönlichkeitsstörungen, einmal Cluster-C-Persönlichkeitsstörungen, 2‑mal Essstörungen, 2‑mal schwere depressive und/oder Angststörungen; n = 971) untersucht und die psychodynamische Langzeittherapie (Mindestdauer ein Jahr, M = 1,5 Jahre; Mindestdosis 50 Sitzungen, M = 121 Sitzungen) ausschließlich mit aktiven therapeutischen Kontrollbedingungen (einmal dialektisch-behaviorale Therapie, einmal Familientherapie, einmal kognitiv-analytische Therapie, 3‑mal kognitiv(-behaviorale) Therapie, einmal lösungsorientierte Therapie, 4‑mal psychiatrische Routinebehandlung, einmal psychodynamische Kurzzeittherapie, einmal strukturiertes klinisches Management; M = 45 Sitzungen, M = 1,2 Jahre) verglichen wurden. Als Ergebnismaße wurden wieder Zielsymptome, allgemeine psychische Symptome, Persönlichkeitsfunktionen und soziales Funktionieren berücksichtigt. Abweichend vom ursprünglichen Review konnten aufgrund des nun einheitlichen Studiendesigns der analysierten Studien Zwischengruppeneffekte als durchgängiges Effektstärkemaß bestimmt werden. In Übereinstimmung mit den Befunden des ersten Reviews zeigte sich die psychodynamische Langzeittherapie den weniger intensiven Vergleichsbedingungen zum Behandlungsende in allen Ergebnisdimensionen signifikant überlegen (Gesamteffekt d = 0,54), wobei sich der größte Zwischengruppeneffekt im Bereich der Persönlichkeitsfunktionen fand (d = 0,68). Auf die Berechnung von Katamneseeffektstärken musste aufgrund der geringen Anzahl von Studien mit entsprechenden Daten verzichtet werden. Obgleich sich keine signifikanten Zusammenhänge zwischen der Qualität der analysierten Studien und dem Outcome nachweisen ließen, fanden sich deskriptiv Hinweise auf einen positiven Zusammenhang zwischen der Studienqualität und den Zwischengruppeneffekten.

Ein Jahr nach Veröffentlichung des Updates von Leichsenring und Rabung (2011a) erschien schließlich ein weiteres systematisches Review einer zweiten niederländischen Arbeitsgruppe (Smit et al. 2012). Smit et al. nahmen unter Anwendung von Ein- und Ausschlusskriterien, die z. T. nochmals deutlich von den zuvor beschriebenen Arbeiten abwichen, 11 randomisierte kontrollierte Studien in ihr Review auf, die in den Jahren 1999 bis 2010 veröffentlicht worden waren. Die teilnehmenden Patienten (n = 993) wiesen ein breites Spektrum – überwiegend komplexer – psychischer Störungen auf (6-mal Borderline-Persönlichkeitsstörungen, einmal Cluster-C-Persönlichkeitsstörungen, 2‑mal Essstörungen, 2‑mal depressive und Angststörungen) und waren – zumindest gemäß den Einschlussbedingungen – mindestens ein Jahr und mindestens 40 Sitzungen in psychodynamischer Langzeittherapie oder in einer Vergleichsbedingung behandelt worden. Tatsächlich erfüllen jedoch 2 der aufgenommenen Studien das formulierte Dosiskriterium nicht: In der Studie von Dare et al. (2001) erhielten die Patienten in der psychodynamischen Studiengruppe im Mittel nur 24,9 Sitzungen. In der Studie von McMain et al. (2009) erhielten die Patienten in der von Smit et al. (2012) als psychodynamische Langzeittherapie eingeordneten Kontrollbedingung im Mittel nur 31 Sitzungen. Umgekehrt wurden jedoch andere Studien, die die Einschlussbedingungen erfüllt hätten, nicht berücksichtigt (z. B. Doering et al. 2010). Als primäres Ergebnismaß wurde die Anzahl remittierter Patienten definiert. Als sekundäre Ergebnismaße wurden Zielsymptome, allgemeine psychische Beschwerden, die Persönlichkeitspathologie, soziales Funktionieren und die Lebensqualität berücksichtigt. Anders als in den anderen Reviews wurden die Behandlungseffekte nicht einheitlich zum Ende der Therapie oder zur Katamnese erfasst, sondern es wurde pro Studie nur der jeweils letzte Messzeitpunkt berücksichtigt. Hinsichtlich der Remissionsquoten, zu denen allerdings nur 5 der aufgenommenen Studien verwertbare Daten lieferten, fand sich kein Unterschied zwischen der psychodynamischen Langzeittherapie und den Vergleichsbedingungen (Risikodifferenz = 0,0). In Bezug auf die sekundären Ergebnismaße zeigte sich ein sehr heterogenes Bild: Die – vermutlich nicht zuletzt aufgrund der hohen Heterogenität und der oftmals sehr geringen Studienzahlen pro Ergebnisdimension – durchweg nichtsignifikanten Zwischengruppeneffektstärken reichen von g = −0,37 (Lebensqualität, 2 Studien) bis g = 0,69 (allgemeine psychische Beschwerden, 8 Studien); der Gesamteffekt über alle 10 Studien beträgt g = 0,33. Auch in diesem Review fanden sich keine Hinweise auf einen systematischen Zusammenhang zwischen der Studienqualität und dem Outcome.

Obgleich die Befunde der Arbeit von Smit et al. (2012) den Ergebnissen der systematischen Reviews von de Maat et al. (2007, 2009) sowie von Leichsenring und Rabung (2008, 2011) auf den ersten Blick widersprechen, lassen sich die bestehenden Diskrepanzen ohne Weiteres auflösen. Aufgrund der von Smit et al. (2012) gegenüber den früheren Arbeiten veränderten Ein- und Ausschlusskriterien (wie z. B. der Reduktion des Dosiskriteriums von 50 auf 40 Sitzungen und der Berücksichtigung von Studien zu laufenden Therapien) hat sich die in den untersuchten Vergleichsbedingungen realisierte Therapiedosis so weit angenähert, dass die (Null-)Befunde letztlich nur zeigen, dass psychodynamische Langzeittherapie ebenso wirksam ist wie andere Formen der Langzeittherapie (Leichsenring et al. 2013). Dies ist entgegen der Darstellung der Autoren als weiterer Beleg für die Wirksamkeit der psychodynamischen Langzeittherapie zu werten.

Kontroversen in der wissenschaftlichen Gemeinschaft

Nachdem die psychodynamische Langzeittherapie lange Zeit als zu wenig wissenschaftlich fundiert galt, stießen die ersten Versuche einer systematischen Evidenzsynthese erwartungsgemäß auf rege Kritik aus der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Teilweise heftige Kontroversen entspannen sich insbesondere um das erste systematische Review zur Wirksamkeit von psychodynamischer Langzeittherapie von Leichsenring und Rabung (2008). Die Auseinandersetzung begann mit 4 Leserbriefen („Letters to the Editor“) im Journal of the American Medical Association, in dem das Review erschienen war (Thombs et al. 2009; Kriston et al. 2009; Beck und Bhar 2009; Roepke und Renneberg 2009), und der darauf bezogenen Antwort der Review-Autoren (Leichsenring und Rabung 2009a). Sie wurde später mehr oder weniger sachlich in anderen wissenschaftlichen Zeitschriften (z. B. Nervenarzt: Rief und Hofmann 2009a; Leichsenring und Rabung 2009b; Benecke et al. 2009; Dümpelmann 2009; Rief und Hofmann 2012 oder in Psychotherapy and Psychosomatics: Bhar et al. 2010; Leichsenring und Rabung 2011b; Ehrenthal und Grande 2011; Coyne et al. 2011) sowie im Anschluss an die Veröffentlichung des Updates von Leichsenring und Rabung (2011a) im British Journal of Psychiatry (Kliem et al. 2012; Leichsenring und Rabung 2012) sowie darüber hinaus fortgesetzt. Und auch das Review von Smit et al. (2012) blieb nicht ohne kritische Würdigung (Leichsenring et al. 2013).

Die meisten der in dieser Auseinandersetzung formulierten Streitpunkte, auf die hier aus Platzgründen nicht im Einzelnen eingegangen werden kann, betreffen methodische Aspekte der durchgeführten Reviews bzw. der analysierten Primärstudien, die die getroffenen Schlussfolgerungen infrage stellen sollen (eine Kommentierung der in der Kontroverse um die Evidenz für psychodynamische Therapie im Allgemeinen und für psychodynamische Langzeittherapie im Besonderen immer wieder vorgebrachten Kritikpunkte findet sich z. B. bei Leichsenring und Rabung 2013). Dabei werden vonseiten der Kritiker allerdings häufig methodische Forderungen erhoben, die auch von als evidenzbasiert gehandelten Therapieverfahren kaum erfüllt werden (eine Darstellung der dabei angelegten „double standards“ findet sich z. B. bei Leichsenring und Rabung 2011b). Eine qualitätsbasierte Übersichtsarbeit zur Psychotherapie der Depression bestätigt in diesem Zusammenhang, dass die methodische Qualität von randomisierten kontrollierten Studien zu kognitiv-behavioraler Therapie ähnlich ist wie die von randomisierten kontrollierten Studien zu psychodynamischer Therapie (Thoma et al. 2012).

Diskussion

Unstrittig ist, dass die Forschung zur Wirksamkeit psychodynamischer Langzeittherapie lange vernachlässigt worden ist. In den letzten Jahren hat diese Forschung jedoch deutlich aufgeholt. Inzwischen liegt eine Reihe von systematischen Reviews vor, die sich spezifisch mit der Evidenz für psychodynamische Langzeittherapie befasst haben (de Maat et al. 2007, 2009; Leichsenring und Rabung 2008, 2011a; Smit et al. 2012). Trotz teilweise nicht unerheblich voneinander abweichender Ein- und Ausschlusskriterien sowie Unterschieden in den Methoden der Evidenzsynthese kommt die Mehrzahl von ihnen zu übereinstimmenden Schlussfolgerungen bezüglich des empirischen Status von psychodynamischer Langzeittherapie. Eine Ausnahme stellt lediglich die Übersichtsarbeit von Smit et al. (2012) dar, in der die psychodynamische Langzeittherapie aufgrund abweichender Ein- und Ausschlusskriterien jedoch eher mit anderen Formen von Langzeittherapie als mit kürzeren oder weniger intensiven Therapieformen verglichen wurde (Leichsenring et al. 2013).

Die vorliegenden Übersichtsarbeiten belegen u. a., dass psychodynamische Langzeittherapie auch bei komplexen psychischen Störungen zu stabilen Veränderungen führt und kürzeren bzw. weniger intensiven Therapieformen überlegen ist. Dieser Befund steht im Einklang mit Daten zur Dosis-Wirkung-Beziehung, die nahelegen, dass Kurzzeitpsychotherapien für viele Patienten mit Persönlichkeitsstörungen oder anderen chronischen psychischen Störungen nicht ausreichend sind (z. B. Kopta et al. 1994). Für diese Patientengruppen könnte eine psychodynamische Langzeittherapie gemäß den dargestellten Befunden indiziert sein. Gleiches gilt aber auch für andere Formen der Langzeittherapie, wie z. B. die dialektisch-behaviorale Therapie oder die schemafokussierte Therapie, die sich bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung als wirksam erwiesen haben (Leichsenring et al. 2011).

Um die Indikation psychodynamischer Langzeittherapie noch differenzierter bewerten zu können, werden somit dringend weitere Studien zur Wirksamkeit (beachte: und Wirtschaftlichkeit) spezifischer Formen psychodynamischer Langzeittherapie bei spezifischen psychischen Störungen im Vergleich zu spezifischen Behandlungsalternativen benötigt.

Fazit für die Praxis

  • Trotz einer stetig wachsenden Evidenzbasis stellen Kritiker die Wirksamkeit von psychodynamischer Langzeittherapie immer wieder infrage. Die geäußerte Kritik wurde wiederholt beantwortet und konnte als zum größten Teil unberechtigt zurückgewiesen werden.

  • Die vorliegenden systematischen Reviews belegen, dass psychodynamische Langzeittherapie eine wirksame Behandlungsoption für Patienten mit komplexen psychischen Störungen sein kann, die kürzeren bzw. weniger intensiven Therapieformen überlegen ist.

  • Zur differenzierten Abklärung der Indikation für psychodynamische Langzeittherapie werden dringend weitere Studien benötigt.