Nachdem in den vergangenen Kapiteln ausführlich die Abläufe bei der Erkundung, dem Monitoring sowie der Simulation des Untergrundes und der Haustechnik beschrieben wurden, werden nun in Abschn. 7.1 Möglichkeiten zur Verwendung der erhobenen und generierten Daten für die Entwicklung eines prototypischen Informationssystems dargestellt. Die Nutzung der gewonnenen Erkenntnisse für die Gestaltung eines Entscheidungshilfesystems wird in Abschn. 7.2 für den gesamten Prozess von der Grundlagenplanung und Machbarkeitsprüfung über die einzelnen Planungs- und Genehmigungsschritte bis zur Objektbetreuung nach der Implementation beschrieben. Abschn. 7.3 zeigt auf, in welchem Maße sich gesetzliche Vorgaben derzeit für die Anlagenplanung in Deutschland zwischen den einzelnen Bundesländern unterscheiden und gibt Empfehlungen zur Anpassung ebendieser regulativen Rahmenbedingungen. Schließlich gibt Abschn. 7.4 einen kompakten Überblick über die innerhalb von EASyQuart verwendeten Konzepte für die Datenhaltung von Monitoring- und Erkundungsdaten sowie für die im Rahmen des Projekts entwickelten Algorithmen und Werkzeuge.

7.1 Visuelle Daten- und Modellintegration

Für die Beantwortung von Forschungsfragen innerhalb des EASyQuart-Projektes wird eine große Menge von heterogenen Daten aus verschiedenen Forschungsbereichen wie der Hydrologie, Geologie, Geotechnik oder Haustechnik erhoben, gesammelt oder generiert. Diese Daten stammen aus einer Vielzahl von Quellen und unterscheiden sich in ihrer Struktur, Auflösung sowie räumlicher und zeitlicher Ausdehnung. Beispiele für verwendete Daten sind etwa Messreihen von Temperatursensoren, Bodenkarten, aber auch Finite-Elemente-Gitter für die numerische Simulation von Prozessen. Diese Daten müssen zunächst in einen einheitlichen Kontext überführt werden und – sofern dies möglich ist – sollten Inkonsistenzen zwischen Datensätzen korrigiert werden. Beispiele für zu diesem Zweck entwickelte und genutzte Werkzeuge und Techniken werden in Abschn. 7.1.1 vorgestellt. Abschn. 7.1.2 beschreibt, wie im Anschluss an die Datenintegration Konzepte für eine 3D-Darstellung der einzelnen Datensätze umgesetzt und diese in ein visuelles Versorgungsinformationssystem überführt werden. Hier können Datensätze geeignet miteinander verknüpft und Interaktionsmöglichkeiten für die virtuelle Erkundung und Analyse der Daten implementiert werden. Die entwickelten Konzepte und Workflows für die Integration und Visualisierung von Daten werden dann beginnend mit Abschn. 7.1.3 anhand von drei Fallstudien beschrieben, die im Rahmen von EASyQuart implementiert wurden.

7.1.1 Datenintegration

Mithilfe etablierter Software ist es in der Regel nicht möglich, derartige Datensammlungen in einem gemeinsamen Kontext darzustellen und zu evaluieren. Domainspezifische proprietäre Software ist meist auf das Einlesen weniger Datenformate limitiert (beispielsweise das fem-Format in FEFLOWFootnote 1 oder AutoCADs dxf-FormatFootnote 2). Eine Reihe von Software mit dem Fokus auf breite Anwendbarkeit – etwa Geoinformationssysteme wie QGISFootnote 3 oder Visualisierungsframeworks wie ParaViewFootnote 4 – unterstützen zwar ein breites Spektrum an Dateiformaten, sind aber dennoch aufgrund ihrer breiten Nutzung in bestimmten Forschungsdomänen und bezüglich der dort etablierten Darstellungsformen limitiert. So stellt etwa QGIS  Geometrien oder Rasterdaten in einer 2D-Layerhierarchie dar. 3D-Darstellungen sind innerhalb von Geoinformationssystemen in der Regel nicht trivial und speziell dafür entwickelte Dateiformate werden oft nicht unterstützt. Umgekehrt liegt der Fokus von ParaView auf der Darstellung triangulierter 3D-Objekte, Vektorfelder und der Anwendung typischer Visualisierungstechniken für Daten in den Ingenieurwissenschaften. Der Import von Geometrie- oder Rasterdaten ist zwar prinzipiell möglich, die vorhandenen Visualisierungstechniken und unterstützten Dateiformate sind aber meist nicht dafür ausgelegt. Simulationsergebnisse physikalischer Prozesse oder aus der Haustechnik werden von beiden nicht unterstützt. Hierfür wird in der Regel die für die Simulation verwendete Software benötigt bzw. es müssen abstrakte Daten (etwa Zeitreihen) mittels selbst erstellter Konversions- oder Modellierungsroutinen in einem räumlichen Kontext dargestellt werden.

Zu diesem Zweck wird im Department Umweltinformatik des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (UFZ) bereits seit einigen Jahren ein Softwareframework entwickelt, das mithilfe modularer und generalisierter Workflows heterogene Datensammlungen in einem einheitlichen geografischen Kontext darstellt. Als Teil der Simulationssoftware OpenGeoSys (OGS) (Kolditz et al. 2012) wurde der OGS Data Explorer als visuelles Werkzeug für den Import, die Konversion, die Vor- und Nachverarbeitung sowie die Darstellung von Daten aus den Umweltwissenschaften entwickelt (Rink et al. 2013, 2014). Dieses Werkzeug sowie weitere innerhalb von OGS entwickelte Kommandozeilentools erlauben sowohl das Einlesen einer großen Bandbreite generischer und offener Datenformate als auch einiger proprietärer Formate (siehe Abb. 7.1) sowie die Gestaltung komplexer Workflows für die Verarbeitung strukturell heterogener Daten. Dabei erfolgt automatisch eine Konversion für die Repräsentation der Daten im 3D-Raum. Da die Struktur der unterstützten Formate sehr heterogen ist, kann diese trivial sein oder eine ganze Reihe von Annahmen und komplexen Transformationen erfordern. So werden beispielsweise Daten in Geoinformationssystemen typischerweise zweidimensional repräsentiert (etwa QGIS oder NASA Earth ExplorerFootnote 5). Dennoch ist eine Darstellung im 3D-Raum meist unkompliziert, etwa bei der Konversion geometrischer (Poly-)Linien von 2D nach 3D durch Hinzufügen einer z-Koordinate oder die Triangulierung von 2D-Flächen für die Darstellung im 3D-Raum. Der Data Explorer erlaubt aber insbesondere auch den Import von Ergebnissen einer ganzen Reihe bekannter Simulationscodes (z. B. FEFLOW, OpenFOAMFootnote 6, GETMFootnote 7 etc.) in einem gemeinsamen räumlichen Kontext mit GIS-Daten oder 3D-Modellen. Während Software für die Simulation von hydrologischen Prozessen im Untergrund (z. B. OGS oder FEFLOW) typischerweise eine dreidimensionale Modelldomäne definiert, die mittels der Finite-Elemente-Methode diskretisiert wird, gestaltet sich die Umwandlung der Daten aus anderer Software schwieriger. Beispiele hierfür sind etwa abstrakte Kanalnetzwerke in Ergebnissen des Storm Water Management Models der amerikanischen Environmental Protection AgencyFootnote 8 oder die Ergebnisse von Prozesssimulationen in der Haustechnik (z. B. SimulationXFootnote 9 oder TRNSYSFootnote 10), wo für die Modellierung lediglich abstrakte Darstellungen parametrisiert werden, ähnlich Schaltkreisen in der Elektrotechnik.

Abb. 7.1
figure 1

Schnittstellen des OGS Softwareframeworks für den Datenimport

7.1.2 Datenvisualisierung

Der OGS Data Explorer wurde – ähnlich wie Geoinformationssysteme oder ParaView – primär für die Vor- und Nachbearbeitung von Daten sowie deren Evaluierung konzipiert. Das Programm sowie einige zugehörige Kommandozeilenwerkzeuge können daher für eine Reihe verschiedener Aufgaben verwendet werden, wie etwa die Konvertierung und Darstellung von Daten, den Aufbau numerischer Modelle sowie für die Aufbereitung der Daten für komplexe Visualisierungsstudien. Informationssysteme, wie das im Rahmen dieses Projekts angestrebte Versorgungsinformationssystem, erfordern jedoch eine interaktive Präsentation von Inhalten in Echtzeit, bei der Objekte in einem geografischen Kontext eingebettet sind und mit zusätzlichen Informationen verknüpft werden können.

Daher wurde ein zum OGS Data Explorer kompatibles Framework aufsetzend auf der Softwareplattform UnityFootnote 11 entwickelt und im Rahmen von EASyQuart erweitert. Unity ist eine 3D-Engine für die Erstellung und Präsentation interaktiver 3D-Inhalte in Echtzeit, etwa für Computerspiele, animierte Filme oder Anwendungen in der Architektur oder Automobilindustrie. Die im Department Umweltinformatik des UFZ entwickelte Erweiterung von Unity erlaubt die Einbindung von geo- und umweltwissenschaftlichen Daten in komplexe und interaktive 3D-Szenen. Das umfasst zum einen den direkten oder (über den OGS Data Explorer) indirekten Import von Daten bzw. geeigneten 3D-Repräsentationen als auch die Berücksichtigung spezieller Herausforderungen bei der Verwendung heterogener Umweltdaten, wie etwa die Georeferenzierung in speziellen Geokoordinatensystemen, die im direkten Konflikt zu in der Computergrafik üblichen Koordinatendarstellungen stehen. Eine Reihe weiterer Aspekte, die es zu beachten gilt, umfassen etwa die Voraussetzung, dass alle innerhalb eines Projekts verwendeten Datensätze das gleiche geografische Koordinatensystem verwenden oder dass Datensätze innerhalb eines Projekts teilweise eine sehr unterschiedliche räumliche Ausdehnung haben, was zu Problemen bei einer gemeinsamen Darstellung führen kann. So umfasst etwa die Domäne eines numerischen Simulationsmodells in der Regel die gesamte Ausdehnung der Modellregion (etwa das untersuchte Quartier), während Infrastrukturobjekte (z. B. Temperaturmessstellen oder Rohrleitungen) eine im Vergleich um Größenordnungen geringere Ausdehnung haben und daher auf geeignete Art in einer 3D-Darstellung hervorgehoben werden müssen, um überhaupt sichtbar zu sein.

Die hier verwendete Erweiterung des Unity-Frameworks wurde ursprünglich für die Darstellung von Datensammlungen in hydrologischen Forschungsprojekten entwickelt (Rink et al. 2018; Yan et al. 2019) und fortlaufend erweitert, mit dem Ziel, Umweltinformationssysteme für ausgewählte Untersuchungsgebiete zu entwickeln (Rink et al. 2020, 2021). Eine im Rahmen dieses erweiterten Frameworks erstellte Anwendung erlaubt nicht nur die Darstellung aller für ein Untersuchungsgebiet relevanten Daten in einem einheitlichen geografischen Kontext, sie beinhaltet auch eine Reihe von Funktionen, um die Daten auf geeignete Weise präsentieren und Informationen bereitstellen zu können. So ist es beispielsweise möglich, eine Reihe von Ansichtspunkten (Viewpoints) zu erstellen, die eine definierte Auswahl von Daten aus einem vordefinierten Blinkwinkel zeigen. Das ermöglicht es zum einen, dass Anwendern automatisch aussagekräftige bzw. relevante Ansichten der Daten angezeigt und geeignet dargestellt werden können. Zum anderen können diese Ansichtspunkte in einer definierten Reihenfolge hintereinander geschaltet werden, sodass eine Präsentation der räumlichen Daten des Untersuchungsgebietes entsteht, in der interessante Aspekte nach und nach visualisiert und ggf. vertieft werden können. Für jeden dieser Punkte kann spezifiziert werden, welche Datensätze sichtbar sind und welche ausgeblendet werden sollen, sodass stets eine geeignete Darstellung der zu betrachtenden Daten, Prozesse oder Ereignisse garantiert werden kann. Darüber hinaus können Zeitschritte gemessener bzw. simulierter Daten animiert dargestellt oder detaillierte oder ergänzende Daten mit 3D-Objekten verknüpft werden. Diese Funktionalität erlaubt es beispielsweise, auf einen Datensensor innerhalb der Szene zu klicken und eine Zeitreihe der gemessenen Daten abzurufen oder ein Bohrloch auszuwählen und ein Bild des Bohrlochprofils oder eine PDF-Datei mit Details zur Bohrung abzurufen (Graebling et al. 2022). Die Art der so verlinkten Inhalte ist dabei frei konfigurierbar und kann ebenso Webseiten, Videos oder PDF-Dateien umfassen.

Im Rahmen von EASyQuart wurde dieses Framework dahingehend erweitert, dass Daten und Prozesse, wie sie die typischerweise in der Geotechnik oder Haustechnik bzw. generell bei der Darstellung von Energiesystemen relevant sind, in das System eingebunden und visualisiert werden können. Im Laufe des Projekts wurden dabei Visualisierungsstudien basierend auf Daten für drei Standorte in Deutschland dargestellt und für einen davon eine umfassende Anwendung in Form eines Informationssystems entwickelt.

7.1.3 Fallstudie 1: Berlin-Weißensee

Für ein Gebiet im Berliner Stadtteil Weißensee wurde zunächst eine Reihe von GIS-Daten zusammengeführt, auf deren Grundlage im Folgenden verschieden aufgelöste FEM-Gitter für den oberflächennahen geologischen Untergrund erstellt wurden. Die GIS-Daten, 3D-Modelle und Simulationsergebnisse wurden schließlich in einer Visualisierungsstudie zusammengeführt.

Nach der Projektion aller verfügbaren Daten in ein einheitliches Koordinatensystem (in diesem Fall die für Berlin relevante UTM-Zone 33N) wurde anhand der gegebenen Modellgebietsbegrenzung zunächst mittels GMSH (Geuzaine und Remacle 2009) eine Diskretisierung des zu betrachtenden Gebietes in 2D durchgeführt . Bei der Generierung des Gitters wurden bereits die Grundstücksgrenze sowie die Positionen der Bohrlöcher für die Erdwärmesonden (EWS) mit einbezogen (Abb. 7.2). Dies ist relevant für eine spätere Simulation physikalischer Prozesse mittels der Finite-Elemente-Methode, wie sie von OGS oder FEFLOW durchgeführt wird. Basierend auf Höheninformationen des digitalen Geländemodells der Region sowie gegebener Werte für die Grenzen stratigrafischer Schichten im Untergrund wurden zunächst die Schichtgrenzen in 2D modelliert und dann daraus ein 3D-Prismengitter erstellt. Zur Vermeidung numerischer Fehler bei einer anschließenden Simulation wurde die Auflösung des Gitters im Folgenden weiter erhöht und beispielsweise die gegebenen fünf stratigrafischen Schichten in über 60 Unterschichten unterteilt. Darüber hinaus wurde die Auflösung des Gitters in der Nähe der Erdwärmesonden adaptiv so verfeinert, dass die hier lokalisierten Dreiecke eine sehr viel kürzere Kantenlänge aufweisen als beispielsweise an den Rändern des Modellgebietes (Abb. 7.3). Zur Einbettung aller geografischen Informationen, Simulationsergebnisse und modellierten 3D-Objekte in den geografischen Kontext wurde eine 3D-Oberfläche des umgebenden Gebietes in Berlin generiert und mit einem Luftbild texturiert, sodass die Modellregion sowie das betrachtete Grundstück visuell räumlich leicht einzuordnen sind (Abb. 7.4).

Abb. 7.2
figure 2

Erstellung eines Oberflächengitters für den Standort in Berlin-Weißensee

Abb. 7.3
figure 3

Extrudierung des 2D-Gitters mittels stratigrafischer Schichtinformation in ein 3D-Modell des Untergrundes. Die z-Koordinaten wurden zur besseren Sichtbarkeit der Details um den Faktor 3 überhöht

Abb. 7.4
figure 4

Einbettung der 3D-Modelle in den geografischen Kontext

Für die korrekte Modellierung der Erdwärmesonden wurden existierende Datenverarbeitungswerkzeuge innerhalb von OGS um Funktionalitäten erweitert, die die Integration von Linienelementen in ein existierendes 3D-Gitter erlaubt. Diese Linienelemente repräsentieren in der numerischen Modellierung die Sonden und dienen der Zuweisung von Anfangsbedingungen und der Berechnung von Temperaturwerten der Sondenparameter. Eine ausführliche Darstellung der durchgeführten Simulation sowie der Vergleich der Ergebnisse von OGS und FEFLOW wurden von Randow et al. (2022) in der Fachzeitschrift Geothermal Energy veröffentlicht. Details zu einem aus dieser Studie abgeleiteten Benchmark finden sich in Abschn. 6.2 in diesem Buch.

Innerhalb der Visualisierungsstudie wurde eine Reihe von Annahmen bezüglich der geeigneten Repräsentation der darzustellenden Daten und Prozesse getroffen. So wurden für die Visualisierung der OGS-Simulationsergebnisse eine Informationsreduktion vorgenommen und eine Darstellung der Temperaturveränderung im Untergrund mittels einiger weniger Isotemperaturflächen gewählt (vgl. Abb. 7.6). Dies ermöglicht eine intuitive und verifizierbare Beurteilung der räumlichen und zeitlichen Entwicklung der Temperaturveränderungen unter verschiedenen Bedingungen. Darüber hinaus wird der Grundwasserfluss im Modellgebiet mittels räumlich gleichverteilter Glyphen repräsentiert. Konkret wurden hier für die Darstellung Pfeile gewählt, deren Ausrichtung den Fluss des Grundwassers repräsentiert und deren Größe und Farbe mit der Fließgeschwindigkeit in Metern pro Jahr korrespondiert. Die Kombination der beiden dargestellten Prozesse – Temperaturveränderung und Grundwasserfluss – zeigt nun deutlich, wie sich eine Temperaturfahne entlang der Grundwasserfließrichtung entwickelt. Diese Darstellung zeigt insbesondere auch, wie gering die Temperaturveränderung außerhalb der verwendeten Grundstücksgrenzen ist. Die in Abb. 7.6 dargestellten Isotemperaturflächen liegen bei \(11{,}4\,^{\circ }\text {C}\), \(11{,}5\,^{\circ }\text {C}\) und \(11{,}6\,^{\circ }\text {C}\). Eine stärkere Abkühlung des Bodens erfolgt nur in der unmittelbaren Umgebung der Erdwärmesonden und wird hier durch eine Einfärbung der Sonden entsprechend ihrer Temperatur repräsentiert.

Neben der Simulation des Untergrundes mittels OGS wurde auch beispielhaft eine Simulation der Haustechnik für ein Schulgebäude am untersuchten Standort durchgeführt. Hier wurden mittels SimulationX Temperatur und Volumenströme für das Gebäude sowie die verwendete Anlage simuliert (analog zum Quartiersmodell aus Abschn. 5.1.6) und mit dem OGS-Modell, in dem u. a. die Parameter der Erdwärmesonden simuliert werden, mittels eines Python-Skriptes gekoppelt. Für den simulierten Zeitraum eines Jahres wurden relevante Parameter in äquidistanten Zeitpunkten ausgetauscht, sodass beide Modelle ihre Berechnungen basierend auf dem Verlauf der jeweils anderen Simulation durchführen. Abschn. 5.2.1 beschreibt diese Kopplung der beiden Simulationscodes im Detail.

Da SimulationX lediglich eine Parametrisierung der zu simulierenden Systemkomponenten benötigt, war es notwendig, diese für die Darstellung des Gesamtsystems separat zu modellieren. Abb. 7.5 zeigt die verwendete 3D-Modellierung der Anlagentechnik, bestehend aus Wärmesonden (blau), Wärmespeicher (violett) sowie den verbindenden Leitungen und einem Schulgebäude (rot) als zu beheizendes Gebäude. Alle Komponenten sind georeferenziert und konsistent mit den verwendeten geowissenschaftlichen Daten sowie dem OGS-Simulationsmodell. Das Schulgebäude hat die Abmessungen des tatsächlichen Gebäudes und ist diesem auch in der 3D-Repräsentation nachempfunden. Der Wärmespeicher wurde hier – entgegen der tatsächlichen Bauweise – außerhalb des Gebäudes modelliert, um die Temperaturverläufe möglichst anschaulich darstellen zu können. Alle modellierten Objekte werden im Folgenden verwendet, um den zeitlichen Verlauf der simulierten Temperaturveränderungen darzustellen, indem sich die Objektfarben entsprechend einer für alle Daten einheitlichen Temperaturfarbtabelle verändern (siehe Abb. 7.6).

Abb. 7.5
figure 5

3D-Modellierung der Anlagentechnik, bestehend aus Wärmesonden (blau), Wärmespeicher (violett), Schulgebäude (rot) sowie den verbindenden Leitungen

Abb. 7.6
figure 6

Visualisierung der Ergebnisse der gekoppelten Simulation von OGS und SimulationX. Dargestellt sind die Temperaturentwicklungen in einem Schulgebäude, der zugehörigen Anlage, Wärmesonden und den verbindenden Leitungen via SimulationX sowie von Grundwasserfluss und Temperatur im Untergrund via OGS an drei ausgewählten Tagen. Die Transferfunktion der Temperaturdarstellung ist zur besseren Vergleichbarkeit konstant über alle Zeitschritte und dargestellten Komponenten. Die zur Illustration der Temperaturveränderung visualisierten Isotemperaturflächen liegen bei \(11{,}4\,^{\circ }\text {C}\), \(11{,}5\,^{\circ }\text {C}\) und \(11{,}6\,^{\circ }\text {C}\) (siehe auch Abb. (a) rechts)

Alle beschriebenen Daten sind in einer interaktiven 3D-Szene integriert und können somit in Relation zueinander betrachtet werden. Ein Benutzer kann sich frei im 3D-Raum der Szene bewegen und Kameraposition, Darstellungswinkel, Zoom etc. anpassen. Ebenso kann die Transparenz aller Datensätze individuell angepasst werden. Darüber hinaus steht die in Abschn. 7.1.2 beschriebene Funktionalität des Frameworks hier vollständig zur Verfügung. So kann etwa in einem Ansichtspunkt die topografische Oberfläche mit dem Satellitenbild der Region in einer Ansicht von oben dargestellt werden. Beim Übergang zur nächsten Ansicht wird diese Oberfläche sukzessive ausgeblendet, um den Grundwasserfluss im modellierten Gebiet zu betrachten (Abb. 7.7). Ein Kameraschwenk in eine isometrische Ansicht und ein Zoom auf das Grundstück ermöglichen den Fokus auf die simulierten Temperaturveränderungen im Untergrund sowie eine virtuelle Kamerafahrt in die Umgebung der Erdwärmesonden, etwa zur Einschätzung der Temperaturentwicklung im Kontext der geologischen Strukturen sowie der ebenfalls dargestellten Grundstücksgrenze.

7.1.4 Fallstudie 2: Offenbach-Kaiserlei

Der für die Visualisierungsstudie für Berlin-Weißensee verwendete Workflow wurde auch für die Darstellung eines Bauprojekts im Offenbacher Stadtteil Kaiserlei verwendet. Aufgrund eines unerwarteten Baustopps während der Projektlaufzeit und der daraus resultierenden Nichtherausgabe weiterer angefragten Daten konnte die Visualisierung dieser Fallstudie im Verlauf des Projekts leider nicht fortgesetzt werden. Sie soll hier aber zur Darstellung der einfachen Übertragbarkeit der verwendeten Methoden dennoch kurz vorgestellt werden.

Abb. 7.7
figure 7

Übersicht über die gekoppelten Simulationsergebnisse. Während die Temperaturentwicklung im Gebäude und der Anlagentechnik in Abb. 7.6 im Detail dargestellt werden, kann mithilfe dieser Gesamtansicht der Grundwasserfluss und der Effekt der geothermischen Nutzung des Untergrundes eingeschätzt werden

Abb. 7.8
figure 8

Datenrepräsentation für Standort in Offenbach. Für die Darstellung wurden alle Datensätze dreifach überhöht dargestellt

Analog zur ersten Studie wurde auch hier zunächst eine Reihe von GIS-Daten in eine 3D-Szene integriert (siehe Abb. 7.8): Basierend auf einem digitalen Geländemodell wurde eine triangulierte Oberfläche des Untersuchungsgebietes erstellt und die Höheninformationen für das Bewilligungsfeld (rot), die Grundstücksgrenzen (grün) sowie die 2D-Koordinaten der Positionen der Wärmetauscher entsprechend angepasst. Für eine intuitive geografische Einordnung wurde in diesem Fall eine Karte von OpenStreetMapFootnote 12 unter Verwendung des monochromen Darstellungsmodus verwendet (Abb. 7.8a). Für ein Modell des Untergrundes wurden sowohl die geologischen Schichten als auch die Bohrlöcher für die Wärmetauscher in 3D modelliert. Die Farben der Bohrlöcher korrespondieren dabei mit den Gebäuden, die sie versorgen sollen. Sie haben eine Tiefe von 100 m für den nordöstlichen Abschnitt des Quartiers und 125 m für die restlichen Gebäude (Abb. 7.8b). Als zusätzlicher Datensatz lagen für dieses Untersuchungsgebiet noch Informationen über die Grundwassergleichen vor. Für eine erste Darstellung des Grundwasserflusses wurden daraus Isoflächen erstellt und in den Grundwasserleiter des Untersuchungsgebietes eingepasst (Abb. 7.8c). Schließlich wurden mithilfe von bereitgestellter Dokumentation noch die geplanten Gebäudegrundrisse mittels QGIS digitalisiert und daraus 3D-Modelle der Gebäude erstellt. Die verwendeten Farben der Gebäude und Bohrlochpositionen korrespondieren dabei, sodass auf den ersten Blick ersichtlich ist, welche Erdwärmesonden welches Gebäude mit Energie versorgen (Abb. 7.8d).

7.1.5 Fallstudie 3: Kiel-Wik

Für die Implementation einer Visualisierungsstudie, in der die vollständige Methodik zur Entwicklung und Nutzung virtueller Versorgungsinformationssysteme angewandt wird, wurde exemplarisch eine umfangreiche Datensammlung für das Bundesland Schleswig-Holstein genutzt, die weitestgehend durch das 2021 abgeschlossene BMWi-Vorhaben ANGUSIIFootnote 13 zur Verfügung gestellt wurde.

Abb. 7.9
figure 9

a Überblick über Energiesysteme im Bundesland Schleswig-Holstein. Dargestellt werden Solarparks (gelb), Biogasanlagen (grün), Windparks (blau), Umspannstationen (rot) sowie Starkstromleitungen (orange). Als Textur wird hier eine monochrome Karte verwendet, die eine räumliche Orientierung ermöglicht, ohne die Wahrnehmung der restlichen Datensätze zu stören. b Detaillierte isometrische Ansicht der Region nahe Hennstett und dem Fluss Eider. Die eingeblendeten Energieinfrastrukturanlagen werden automatisch als 3D-Modelle dargestellt, wenn der Benutzer nahe an die Oberfläche heranzoomt

Um die simulierten Szenarien in einen geeigneten Kontext einzubetten, wird für den Benutzer zunächst die Energieinfrastruktur des Landes Schleswig-Holstein mit dem Fokus auf die Gewinnung erneuerbarer Energien dargestellt. Eingeblendet werden dafür alle derzeit betriebenen Solarparks, Biomassekraftwerke, sowie On- und Offshore-Windparks. Die vorliegenden Daten werden wie in den vorangegangenen Studien auf eine triangulierte topologische Oberfläche des Bundeslandes projiziert und durch leicht identifizierbare Farben dargestellt. Zusätzlich werden diese Infrastrukturobjekte durch 3D-Modelle, etwa von Windturbinen, ersetzt, wenn der Benutzer sich den entsprechenden Positionen nähert (siehe Abb. 7.9). Zusätzlich wird das Stromnetz des Bundeslandes dargestellt, sodass ein Eindruck von der existierenden Vernetzung und eine gegebenenfalls notwendige Anpassung gewonnen werden kann. Zur geografischen Orientierung wird die Oberfläche wieder mit einer Karte texturiert. Verwendet wird in diesem Fall eine monochrome Karte von OpenStreetMapFootnote 14, sodass gerenderte Informationen zur Infrastruktur weiterhin gut sichtbar und identifizierbar bleiben. Darüber hinaus werden die Städte Hamburg, Lübeck, Neumünster und Kiel mit ihrer tatsächlichen Ausdehnung eingeblendet. Da die Landeshauptstadt Kiel im Rahmen der Studie näher betrachtet wird, wurde für das urbane Gebiet ein eigenes 3D-Modell bestehend aus einer detailliert triangulierten Oberfläche sowie einer hochaufgelösten Textur erstellt.

Abb. 7.10
figure 10

a Visualisierung der geologischen Schichten unter Schleswig-Holstein und der Nordsee. Das Bundesland ist zur besseren Orientierung als semitransparente Oberfläche dargestellt. b Ergebnis eines CAES-Simulationsergebnisses mit einem adiabatischen Kraftwerk und neun Brunnen oberhalb der antiklinalen Struktur während des Ablassens von Druckluft. Alle dargestellten Datensätze wurden zur besseren Sichtbarkeit um den Faktor fünf überhöht

Neben der Darstellung der existierenden Energieinfrastruktur liegt der zweite Fokus der Anwendung auf der Speicherung der gewonnenen Energie. Hierfür wurden die Ergebnisse von zwei numerischen Simulationen als interaktive Animationen georeferenziert in der Szene eingebettet. Die erste Simulation beschreibt einen Gasspeicher (Compressed Air Energy Storage (CAES)) in den tiefen Gesteinsschichten des Mittleren Buntsandsteins und Oberen Keuper etwa einen Kilometer unter der Geländeoberkante (Gasanzade et al. 2021). Die entsprechenden Gesteinsschichten werden hier ebenso dargestellt wie ein Modell des verwendeten Kraftwerks und die neun Bohrlöcher, die das Kraftwerk mit dem in einer antiklinalen Struktur lokalisierten Speicher verbinden (Abb. 7.10). Simuliert wurden hier zwei Szenarien: Ein adiabatischer Aufbau mit drei Kompressions- und zwei Expansionsphasen mit einem Wärmetauscher im Kraftwerk, wie er bereits in McIntosh, Alabama (USA), umgesetzt wurde, sowie ein adiabatischer Aufbau mit jeweils drei Kompressions- und Expansionsphasen. Beide Set-ups sind für zukünftige Energiesysteme geeignet, die zu einem hohen Anteil aus erneuerbarer Energie gespeist werden (d. h. zu 76–100 %). Die mittels einer Turbine erzeugte Energie, die beim Ablassen der Druckluft freigesetzt wird, beträgt dabei bis zu \({115}\,\text {MWh}\).

Die zweite Simulation beschreibt einen Grundwasserspeicher (High Temperature Aquifer Thermal Energy Storage (HT-ATES)) unter der Stadt Kiel. Das Modell ist Teil einer größeren Studie zur Analyse von HT-ATES-Systemen und ihrer Rolle bei der Wärmeversorgung von urbanen Räumen (siehe Kabuth et al. 2017 und https://www.angus-projekt.de). Die Kapazität ist ausreichend, um kurze Intervalle bis hin zu saisonalen Schwankungen bei der Bereitstellung von Wärme auszugleichen, sodass derartige Systeme dazu beitragen können, den Gesamtanteil von erneuerbaren Energien zu steigern. Die für diese Simulation verwendete Modellstruktur basiert auf dem Untergrund eines Stadtteils von Kiel und besteht aus wechselnden Schichten von Sand und Tongestein. Das ATES-System besteht aus vier Brunnendubletten, bestehend aus jeweils einem Kalt- und Warmwasserbrunnen. Die Brunnen haben hier eine Tiefe von \({100}\,\text {m}\), die beiden Brunnen einer Dublette haben einen Abstand von \({300}\,\text {m}\) und die Dubletten haben einen Abstand von \({100}\,\text {m}\) zueinander. Um Wärme zu speichern, wird Wasser mit Umgebungstemperatur über den Kaltwasserbrunnen extrahiert, mittels eines Wärmetauschers erwärmt und dann über den Warmwasserbrunnen wieder in den Grundwasserleiter injiziert. Für die Nutzung der gespeicherten Wärme wird das erwärmte Wasser über den Warmwasserbrunnen extrahiert und mittels einer Wärmepumpe auf das Temperaturlevel des kommunalen Wärmenetzes gebracht. Die vier hier simulierten Brunnendubletten erreichen dabei eine Speicherrate von bis zu \({12}\,\text {MW}\) und eine Kapazität von \({25}\,\text {GWh}\). Die Temperaturveränderungen im Untergrund wurden über zehn Jahre simuliert und werden in der Visualisierungsstudie – wie in Abb. 7.11 dargestellt – mithilfe animierter Isotemperaturflächen repräsentiert.

Abb. 7.11
figure 11

Visualisierung von Simulationsergebnissen eines ATES-Systems. a Wärmeveränderungen in Relation zu dem Stadtteil von Kiel, für dessen Versorgung das System konzipiert ist. b–d Ausgewählte Zeitschritte, die die Temperaturveränderungen im Untergrund basierend auf den durchgeführten Injektions- und Extraktionszyklen des Wassers in/aus dem Aquifer zeigen. Konkret dargestellt werden b der November des ersten Jahres (vier Monate nach Inbetriebnahme), c der Januar des dritten Jahres (18ter Monat der Simulation) und d der Oktober des achten Jahres (99ster Monat der Simulation)

Um die Simulationsergebnisse zur Energiespeicherung in den Kontext zur tatsächlich benötigten Wärme zu stellen, wurden schließlich noch Daten, welche die jährliche Wärmebedarfsverteilung zeigen, in die Studie integriert. Detaillierte Daten zum gemessenen Wärmebedarf sind in der Regel nicht verfügbar bzw. fallen unter den Datenschutz. Sie können jedoch mittels verfügbarer Geodaten modelliert werden. Dazu gehören beispielsweise 3D-Gebäudemodelle, Zensusdaten etc. Derartige Karten, die die Verteilung des Wärmebedarfs zeigen, wurden im Rahmen des ANGUSII-Projekts von Schwanebeck et al. (2021) sowohl für Schleswig-Holstein (\({\text {MWh/(km}^2\,\times \,\text {a)}}\)) als auch für die Stadt Kiel (\({\text {MWh/(ha}\,\times \,\text {a)}}\)) erstellt und publiziert. Sie werden im Rahmen dieser Visualisierungsstudie als Textur auf der topografischen Oberfläche dargestellt. Dies ermöglicht eine Einordnung der Daten bei gleichzeitiger Sichtbarkeit der (animierten) ATES-Simulation und des für den untersuchten Stadtteil dargestellten GebäudebestandesFootnote 15, der etwa 3500 Gebäude umfasst und ebenfalls vollständig in 3D modelliert wurde (siehe Abb. 7.12).

Abb. 7.12
figure 12

Darstellung der Gebäude für einen Stadtteil von Kiel. a zeigt die triangulierte Geländeoberfläche der Stadt Kiel. Die Einfärbung der Oberfläche entspricht dem Wärmebedarf in \({\text {MWh/(ha} \times \text {a)}}\). Zusätzlich dargestellt werden 3D-Modelle des gesamten Gebäudebestandes des betrachteten Stadtteils. b 3D-Modelle der Gebäude im Kontext eines Luftbildes der Stadt Kiel (Google, GeoBasis-DE/BKG ©2009). Die in gelb dargestellte Linie markiert die Grenze des betrachteten Stadtteils

Das Ergebnis dieser Visualisierungsstudie zeigt die integrierte Darstellung von über 30 strukturell heterogenen Datensätzen in einem einheitlichen geografischen Kontext. Die Anwendung kann interaktiv erkundet werden und Zusatzinformationen in Form von verlinkten Inhalten können mittels Eingabegeräten aufgerufen werden. Das erstellte System kann somit zur Information verschiedener Zielgruppen (z. B. Entscheidungsträger, Wissenschaftler, interessierte Öffentlichkeit) genutzt werden. Eine ausführliche Beschreibung der hier zusammengefassten Inhalte wurden von Rink et al. (2022) in der Fachzeitschrift Geothermal Energy veröffentlicht. Die verwendeten Methoden zu Konversion, Integration und Visualisierung der Daten wurden allgemeingültig implementiert, sodass sie für die Erstellung weiterer Visualisierungsprojekte basierend auf einer ähnlichen Datenbasis genutzt werden können.

7.2 Gestaltung eines Entscheidungshilfesystems

Für die Entwicklung eines Entscheidungshilfesystems müssen zunächst alle Prozesse und Einflussgrößen, die in einen Planungsprozess einer Erdwärmeanlage eingehen, betrachtet werden. Im Folgenden werden alle Planungsschritte dargelegt. Diese sind zusätzlich in Tab. 7.1 zusammengefasst.

Zu Beginn eines Projektes wird geprüft, ob eine Erdwärmenutzung eine sinnvolle Alternative zu konventionellen Systemen sein kann und der Primärenergiebedarf wird berechnet. In diesen Prozess fließen u. a. Informationen zu bestehender Infrastruktur, klimatische Daten, Nutzungsangaben und Materialdaten ein. Diese Überprüfung erfolgt meist durch Planer für Technische Gebäudeausrüstung (TGA) oder Energieplaner. Wurde in diesem Schritt entschieden, dass eine Nutzung Oberflächennaher Geothermie in Betracht gezogen werden sollte, wird im nächsten Schritt die Machbarkeit am Standort geprüft. Dazu zählt eine Vorprüfung der Genehmigungsfähigkeit, die Klärung der Geologie, Hydrogeologie und Hydrologie, eine Auswertung der Bedarfsplanung und eine Plausibilitätsprüfung der Daten. Dies erfolgt anhand von öffentlich zur Verfügung stehenden Daten bzw. in Rücksprache mit der Unteren Wasserbehörde, dem Geologischen Dienst und in manchen Fällen auch dem zuständigen Bergamt. Auf Grundlage der verfügbaren Daten werden eine Voreinschätzung der hydrogeologischen Standortbedingungen durchgeführt, eine Abschätzung der relevanten geothermischen Untergrundparameter vorgenommen und mögliche Projektrisikofaktoren, wie Altlasten, Kampfmittel oder Altbergbau, ermittelt. In diesem Schritt wird bereits der Erkundungsbedarf beurteilt und mögliche Nebenbestimmungen, wie Bohrtiefenbegrenzungen oder die Nutzung von Wasser als Wärmeträgerfluid z. B. in Naturschutzgebieten abgefragt.

Bei einem positiven Ergebnis der Machbarkeitsstudie beginnt die Vorplanung. Auf Grundlage des vom TGA-Planer übermittelten Energiebedarfs des Gebäudes bzw. der Gebäude wird beispielsweise mittels der Software Earth Energy Designer (EED) eine Vordimensionierung der Geothermieanlage einschließlich einer Variantendiskussion und einem Vorschlag einer technisch umsetzbaren Vorzugslösung durchgeführt. Nach Festlegung einer anvisierten Bohrtiefe für das Gesamtsondenfeld wird der Genehmigungsprozess für eine Pilotbohrung für geophysikalische Erkundungen angeschoben. Dieser erfolgt in den meisten Bundesländern über ein jeweiliges Online-Portal, über welches die eingereichten Unterlagen direkt den zuständigen Behörden übermittelt werden. Die Genehmigung der Pilotbohrung kann einen Zeitraum von wenigen Wochen bis zu mehreren Monaten benötigen, je nachdem wie viele Behörden einbezogen werden müssen. Nach Erhalt des wasserrechtlichen Bescheides zur Errichtung der Probebohrung und der erfolgreichen Errichtung ebendieser durch ein DVGW W120-2 zertifiziertes Bohrunternehmen inklusive EWS und Hinterfüllung mit empfohlener Weise thermisch verbessertem Material werden geothermische Testarbeiten (Thermal-Response-Test (TRT), Temperaturprofilmessung) und gegebenenfalls weitere geophysikalische Untersuchungen an der ersten Bohrung durchgeführt. Aus dem Bescheid für die Pilotbohrung können gegebenenfalls Informationen für die weitere Planung gezogen werden. So kann z. B. auf eine Bohrtiefenbegrenzung, eine Einschränkung der Erdwärmesondenanlage auf einen bestimmten Bereich des Grundstückes oder den Bedarf von sulfatbeständigem Material hingewiesen werden. Auch die Vorgabe von zusätzlichen geophysikalischen Messungen oder der Verwendung von magnetisch dotiertem Material inklusive Nachweisführung kann diesem Genehmigungsbescheid entnommen werden.

Nach Beendigung und Auswertung der TRT-Messung wird mit den neu gewonnenen Erkenntnissen zu effektiver Wärmeleitfähigkeit und Untergrundtemperatur die bisherige Planung angepasst und ein Nachweis des thermischen Leistungsvermögens des Untergrundes geführt. In diesem Planungsschritt wird gegebenenfalls die Bohrtiefe der EWS auf Basis der Erkenntnisse aus der Pilotbohrung angepasst. So kann es z. B. zu einer Verkürzung der ursprünglich geplanten Länge der EWS bei Auftreten von artesisch gespanntem Grundwasser oder geologischen Besonderheiten, wie instabilen Aufrüttungszonen, kommen. Eine Verlängerung der geplanten EWS-Länge nach Errichten der Pilotbohrung ist eher unüblich. Nach Berechnung der Anzahl und Dimension des Erdwärmesondenfeldes erfolgt eine erste Kostenberechnung anhand von marktüblichen Preisen. Ebenfalls in dieser Planungsphase erfolgt die Konzeption eines Messprogramms zur Betriebsoptimierung der Wärmepumpenanlage und zur Erfüllung möglicher behördlicher Auflagen zum Anlagen- und Temperaturmonitoring im Untergrund. Nach Fertigstellung der Entwurfsplanung erfolgt die Antragstellung für eine Genehmigung für das Gesamtsondenfeld.

Die Genehmigungsplanung umfasst Gespräche und Verhandlungen mit den zuständigen Behörden (z. B. Wasserbehörde, Bergbehörde) im Namen des Bauherren sowie das Erarbeiten von Anträgen auf Ausnahmen und Befreiungen. Die Hauptaufgabe liegt hierbei in der Erarbeitung von wasserrechtlichen und bergrechtlichen Antragsunterlagen sowie dem Einreichen der Bohranzeige. Bei Quartieren und größeren Geothermieanlagen sowie in Gebieten mit bereits bestehenden Erdwärmeanlagen wird oftmals eine thermohydrodynamische Modellierung von der Genehmigungsbehörde gefordert. Dabei handelt es sich um eine 3D-Modellierung der Temperaturverteilung im Sondenfeld zur Bewertung der nachbarschaftlichen Beeinflussung. Dies ist für die Berücksichtigung des Grundwassereinflusses erforderlich. In den meisten Fällen wird dafür die Software FEFLOW verwendet.

Bereits während das Genehmigungsverfahren für das Gesamtsondenfeld läuft, wird mit der Ausführungsplanung begonnen. Es findet eine Festlegung der Bohransatzpunkte sowie eine Vermaßung und Bezugspunktfestlegung derselben statt. Besonders in dieser Phase kommt es zu intensiven Abstimmungen mit den beteiligten Gewerken, insbesondere der TGA-Planung, dem Tiefbau und dem Außenflächenplaner. Dabei wird vor allem nach Kollisionspunkten mit anderen Gewerken gesucht und diese beseitigt. Es werden Abmessungen und Parameter für Rohrleitungen und Verteilerbauwerke festgelegt. Zudem wird das Vorgehen für die Umsetzung der Errichtung der Anlage festgelegt und mit dem Bauzeitenplan abgestimmt. Sobald die Genehmigungsunterlagen mit allen Anlagen zur Verfügung stehen, werden mögliche Auflagen und Hinweise in die Planung aufgenommen und umgesetzt. Anschließend werden alle für die Errichtung der Geothermieanlage erforderlichen Leistungen ausgeschrieben. Nach einer Prüfung und Auswertung aller erhaltenen Angebote sowie gegebenenfalls einer Plausibilitätsprüfung und Bietergesprächen wird durch den Bauherren ein Bohrunternehmen vertraglich gebunden. Während der Errichtung des Sondenfeldes empfiehlt es sich, örtliche sowie – falls gefordert – geologische Bauüberwachungen durchzuführen. Dabei erfolgt eine Begleitung der Bohr- und Ausbauarbeiten. Während dieser können operative Entscheidungen bis hin zum Bohrungsabbruch nötig werden. Hauptaufgaben sind die Auswertung von Erkenntnissen aus den Bohrarbeiten, die Überprüfung der Einhaltung der Leistungsbeschreibung, der Vorschriften und den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Bei möglichen Mängeln findet eine Mängelfeststellung und anschließend eine Überwachung der Beseitigung dieser statt. Zum Schluss wird die geothermische Anlage abgenommen und es wird eine Rechnungsprüfung sowie eine Prüfung der Revisionsunterlagen des Bohrunternehmens auf Vollständigkeit durchgeführt. Bei Vollständigkeit wird die Dokumentation bei den zuständigen Behörden eingereicht. Vor Inbetriebnahme, aber auch bei Veränderungen im Nutzerverhalten, wird eine Einregulierung (z. B. hydraulischer Abgleich) des Systems durchgeführt. Diese wird durch eine fachkundige Person begleitet.

Während des Betriebs der Anlage wird z. B. in Berlin die Betreuung des Objektes durch einen Betriebsbeauftragten gefordert. Dieser setzt das mit der Behörde abgestimmte Monitoringkonzept um und führt das Messprogramm sowie eine Auswertung desselben durch. Die Ergebnisse werden, falls gefordert, den zuständigen Behörden, aber auf jeden Fall dem Betreiber der Anlage in regelmäßigen Abständen übergeben. Für den Fall, dass während des Betriebes Mängel auftreten, werden diese festgestellt und es findet eine Überwachung der Mängelbeseitigung statt.

Tab. 7.1 Planungsschritte geothermischer Anlagen

Besonders in den frühen Konzeptstudien und Planungsphasen werden Daten benötigt, die durch die Staatlichen Geologischen Dienste, den Deutschen Wetterdienst, Wasser- und Bergbehörden sowie das Umweltbundesamt zur Verfügung gestellt werden. In den einzelnen Bundesländern herrschen teilweise große Unterschiede in den frei verfügbaren Daten und dem Zugriff auf dieselben. Zum Teil kann online auf die gesuchten Daten zugegriffen werden, teilweise muss eine Anfrage auf Daten in einem bestimmten Gebiet oder einen speziellen Datensatz gestellt werden. Letzteres führt zu Mehrarbeit bei den zuständigen Behörden und zu manchmal erheblichem Zeitverzug in der Bearbeitung eines Projektes. Zu begrüßen ist hier die Erdwärmekampagne „Geothermie für die Wärmewende“  (BMWK Pressemitteilung 2022) des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), in welcher mit einer Datenkampagne die Verbesserung der Datenlage insbesondere für die Oberflächennahe Geothermie durchgeführt werden soll. Der Projektpartner geoENERGIE Konzept bearbeitet gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (LIAG), der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und der Georg-August-Universität Göttingen im Forschungsprojekt WärmeGut „Flankierung des Erdwärmepumpen-Rollouts für die Wärmewende durch bundesweite, einheitliche Bereitstellung von Geoinformationen zur Oberflächennahen Geothermie in Deutschland“  genau diese Fragestellung.

Wie in Abschn. 4.1 dargelegt, hat die Kenntnis über die ungestörte Untergrundtemperatur \(T_{geo}\) den größten Einfluss auf die Dimensionierung einer Erdwärmesondenanlage. Bei der Erkundung eines Standortes sollte somit besonderes Augenmerk auf der Ermittlung dieser liegen bzw. sollte sie durch eine detaillierte Modellierung bestimmt werden. Aus diesem Grund ist es ratsam, je nach Größe des Sondenfeldes eine bzw. mehrere Pilotbohrungen zu realisieren, um die ungestörte Untergrundtemperatur zu bestimmen. Den zweitgrößten Einfluss auf die Berechnungen hat der Jahresenergiebedarf Q. Zur Berechnung von Q werden u. a. das Alter des Gebäudes und die Dämmstandards zurate gezogen. Die große Unbekannte ist jedoch das Nutzerverhalten, welches einen signifikanten Einfluss auf den Heiz- und Kühlbedarf eines Gebäudes oder eines Quartiers hat. Aufseiten der Haustechnik sollten deshalb entsprechend Sicherheiten mit einberechnet werden. Als dritte einflussreiche Größe wurde die Mächtigkeit des von Grundwasser durchströmten Bereichs der Sonde detektiert. Dieser Parameter hat nicht nur einen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit einer Erdwärmeanlage, sondern auch auf die Genehmigungsfähigkeit. Bei größeren Anlagen muss oftmals mit einer thermohydrodynamischen Modellierung nachgewiesen werden, wie groß der Einfluss einer Sondenanlage auf die umliegenden Grundstücke ist. Bei Grundwasserfluss bildet sich eine Kälte- bzw. Wärmefahne aus. Je nach Bundesland gelten unterschiedliche Temperaturabweichungen \(\Delta {T}\) von der ungestörten Untergrundtemperatur an der Grundstücksgrenze.

7.3 Empfehlungen zur Anpassung regulativer Rahmenbedingungen

Bei der Errichtung einer Erdwärmeanlage müssen verschiedene Gesetze beachtet werden. Zu diesen zählen das Wasserhaushaltsgesetz (WHG), das Bundesberggesetz (BBergG), die Landeswassergesetze und das Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle (StandAG). Auch wenn es sich bei diesen größtenteils um Bundesgesetze handelt, so werden diese in leicht veränderter Form in den Bundesländern umgesetzt. Abhängig vom Standort des Bauvorhabens können aus diesem Grund die geltenden Regularien variieren. Diese haben Einfluss auf die Form eines Genehmigungsantrages, die Dauer des Genehmigungsprozesses und möglichen Nebenbestimmungen.

Hinsichtlich der Regularien für Oberflächennahe Geothermie in Deutschland gibt es von den Bundesländern bereitgestellte Informationen. Diese werden in Form von Leitfäden oder Merkblättern dargestellt und sind frei verfügbar. Sie sollen Bauherren und Planern für die jeweiligen Projekte Vorgaben schaffen, um den Prozess so reibungslos wie möglich zu gestalten. Je nach Bundesland gibt es jedoch gravierende Unterschiede in Bezug auf Inhalte und Umfang. Die Leitfäden sind in erster Linie für Planungsprojekte < 30 kW erstellt worden. Für Großprojekte gibt es vermindert Informationen, meist wird auf die entsprechenden Ämter verwiesen. Grundsätzlich basieren die Leitfäden auf den Gesetzesgrundlagen des Bundes und der Bundesländer und insbesondere der VDI-Richtlinie 4640. Im Folgenden werden inhaltlich wiederkehrende Themen der Leitfäden in tabellarischer Form nach verschiedenen Kriterien verglichen. Weiterhin gibt es im Zusammenhang mit den aufgeführten Kriterien einen umrisshaften Einblick in die VDI 4640, welche den aktuellen Stand der Technik zur thermischen Nutzung des Untergrundes widerspiegelt. Für eine genauere Einordnung zeigt Tab. 7.2 die Erscheinungsdaten der als Grundlage verwendeten Leitfäden (und gegebenenfalls Merkblätter).

Tab. 7.2 Erscheinungsjahre der Leitfäden der Bundesländer

7.3.1 Abstandsregelungen

In der nachfolgenden Tab. 7.3 sind Abstandsregularien aufgeführt, die in der Mehrheit der Leitfäden zu finden sind. Regelungen für Abstände sind in erster Linie in thermodynamischen Wechselwirkungen begründet. Bei geringen Abständen können Sonden sich gegenseitig beeinflussen, was zu einer Absenkung der Effizienz führen kann (VDI 4640-1 2010).

Tab. 7.3 Abstandsregelungen gemäß den Leitfäden der Länder. Freie Felder zeigen an, dass keine Aussagen getroffen wurden

Diese Beeinflussung betrifft sowohl die Sonden einer geothermischen Anlage als auch die Leistung geothermischer Anlagen untereinander, die in räumlicher Nähe zueinander errichtet wurden. Maßregelungen für diese Sachverhalte sind in fast allen Leitfäden vorhanden. Der Abstand zu geothermischen Anlagen benachbarter Grundstücke wird insofern geregelt, dass häufig eine Angabe zum Abstand zu Grundstücksgrenzen getroffen wird. In vielen Bundesländern ist eine Abweichung von dieser Regel möglich, insofern eine ausdrückliche (schriftliche) Zustimmung des benachbarten Grundstückeigentümers vorliegt und gegebenenfalls eine Absprache mit Behörden getroffen wird.

Weiterhin werden Abstände von Bohrungen zu Gebäuden sowie zusätzliche Abstandsregelungen aufgeführt. Zusätzliche Abstandsregelungen betreffen beispielsweise Abstände zu Ver- und Entsorgungsleitungen, Fernwärmeleitungen oder Anlagen zur Lagerung wassergefährdender Stoffe. Diese sind zumeist in verschiedenen weiteren DIN-Normen geregelt und sporadisch in den Leitfäden mit aufgeführt. Die VDI 4640-2 (2019) besagt, dass der „thermische Einfluss von kleineren Erdwärmesondenanlagen (z. B. bis zu fünf Bohrungen) ist in einem Abstand von 10 m auch längerfristig nicht signifikant (unter 1 K)“. Daher wird es als zweckmäßig beschrieben, den Abstand zu Anlagen auf benachbarten Grundstücken mit mindestens 10 m zu bemessen. Weiterhin wird in Bezug auf Bohrungen zwecks Standsicherheit ein Mindestabstand von 2 m zu bestehenden Gebäuden empfohlen.

Tab. 7.4 Vorgaben zum Bohrlochdurchmesser gemäß den Leitfäden der Länder

7.3.2 Bohrlochdurchmesser

Für die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Hinterfüllung sind die Bohrlochdurchmesser reguliert. Dabei ist hinreichend Platz zwischen Sondenbündel und Bohrlochdurchmesser sicherzustellen. Zumeist unterscheiden sich die Bundesländer hier zwischen 60 mm (2 \(\times \) 30 mm an den Seiten) und 80 mm (jeweils 40 mm) Ringraum (vgl. Tab. 7.4). Dies ist auf die Abhängigkeit von der Geologie zurückzuführen. Für den häufigsten Sondentyp, die Doppel-U-Sonde aus 32 mm-Rohren mit einem 25 mm-Hinterfüllrohr in der Mitte, entspricht dies einem Bohrlochdurchmesser von mindestens 150 mm bzw. 152 mm (gemäß Größe des Bohrmeißels).

7.3.3 Prüfregelungen

Während des Installationsprozesses und der Inbetriebnahme der Anlagen sind verschiedene Prüfungen notwendig. Diese sind in der  VDI 4640-2 (2019) beschrieben. Es sind zumeist drei Stück an der Zahl.

Zunächst werden die Sonden werksseitig geprüft und diese Prüfung dokumentiert. Weiterhin besteht die Empfehlung (E) einer Durchflussprüfung vor dem Einbau der Sonden. Im weiteren Verlauf ist eine Druckprüfung der mit Wasser befüllten Sonde notwendig, welche der Empfehlung nach vor dem Hinterfüllen des Ringraumes geschehen sollte. Es besteht die Möglichkeit, diese Druckprüfung nach der Hinterfüllung durchzuführen, jedoch ist es zwingend erforderlich, dass diese vor dem Abbinden des Hinterfüllmaterials erfolgt. In den Leitfäden wird in den meisten Fällen auf die Druckprüfung nach der Hinterfüllung verwiesen. In der Praxis hingegen wird hier entgegen den Leitfäden zumeist die Druckprüfung vor dem Verfüllen des Ringraumes durchgeführt, da durch die Prüfung ein minimaler Spalt im Füllmaterial entstehen kann.

Zuletzt ist eine Prüfung des Gesamtsystems vor Inbetriebnahme obligatorisch. Dokumentationen der Prüfungen werden in den meisten Leitfäden als zwingend erforderlich genannt. Die Texte der Leitfäden verweisen zumeist auf die VDI 4640-2 (2019) als Grundlage. In der Tab.  7.5 wird aufgeführt, welche Prüfungen explizit genannt werden.

7.3.4 Betrieb

Die Leitfäden stellen sowohl für Bauherren und Planer als auch für Betreiber der Anlagen Richtlinien dar, nach denen die Anlage betrieben werden soll.

Tab. 7.5 Prüfregelungen gemäß den Leitfäden der Länder
Tab. 7.6 Wartungen und Wächtervorgaben gemäß den Leitfäden der Länder

Zumeist müssen Überwachungssysteme installiert werden, um sicherzustellen, dass keine umweltschädlichen Flüssigkeiten, wie der leicht wassergefährdende Stoff Monoethylenglycol, in den Untergrund gelangen. Dahingehend fordern die meisten Bundesländer den Einsatz von LW. Diese sind selbsttätig, d. h. im Störfall, also bei Austritt von Flüssigkeit aus der Anlage, findet eine Signalabsendung statt und die Anlage wird sofort abgeschaltet. Je nach Bundesland gibt es ebenfalls Richtlinien hinsichtlich der Überwachung von Frosterscheinungen. Heutzutage sind in den meisten Wärmepumpen sowohl Leckage- als auch Frostwächter bereits integriert. Tab. 7.6 gibt einen Einblick in die Regularien der Bundesländer hinsichtlich der Vorgaben für den Betrieb der Anlagen, mit den einhergehenden Wartungen. Der vorgeschriebene Turnus für die Kontrollen der Wächter variiert sehr stark zwischen den einzelnen Bundesländern. In BW und TH z. B. soll eine Kontrolle der Wächter monatlich, in HH jährlich und in BE, HE und SL alle 5 Jahre stattfinden. In den meisten Bundesländern sind diese Kontrollen vom Betreiber oder/und einem Fachbetrieb durchzuführen. In HE muss die Kontrolle bei einer Anlage im Bereich gewerblicher Wirtschaft oder öffentlicher Einrichtungen durch eine nach § 22 Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (VAwS) anerkannte sachverständigende Stelle erfolgen.

7.3.5 Empfehlungen

Wie in den vorangegangenen Kapiteln beschrieben, variieren die Vorgaben und Regelungen bezüglich der Errichtung und dem Betrieb von Erdwärmesonden in den einzelnen Bundesländern mehr oder minder. Auch der Genehmigungsprozess, wie in Abschn. 7.2 dargelegt, ist stark vom Standort des Bauvorhabens abhängig. Die Gründe für die aufgezeigten Unterschiede sind vielfältig und teilweise nicht nachvollziehbar. Für die Erreichung der energiepolitischen Ziele der Bundesregierung bedarf es einer Beschleunigung von Planung, Genehmigung und Umsetzung von Erdwärmesondenanlagen. Dafür ist eine Überarbeitung und Harmonisierung der Vorgaben der Bundesländer notwendig. Der Genehmigungsprozess sollte vollständig digitalisiert, vereinheitlicht und teilweise vereinfacht und beschleunigt werden. Bereits durch das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) für die Endlagersuche ausgeschlossene Gebiete sollten konsequent von einer Abfrage zur Erteilung des Einvernehmens beim Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit befreit werden. Die Bearbeitungszeit der Anfrage beim BASE von bis zu drei Monaten verzögert den Genehmigungsprozess in diesen Fällen unnötig. Wie durch das BMWK in dem „Eckpunktpapier für eine Erdwärmekampagne“  (BMWK Eckpunktpapier 2022) genannt, werden momentan durch eine Steuerungsgruppe Gesetzespakete identifiziert, die zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren beitragen. In Zusammenarbeit mit den Staatlichen Geologischen Diensten sollen hierbei Optimierungspotenziale identifiziert werden. Dieser Prozess ist für alle Teufenbereiche der Geothermie zu begrüßen.

7.4 Datenmanagement

Das Datenmanagement eines Forschungsprojekts wie EASyQuart beinhaltet die Entwicklung und Nutzung von Architekturen, Richtlinien, Praktiken und Verfahren für die konsistente Verwaltung von Daten während des gesamten Datenlebenszyklus der Projektpartner oder des Forschungsprojekts. Daten sind definiert als unterschiedliche Informationseinheiten wie Zahlen, Buchstaben und Symbole, die besonders formatiert sind und vom Computer verarbeitet werden können. Die Daten im Projekt werden von verschiedenen Akteuren bereitgestellt, die EASyQuart-Verbundpartner, deren gesetzliche Vertreter, Mitarbeiter oder externe Partner repräsentieren können.

Die langfristige und reproduzierbare Speicherung von Daten nimmt in der Forschung eine Schlüsselrolle ein. Insbesondere für Arbeitsprozesse mit verschiedenen beteiligten Akteuren stellt eine unkomplizierte und schnelle Verteilung relevanter Messdaten eine große Erleichterung dar. Die im Rahmen des Arbeitsschwerpunkts Monitoring erhobenen Daten wurden daher in eine interne Forschungsdatenplattform eingepflegt. Zum Zweck der Datenbereitstellung wurden zudem exemplarisch für einige Temperatursensoren Datenlogger mit der Möglichkeit zur Echtzeit-Fernübertragung der Messdaten genutzt und anschließend webbasiert visualisiert. Abb. 7.13 zeigt vereinfacht den angewandten Workflow. Die Datenübertragung der verwendeten Logger erfolgt über das Mobilfunknetz auf einen ftp-Server und von dort auf die interne Plattform. Mittels der Open-Source-Anwendung Grafana Footnote 16 können die Messdaten anschließend auf verschiedene Weise grafisch dargestellt und in Form eines Dashboards über das Internet abgerufen werden. Auch Messdaten, welche manuell erhoben werden, können nachträglich in das so erzeugte Dashboard integriert werden. Ein Beispiel für ein so im Rahmen von EASyQuart erstelltes Dashboard findet sich in Abb. 7.14. Die getestete Routine zur Datenfernübertragung und Visualisierung gestaltet das Monitoring und die Bereitstellung der Messdaten wesentlich effizienter und gewährleistet zudem die nachhaltige Speicherung relevanter Datensätze. Ein weiterer Vorteil ist, dass eventuelle Fehler in der Datenaufzeichnung kurzfristig erkannt und behoben werden können.

Abb. 7.13
figure 13

Angewandter Workflow zur webbasierten Verarbeitung und Darstellung von Monitoringdaten

Abb. 7.14
figure 14

Screenshot aus dem in EASyQuart erstellten Dashboard zur Echtzeitvisualisierung von Monitoringdaten

Die Projektergebnisse umfassen neben Messreihen auch spezifische Daten aus Erkundungs- und Monitoringkampagnen unterschiedlicher Standorte, oberflächennaher geothermischer Anlagen, Softwarekomponenten und Datensätze aus numerischen Simulationen, z. B. zu konkreten Standorten (d. h. Modell- und Ergebnisdateien). Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (UFZ) verfügt über langjährige Erfahrung im Datenmanagement zur kooperativen Entwicklung von Open-Source Software (OpenGeoSys (OGS)) sowie zur Erfassung, Speicherung und Verarbeitung von Daten aus Experimenten auf verschiedenen Skalen, Erkundungs- und Monitoringkampagnen, numerischen Simulationen und wissenschaftlichen 3D-Visualisierungen. Ein wesentlicher Bestandteil von EASyQuart sind darüber hinaus Strukturen zur Softwareentwicklung sowie numerische Simulationen im Bereich des geologischen Untergrundes, der Haustechnik sowie deren Kopplung. Hinsichtlich der Nutzung der Simulationsplattform OGS für die Untergrundsimulationen, deren Entwicklung vom UFZ koordiniert und in die alle EASyQuart-Projektpartner eingebunden sind, steht den Partnern die am UFZ angesiedelte Simulations- und Entwicklungsinfrastruktur inklusive einer modernen Versionsverwaltung zur Verfügung. Im Projekt generierte Daten, einschließlich vorhandener Metadaten, werden hauptsächlich in einem zentralen Bereich der OGS-Plattform am UFZ verwaltet.

Da sich ein wesentlicher Teil der in EASyQuart entwickelten und verwendeten Softwarekomponenten auf nichtkommerzielle, wissenschaftliche Programmplattformen und Open-Source-Produkte bezieht, werden sie durch den jeweils verantwortlichen Partner über etablierte Source-Code-Hosting-Dienste (z. B. GitLabFootnote 17) verwaltet und öffentlich zugänglich gemacht. Ein möglicher öffentlicher Zugang zu Projektdaten, der über den Status quo hinausgeht, wie er in Fachpublikationen beschrieben wird, sowie der Umgang mit den Daten nach Projektende, ist in der Kooperationsvereinbarung zwischen den Projektpartnern geregelt.