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1 Einleitung

Die Debatte zur grünen Gentrifizierung entstand ab Mitte der 2000er-Jahre mit Studien zu Aufwertungs- und Verdrängungsprozessen im Kontext von Stadtgrün. Mittlerweile hat sich ein größeres Forschungsfeld entwickelt, welches zum Teil mit der Gentrifizierungsdebatte verknüpft ist, zum Teil aber auch durch die interdisziplinär ausgerichteten stadtökologischen und Stadtgrün-Debatten aufgegriffen wird – grüne Aufwertung wird dabei unter anderem als Zielkonflikt oder Paradoxon diskutiert. In den letzten Jahren hat sich diese kritische Perspektive auch auf die Debatten rund um Nachhaltigkeits- und Resilienzpolitiken ausgeweitet. Im Kern thematisiert sie Widersprüche und Konflikte zwischen der notwendigen ökologischen Transformation von Städten und deren (langfristigen) sozialen bzw. gerechtigkeitsbezogenen Auswirkungen. Direkt oder indirekt werden damit Herausforderungen für eine zukünftige Resilienz von Städten, welche sowohl die soziale Dimension als auch umweltbezogene Dimensionen einschließt, angesprochen. Es werden Macht- und Marktverhältnisse sowie Verteilungs-, Zugangs- und Entscheidungsmechanismen und damit verbundene Ungleichheiten diskutiert, vor allem solche, die potenziell Prozesse der Gentrifizierung begünstigen.

Ziel des BeitragesFootnote 1 ist es vor diesem Hintergrund, am Beispiel der grünen Gentrifizierung Herausforderungen für eine auf Resilienz ausgerichtete Stadtentwicklung zu diskutieren. Er soll Impulse für eine Resilienzdiskussion geben, die den Kriterien der Sozialverträglichkeit und Gerechtigkeit verpflichtet ist und innerhalb derer Dimensionen und Bedingungen von Resilienz differenziert in den Blick genommen werden.

Der Beitrag führt die aktuellen Resilienzdebatten und die Diskussionen zu grüner Gentrifizierung zusammen, wobei Resilienz als Denkarena und grüne Gentrifizierung als das illustrierende Beispiel fungiert. Zugleich kann die Forschung zu grüner Aufwertung als empirischer Befund dafür gelten, dass aktuelle Resilienzstrategien und Politiken zu deren Umsetzung blinde Flecken und ungelöste Probleme beinhalten. Weiterhin soll gezeigt werden, wie das bewusste Zusammenführen von Debatten verschiedener Reichweite die Diskussion bereichern kann.

2 Grüne Gentrifizierung: Ein kurzer Blick auf die Debatte

Die Debatte zur grünen Gentrifizierung bezieht den kritischen Ansatz der Gentrifizierung auf Kontexte, in denen grüne bzw. ökologische Aufwertung eine Rolle spielt. Im Zentrum stehen wohnungs- und immobilienmarktbezogene Prozesse in Städten und Wohnquartieren, welche steigende Boden- und Mietpreise sowie eine symbolische Aufwertung des Gebiets zur Folge haben. Dieser Wandel führt zu einem Bevölkerungsaustausch, welcher vor allem eine Verdrängung einkommensarmer Bewohner*innen bzw. Haushalte sowie den Zuzug besserverdienender Haushalte beinhaltet (z. B. Glatter und Mießner 2021, S. 11 ff.). Grüne Qualitäten spielen sowohl für immobilienmarktbezogene als auch für symbolische Aufwertungen eine Rolle (z. B. Quinton et al. 2022, S. 12).

Die Debatte zu grüner Gentrifizierung kann als Fokuserweiterung der kritischen Stadtforschung gesehen werden. Diese ist zeitlich in eine Phase einzuordnen, in der die Gentrifizierungsdebatten infolge des starken Wachstums vieler Städte und der Finanzialisierung der Immobilienwirtschaft weltweit auflebten, während parallel das Thema Stadtgrün verstärkt Einzug in den Mainstream urbaner Regenerierungsstrategien fand. Begrünung und energetische Sanierungen sind seither in unterschiedlicher Weise zum Katalysator für Aufwertung und Verdrängung sowie eine veränderte Dynamik von Bodenpreis- und Wohnungsmarktentwicklung geworden. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass grüne Aufwertung nicht überall und automatisch Gentrifizierung und Verdrängung bewirkt. Die Vielfalt der Kontexte weltweit, in denen bisher grüne Gentrifizierung untersucht wurde, zeigt aber, dass unter Bedingungen eines kapitalistischen Wohnungsmarktes die Logik von Aufwertung sowie Verdrängung mittlerweile ein verbreitetes Phänomen ist. Darauf gezielt zu verweisen ist ein Wert der kritischen Analyseperspektive, welche hier betrachtet wird.

Ihren Anfang nahm die Debatte zur grünen Gentrifizierung im nordamerikanischen Kontext. Erste Studien widmeten sich Themen wie der Verdrängung und Exklusion einkommensarmer Gruppen durch die grüne Aufwertung urbaner Parks (Dooling 2009) bzw. Neugestaltung ehemaliger Brachen (u. a. sogenannte „Rail-to-park“-Projekte), etwa der New Yorker High Line im Stadtteil Manhattan, wo eine ehemalige Hochbahntrasse in einen grünen Freiraum umgewandelt wurde (Millington 2015).Footnote 2

Mehrheitlich stammen die Fallstudien noch immer aus nordamerikanischen und westeuropäischen Städten mit einem angespannten Wohnungsmarkt, generell hohen Wohnkosten und „Hotspots“ der Gentrifizierung (Quinton et al. 2022). Aber gerade das urbane Wachstum der letzten Jahrzehnte in Deutschland und Europa und die parallele Bedeutungszunahme von Begrünung und grünen Qualitäten als Standortfaktoren sowie deren Inwertsetzung durch den Wohnungs- und Immobiliensektor machen das Thema für eine breite Mehrheit städtischer Kontexte relevant. Dies belegen Fallstudien aus ehemals oder noch immer schrumpfenden Städten wie Leipzig (Konzack 2017; Ali et al. 2020; Haase 2019) oder Lódz (Koprowska 2020).

Ein Fokus der Debatte lag von Anfang an auf der Entwicklung einer politisch-ökologischen Perspektive auf Gentrifizierung und einer Analyse der Zusammenhänge zwischen neoliberaler Stadtentwicklung, grüner Aufwertung und ihren sozial-räumlichen Konsequenzen wie der (Re-)Produktion sozialräumlicher Ungleichheit (Quastel 2018). Weiterhin drehte sich die Diskussion um die Inkaufnahme der Tatsache, dass nicht alle Stadtbewohner*innen von neuen grünen Qualitäten profitieren können, weil sie ihnen nicht zugänglich gemacht werden bzw. nicht mehr zugänglich sind (Dooling 2009). Die Gleichzeitigkeit der Steigerung von Grün- und Lebensqualität sowie von Mietsteigerung und Verdrängung wird als Grünflächenparadoxon angesprochen (Holm 2011; Curran und Hamilton 2018).

Die Debatte übt Kritik am vermeintlich unpolitischen Charakter grüner Aufwertung sowie an angenommenen „Win-win“-Situationen bezüglich umweltbezogener und sozialpolitischer Ziele (z. B. Klein et al. 2020, S. 11; Checker 2011, S. 210). Damit rückt auch die Frage der Instrumentalisierung von Begrünung durch neoliberale Projekte bzw. die Inkorporation grüner Qualitäten zur Renditesteigerung von Immobilienprojekten in den Blick (Castree 2008).

Die Debatte um die grüne Gentrifizierung fragt auch nach Alternativen zur grünen Aufwertung sowie Möglichkeiten einer Einhegung von Marktlogiken. Hier zeigen sich potenzielle Anknüpfungspunkte in Richtung der Debatte zu bottom-up Stadtentwicklung und Teilhabe (Kern 2018). Es werden Ansätze diskutiert, wie in mit Stadtnatur unterversorgten Quartieren eine hochwertige Begrünung erfolgen kann, ohne dass eine marktkonforme Aufwertungslogik in Gang kommt, etwa das Monitoring bzw. Ex-ante-Szenarien möglicher Folgewirkungen grüner Aufwertung (Pearsall 2018). Ebenso wird unter dem Label „just green enough“ (Wolch et al. 2014; Curran und Hamilton 2018; Rigolon und Németh 2020) diskutiert, wie sich eine Verbesserung der Umweltsituation im Quartier ohne Aufwertungslogik erreichen lässt. Dabei geht es um eine Entkopplung von ökologischer Aufwertung und hochwertiger Wohn- und Gewerbeentwicklung, um den Verbleib der Bevölkerung im Quartier zu ermöglichen. Ebenso wird die maßgebliche Einbeziehung oder Beauftragung nicht profitorientierter, gemeinwohlorientierter Akteure in den Blick genommen, um auf eine größere prozedurale Gerechtigkeit hinzuwirken und Gentrifizierung zu verhindern (Rigolon und Németh 2018). Eine Herausforderung für die Diskussion zu grüner Gentrifizierung ist und bleibt die Schwierigkeit, kausale Beziehungen zwischen Begrünung bzw. grüner Aufwertung und Verdrängung nachzuweisen (z. B. Ali et al. 2020). Ein ebenso komplexes Unterfangen, auch methodisch, ist es, die zugrunde liegenden Mechanismen in ihrem Zusammenspiel zu verstehen (Quinton et al. 2022).

Im Folgenden wird näher auf die Möglichkeiten eingegangen, wie die kritische Perspektive der grünen Gentrifizierung die Debatte zu urbaner Nachhaltigkeit und Resilienz befruchten kann.

3 Kritische Perspektiven auf resiliente Stadtentwicklung

Stadtbegrünung und ökologische Modernisierung sind Handlungsfelder urbaner Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit. Resilienz, verstanden als eine Teildimension nachhaltiger Stadtentwicklung,Footnote 3 hat in den vergangenen Jahren als Zielkonzept an Bedeutung gewonnen (siehe Rink et al. in diesem Band). Dies ist im Zusammenhang mit den multiplen globalen Herausforderungen wie Klimawandel, dem demographischen Wandel, aber auch jüngeren Erfahrungen wie der Coronakrise und der Demokratiekrise der westlichen Welt zu sehen (vgl. ebd.). Die Idee der resilienten Stadt trägt vor allem dem Ziel Rechnung, Städte und Stadtgesellschaften angesichts der beschriebenen Herausforderungen für die nahe und fernere Zukunft anzupassen und widerständig zu machen. Für ein solches Resilienzverständnis ist es wichtig, aktuelle Herausforderungen mit kritischem Blick zu betrachten, zu erkennen, wo Konflikte zwischen Ziel und Realität bestehen, und damit Handlungsbedarf zu identifizieren. Dazu kann die Debatte zur grünen Gentrifizierung einen Beitrag leisten.

Begrünung soll zu nachhaltigeren und gleichzeitig resilienteren Städten beitragen: Sie soll die Lebensqualität verbessern und gleichzeitig eine ressourcenschonende Stadtentwicklung befördern. Ebenso soll sie Städte und Stadtgesellschaften angesichts der oben beschriebenen Herausforderungen widerstandsfähig machen für die nahe und fernere Zukunft und sie gleichzeitig lebenswert halten.Footnote 4 Stadtbegrünung trägt unbestritten in vielerlei Hinsicht zu diesen Zielen bei, viele Bewohner*innen profitieren unmittelbar von mehr hochwertiger urbaner grüner Infrastruktur, naturbasierten Lösungen, etwa zur Kühlung oder Luftreinigung, oder aber von den durch Stadtgrün bereitgestellten Ökosystemleistungen, zu denen nicht zuletzt auch physische und mentale Erholung gehören. In der Resilienzdebatte spielt Grün vor allem im Kontext von Widerstandsfähigkeit gegenüber Hitze und Überflutung eine Rolle, aber auch in der Diskussion zu multifunktionalen Freiräumen als Teil urbaner Resilienzstrategien (BBSR 2017).

Ohne diese positiven Aspekte schmälern zu wollen, wendet sich dieser Beitrag den kritischen Fragen bezüglich der Konsequenzen von Stadtbegrünung zu. Er trägt damit der Tatsache Rechnung, dass ungeachtet allgemein formulierter Zielsetzungen in Richtung Nachhaltigkeit und Resilienz Begrünung und z. B. auch grünes Bauen und Wohnen nicht im neutralen Raum stattfinden (siehe auch Abschn. 3.2). In diesem Rahmen ist die Debatte zur grünen Gentrifizierung ein gutes Beispiel dafür, wie kritische Perspektiven dazu beitragen, „grüne Themen“ einzuordnen und in ihrer Einbettung in bestehende Macht-, Markt- und Ungleichheitsverhältnisse zu begreifen sowie ein Verständnis von urbaner Resilienz zu stärken, welches eng an Vorstellungen von sozialer Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Sozialverträglichkeit gekoppelt ist.

In der Resilienzdebatte werden diese Themen auch immer stärker explizit diskutiert. Neben „gesellschaftlicher Resilienz“ (Anholt et al. 2021) und „sozialer Resilienz“ (Keck und Sakdapolrak 2013) wird auch von „equitable resilience“ (Matin et al. 2018) und dem Bedarf an gerechten Pfaden hin zu diversitätssensibler Resilienz gesprochen, bei denen die Menschen im Mittelpunkt stehen („equitable and people-centered pathway“, ICLEI 2022). Adger et al. 2020 benennen Ungleichheit und Exklusion, u. a. im Kontext von Prekarität, explizit als Gefahren für Resilienz. Ebenso werden direkte Bezüge zur Theorie sozialer Machtverhältnisse gefordert (Pelling und Manuel-Navarrete 2011). Anerkennung findet zudem die Tatsache, dass gerade auch Transformationen hin zu mehr Resilienz nicht automatisch gewinnbringend für alle sind und sich eben auch entlang etablierter Verhältnisse von Macht, Markt und Ungleichheit bewegen (Anholt et al. 2021, S. 554). Schnittmengen ergeben sich hier zur kritischen Perspektive auf die bisherige Nachhaltigkeitsdebatte, in der auch ein stärkerer Fokus auf Gerechtigkeit eingefordert wird. Hier sind Arbeiten von Agyeman und Evans (2003) zu nennen, die einen stärkeren Fokus auf „just sustainability“ einfordern, also Nachhaltigkeit direkt mit Gerechtigkeit, Fairness und Sozialverträglichkeit in Verbindung bringen. Die Arbeiten von Anguelovski und Connolly (2021) bringen Analysen zur grünen Gentrifizierung bzw. zu grünen Ungleichheiten in einen direkten Dialog mit der Nachhaltigkeits- und Gerechtigkeitsdebatte. Erwähnenswert sind auch Studien wie die von Checker (2011), welche von den Gerechtigkeitslücken nachhaltigkeitsbezogener Politik spricht und Nachhaltigkeit dahingehend gar als „Mythos“ bezeichnet, oder von Connolly (2017), der neoliberale Strategien der Stadtbegrünung mitunter als „pseudo-sustainability“ auffasst. Parallel dazu hat sich eine Debatte zu „climate gentrification“ (z. B. Best und Jouzi 2022; Keenan et al. 2018) oder „resilience gentrification“ (z. B. Gould und Lewis 2018, 2021) entwickelt, die man auch als Blickerweiterung der grünen Gentrifizierung lesen kann. Die verbreiterte Debatte hebt vor allem auf den Umstand ab, dass neben der Begrünungs- nunmehr auch die Klimaanpassungs- und die Resilienzrhetorik zur Legitimierung marktkonformer Aufwertung genutzt werden, oder auf die Frage, ob und inwieweit grünes, hitzegeschütztes Wohnen in Zeiten des Klimawandels ein Privileg ökonomisch besser gestellter Haushalte wird oder es bereits ist.

Damit sei die Relevanz kritischer Perspektiven auf die bestehende Debatte zu urbaner Resilienz, aber auch auf resilienzfördernde Strategien der Stadtentwicklung sowie konkrete Politiken zu deren Umsetzung kurz umrissen. Im Folgenden wird auf einige Impulse eingegangen, welche die Debatte zur grünen Gentrifizierung für eine kritische Diskussion über die Nachhaltigkeit und Resilienz heutiger und zukünftiger Stadtentwicklung geben kann.

4 Impulse aus der Debatte zur grünen Gentrifizierung für die Diskussion um urbane Resilienz

4.1 Sensibilisierung für mögliche Zielkonflikte sowie nicht intendierte Folgen resilienzorientierter Stadtentwicklung

Der Ansatz der grünen Gentrifizierung sensibilisiert für die Trade-offs grüner Aufwertung, welche ebenso bei Maßnahmen und Projekten auftreten können, die Teil nachhaltigkeits- und resilienzorientierter Stadtentwicklung sind (siehe Abschn. 3.2 und 3.3). Grüne Aufwertung unter den gegebenen Bedingungen marktkonformer Stadtentwicklung kann zu einer Konsolidierung von Ungleichheit und Ungerechtigkeit führen oder diese sogar vergrößern. Solche Entwicklungen laufen strategischen Zielen sozialer Resilienz zuwider. Sie müssen stärker in den Blick genommen werden. Dazu gehört auch, dass die Wirkungen dieser Maßnahmen in unterschiedlichen städtischen Teilbereichen sowie für verschiedene Bevölkerungsgruppen in der Stadt untersucht werden und die Stadt als Ganzes, aber auch mit Blick auf das Zusammenspiel ihrer Quartiere betrachtet wird (siehe Schmidt et al. in diesem Band).

Eine Anerkennung von Konflikten rund um die grüne Gentrifizierung öffnet den nötigen Raum für die Aushandlung von gerechtigkeitssensiblen und sozialverträglichen Alternativen und den Einbezug verschiedener Perspektiven auf urbane Resilienz. Die Konflikte weisen verschiedene Dimensionen auf. Im Kern sind es zum einen Zielkonflikte, allerdings nicht zwischen ökologischer Aufwertung und bezahlbarem Wohnen, wie es oberflächlich scheinen mag, sondern zwischen Letzterem und kapitalistischen Investitions- und Verwertungslogiken. Es wäre gefährlich und falsch, grüne und soziale Ziele gegeneinander auszuspielen und die eigentlichen Konfliktlinien im Hintergrund nicht zu erkennen (Haase 2019). Zum anderen sind es aber auch oftmals Interessenkonflikte zwischen Stadtentwicklungsstrategien, die auf Aufwertung und dadurch Vorteile im nationalen und internationalen Städtewettbewerb setzen, auf der einen und verschiedenen Nutzungs- und Verwertungsinteressen von Akteur*innen und Bewohner*innen in einer Stadt auf der anderen Seite. Damit verbunden sind Verteilungs- und Zugangskonflikte, hier kommen dann auch die Effekte der direkten und indirekten Verdrängung ins Spiel. Fragen der prozeduralen Gerechtigkeit spielen dort eine Rolle, wo Begrünungen in Form partizipativer oder kooperativer Verfahren stattgefunden haben (Ali et al. 2020; Rigolon und Németh 2018). Nicht zuletzt geht es auch um Anerkennungskonflikte, d. h. die Frage, wessen Bedürfnisse anerkannt und priorisiert werden oder unberücksichtigt bleiben.

Nicht selten widersprechen sich zudem verschiedene Ziele einer auf Resilienz ausgerichteten Stadtentwicklung, etwa dann, wenn es um Teilziele oder verschiedene Arenen geht. Beispiele hierfür sind Landnutzungskonflikte zwischen dem geplanten Bau dringend gebrauchter Sozialwohnungen und dem Erhalt von urbanem Grün (exemplarisch siehe Schrader 2021 für Berlin-Pankow) oder der Umgang mit urbaner Wildnis als Form von Stadtnatur und grüner Infrastruktur und ggf. Katalysator für Gentrifizierung (Welch et al. 2022).

Wenn eine Maßnahme als resilienzunterstützend bzw. -steigernd geplant und dargestellt wird, sollten die Grundannahmen mit Blick auf soziale Folgewirkungen geprüft werden und ebenso negative Folgewirkungen explizit einbezogen werden, die andere Aspekte der Resilienz womöglich sogar untergraben.

4.2 (Re-)Produktion sozial-räumlicher Ungleichheiten durch resilienzfördernde Maßnahmen

Ähnlich wie im Kontext von Begrünung und der Schaffung von Grünräumen wirken sich auch kommunale oder privatwirtschaftliche Maßnahmen im Zuge von Klimaanpassung und -schutz auf städtische Boden- und Mietpreisentwicklungen aus. Dies führt zu sozial-räumlichen Veränderungen. Aus Untersuchungen zum Einfluss von Grünräumen auf die Boden- und Mietpreisentwicklungen sollten Perspektiven abgeleitet werden, wie solche Effekte im Kontext von Resilienzmaßnahmen berücksichtigt werden könnten. In Studien zum Leipziger Lene-Voigt-Park (Ali et al. 2020; Liebelt et al. 2018) wurden sowohl direkte als auch indirekte Wohnkostensteigerungen durch grüne Aufwertung des engeren Wohnbereichs oder durch die Nähe zu hochwertigem Grün in die Betrachtung einbezogen. Anguelovski et al. (2019) haben für Barcelona festgestellt, dass grüne Aufwertung in innerstädtischen Quartieren zu einer Verdrängung einkommensarmer Bevölkerungsgruppen führt und in der Folge zu deren Konzentration in äußeren Stadtquartieren von geringerer Lebens- und Wohnqualität. Infolge direkter und indirekter Verdrängung trägt grüne Gentrifizierung dazu bei, dass sich residentielle Segregation und damit Ungleichheit konsolidiert bzw. reproduziert oder sogar verstärkt. Werden resilienzfördernde Maßnahmen über strukturelle Anpassungen vorgenommen (etwa energetische Sanierung oder grüner Neubau/Umbau), führt eine solche Entwicklung unter Marktlogik zumeist zu mehr Segregation und Verdrängung und im Ergebnis zu mehr sozial-räumlicher Ungleichheit (Gould und Lewis 2018). Neugeschaffene resilienzfördernde grüne oder energiesparende Qualitäten kommen dann nur noch denjenigen zugute, die sich die Wohnkosten am entsprechenden Ort bzw. in der Umgebung leisten können – Resilienz wird so zum Privileg und Ausdruck sozialer Ungleichheitsverhältnisse, wovon v. a. eine neue urbane Elite, die kritisch als „sustainability class (ebd.) bezeichnet wird, profitieren kann. Diejenigen, welche verdrängt werden, verlieren den Zugang zu hochwertigem Grün im Wohnumfeld, womit auch die Umweltungerechtigkeit erhöht wird (z. B. Kronenberg et al. 2020). Damit reduziert sich die soziale Resilienz urbaner Wohnverhältnisse in der Gesamtperspektive, besonders aber für diejenigen Bewohner*innen, welche in verdichtete und/oder schlecht mit Grünräumen ausgestattete Wohnlagen ausweichen müssen. Dies wiederum kann ihre Vulnerabilität gegenüber mehr Hitze im Zuge des Klimawandels oder aber wiederkehrenden Beschränkungen durch eine fortdauernde oder neue Pandemie erhöhen und ist damit gegenläufig zur Zielstellung einer größeren Resilienz.

4.3 Bedarf an langfristigen und gerechtigkeitssensiblen Perspektiven auf Resilienz

Die Debatte zur grünen Gentrifizierung beleuchtet den Bedarf an langfristigen gerechtigkeitssensiblen Perspektiven und bildet einen Schnittpunkt mit der kritischen Thematisierung der Ausgrenzung benachteiligter und einkommensarmer Bevölkerungsgruppen von der Beteiligung an ökologischen Modernisierungsprozessen bzw. -projekten. In diesem Zusammenhang werden neue akademische und theoretische Perspektiven auf Stadtgrün gefordert und neben den bereits diskutierten Aspekten von Verteilungs-, Anerkennungs- und Prozessgerechtigkeit (Low 2013) gewinnen temporale und räumliche Aspekte an Bedeutung (Anguelovski et al. 2019; Meerow et al. 2019).

Verdrängte, sei es nun durch direkte oder indirekte Verdrängung, werden „unsichtbar“ in den Bereichen, wo neue grüne Qualitäten nur noch von denjenigen genutzt werden (können), die sich den Wohnraum im entsprechenden Bereich leisten können. Im Falle eines vorausgegangenen partizipativen Prozesses zur Aufwertung eines städtischen Grünraumes, welcher dann zum Ort grüner Gentrifizierung wird, geht es auch um prozedurale Ungerechtigkeit, wenn diejenigen, welche ihre Ideen und Wünsche eingebracht haben und für die der Grünraum aufgewertet wurde, diesen infolge der Verdrängung nicht mehr nutzen können (z. B. Ali et al. 2020). Auch kann grüne Gentrifizierung zu einer höheren Verteilungsungerechtigkeit bezüglich urbaner Grünflächen führen, wenn die Verdrängten in Gebiete ausweichen müssen, welche weniger gut mit Grünflächen versorgt sind.

Die Perspektive der grünen Gentrifizierung bildet einen Rahmen, um sich kritisch mit Strategien und Politiken grüner und resilienter Städte auseinanderzusetzen, welche Ungerechtigkeit konsolidieren oder (re-)produzieren. Diese Perspektive ist anschlussfähig an Debatten etwa zu Ungleichheiten, welche im Zuge der Anpassung an den Klimawandel besonders relevant werden, wie der ungleichen Exposition gegenüber Hitze oder der Verdrängung infolge von Kostensteigerungen durch energetische Sanierung (z. B. Großmann 2020).

4.4 Aufmerksamkeit für gewinnorientierte Verwertungslogik im Kontext von Resilienz

Die Befunde zur grünen Gentrifizierung können zu mehr Bewusstsein für die Folgewirkungen einer Politik führen, bei der Nachhaltigkeit und Resilienz als Standort- und Renditefaktor im Rahmen einer gewinnorientierten Verwertungslogik fungieren. Man spricht hier von einer „Neoliberalisierung der Natur“ (Castree 2008). Hier besteht eine Verbindung zwischen der Debatte zur grünen Gentrifizierung und dem Denken der politischen Ökologie, welche kritisch auf die Einbettung ökologischer Politiken in bestehende Macht- und Marktverhältnisse schaut. Die Wahrnehmung eines sozial-ökologischen Konflikts oder gar Paradoxons (Holm 2011) beschreibt nur die Oberfläche, denn im Kern geht es um Dynamiken kapitalistischer Wohnungs- und Immobilienmärkte. Das, was oberflächlich wie ein sozial-ökologischer Zielkonflikt aussehen mag, ist im Kern ein marktbedingtes Zugangs- und Verteilungsproblem sowie Resultat der Integration von Begrünung in marktkonforme Investitions- und Verwertungsstrategien. Grüne Qualitäten sind in den Diskussionen zu Renditeerwartungen bei Mietsteigerungen oder Eigentumsbildung („commodification gap“, Bernt 2022) und auch symbolischen Dimensionen der Gentrifizierung (v. a. im Sinne eines Imagewandels, Glatter 2021) stärker mitzudenken. Wenn es um Zielkonflikte zwischen ökologischer Modernisierung und sozialverträglichen Wohnbedingungen geht, steht nicht unbedingt das Problem der Kausalität im Vordergrund, sondern die Frage nach Prioritäten und einer Balance zwischen umweltbezogenen und sozialen Effekten (Cucca 2012).

Grüne Qualitäten werden in strategischer Weise zum neuen Standortfaktor, zum „Wirtschaftsgut“, „Erfüllungsgehilfen“ oder „unfreiwilligen Komplizen“ neoliberaler Stadterneuerung (Knuth 2015). Dies ist anhand einzelner Bau- oder Restrukturierungsvorhaben zu beobachten, aber auch großmaßstäblich als Strategie für ganze Stadtteile oder Städte, etwa wenn es um die gestiegene Bedeutung der Finanzialisierung des Wohnungsmarktes geht oder sogenannte „green growth coalitions“, die ungeachtet ihrer grünen Rhetorik weiter auf (neoliberales) Wachstum setzen und damit zu sozial polarisierten Wohnverhältnissen beitragen (Unmüßig et al. 2016). Diese Inkorporation von grün-blauer Infrastruktur sowie von Nachhaltigkeitskriterien in die urbane Aufwertung wird auch als „sustainability fix“ bezeichnet (While et al. 2004). Die Debatte offenbart damit, wie Leitbilder der resilienten Stadt durch den Immobiliensektor usurpiert bzw. in marktorientierte Wachstumsstrategien (Gould und Lewis 2018) inkorporiert werden können. Mit diesen Erkenntnissen und den sich daraus ergebenden Konsequenzen müssen sich Debatten zu Resilienz (unter den gegebenen Verhältnissen) stärker auseinandersetzen.

5 Was ergibt sich daraus für die Diskussion über eine resiliente Stadtentwicklung?

Die Impulse aus der Debatte zu grüner Gentrifizierung bzw. den Zielkonflikten einer resilienzorientierten Stadtentwicklung stellen auch die praxis- und politikseitige Diskussion über die Priorisierung von Zielen sowie die Ausgestaltung von Politiken vor Herausforderungen.

Dabei geht es vor allem um ein besseres Verständnis der Zusammenhänge sowie einen genaueren Blick auf die zugrunde liegenden Mechanismen und Logiken, welche dazu führen, dass städtische Aufwertungslogiken, ob nun „grün“, resilient oder nicht, nicht selten die (Re-)Produktion sozial-räumlicher Ungleichheit und Verdrängung vorantreiben. Dazu braucht es eine kritische sozialwissenschaftliche Perspektive, welche darauf dringt, dass resilienzorientierte Politiken soziale bzw. gerechtigkeitsbezogene Folgewirkungen mitdenken, wie es auch in der internationalen Diskussion gefordert wird (Gould und Lewis 2021; Meerow et al. 2016; Matin et al. 2018). Ähnlich wie die Rolle von Grünräumen im Kontext nachhaltiger Stadtentwicklung müssen auch resilienzfördernde Maßnahmen beim Ressourcenschutz (u. a. energetische Sanierung) und bei der Anpassung an Extremereignisse (u. a. Hitze- und Hochwasserschutzmaßnahmen) in der Komplexität ihrer Wirkungen betrachtet und mögliche Zielkonflikte stärker in den Blick genommen werden. Es gibt nicht „die“ Resilienzstrategie für eine mehr oder minder einheitlich ausgestattete und situierte Stadtgesellschaft. Betroffenheiten werden immer unterschiedlich verteilt sein, und Stadtbewohner*innen profitieren in verschiedenem Maße von auf Resilienz ausgerichteten Politiken oder nicht. Die Treiber direkter und indirekter Verdrängungsdynamiken im Kontext grüner Infrastrukturentwicklung und ökologisch orientierter Stadtentwicklungsprojekte müssen in ihrer Komplexität und Multiskalarität erkannt werden (Blok 2020; Quinton et al. 2022). Dies ist nicht zuletzt aufgrund des immer umfassenderen Anspruchs an Adaption und Mitigation im Kontext des Klimawandels sowie entsprechender Zielstellungen, Maßnahmen und Vorgaben auf nationaler, europäischer und globaler Ebene unabdingbar. Das wiederum bedeutet, dass im Rahmen von Forschung selbst und in ihren Empfehlungen an Politik und Planung sozial-ökologische Ungleichheiten stärker mitgedacht und soziale Implikationen resilienzorientierter Stadtentwicklung nicht nur ex-post analysiert, sondern ex-ante thematisiert werden müssten. Begleitforschung zu Stadtentwicklungsprojekten sollte dezidiert mittel- und langfristige Folgewirkungen einschließen sowie die Wirkungszusammenhänge sozialer, baulicher, gewerblicher und symbolischer Veränderungen untersuchen.

Ohne Interventionen der öffentlichen Hand, die klar auf mehr sozial-ökologische Gerechtigkeit ausgerichtet sein müssen, können grüne Stadtentwicklungsprojekte eine negative Umverteilung bewirken. Städte beginnen zunehmend auf die Herausforderungen des Klimawandels zu reagieren. Die in diesem Kontext entworfenen Konzepte, Leitlinien und Vorhaben haben das Potenzial, einen integrierten Blick auf soziale, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit zu richten. Die neue Leipzig-Charta für gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung in Europa (BMI 2020) greift eine gerechte, grüne und produktive Stadt unter ihren Handlungsdimensionen auf; bei der konkreten und konsequenten Umsetzung unter Marktbedingungen bleiben jedoch viele Fragen offen.

Wenn es um die Auswahl und Ausgestaltung geeigneter Instrumente der Stadtentwicklung geht, so müssen Widersprüchlichkeiten, Konflikte und Dilemmata einer sozial-ökologisch orientierten Stadtentwicklung unter Marktbedingungen klar benannt und kritisch diskutiert werden. Ein Ansatz für ein stärker integriertes Denken wäre beispielsweise die Koppelung von boden- und wohnungsmarktpolitischen Instrumenten (z. B. Milieuschutz- oder Erhaltungssatzungen), gerade in Städten mit einer hohen Dynamik auf dem Wohnungsmarkt. Anti-Verdrängungsstrategien, wie sie im Kontext der Grünraumentwicklung diskutiert werden („parks-related anti-displacement strategies“, Rigolon und Christensen 2019), können mit Bezug zu den jeweiligen Wohnungsmarktdynamiken auf andere Verdrängungskontexte übertragen werden. Rigolon und Christensen weisen darauf hin, dass die Einbeziehung der lokalen Bevölkerung und Akteure dabei essenziell ist und auch die Vergabe von Fördermitteln an den Einbezug sozialer Folgewirkungen und sozialpolitischer Ziele gebunden sein sollte (ebd.).

Ähnlich dem Ansatz „just green enough“ (Curran und Hamilton 2018), im Sinne einer Begrünung, welche nicht zur Logik der preislichen Aufwertung und Verdrängung führt, sondern zur Erhöhung von Lebensqualität, stellt sich die Frage eines „just resilient enough“, also nach dem Umfang resilienzbezogener Maßnahmen. Für die entsprechenden Politikansätze und Maßnahmen würde das bedeuten, dass sie nötige Vulnerabilitäten gegenüber Stressoren und Schocks reduzieren, aber gleichzeitig vermeiden, dass Maßnahmen zur Erhöhung der Resilienz, z. B. gegenüber Extremereignissen wie Hitze oder Überschwemmung, dazu führen, dass in anderer Hinsicht negative Auswirkungen für Lebensqualität und Gesundheit entstehen. Dies braucht ein Bewusstsein für die konsequente Betrachtung verschiedener Vulnerabilitäten und gegebenenfalls eine intersektionale Verschränkung derselben.

Abschließend sei darauf verwiesen, dass multiple Krisen wie die Coronakrise, die Klimakrise oder die Energiekrise dazu beitragen können, die beschriebenen Herausforderungen zu verstärken. Aus der Coronakrise entstand die Erkenntnis, dass die Pandemie sowie dagegen gerichtete Maßnahmen und langfristige Folgewirkungen bestehende Ungleichheiten tendenziell vergrößert haben (u. a. Butterwegge 2022; Haase 2020). Der Klimawandel, Pandemien oder Energiekrisen könnten zur Legitimierung von „fixes“ herangezogen werden, welche vordergründig einer resilienzorientierten Entwicklung dienen, tatsächlich aber vor allem Marktabläufe und entsprechende Renditen absichern sollen. Diesen Kontext gilt es aufmerksam mitzudenken.