FormalPara Zusammenfassung

Die aktuell geplante Krankenhausreform mit der Einführung pauschalierender Vergütungselemente für Vorhaltekosten soll dazu dienen, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, die Behandlungsqualität zu steigern und zur Entbürokratisierung beizutragen. Ob solche weitreichenden Verbesserungen erreicht werden können, wird auch von der Ausgestaltung im Detail abhängen. Weitere, seit Jahren vorliegende Vorschläge zur Behebung der Fehlanreize der Krankenhausvergütung, die zur Erreichung dieser Ziele beitragen könnten, werden in der aktuellen Diskussion kaum berücksichtigt. In diesem Beitrag werden daher zunächst Vorschläge zu einzelnen Aspekten der Vorhaltevergütung entwickelt. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob eine pauschale Vorhaltevergütung für alle Leistungsbereiche sinnvoll ist und in welcher Höhe sie erfolgen sollte. Darüber hinaus wird ein Überblick über die zahlreichen weiteren Reformbaustellen und Lösungsansätze gegeben. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Einführung einer pauschalen Vorhaltevergütung gezielt ausgestaltet werden muss, um neue Fehlanreize zu vermeiden, und zwingend von weiteren strukturellen Veränderungen begleitet werden sollte.

The hospital reform currently planned in Germany, with the introduction of lump-sum remuneration elements for contingency costs, is intended to ensure the security of care, increase the quality of treatment and contribute to reducing bureaucracy. Whether such far-reaching improvements can be achieved will also depend on the details of the design. Other, long-standing proposals to eliminate the disincentives in hospital remuneration that might contribute to achieving these goals are hardly being considered in the current debate. This article therefore begins by developing proposals on individual aspects of the reimbursement of contingency costs. Essentially, the question is whether a flat-rate upfront payment for all service areas makes sense and what level it should be. In addition, the authors provide an overview of the numerous other areas in need of reform and possible solutions. They conclude that the introduction of a flat-rate for contingency costs must be designed in order to avoid new disincentives, and that it should be accompanied by further structural changes.

1 Einleitung

Die Einführung des G-DRG-Systems stellt einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Gesundheitswesens dar und hat die deutsche Krankenhausvergütung grundlegend verändert. Wohl nirgends auf der Welt wurden Fallpauschalen in einem solchen Umfang zur Krankenhausvergütung herangezogen wie in Deutschland. Sowohl Preisbildung, Abrechnung als auch Budgetierung beruhen auf den Fallpauschalen. Mit – vor der Ausgliederung der Pflege – etwa 80 % der Einnahmen der Krankenhäuser besaßen sie, auch aufgrund der rückläufigen Investitionsfinanzierung durch die Länder, eine beispiellose Bedeutung für die Krankenhäuser. Allerdings traten infolge dieser intensiven Fokussierung auch mehrere bekannte negative Effekte eines Fallpauschalensystems zu Tage. So steht insbesondere die Mengenentwicklung in Deutschland seit Einführung des DRG-Systems in starkem Kontrast zur Entwicklung in anderen OECD-Ländern: Während international zunehmend weniger Fälle vollstationär in Krankenhäusern behandelt wurden, stiegen die Fallzahlen in Deutschland auch infolge der DRG-Reform um über 20 % (Messerle und Schreyögg 2023). Diese Entwicklung ging einher mit einer weitgehend zum Stillstand gekommenen Ambulantisierung stationärer Leistungen, Hinweisen auf Upcoding von Patienten und einem zunehmenden Druck auf Versorgungsstrukturen mit hohen Vorhaltekosten, insbesondere an den Extremen des Versorgungsspektrums. Positive Effekte auf die Effizienz und Qualität der Versorgung konnten hingegen nicht eindeutig belegt werden (Milstein und Schreyögg 2020).

Nach der Einführung des G-DRG-Systems wurden im Laufe der Jahre zahlreiche Weiterentwicklungen vorgenommen, ohne jedoch das System selbst grundlegend zu verändern. Erst mit der Ausgliederung des Pflegebudgets aus den Fallpauschalen durch das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz erfolgte 2019 eine erste wesentliche Abkehr vom Fallpauschalensystem. Mit der Neugestaltung der Vorhaltevergütung steht nun ein weiterer tiefgreifender Umbau der Krankenhausvergütung an. Diese greift viele Themen auf, die in Deutschland bisher anders umgesetzt werden als in den meisten anderen Ländern (Schreyögg 2017). So wird den Fallpauschalen in fast allen Ländern eine deutlich geringere Budgetrelevanz beigemessen als in Deutschland. Sie sind in der Regel ein Instrument unter vielen und nicht das einzige. Damit einher geht eine höhere Bedeutung anderer Vergütungskomponenten wie Sicherstellungszuschlägen, Zuschlägen für Notfallversorgung etc. Zudem ist die Vergütung in vielen Ländern stärker regional differenziert und auch mit Sonderregelungen für besondere Versorger, etwa Maximalversorger oder ländliche Kliniken, verbunden.

Obwohl die initial von der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung vorgestellten Reformempfehlungen viele dieser Aspekte aufgriffen, konzentrierte sich die öffentliche Diskussion von Beginn an vor allem auf die konfliktträchtigen Schnittstellen zur Krankenhausplanung. Leistungsgruppen und Versorgungsstufen sowie die damit verbundene Einstufung der Krankenhäuser dominierten die Wahrnehmung. Bei der anstehenden gesetzlichen Umsetzung verbleiben weiterhin viele offene Fragen (Stand Arbeitsentwurf 13. November 2023), die erst mit der Verabschiedung des finalen Gesetzes oder noch später Beantwortung finden werden.

Davon unabhängig bestehen zahlreiche Baustellen des DRG-Systems weiter oder gewinnen sogar an Relevanz. Ziel dieses Beitrags ist es daher, zunächst Vorschläge zu einzelnen Aspekten der Vorhaltevergütung zu entwickeln und ausgewählte ergänzende Vorschläge für eine umfassende Reform der Krankenhausvergütung aufzuzeigen.

2 Ausstehende Weiterentwicklung der Vorhalte- und Leistungsvergütung

2.1 Vergütung von Vorhaltekosten

Allgemein werden die fixen Kosten, die für die Vorhaltung der erforderlichen Betriebskapazität entstehen, als Vorhaltekosten bezeichnet. Im Konkreten kann diese Zuordnung ganz unterschiedlich ausgelegt werden. Dies liegt u. a. daran, dass die Unterscheidung zwischen fixen und variablen Kosten vom betrachteten Zeithorizont und den örtlichen Gegebenheiten, z. B. den Vertragsstrukturen, abhängt. Ebenso stellen sich technisch-betriebswirtschaftliche Fragen hinsichtlich der erforderlichen Betriebskapazität: Welche Ressourcen sind in welchem Umfang erforderlich, um welche (Ziel-)Kapazität vorzuhalten? Die Einführung pauschaler Vorhaltevergütungen muss im System der dualen Finanzierung außerdem von der Investitionskostenfinanzierung abgegrenzt werden. Diese soll auch nach der Reform den Ländern obliegen. Trotz zuletzt leicht steigender Ausgaben sind die Investitionsmittel jedoch weiterhin unzureichend. Wie außerdem eine sinnvolle Verknüpfung von Vorhalte- und Investitionsfinanzierung aussehen soll, bleibt offen (Penter und Beivers 2023).

Gemäß der Empfehlung der Regierungskommission sollten die Vorhaltekosten ausgehend vom Status quo der Versorgung generell eine Höhe von 20 % und für ausgewählte Leistungen, wie etwa Notfälle, 40 % der bestehenden Betriebskosten betragen. Im Gesetzentwurf (i. d. F. vom 13. November 2023) sind normativ festgesetzte 60 % (einschließlich der Pflegekosten, nach Abzug der variablen Sachkosten) für alle Leistungen als Höhe des Vorhalteanteils vorgesehen. Ob und inwieweit perspektivisch eine empirische Kalkulation der Vorhaltekosten vorgenommen wird, bleibt offen.

Die Absenkung der Vergütung der Fallpauschalen zugunsten einer leistungsunabhängigen Vergütungskomponente ist dabei grundsätzlich sachgerecht und folgt dem Vorbild vieler anderer Länder (Milstein und Schreyögg 2022). Der ökonomische Anreiz, Behandlungszahlen zu maximieren, könnte dadurch vermindert werden. Allerdings ist der vielzitierte Mengenanstieg, vermutlich durch Interventionen im Rahmen des KHSG, u. a. den Fixkostendegressionsabschlag, bereits seit dem Jahr 2016 weitgehend zum Erliegen gekommen bzw. sogar rückläufig. Mit dem Beginn der Corona-Pandemie brach die Fallzahl außerdem stark ein (Destatis 2023b). Auch im Jahr 2023 liegen die Behandlungszahlen bisher unter dem Vor-Corona-Niveau (InEK 2023). Dementsprechend ist nicht zu erwarten, dass die Reform tatsächlich wesentliche Fallzahlanstiege betreffen wird. Die Vergütung für die Krankenhäuser wird jedoch verlässlicher und Erlösrückgänge infolge sinkender Fallzahlen könnten vermindert werden. Insofern die Reform mit einer echten Krankenhausplanung verbunden wird, könnte auch eine nachhaltige Strukturveränderung in der deutschen Krankenhauslandschaft erreicht werden.

Sowohl der Umfang der Vorhaltekostenvergütung von insgesamt 60 % (40 % plus ca. 20 % Pflegebudget) als auch der Einbezug aller Leistungen in diese ist politisch normativ festgesetzt, ohne wissenschaftliche Evidenz und auch nicht datengetrieben. Bisherige Studien zum empirischen Anteil der Fixkosten in Krankenhäusern ergeben im Mittel einen Bereich von etwa 30 % für zusätzliche Leistungen (Augurzky et al. 2016) bis zu 80 % auf Basis aller Leistungen (Roberts et al. 1999) – allerdings einschließlich der in Deutschland durch die Länder zu finanzierenden Investitionskosten. Die breite Spanne zeigt auf, dass bei einer normativ-einheitlichen Festlegung starke finanzielle Verwerfungen zu erwarten sind. So kann es aufgrund des normativ festgelegten Vorhalteanteils und in Abhängigkeit der tatsächlichen Kostenstruktur auf DRG-Ebene zu starken Verzerrungen kommen. Denkbar sind sowohl Anreize, Behandlungen nicht zu erbringen (Loeser et al. 2023; Schmid et al. 2023), z. B. bei Leistungen mit hohen variablen Kosten, als auch Mengenanreize durch hohe Deckungsbeiträge bei Leistungen mit niedrigen variablen Kosten.

Die geplante Ausgliederung der variablen Sachkosten vor der Kalkulation der Vorhaltekosten mindert den Anreiz zur Mengenreduktion, da so der wesentliche Teil der kurzfristig variablen Kosten weiterhin vollständig pro Fall vergütet wird. Durch diesen Ansatz verringert sich das Volumen der Vorhaltevergütung um ca. 20 %. Der Anteil der Vorhaltevergütung ohne Pflege an den Gesamtkosten reduziert sich damit auf ca. 33 % (InEK 2023), die Komplexität des Systems wird aber weiter erhöht.

Als Alternative zu diesem Vorgehen wurde u. a. die Beibehaltung von Listen mit besonders sachkostenintensiven Leistungen vorgeschlagen. Für diese ausgewählten Leistungen könnte dann eine differenzierte Betrachtung mit niedrigeren Vorhaltepauschalen (Loeser et al. 2023) oder Zusatzentgelten (Overlack 2023) erfolgen. Als allgemeiner Lösungsansatz könnte auch erwogen werden, die ursprüngliche normative Vorgabe um verschiedene Stufen zu ergänzen und den Gesamtanteil von 60 % nur als Vorgabe für den finanziellen Gesamteffekt zu verwenden. Damit könnte das InEK, ohne methodisch einen exakten Anteil zu bestimmen, die Leistungen auf Basis der Kalkulationsstichprobe unterschiedlichen Vorhaltekostenniveaus zuordnen und so ökonomische Fehlanreize reduzieren.

Die grundsätzliche Anreizwirkung der Vorhaltekostenvergütung bleibt unabhängig von der konkreten Berechnungssystematik erhalten: Wesentliche Mengenanreize werden – wie vorgesehen – neutralisiert. Die Krankenhäuser haben einen Anreiz, grundsätzlich weniger stationäre Fälle zu behandeln, sofern die Fallzahlsenkung nicht zu einer Absenkung der Vorhaltepauschalen führt. Dementsprechend ist innerhalb der diskutierten Korridore von einem Mengenrückgang von bis zu 20 % auszugehen. Dieser Anreiz wird nicht als expliziter und wohl definierter Anreiz für ausgewählte überversorgte Leistungsbereiche gesetzt, sondern betrifft zunächst alle Leistungen. Die genauen Auswirkungen werden jedoch je nach Kostenstruktur variieren, ohne dass sie aufgrund der Komplexität bereits abschließend abgeschätzt werden können. Die Forschung hat dabei gezeigt, dass Krankenhäuser schnell auf finanzielle Anreize reagieren (Bäuml und Kümpel 2021); entsprechend sollten die geplanten langfristigen Evaluationen durch zeitnahe Auswirkungsanalysen ergänzt werden.

Sollte es zu einem Übergang von normativen zu empirisch ermittelten Vorhalteanteilen kommen, kann es zu weiteren Verzerrungen kommen, da sich die finanziellen Anreize trotz unveränderter Kostenstruktur nochmals deutlich verändern können. Im Gegensatz zu den Anreizen bei der normativen Einführung der Vorhaltevergütung würden durch die empirische Kalkulation die Fehlanreize abgebaut. Eine entsprechende Verschiebung der Relativgewichte wäre zu erwarten. Eine sachgerechte Kalkulation wäre daher grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings würden erneut gravierende Anreizveränderungen im System induziert, ohne dass entsprechende Veränderungen der Versorgungs- oder Kostenstrukturen ursächlich wären. So wissen wir beispielsweise aus dem Gutachten zur Mengenentwicklung, dass sich eine Veränderung eines Relativgewichts in einer Veränderung der entsprechenden Leistungsmenge niederschlägt (Schreyögg et al. 2014). Ein ähnlicher Effekt wäre hier zu erwarten.

Vor dem Hintergrund möglicher Fehlanreize sollte auch überlegt werden, ob die Einführung einer Vorhaltekostenvergütung für alle Leistungsbereiche sinnvoll ist. Ökonomisch und ordnungspolitisch unmittelbar einsichtig ist die Vorhaltevergütung für bedarfsnotwendige Bereiche, in denen die Fälle im Voraus kaum planbar sind. Dies betrifft z. B. die Notfallversorgung oder die Pädiatrie. Warum aber für sehr gut planbare Bereiche, z. B. Fachkliniken mit elektiven orthopädischen Leistungen, ebenfalls Vorhaltevergütungen notwendig sein sollen, erschließt sich nicht.

Insbesondere für den Bereich der potenziell ambulant erbringbaren Leistungen kann die strikte Einführung einer Vorhaltevergütung auch direkte negative Anreizwirkungen entfalten. Die Vergütung stationärer Vorhaltekosten wirkt in diesem Bereich, der mittelfristig etwa 25 % und auch kurzfristig mindestens 10 % aller stationären Krankenhausfälle umfasst (ESV 2023), einer effizienten Leistungserbringung entgegen. International gilt als Best Practice, dass ambulante oder taggleiche Leistungen nicht direkt in den stationären Versorgungstrukturen, sondern z. B. in getrennten ambulanten OP-Zentren erbracht werden sollten (Quemby und Stocker 2014). Die ambulante Erbringung von Leistungen unter stationären Rahmenbedingungen ist zwar möglich, aber ineffizient, da viele Aufnahme- und Entlassungsvorgänge zu einer Fragmentierung der Prozesse führen. Als Anreiz zur Verlagerung wird daher häufig ein sektorengleicher Tarif vergütet, wie er auch für die Leistungen nach § 115f SGB V vorgesehen ist. Vorhaltekosten für Leistungsgruppen mit einem hohen Anteil ambulant erbringbarer Leistungen verfestigen hingegen einerseits die bestehenden, ggf. nicht bedarfsgerechten stationären Strukturen und sorgen andererseits auch direkt dafür, dass möglichst viele Leistungen im stationären Sektor verbleiben. Andernfalls droht eine Absenkung der Vorhaltevergütung.

Darüber hinaus müsste gerade bei diesen Leistungsgruppen sichergestellt sein, dass die über die Vorhaltevergütung finanzierten Mittel nicht für die ambulante Leistungserbringung verwendet werden, um eine Doppelvergütung dieser Strukturen auszuschließen. Diese würde die Krankenkassen finanziell über Gebühr belasten, eine ineffiziente Versorgung befördern und einen fairen Wettbewerb mit vertragsärztlichen Leistungserbringern verhindern. Die Sicherstellung einer solchen Ressourcentrennung, analog zur Trennungsrechnung in Unikliniken, wäre jedoch mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden und würde einer sektorenübergreifenden Herangehensweise entgegenstehen; Rechtsstreitigkeiten wären vorprogrammiert. Abhängig von der genauen Ausgestaltung könnten zusätzliche Fehlanreize auch auf Kostenträgerseite die Bemühungen zur Ambulantisierung verhindern, da erreichte Effizienzpotenziale durch fixe Vorhaltekosten negiert werden könnten (Schmid et al. 2023).

Insbesondere für Leistungsgruppen mit hohem ambulantem Potenzial, die überwiegend auch aus sehr gut planbaren elektiven Leistungen bestehen (ESV 2023), sollte daher auf eine Vorhaltevergütung verzichtet werden. Stattdessen sollten, dem Vorschlag des ESV Projekts folgend, Anreize zum Aufbau effizienter Versorgungsstrukturen über eine auskömmliche sektorengleiche Vergütung ausgestaltet werden. Mit dem § 115f SGB V und der zugehörigen Verordnung (Entwurfsstand 21. September 2023) wurde ein Start für eine sektorengleiche Vergütung auf den Weg gebracht.

Initial werden Hybrid-DRGs für Leistungsbereiche eingeführt, die bisher mit etwa 1,3 Mrd. € jährlich stationär vergütet werden (siehe Fig. 8.1). Allein ungefähr 0,5 Mrd. € entfallen dabei auf bisher als Tagesfall im Rahmen der DRG-Vergütung abgerechnete stationäre Fälle (InEK 2023), weitere 0,8 Mrd. € auf Normallieger der betroffenen DRGs. Die Tagesfälle würden, ohne Berücksichtigung von verändertem Abrechnungsverhalten, zukünftig im Durchschnitt um etwa 30 % geringer vergütet (siehe Fig. 8.2). Diese Absenkung entspricht in der Höhe ungefähr den erwarteten Mehrausgaben von ca. 0,2 Mrd. € für bisher bereits ambulant erbrachte Leistungen. Inwiefern bisherige Normallieger in die Hybrid-DRGs überführt werden, bleibt angesichts der geringen Hürden für die stationäre Abrechnung abzuwarten. Die in der Rechtsverordnung enthaltene potenzielle Erweiterung betrifft Leistungen mit einem stationären Vergütungsvolumen von bisher über 6 Mrd. €; davon 1,7 Mrd. € für als Tagesfall abgerechnete DRGs.

Abb. 8.1
figure 1

Vergütungsvolumen für Leistungsbereiche mit Hybrid-DRG. (Quelle: Näherungsweise Berechnungen auf Basis des InEK-Datenbrowsers und des Fallpauschalenkataloges des InEK)

Abb. 8.2
figure 2

Vergütungsverhältnis Hybrid-DRG zu DRG. Die Daten stellen mit der Abrechnungshäufigkeit des Jahres 2022 gewichtete Mittelwerte der mit der Verordnung nach § 115f SGB V (Stand 21. September 2023) zunächst eingeführten Leistungen bzw. der korrespondierenden DRGs dar

Abzuwarten bleibt, ob und inwieweit Krankenhausreform und Hybrid-DRGs noch aufeinander abgestimmt werden. Ohne weitere Anpassungen stellt die Erbringung als Hybrid-DRG eine attraktive Versorgungsoption dar. Denn durch die Herausnahme der Vorhaltekosten würden die Unterschiede in der Vergütung beträchtlich sinken und die Hybrid-DRGs könnten im Vergleich zu 1-Tages-Rest-DRGs im Mittel sogar besser vergütet werden (siehe Fig. 8.3). Entsprechend könnte dies zusätzliche Anreize zur (stationären) Fallzahlreduktion bedeuten.

Abb. 8.3
figure 3

Auswirkung der Vorhaltepauschalen auf die Vergütung von Hybrid- vs. Rest-DRGs. Die Daten stellen mit der Abrechnungshäufigkeit des Jahres 2022 gewichtete Mittelwerte der mit der Verordnung nach § 115f SGB V (Stand 21. September 2023) zunächst eingeführten Leistungen bzw. der korrespondierenden DRGs dar. Näherungsweise Berechnungen auf Basis der Kostenmatrix und des Fallpauschalenkataloges des InEK

In der Notfallversorgung ist die Notwendigkeit von Vorhaltepauschalen zwar unmittelbar ersichtlich, da eine Prognose der Kapazitätsauslastung aufgrund des geringen Anteils elektiver Fälle nicht verlässlich möglich ist. Aber auch hier gilt, dass eine auf die stationäre Versorgung beschränkte Sicht mittelfristig nicht bedarfsgerechte Strukturen zementieren kann. Denn auch in der Notfallversorgung könnten bei einer besseren Strukturierung der Versorgung und einer angepassten Vergütung viele Fälle abschließend ambulant behandelt werden (SVR 2018).

Derzeit wird im Durchschnitt etwa jeder zweite Fall, der in einer Notaufnahme behandelt wird, anschließend stationär aufgenommen (45 %) (Destatis 2023a, 2023b). Damit sind die Notaufnahmen für die überwiegende Zahl der Krankenhäuser von enormer Bedeutung. Untersuchungen in den Notaufnahmen deutscher Universitätskliniken zeigen jedoch, dass deutlich geringere Anteile an Patientinnen und Patienten, die einer stationären Weiterversorgung bedürfen, möglich sind. Dort werden in der Regel weniger als 35 % (Michael et al. 2021), teilweise sogar nur 20 % der Notaufnahmepatienten stationär versorgt (Tschaikowsky et al. 2021). Auch der Blick ins Ausland unterstreicht, dass in Deutschland überdurchschnittlich viele Notfallpatienten stationär behandelt werden. Die Niederlande oder Frankreich, die strukturell mit dem deutschen Gesundheitssystem vergleichbar sind, weisen stationäre Aufnahmequoten von 32 bzw. 20 % auf (Baier et al. 2019; Les Comptes de la Sécurité Sociale 2021). Dementsprechend sollte die Ausgestaltung der Vorhaltekosten für die Notfallversorgung unbedingt „sektorneutral“ erfolgen. Die Einführung der Vorhaltevergütung sollte zwingend an die vom SVR bereits 2018 vorgeschlagenen sektorenübergreifenden Integrierten Notfallzentren (INZ) gekoppelt werden. Dort erfolgt die Vergütung der Vorhaltekosten für die Notfallversorgung ebenfalls pauschal, aber unabhängig davon, ob ambulant oder stationär behandelt wird. Andernfalls werden bestehende Strukturen durch die Vorhaltevergütung zementiert und mögliche Verbesserungen durch eine Reform der Notfallversorgung konterkariert.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang von der bisher administrativ geprägten Definition von Notfällen Abstand zu nehmen und stattdessen indikationsbasierte Dringlichkeitsscores (Krämer et al. 2019) für eine medizinisch gestützte Einteilung in Notfälle und Nicht-Notfälle zu verwenden. Gerade im Hinblick auf eine gesonderte Berücksichtigung von Notfällen in der Vergütung ist dies dringend zu empfehlen.

Insgesamt sollte vermieden werden, erneut Fehler wie zur Einführung des DRG-Systems zu begehen und Ansätze sehr pauschal für alle Leistungsbereiche einheitlich einzuführen. Andere Länder versuchen in der Regel, unterschiedliche Systeme gezielt auszutarieren (Milstein und Schreyögg 2022), und auch für Deutschland liegen abgestufte Vorschläge vor (Schreyögg und Milstein 2020; SVR 2018).

2.2 Budgets und Basisfallwerte

Die Verhandlungen zu den Krankenhausbudgets sind seit Jahren für ihren Umfang und ihre Komplexität bekannt und binden dabei umfangreiche Ressourcen. Bereits vor Corona gab es einen Trend zu vermehrten unterjährigen oder gar retrospektiven, also deutlich verspäteten Abschlüssen (Hentschker et al. 2020). Nicht selten folgen mit weiterer Unsicherheit verbundene jahrelange rechtliche Auseinandersetzungen. Die Verhandlungen werden daher von vielen Beteiligten als unbefriedigend empfunden.

Mit der Vereinbarung von Pflegebudgets kam ein weiterer umfangreicher Verhandlungstatbestand hinzu. Unbestimmte und strittige Regelungen in der Umsetzung ließen den Verhandlungsstau weiter anwachsen (Hentschker et al. 2023). Mit dem Ziel, die prospektive Budgetvereinbarung künftig wieder zum Regelfall zu machen, wurden zuletzt mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz Fristen eingeführt und eine bessere Strukturierung der Verhandlungen vorgeschrieben. Zudem sollen die Schiedsstellen künftig in bestimmten Konstellationen automatisch tätig werden, wenn eine fristgerechte Einigung scheitert. Es bleibt aber abzuwarten, inwieweit ein solches Vorgehen zu einer Entlastung der Verhandlungen beiträgt oder lediglich zu einer Verschiebung der Belastung in die Schiedsstellen führt.

Bereits absehbar ist, dass bei den Budgetverhandlungen der Krankenhäuser in Zukunft weniger Mittel zu verteilen sein werden. Denn im Falle der Umsetzung der Krankenhausreform wird ein wesentlicher Teil der Budgets aus den Verhandlungen herausgenommen. Die Berechnung und Verteilung der Vorhaltebudgets soll zentral durch das InEK erfolgen. Gleichzeitig wurde initial angestrebt, möglichst alle bisherigen Zu- und Abschläge abzuschaffen und in die strukturellen Mindestvorgaben der Leistungsgruppen zu integrierten. Dieses Ziel wurde jedoch zunehmend aufgegeben, sodass statt einer Entbürokratisierung nunmehr eher ein erhöhter Abstimmungsaufwand zu erwarten ist.

Auch eine fallbezogene Abrechnung der Vorhaltepauschalen und die damit verbundenen (ggf. unterjährigen) Ausgleiche in den Budgetverhandlungen könnten zu einer deutlichen Komplexitätssteigerung führen. Die möglichen Gründe (Nutzung etablierter Zahlungswege, einfache Berücksichtigung anderer Kostenträger, einfache Integration in den Morbi-RSA) für eine solche fallbezogene Abrechnung sind grundsätzlich nachvollziehbar. Langfristiges Ziel sollte jedoch die Etablierung eines konkreten Bevölkerungsbezugs sowie die fallzahlunabhängige Ausschüttung der Pauschalen an die Krankenhäuser sein. Zur Reduktion der Komplexität könnten zweistufige Abrechnungsmechanismen für Krankenhäuser und Kostenträger genutzt werden. Hierzu wäre eine zwischengeschaltete Abrechnungsinstitution notwendig, welche die Vorhaltepauschalen, z. B. über einen Bevölkerungsbezug, an die Krankenhäuser verteilt und im Gegenzug die Spitzabrechnung mit den Kostenträgern durchführt. Auch in einem System mit Fallbezug könnte eine solche Institution zur Vereinfachung beitragen. Das Ergebnis wäre eine dem ambulanten Abrechnungssystem strukturell ähnliche Konstruktion, die durch ein weitgehend automatisiertes Verfahren mit einem deutlich reduzierten Verhandlungsbedarf einhergehen würde. Positiver Nebeneffekt wäre eine unmittelbare Transparenz über das gesamte Versorgungsgeschehen.

Nicht nur angesichts der künftig geringeren finanziellen Bedeutung der Verhandlungen stellt sich aber generell die Frage, wie eine weitergehende Komplexitätsreduktion der Budgetverhandlungen erreicht werden kann. Im Krankenhauspflegeentlastungsgesetz wird allein für die Schiedsgerichtentscheidung im Falle einer Budgetverhandlung ein Aufwand in Höhe von rund 36 Personentagen angesetzt. Für alle Krankenhäuser entspräche dies mehr als 300 Vollzeitstellen – einem halben Bundesministerium für Gesundheit – ohne Berücksichtigung der vorherigen Budgetverhandlungen und deren intensiver Vor- und Nachbereitung. In anderen Ländern wie z. B. Frankreich erfolgt die Ausgabensteuerung über Preisanpassungen für die Folgejahre. Übersteigt das tatsächliche Wachstum der Ausgaben den politisch gesetzten Zielwert, werden die DRG-Preise im folgenden Jahr entsprechend angepasst (Or und Gandré 2021). Wenngleich eine solche Lösung nicht ohne weitere Anpassungen übernommen werden sollte, könnte sie eine Option mit im Vergleich zum bisherigen System geringerem Aufwand darstellen.

Allerdings gehen auch die auf regionaler Ebene verhandelten Preise, also die Landesbasisfallwerte, mit hohem Aufwand einher. Trotz des Aufwandes können dabei wesentliche Faktoren nicht berücksichtigt werden. So ist die momentane Differenzierung der Preise auf Landesebene infolge der sehr unterschiedlichen Struktur innerhalb der Länder nicht ausreichend, um das regionale Preisniveau bei der Vergütung der Krankenhäuser zu berücksichtigen. Vielmehr führt dies zu Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten von Krankenhäusern in Ballungszentren, wo oftmals Maximalversorger und Universitätskliniken angesiedelt sind. Stattdessen bietet es sich an, tatsächlich regional angepasste Preisindizes zu verwenden. Inspiriert von Ansätzen in England oder den USA könnten das Statistische Bundesamt oder das InEK regionale Warenkörbe erstellen, welche die Vergütung für regionale Gehaltskosten, medizinische Einkaufspreise und laufende Infrastrukturkosten widerspiegeln. Bei der Erstellung eines solchen regionalisierten Preisindexes ist sicherzustellen, dass Cluster in ausreichender Größe zusammengestellt werden, damit einzelne Krankenhäuser den Index nicht maßgeblich beeinflussen. Hierfür könnten strukturell ähnliche Landkreise in gemeinsame Cluster eingeordnet werden (Schreyögg 2017).

Als Datengrundlage müsste auf die Kalkulationsstichprobe des InEK zurückgegriffen werden, da regionale Preisindizes in Deutschland bisher nur in Ansätzen existieren. Auf dieser Basis könnte der Fallwert eines Krankenhauses automatisch an die exogenen strukturellen Gegebenheiten in einer Region angepasst werden. Darüber hinaus sind weitere regionale und nationale Anpassungen notwendig. So sollten auch unterschiedliche Versorgungsstrukturen bei der Bestimmung des Fallwertes berücksichtigt werden. Während diese bei der Verteilung der Vorhaltekosten künftig teilweise eingehen könnten, geht das DRG-System weiterhin vom Einhausansatz aus (siehe unten).

Auf nationaler Ebene könnten die zeitnah verfügbaren Daten zur allgemeinen Verbraucherpreisinflation die Daten der Kalkulationsstichprobe ergänzen, um die Auswirkungen des Zeitverzugs zwischen Datenjahr und Anwendungszeitraum der Fallwerte abzumildern. Um Kostenentwicklungen nicht doppelt zu berücksichtigen, wären in Folgejahren entsprechende Korrekturen notwendig. Auch die zusätzliche Nutzung von Prognosen könnte geprüft werden, um Liquiditätslücken zu vermeiden.

Diese Vorschläge erscheinen auf den ersten Blick komplex, reduzieren aber – abgesehen von der initialen Einführung – die Komplexität für die am Tagesgeschäft Beteiligten erheblich. Sobald eine Methodik initial abgestimmt ist, wäre deren Umsetzung mittelfristig anwendbar und mit geringem Aufwand jährlich aktualisierbar. Langwierige Verhandlungen über die Anpassung der Basisfallwerte könnten demnach größtenteils entfallen.

Um die Weiterentwicklungen der Vorhaltebudgets und der DRG-Vergütungen synchron zu halten, ist der regionale Preisindex auch für die Fortschreibung der Vorhaltebudgets anzuwenden. Da die Berechnung und Verteilung ohnehin durch das InEK erfolgen soll, ist ein solches Vorgehen zielführend und aufwandsarm umsetzbar.

2.3 Umsetzung vorhandener Erkenntnisse zur Anreizwirkung des DRG-Systems

Unabhängig von den Vorhaltekosten und der Preisbildung besteht seit Jahren ein umfangreicher Weiterentwicklungsbedarf innerhalb des DRG-Systems (Roeder et al. 2020; Schreyögg 2017; Schreyögg und Milstein 2020). Da sich als Folge der Vorhaltekostenvergütung durch die notwendige Neukalkulation ohnehin wesentliche Verschiebungen innerhalb des Fallpauschalensystems ergeben werden, sollte dieser Weiterentwicklungsbedarf bei Neustrukturierung der Fallpauschalen berücksichtigt werden. Denn mit voraussichtlich zukünftig durchschnittlich etwa 40–50 % der Einnahmen wird das DRG-System weiterhin eine bedeutende Rolle für die Krankenhäuser spielen. Diese wird dadurch verstärkt, dass aktive Handlungsoptionen für die Krankenhäuser vor allem im Bereich der Fallpauschalen bestehen und weniger in der relativ schwer beeinflussbaren Zuweisung der Vorhaltekosten.

a. Kalkulationsstichprobe

Bereits im Rahmen des Forschungsauftrags zur Mengenentwicklung konnte gezeigt werden, dass Veränderungen der DRG-Gewichte vor allem auf Veränderungen in der Kalkulationsstichprobe und weniger auf tatsächliche Kostenveränderungen zurückzuführen sind (Schreyögg et al. 2014). Dass Krankenhäuser auf die Preisanreize des DRG-Systems wie z. B. Preisänderungen reagieren, ist dabei seit langem bekannt (Bäuml 2020; Bäuml und Kümpel 2021; Dafny 2005; Jürges und Köberlein 2015). Als Folge können ungewollte Veränderungen in der Versorgung entstehen. Das InEK hat daher zwischenzeitlich im Rahmen weiterer „Ziehungen“ von Kalkulationskrankenhäusern die Repräsentativität der Stichprobe erhöht. Zusätzlich könnte das Problem durch eine Gewichtung innerhalb der Stichprobe – ähnlich dem Vorgehen in Frankreich – weiter entschärft werden (Schreyögg und Milstein 2020). Es verbleibt jedoch auch dann das Problem, dass die Kalkulationsstichprobe anfällig für Veränderungen ist. So kann ein Wechsel eines Controllers in einem Krankenhaus dazu führen, dass die Kalkulationsqualität sinkt und ein Kalkulationskrankenhaus oder einzelne Abteilungen im Rahmen der Plausibilitätsprüfungen nicht in die Kalkulation einbezogen werden können. Dies kann sich direkt in einer Verschiebung von Relativgewichten niederschlagen. Daher wäre eine technische Konstanthaltung der Kalkulationsstichprobe wichtig. Dies könnte durch verschiedene Formen der Imputation gelöst werden, z. B. durch lineare Gleichungsmodelle oder auch Ansätze des maschinellen Lernens. D. h. es könnte statistisch von einer über Jahre konstanten Kalkulationsstichprobe ausgegangen werden, auch wenn sie de facto Veränderungen unterworfen ist.

b. Prozedurenorientierung

Weiterhin ist die starke Prozedurenorientierung des DRG-Systems zu thematisieren. Bei etwa der Hälfte aller DRGs sind operative Prozeduren letztlich entscheidend für die Zuordnung zu einer DRG („gruppierungsrelevant“) und damit für die Höhe der Vergütung. Dies verstärkt den Anreiz, diese operativen gegenüber konservativen Behandlungsformen zu bevorzugen. Um eine gerechte Vergütung zu gewährleisten, muss zwar eine ausreichende Komplexität der medizinischen Versorgung berücksichtigt werden. Dies kann aber durch eine stärkere Berücksichtigung von diagnostischen Verfahren, Nebendiagnosen oder klinischen Parametern erreicht werden, ohne Anreize für operative Verfahren zu setzen. Zum anderen sollte im Zusammenhang mit der Anpassung der Budgetverhandlungen geprüft werden, ob nicht auch insgesamt eine Komplexitätsreduktion im DRG-System erreicht werden kann. Denn ein wesentlicher Teil der Fallpauschalen und der damit verbundenen Komplexität ist für viele Krankenhäuser im Abrechnungsalltag nicht relevant (Roeder et al. 2020).

c. Einhausansatz

Die zu hohe Komplexität ist auch darauf zurückzuführen, dass mit der Einführung des G-DRG-Systems das Ziel verfolgt wurde, alle Krankenhäuser in ein einheitliches Vergütungssystem zu integrieren und keine Sonderbehandlung einzelner Versorgungsstufen vorzunehmen. Um dennoch eine Vergütungsgerechtigkeit zu erreichen, wurde das breite Spektrum der Fallkomplexität durch eine hohe Anzahl von DRGs und zahlreiche Zusatzentgelte abgebildet. Beides führte das Vergütungssystem in die Nähe einer Einzelleistungs- bzw. Prozedurenvergütung, die mit der Einführung der DRGs eigentlich vermieden werden sollte. Weitere Vergütungskomponenten wie Notfall-, Sicherstellungs- und Zentrumszuschläge wurden konzipiert, um als unzureichend empfundene Anreize für bestimmte Versorgungsformen, insbesondere ländliche Krankenhäuser und Maximalversorger, zu korrigieren.

Bei der Ausgliederung der Vorhaltekosten beabsichtigt man nun einen anderen Weg. Von Beginn an sollen diese in Abhängigkeit von Fallzahl und Fallschwere eines Krankenhauses gestaffelt vergütet werden. In diesem Zusammenhang sollte auch der einstufige Ansatz bei der Kalkulation der Fallpauschalen überprüft und eine abgestufte relative Preiskalkulation oder Gewichtung eingeführt werden. Denn die sachgerechte Kalkulation der DRG-Preise ist unabhängig von der Vergütung der Vorhaltekosten zu sehen. Sie soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass sich auch die laufenden Behandlungskosten in den Kliniken aufgrund exogener Faktoren unterscheiden können. In der Regel kann sich ein Grundversorger oder gar eine Fachklinik auf ein eingeschränkteres Angebot fokussieren und dadurch schlankere Kostenstrukturen im Vergleich beispielsweise zu einem Universitätsklinikum erreichen. Die Versorgung von Patienten ist daher über die Vorhaltekosten hinaus kostengünstiger. Daher sollten Fallpauschalenpreise sowohl geographische (siehe oben) als auch versorgungsstrukturelle Kriterien berücksichtigen. Zur angemessenen Abbildung der Kostenunterschiede zwischen den Versorgungsstufen empfiehlt sich, die bundesweit vorgesehene Zuordnung zu Versorgungsstufen (Leveln) – ggf. ergänzt um fachabteilungsbezogene Zuordnungen – heranzuziehen und die Kostenunterschiede empirisch auf Basis der Kalkulationsstichprobe zu ermitteln.

2.4 Integration von Qualitätsanreizen auch in die Leistungsvergütung

Folgt man den Diskussionen zur Krankenhausreform, so werden die Qualitätsziele der Reform bereits durch die Leistungsgruppen und die dort hinterlegten Qualitätsanforderungen erreicht. Dementsprechend liegt der Fokus – dem Vorbild der Krankenhausplanung Nordrhein-Westfalens folgend – auf der Strukturqualität bzw. der Vorhaltung personeller und technischer Kapazitäten. Weitergehende Maßnahmen zur Prozess- oder Ergebnisqualität stehen nicht im Mittelpunkt der Diskussion. Dafür soll ein Transparenzregister über das Leistungsangebot und Qualitätsaspekte informieren. So begrüßenswert eine solche Transparenz grundsätzlich ist, so zeigen die bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen, dass der Mehrwert im Sinne einer Qualitätsverbesserung begrenzt ist. International wurde bisher nur gemischte Evidenz für die Wirksamkeit einer solchen Berichterstattung gefunden (Mukamel et al. 2014; Prang et al. 2021). Auch speziell für Deutschland wurde gezeigt, dass die bisherige Qualitätsberichterstattung der Krankenhäuser nicht zu einer allgemeinen Qualitätsverbesserung geführt hat. Stattdessen findet vor allem ein Benchmarking statt, d. h. die Krankenhäuser orientierten sich an der durchschnittlichen Qualitätskategorie. Dies führt zwar immerhin dazu, dass sich die schlechtesten verbessern, allerdings wird dadurch kein Anreiz zu einer allgemeinen Verbesserung aller gesetzt. Darüber hinaus konnte keine Evidenz dafür identifiziert werden, dass allgemeine Qualitätsverbesserungen mit steigenden Patientenzahlen in den entsprechenden Krankenhäusern einhergehen (Bayindir und Schreyögg 2023). Die Steuerungswirkung einer Transparenzoffensive bleibt daher offen.

Angesichts des großen Aufwands, der mit der Messung und Veröffentlichung der Krankenhausqualität verbunden ist, ist es daher von entscheidender Bedeutung, dass neben der Bereitstellung geeigneter und leicht zugänglicher Informationen für die Patientinnen und Patienten auch deren Nutzung durch die einweisenden Ärztinnen und Ärzte gefördert wird. Denn bisher spielen Qualitätsindikatoren beim Einweisungsverhalten keine wesentliche Rolle, weder in Deutschland noch international (Ferrua et al. 2016; Geraedts und Cruppé 2021). Befragungen von Ärztinnen und Ärzten zeigen, dass Informationen über die Expertise des Krankenhauses und die Behandlungsergebnisse zwar gewünscht werden, den Datengrundlagen und Kennzahlen aber nicht immer vertraut wird (Emmert et al. 2017). Hier könnten zum einen Aufklärung, zum anderen aber auch das Aufgreifen von Bedenken in Zukunft eine Verbesserung versprechen. Darüber hinaus legen Ärztinnen und Ärzte Wert auf die Erfahrungen ihrer Kolleginnen und Kollegen, aber auch die ihrer Patientinnen und Patienten. Informationen über strukturelle Merkmale und Zertifizierungen der Krankenhäuser spielen dagegen kaum eine Rolle (Emmert et al. 2017; Geraedts et al. 2018). In weiteren Aspekten ähneln sich die Wünsche von Ärzten und Patienten: Übersichtliche und leicht verständliche Grafiken sowie eine Begrenzung der dargestellten Informationsmenge werden von beiden Seiten gewünscht (Emmert et al. 2017; Kurtzman und Greene 2016).

Über diese beiden Themengebiete – Strukturqualität und Qualitätstransparenz – hinaus sollten außerdem weitere Elemente zur Verbesserung der Qualitätssicherung und Anreize für eine qualitativ hochwertige Versorgung eingeführt werden. Die im Rahmen der Leistungsgruppen einzuführenden Qualitätsanforderungen werden voraussichtlich nur Mindestanforderungen definieren. Es wird weiterer Anstrengungen bedürfen, um die Qualität der Versorgung über ein Mindestmaß hinaus zu verbessern. Eventuell bestehende (Fehl-)Anreize sollten dabei möglichst dort korrigiert werden, wo sie entstehen, nämlich bei der Leistungserbringung.

a. Indikationsqualität

Das DRG-System bietet viele Möglichkeiten, die Qualität der Aufnahme und Behandlung zu verbessern. Eine Möglichkeit besteht darin, die Patientinnen und Patienten stärker anhand ihrer Indikation anstelle der Intensität ihrer Behandlung zuzuordnen. Dies würde die Indikationsqualität fördern, da die Krankenhäuser dann stärker angehalten wären, die richtigen Behandlungen für die richtigen Patienten zu wählen. Beispielsweise könnten verpflichtende Kodierungen für leitlinienrelevante Informationen, unter anderem auch diagnostische Prozeduren, eingeführt werden, um die leitlinienkonforme, qualitativ hochwertige Leistungserbringung zu fördern. In diesem Zusammenhang muss aber auch die bereits erwähnte Problematik, dass bei einem Großteil der DRGs letztlich operative Prozeduren für die Abrechnung entscheidend sind, angegangen werden.

b. Prozessqualität

Ein Pay-for-Performance-System (P4P), das die Prozessqualität berücksichtigt, könnte direkt in das bestehende DRG-System integriert werden. Deutschland verfügt über die notwendigen Routinedaten, verfolgt P4P bisher aber nur in Ansätzen (Busse et al. 2020). Dabei könnte dem Vorgehen verschiedener internationaler Vorbilder zur Integration von Qualitätsparametern verhältnismäßig leicht gefolgt werden. So wird in z. B. England in Best Practice Tariffs die Einhaltung medizinischer Leitlinien in eine zusätzliche Vergütung übersetzt. Zuschläge werden gewährt, wenn z. B. Schlaganfallpatientinnen und -patienten direkt in eine Stroke Unit aufgenommen werden, dort mindestens 90 % ihres stationären Aufenthalts verbringen und ein Spezialist zeitnah die Untersuchung vornimmt. Ein ähnliches Vorgehen wäre auch in Deutschland auf der Basis von Routinedaten möglich. Auf Basis der bestehenden Kodierrichtlinien könnten z. B. Maximalzeiten bis zu einer Intervention (z. B. bis zur ersten Bildgebung des Gehirns und der Beurteilung durch einen Spezialisten bei Schlaganfällen oder Door-to-Balloon-Zeiten im Falle eines akuten Myokardinfarktes) als Abrechnungsvoraussetzung oder als zeitabhängige Zuschläge hinterlegt werden. Damit würden Krankenhäuser, die besser in der Lage sind, Patientinnen und Patienten entsprechend der aktuellen medizinischen Evidenz zu behandeln, auch eine entsprechend höhere Vergütung erhalten als Krankenhäuser, die nicht in der Lage sind, die aktuellen medizinischen Standards einzuhalten. Gleichzeitig könnte durch das geeignete Rückspiegeln der Performance direkt an die verantwortlich Behandelnden auch das Bewusstsein bzgl. der Qualität der Versorgung erhöht werden.

Ähnlich wie bei der Entwicklung der Best Practice Tariffs in England sollten in einem ersten Schritt Leistungsbereiche identifiziert werden, in denen eine leitliniengerechtere Behandlung leicht überprüft und damit die Leistungserbringung leicht vereinheitlicht werden kann. Denn nicht alle Leitlinien sind eindeutig mit Routinedaten umsetzbar. Dies zeigt sich auch in den heterogenen Ergebnissen bisheriger Studien zu P4P-Programmen (Milstein und Schreyögg 2016). In Modellprojekten, möglichst direkt für den Vergleich mit geeigneten Kontrollgruppen geplant, könnten die Ergebnisse überprüft werden, um zu entscheiden, ob eine solche Umverteilung von Finanzmitteln zielführend ist. Im Folgenden könnte der Katalog sukzessive erweitert werden (Schreyögg und Milstein 2020).

c. Ergebnisqualität

Die Einbeziehung der Ergebnisqualität in die Vergütung ist mit den größten Herausforderungen verbunden. Während Struktur- und Prozessqualität in der Regel mit klar definierten Indikatoren überprüft werden können, ist die Messung der Ergebnisqualität schwieriger. Insbesondere wenn unterschiedliche Voraussetzungen berücksichtigt werden sollen, wie z. B. unterschiedliche Morbidität der behandelten Patientinnen und Patienten, ist ein methodisch anspruchsvoller Ansatz erforderlich. Allerdings gibt es z. B. mit der Qualitätssicherung mit Routinedaten (QSR) durchaus Ansätze, die auf eine möglichst objektive Beurteilung der Behandlungsqualität abzielen und die für eine vergütungsrelevante Berücksichtigung der Ergebnisqualität gezielt erweitert und evaluiert werden könnten. Eine weniger weitreichende, aber kurzfristig umsetzbare Möglichkeit könnte durch einfachere Regelungen zur Fallzusammenführung geschaffen werden. Verschiedene Ausnahmeregelungen führen derzeit dazu, dass Wiederaufnahmen von Patientinnen und Patienten kurz nach einer Krankenhausentlassung trotz bestehender Fallzusammenführungsregelungen häufig erneut abgerechnet werden können. Dies hat zur Folge, dass nur ein geringer Anteil der Wiederaufnahmen einer Fallzusammenführung unterliegt. Einfache, generelle Wiederaufnahmeregelungen könnten zukünftig bei Komplikationen greifen und – mit wenigen Ausnahmen wie z. B. Unfallfolgen – diagnoseunabhängig sein. Auch die eingeschränkte Sicht auf das einzelne Krankenhaus sollte aufgegeben werden. So sollte geprüft werden, ob Patientinnen und Patienten mit Komplikationen in anderen Krankenhäusern behandelt werden mussten und dies bei der Vergütung des Ausgangsfalles entsprechend berücksichtigt werden. Eine solche Definition der Wiederaufnahme ist z. B. im DRG-System der USA (Medicare) üblich. Mittelfristig sollte der Ansatz auch sektorenübergreifend weiterentwickelt werden, um das Vorgehen z. B. auch bei Hybrid-DRGs abbilden zu können und dort einheitliche Rahmenbedingungen zu schaffen.

Eine Qualitätsorientierung, insbesondere wenn die Ergebnisqualität einbezogen werden soll, wird in der Vergütung nicht von heute auf morgen erreicht. Gut definierte und kontinuierlich ausgeweitete Modellvorhaben mit methodisch gut geplanten Evaluationen könnten aber zu einer Verbesserung beitragen und damit ein wesentliches Ziel der Gesundheitsversorgung unterstützen.

3 Datenbasierte Evidenz als Ausgangsbasis einer Weiterentwicklung

In Deutschland gibt es eine Vielzahl von Regelungen zur Vergütung von Krankenhäusern, deren Komplexität möglicherweise auch auf fehlende empirische Studien zu den Auswirkungen dieser Regelungen und Reformen zurückzuführen ist. Trotz der Einführung des DRG-Systems vor nunmehr zwanzig Jahren gibt es nur wenig wissenschaftliche Evidenz darüber, wie die Krankenhausvergütung in Deutschland die Menge, die Qualität und den Wettbewerb beeinflusst hat. Ohne evidenzbasiertes Wissen ist es jedoch schwierig, die Auswirkungen zukünftiger politischer Interventionen abzuschätzen. Häufig wird von Politik und Verbänden auf den Mangel an wissenschaftlicher Evidenz im Gesundheitswesen verwiesen, Studien setzen jedoch eine qualitativ hochwertige Datenbasis und einen adäquaten Datenzugang voraus.

Deutschland verfügt über eine hervorragende Datenbasis, allerdings ist der Zugang zu diesen Daten für wissenschaftliche Zwecke oft unzureichend. So sind beispielsweise die Abrechnungsdaten nach § 21 KHEntgG nur eingeschränkt nutzbar. Die häufig mit einer Datenfernverarbeitung verbundenen Prozesse sind langwierig und zeitaufwendig, was die Durchführung komplexer Forschungsvorhaben erschwert. In anderen Ländern haben Wissenschaftler direkten Zugriff auf anonymisierte Datensätze und können diese mit nur geringen Einschränkungen nutzen. Datenschutzbestimmungen stellen hier kein Hindernis dar. Ein verbesserter Zugang zu diesen Datensätzen könnte dazu beitragen, dass in Deutschland ein wissenschaftlicher Wettbewerb ähnlich dem in anderen Ländern entsteht. Dies käme langfristig allen Akteuren im Gesundheitswesen und vor allem den Patientinnen und Patienten zugute. Andere europäische Länder haben die Bedeutung der Datennutzung für wissenschaftliche Zwecke bereits erkannt. Deutschland sollte ihrem Beispiel folgen, um die Ressourcen im Gesundheitswesen optimal zu nutzen. Mit der Novellierung der Datentransparenzverordnung und dem Entwurf des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes wurden wichtige Schritte in diese Richtung unternommen. Viel wird jedoch davon abhängen, wie die Antrags- und Genehmigungsverfahren sowie der Datenzugang in der Praxis funktionieren.

Aber auch wesentlich unscheinbarere Aspekte können die Generierung wissenschaftlicher Evidenz behindern. Denn es gibt eine Vielzahl von Metadaten, die für die Beurteilung der Versorgungssituation relevant sein können, die nicht besonders geschützt, aber dennoch nur schwer zugänglich sind. Dies betrifft insbesondere auch viele Informationen, die von öffentlichen Stellen zur Verfügung gestellt werden. Ein Beispiel von vielen sind die Krankenhauspläne, aber auch Daten der ambulanten Bedarfsplanung oder die zahlreichen Beschlussappendizes des G-BAFootnote 1: Umfangreiche (numerische) Informationen liegen fast ausschließlich im PDF-Format vor. Eine einfache Zusammenführung und Auswertung und damit die Verwendung in wissenschaftlichen Studien wird dadurch effektiv verhindert. Die entsprechenden Stellen sollten daher verpflichtet werden, derartige Daten in maschinenverarbeitbarer Form zu veröffentlichen. Der Aufwand für die Institutionen wäre marginal, der Mehrwert für die Wissenschaft und darauf basierende politische Entscheidungen hoch.

4 Fazit

Die weitreichendste Reform der Krankenhausvergütung seit Einführung des G-DRG Systems steht – ausreichend politischen Einigungswillen vorausgesetzt – vor der Tür. Durch den gezielten Einsatz anreizgerechter Vergütungsstrukturen könnten mittelfristig auch die Versorgungsstrukturen bedarfsgerechter gestaltet werden. Ein anderer Hebel zur Erreichung dieses Ziels erscheint nach den bisherigen Erfahrungen unwahrscheinlich.

Das derzeitige System beinhaltet zahlreiche Fehlanreize, die aber nur zum Teil durch die Einführung mengenunabhängiger Vergütungskomponenten beseitigt werden können. Eine sorgfältige Ausgestaltung ist dabei notwendig, um mit der Einführung neuer Komponenten keine neuen Fehlanreize in das System einzubauen. Gleichzeitig darf nicht übersehen werden, dass das DRG-Fallpauschalensystem weiterhin eine zwar kleinere, aber dennoch nicht unerhebliche Rolle spielen wird. Seit längerer Zeit notwendige Anpassungen im DRG-System sollten daher dringend angegangen werden. Wie auch bei der Vorhaltevergütung kann für die Behebung der zahlreichen Baustellen des DRG-Systems auf internationale Vorbilder zurückgegriffen werden. Für viele der hier diskutierten Problemlösungen ist dabei ein Zusammenwirken angepasster gesetzlicher Regelungen mit Ausgestaltungen durch die Selbstverwaltung notwendig. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass sich durch fest verankerte und realistische Terminpläne sowie die Abstimmung der Weiterentwicklung aller Vergütungskomponenten Planungssicherheit für Krankenkassen und Krankenhäuser entwickeln kann. Andernfalls entstehen zahlreiche Unsicherheiten und komplizierte Anreizgeflechte, die zu unerwarteten Konsequenzen führen können.