Schlüsselwörter

1 Einleitung

Das Konzept der resilienten Stadt gründet in der Beobachtung einer zunehmenden Anfälligkeit von Städten gegenüber vielfältigen Bedrohungen (Kuhlicke 2018, S. 363). Es waren Katastrophen, Schocks und Krisen, die dazu führten, dass sich im wissenschaftlichen Diskurs seit längerer Zeit neben Konzepten der Nachhaltigkeit auch das Leitbild oder die Heuristik einer resilienten Entwicklung durchgesetzt hat (Jakubowski 2020, S. 19). In der Gegenwart, in der in Deutschland mit der Coronakrise seit 2020, der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal 2021 und der Energiekrise im Gefolge des Ukraine-Kriegs seit dem Frühjahr 2022 Katastrophen, Schocks und Krisen „in immer engerer Taktung auftreten und die Krise quasi Kerncharakteristik einer neuen gesellschaftlichen und politischen Normalität wird, [erhalten…] Resilienzkonzepte auch für die Stadtentwicklung eine drängende Relevanz“ (ebd., S. 20). Namentlich in Deutschland kann derzeit aber nicht auf einen elaborierten Forschungs- bzw. Kenntnisstand zurückgegriffen werden, um die Heuristik bzw. das Leitbild solchermaßen operabel zu machen, dass es handlungsleitend für die Praxis wäre. Es werden zwar verschiedene Modellvorhaben und Forschungsprojekte durchgeführt, die maßgeblich mit dem Konzept der Resilienz arbeiten, und es liegen mittlerweile einige Publikationen dazu vor, dennoch ist Resilienz bislang kein elaboriertes bzw. ausformuliertes Stadtkonzept (Kuhlicke 2018).

Im Abschn. 1.2 soll zunächst der deutsche Forschungs- und Diskussionsstand nachgezeichnet werden. Wo kommt das Resilienzkonzept her, und wie hat es Eingang in die Stadtdebatte gefunden? Hier interessieren vor allem Diskurse in den Planungswissenschaften, der Geographie und anderen Regionalwissenschaften. Im Weiteren werden folgende Fragen fokussiert: Welche Bezüge werden zwischen Stadt und Resilienz hergestellt? Was sind die Felder der Resilienzdiskussion? Im Abschn. 1.3 werden einige Definitionen vorgestellt und diskutiert, und es wird eine eigene Definition entwickelt. Im Abschn. 1.4 wird Resilienz in Bezug zu anderen Stadtkonzepten, insbesondere zu jenen der Nachhaltigkeit, diskutiert. Resilienz stellt ein neues Handlungsfeld für Städte dar, das sich nicht einfach in den kommunalen Alltag integriert. Im Abschn. 1.5 geht es um Konflikte, Dilemmata und Paradoxien, die damit verbunden sind. Abschließend wird ein Fazit gezogen. Mit diesem Beitrag sollen auch theoretisch-konzeptionelle Grundlagen für die anderen Beiträge dieses Bandes gelegt werden.

2 Forschungs- und Diskussionsstand in Deutschland

Der Begriff der Resilienz stammt ursprünglich aus der Materialforschung, wurde dann in der Psychologie/Psychiatrie aufgegriffen und wird dort auch in der Gegenwart breit diskutiert und verwandt (Schmidt 2020, S. 3). Er wurde Anfang der 1970er-Jahre von Holling in die Disziplin Ökologie eingeführt, als Maß für die Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen. „Resilienz“ bezeichnet das Potenzial eines Ökosystems, Störungen oder Veränderungen aufzunehmen, ohne seine grundlegenden Qualitäten und funktionalen Eigenschaften zu verlieren (Greiving 2018, S. 2065). „Resilienz“ wird häufig auch mit „Robustheit“ synonym verwendet (ebd., S. 2063). Das Konzept der Resilienz wurde meist nicht unmittelbar auf Städte bzw. die Stadt angewandt, sondern in den 2000er-Jahren zunächst auf gesellschaftliche Prozesse bzw. soziale, sozioökonomische oder sozial-ökologische Systeme übertragen. „Resilienz“ beschreibt hier „mithin die Kapazität einer Gesellschaft, zu lernen und sich veränderten (Umwelt-)Bedingungen anzupassen“ (ebd., S. 2065).

In der Folge der Flut von 2002 an Elbe und Mulde setzte in Deutschland eine verstärkte Forschung zu Extremereignissen ein und es fand eine zunehmende Rezeption der internationalen Diskussion zu Konzepten wie Risiko, Vulnerabilität und eben Resilienz statt. Diese Forschung war in ihrem Ursprung allerdings keine genuine Stadtforschung. Ein spezifischer Diskurs zur resilienten Stadt lässt sich ab etwa 2010 in Deutschland beobachten, eine erste Publikation war der von Müller 2010 herausgegebene Sammelband zu Urban Regional Resilience, der zwar einen deutschen Hintergrund hatte, aber auf die internationale Debatte zielte. Die Beiträge in diesem Band widmeten sich u. a. der Resilienz von Städten und Regionen in Bezug auf Energieverbrauch, Klimawandel und demographischen Wandel, darüber hinaus wurden institutionelle Aspekte diskutiert (ebd.). Weitere frühe Auseinandersetzungen fanden sich in den Themenheften Vulnerabilität und Resilienz in sozio-räumlicher Perspektive der Zeitschrift Raumforschung und Raumordnung (herausgegeben von Kilper 2012), Resilienz in den Informationen zur Raumentwicklung (herausgegeben von Jakubowski und Kaltenbrunner 2013) sowie Jetzt auch noch resilient? Anforderungen an die Krisenfestigkeit der Städte in der Reihe der Difu-Impulse (herausgegeben von Beckmann 2013). Die in diesen Themenheften erschienenen Beiträge können als Ankertexte für die deutschsprachige Debatte zu urbaner Resilienz betrachtet werden. Freilich beruhten sie zu diesem frühen Zeitpunkt der Debatte nicht auf (eigenen) Forschungen, welche erst danach mit einigen einschlägigen Projekten einsetzten.

Initiiert von Jakubowski führte das BBSR von 2014 bis 2016 im Rahmen des Forschungsprogramms ExWoSt das Projekt Stresstest Stadt – mit neuen Risiken planen und leben lernen durch. Das im Projekt entwickelte Konzept der urbanen Resilienz wurde praxisnah auf deutsche Städte angewandt, um anhand von acht „Stressszenarien“ die „Robustheit und Anpassungsfähigkeit“ der Städte zu testen (BBSR 2018). An der Universität Kassel wurde von Kegler und Hahne Mitte der 2010er-Jahre ein Lehr- und Forschungszusammenhang zu urbaner Resilienz und Reallaboren gegründet. Sie veröffentlichten Aufsätze und Bücher (u. a. Kegler 2014; Hahne und Kegler 2016) und gaben Open-Access-Zeitschriften heraus (Raum & Resilienz sowie Der R. Das Resilienzmagazin), die innerhalb der Stadt- und Regionalforschung vielfach rezipiert wurden. Außerdem haben sie das Resilienzkonzept auf die Regionalentwicklung angewendet (Bock et al. 2014). Kegler hat aus diesem Zusammenhang wesentliche Erkenntnisse, die Methodik und Beispiele in einer Monographie publiziert (2014), die 2022 in überarbeiteter und erweiterter Auflage erschienen ist.

Am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ begann in der Folge des Hochwassers von 2002 ebenfalls eine intensivere Befassung mit dem Resilienzkonzept, vor allem im Kontext des lokalen Katastrophenrisikomanagements sowie der lokalen Klimaanpassung (Kuhlicke 2010; Kuhlicke und Kruse 2010). Während zunächst die Erfassung und Bewertung der Resilienz lokaler Gemeinschaften sowie der entsprechenden Faktoren, Strukturen und Kapazitäten im deutschen und internationalen Kontext im Vordergrund stand (Kruse et al. 2017; Deeming et al. 2018), wurden zunehmend Studien zur Resilienz von Haushalten gegenüber Hochwasser durchgeführt (Begg et al. 2017; Kuhlicke et al. 2020). Im Kontext des integrierten Projekts Urban Transformations (2014–2020) spielten urbane Zugänge zu Resilienz und Risiken sowie die Auseinandersetzung mit den Zusammenhängen von urbaner Resilienz und Nachhaltigkeit schließlich eine zentrale Rolle (u. a. Kabisch et al. 2018, S. 315 ff.). Hier wurde das Konzept der urbanen Resilienz systematisch auf einen Transformationskontext bezogen.

Diese Zusammenhänge von einer auf Nachhaltigkeit und Resilienz zielenden Stadtentwicklung mit der Planung und ihren Instrumenten wurden auch in Projekten der Universität Dortmund untersucht. Hier kamen Vulnerabilitäts- und Risikoanalysen sowie Szenarioentwicklungen als Instrumente zur Förderung der Resilienz zum Einsatz (Fekkak et al. 2016). Im Kontext der Wiederaufbauprozesse nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen wurden Impulse für Resilienz und Klimaanpassung gesetzt (Fona 2022). Das Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) Erkner begann Anfang der 2010er-Jahre damit, einen Schwerpunkt zum Thema Resilienz aufzubauen; es hat mit sozioräumlichen Arbeiten zu Vulnerabilität und Resilienz Grundlagendebatten geprägt (Christmann et al. 2011, 2014). Neben internationaler Vernetzung werden Forschungsprojekte zu Extremwetterereignissen durchgeführt und Anpassungsmaßnahmen für Klein- und Mittelstädte entwickelt (Irmisch et al. 2022), aber auch das Thema Sicherheit wird bearbeitet (Christmann et al. 2018).

Im Verbund mit dem IRS wird an der Universität Potsdam im Rahmen der ExTrass-Projekte (Urbane Resilienz gegenüber extremen Wetterereignissen) geforscht, bei denen die Stadt Potsdam als eine von drei Fallstädten fungiert. Insbesondere Thieken befasst sich dabei mit Naturrisikoforschung und urbaner Resilienz gegenüber extremen Wetterereignissen (Kern et al. 2021; Schmidt und Walz 2021). Auch an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) in Leipzig wurde in mehreren Forschungsprojekten aus volkswirtschaftlicher bzw. regionalökonomischer Perspektive die Resilienz verschiedener Raumebenen untersucht, u. a. mit Bezug zu Bestimmungsfaktoren regionaler Resilienz, insbesondere mit Blick auf Innovations-Cluster. Zudem wurden Leitfäden für die Regional- bzw. Kommunalpolitik von Städten und Gemeinden erarbeitet, die besonders von der Weltwirtschaftskrise nach 2008 betroffen waren (u. a. Wink 2014). Mittlerweile sind zu den Projekten zahlreiche Publikationen erschienen (Wink 2016). In einer neueren Arbeit wird dem Thema Wohnen nachgegangen und das Resilienzkonzept auf die kommunale Wohnungspolitik angewandt (Frieler 2022). Birkmann und Garschhagen publizieren seit Jahren gemeinsam Artikel zu den oben genannten Schwerpunkten (Birkmann et al. 2010, 2016). Darüber hinaus waren beide beteiligt am BMBF-geförderten Forschungsprojekt KIRMin – Kritische Infrastrukturen – Resilienz als Mindestversorgungskonzept (2016–2019), in dem Strategien für die Beibehaltung einer Mindestversorgung bei extremen Naturereignissen, Cyber-Angriffen und technischem oder menschlichem Versagen erarbeitet wurden (Fekete et al. 2019). Hutter vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) befasst sich mit Hochwasserrisikomanagement, dem Lernen aus Krisen sowie Strategien zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Städten und Regionen. Unter diesem Fokus war er beteiligt am Vorhaben Entwicklung und Erprobung eines integrierten regionalen Klimaanpassungsprogramms für die Modellregion Dresden (REGKLAM 2009–2013), das vom BMBF gefördert wurde und sich der Erarbeitung regionaler Strategien gegen den Klimawandel widmete (Müller und Hutter 2009). Er ist Mitherausgeber der Reihe Studien zur Resilienzforschung des Springer-Verlags, in der Resilienz u. a. in Bezug auf Naturkatastrophen und Flutereignisse diskutiert wird (Hutter et al. 2021).

Konzeptualisierungen in der Planungswissenschaft bzw. -theorie bleiben bislang recht allgemein. So expliziert etwa Stöglehner die Prinzipien der Resilienz als „Grundsätze der räumlichen Resilienz“ und entwickelt, darauf aufbauend, „Gestaltungsprinzipien für räumliche Resilienz“, außerdem erprobt er eine „Resilienzbewertung“ (Stöglehner 2020, S. 325 ff.). Heinig definiert die resiliente Stadt über „die Robustheit ihrer Strukturen“ und die „Fähigkeit zur Anpassung an neue stressauslösende Rahmenbedingungen und Entwicklungen“; er diskutiert ihre Qualitäten und Fähigkeiten (Heinig 2021, S. 45). Weidner bezieht sich unter dem Titel Stadtplanerische Aspekte der resilienten Stadt auf bekannte Themen und Felder der Stadtentwicklung wie Wohnen, Grün, Mobilität u. a. (2021, S. 27 ff.). Letztlich wird das Leitbild der Nachhaltigen Stadt erläutert, „welches zu resilienten, widerstandsfähigen und krisentauglichen Städten führen kann“ (ebd., S. 27). Unter dem Eindruck der Pandemie ist dazu eine breite Diskussion in Gang gekommen, die Zeitschrift PlanerIn hat dazu zwei Themenhefte veröffentlicht: Die resiliente Stadt. Stadtplanung in Zeiten der Pandemie (1/2021) und Resilienz in der Planung. Präventiv, robust, transformativ (2/2022).

Im Frühjahr 2020 berief das damalige Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) unter dem Eindruck der Coronapandemie im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik ein Expertengremium ein, das das Memorandum Urbane Resilienz erarbeitete. Dieses Memorandum wurde im Frühjahr 2021 in einem mehrstufigen Beteiligungsprozess mit nationalen und internationalen Akteur*innen diskutiert und auf dem 14. Bundeskongress der Nationalen Stadtentwicklungspolitik im Mai 2021 als „ein gemeinschaftlich getragenes Dokument zu urbaner Resilienz“ verabschiedet (BMI 2021a/b). „Mit dem Memorandum wurde der Begriff der urbanen Resilienz in die Stadtentwicklungspolitik eingeführt“ (Kurth 2021, S. 12). In ihm wird Resilienz als Erweiterung bzw. Ergänzung von Nachhaltigkeit und nicht als Ersatz bzw. neues übergeordnetes Leitbild konzeptualisiert. Zwar ist es als ein wichtiges politisches Zeichen zu sehen, das auch Akzente in Bezug auf das Verhältnis von Resilienz und Nachhaltigkeit setzt, es bleibt jedoch an vielen Stellen unkonkret bzw. unspezifisch. Die benannten Forderungen sind unterstützenswert, aber zu den bereits in anderen Leitbildern bzw. Memoranden (wie z. B. der Neuen Leipzig-Charta 2020) verankerten Punkten bieten sie wenig Erweiterung. Parallel zum Memorandum-Prozess hatte es vom BMI einen Projektaufruf Post-Corona-Stadt zu Pilotprojekten gegeben und es werden Forschungs- und Kooperationsaktivitäten zwischen Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft gefördert. Aktuell ist jedoch unklar, wie die Auseinandersetzung mit dem Resilienzkonzept auf politischer bzw. konkret auch ministerialer Ebene weitergeht. Es steht auf alle Fälle weiterhin auf der politischen Agenda, so stand auch der 15. Bundeskongress der Nationalen Stadtentwicklungspolitik im September 2022 unter diesem Thema: Transformation gestalten – Aufbruch zur urbanen Resilienz (BMWSB 2022).

Grob lässt sich eine Dreiteilung der Resilienzforschung im deutschsprachigen Raum konstatieren: Zum einen existiert ein großer Korpus von Veröffentlichungen aus den vom BMBF geförderten Drittmittel-Projekten. Hier werden eher (kommunale) Politik- und Planungsfelder bedient und Handlungsempfehlungen zur resilienzfördernden Ausgestaltung lokaler Politik geliefert. Demgegenüber lassen sich im kleineren Maßstab projektungebundene Forschungen an Universitäten (wie z. B. die an Lehrforschungsprojekte angegliederten Veröffentlichungen von Kegler in Kassel) identifizieren, die hauptsächlich eine kritisch-transformationsorientierte Ausrichtung einnehmen. Nahezu randständig bleibt jedoch eine institutionenferne Auseinandersetzung mit Resilienz im urbanen Kontext. Seltene Ausnahmen sind etwa Ziehls Studie zur Koproduktion urbaner Resilienz am Beispiel des Hamburger Gängeviertels (2020), in der er den Resilienzbegriff kritisch für eine transformationsorientierte Perspektive anzuwenden sucht, oder Graefes kritisches Buch zur Resilienz im Krisenkapitalismus (2019). Es ist daher noch zu beobachten, ob das Konzept der urbanen Resilienz eher in der institutionennahen Sphäre der tendenziell reaktiven, auf die Bewältigung von Krisen und Katastrophen abzielenden Perspektive verbleibt oder ob es zunehmend Eingang findet in die Bottom-up-orientierten Bereiche der Transformations- und Nachhaltigkeitsforschung.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich in Deutschland seit Ende der 2000er-Jahre eine kleine wissenschaftliche Gemeinschaft gebildet hat, die zum Themenfeld Klimawandel – Extremereignisse – Resilienz forscht, dabei aber keinen eindeutigen Fokus auf Städte legt. Der Rest der Forschung zu Resilienz in Deutschland ist eher davon abgekoppelt und nimmt diesen Strang nur sporadisch, jedenfalls nicht systematisch zur Kenntnis. Das liegt vor allem daran, dass hier andere Themen mit dem Resilienzkonzept bearbeitet werden (Ökonomie, Sicherheit etc.). Dabei gibt es teilweise einen expliziten Stadtbezug (wie beim BBSR-Stresstest) oder einen Bezug zur Region (wie bei Hahne und Kegler 2016). Deutsche Forscher*innen, die zu Klimafolgen bzw. Extremereignissen und Naturgefahren arbeiten, sind mit englischen Veröffentlichungen in Journals auch in der internationalen Debatte vertreten. Die anderen thematischen Stränge sind überwiegend im deutschen Sprachraum verhaftet und bilden isolierte Diskurse, die bis zur Coronapandemie kaum die deutsche Öffentlichkeit oder Politik erreichten. Hier war es dann das Bundesministerium des Innern mit seiner Initiative zum Memorandum urbane Resilienz, das diese verschiedenen Stränge der Forschung zusammengeführt und in einer politikrelevanten Aktivität gebündelt hat. Es bleibt abzuwarten, welche Impulse das Memorandum und die laufenden Projekte der Förderinitiative des BMBF der Resilienzforschung in Deutschland geben werden.

3 Definition

Der Blick auf die vorliegenden verschiedenen Definitionen urbaner Resilienz bzw. resilienter Städte zeigt, dass die Bestimmungen relativ abstrakt und allgemein gehalten sind. So definiert die OECD resiliente Städte als „cities that have the ability to absorb, recover and prepare for future shocks (economic, environmental, social & institutional). Resilient cities promote sustainable development, well-being and inclusive growth“ (OECD 2018). Resilienz wird hier auf alle möglichen Gefahren, Risiken und Krisen bezogen und als eine grundlegende Fähigkeit des Systems Stadt verstanden, seine Funktionen zu erhalten. Noch allgemeiner ist das UN-Nachhaltigkeitsziel SDG 11 formuliert: „Make cities and human settlements inclusive, safe, resilient and sustainable.“Footnote 1 In der OECD-Definition wie im SDG ist auffällig, dass Resilienz gleichrangig mit anderen Zielen der Stadtentwicklung benannt wird, wie Wohlergehen, Sicherheit oder Nachhaltigkeit. Es ist vielfach zu beobachten, dass Resilienz nicht näher bestimmt wird, vielmehr werden häufig – wie etwa bei den SDGs – Unterziele formuliert und ihnen Indikatoren zugeordnet. Beide Bestimmungen haben breiten Eingang in internationale wie nationale Diskurse gefunden und werden meist unbesehen übernommen – auch in Deutschland.

Viele Definitionen von urbaner Resilienz sind mit einem nicht einfach aufzulösenden Widerspruch verbunden. So definieren de Flander et al. (2014, S. 284) urbane Resilienz wie folgt: „Ein aufgeklärter Resilienzbegriff ist ein explizit zukunftsorientierter Ansatz, der sich nicht nur über Widerstand oder Wiederherstellung definiert, sondern ausdrücklich als die Fähigkeit zur Selbsterneuerung verstanden wird. Die Resilienz von Städten und Regionen bedeutet, dass urbane Systeme flexibler, robuster und intelligenter gestaltet werden müssen.“ In etwa analog ist die Definition des bekannten Urban Resilience Hub, danach ist urbane Resilienz die „measurable ability of any urban system, with its inhabitants, to maintain continuity through all shocks and stresses, while positively adapting and transforming towards sustainability“ (Urban Resilience Hub 2022). Meerow und Stults (2016, S. 4) kommen in ihrer Analyse von Resilienzverständnissen in der Wissenschaft und der Praxis zu dem Ergebnis, dass alle in der Analyse ermittelten Definitionen „weit gefasst [sind] und [sie] Resilienz im Sinne einer allgemeinen Fähigkeit [definieren], mit Klimaauswirkungen und Störungen umzugehen. Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist das Ausmaß, in dem die Definitionen Veränderungen einbeziehen, im Gegensatz zu Resistenz oder Erholung.“ In den meisten Definitionen wird die Beharrungskraft von Städten betont bzw. ihre Fähigkeit, Funktionen wiederherzustellen. Darüber hinaus wird aber auch ihre Anpassungs- und Veränderungsfähigkeit hervorgehoben (Kuhlicke 2018, S. 366). Im Memorandum Urbane Resilienz ist davon die Rede, dass es sowohl „Reflexionsräume [bedürfe], um aus gegenwärtigen Krisen für die Zukunft zu lernen, als auch Experimentierräume für pfadunabhängiges Denken, um künftige Krisen zu antizipieren, neue Lösungen zu entwickeln und neue Standards in der Praxis zu etablieren“ (BMI 2021a, S. 6). Der Erhalt bzw. die Steigerung der urbanen Resilienz zielt folglich darauf ab, die Widerstandsfähigkeit, Beharrungskraft und Stabilität bzw. Identität von Städten zu erhalten. Gleichzeitig sollen Städte aber lernen, sich anzupassen und zu verändern, sodass sie auf Gefahren, Schocks, Krisen und Risiken reagieren können, ohne ihre Funktionsfähigkeit bzw. Identität zu verlieren bzw. aufzugeben. „Es ist also Veränderung trotz Stabilität bzw. Stabilität trotz Veränderung, die gefordert wird“ (Kuhlicke 2018, S. 366). In dieser Widersprüchlichkeit liegt eine der praxisrelevanten Fehlstellungen bzw. Paradoxien dieses Stadtkonzepts: Resilienz zu steigern impliziert häufig, die verwundbaren Strukturen zu reproduzieren, die eben zur „Störung“ geführt haben. Damit werden aber die eigentlichen Wurzeln der Verwundbarkeit nicht beseitigt, sondern vulnerable Strukturen aufrechterhalten bzw. wiederhergestellt (ebd.). Derartige Überlegungen haben allerdings bei der Spezifizierung der Merkmale einer resilienten Stadt bislang kaum eine Rolle gespielt. In der Praxis ist zu beobachten, dass nach Krisen, Katastrophen oder Schocks häufig die gleichen Strukturen reproduziert werden. Zwar gibt es auch neue bzw. kritische Ansätze, die sich gegen die Beharrungskräfte der etablierten Strukturen wenden, sie können sich aber oft nicht durchsetzen. Aktuell ist das etwa bei der Coronakrise zu beobachten, in der es bislang nicht gelungen ist, neue Strukturen zu etablieren, die künftig die Ausbreitung von Pandemien ver- bzw. behindern könnten. Zudem haben Anti-Krisen-Politiken bestehende Ungerechtigkeiten und Expositionsungleichheiten eher vergrößert als verringert.

Die definitorischen Schwächen bzw. Probleme der resilienten Stadt können an dieser Stelle nur benannt, aber nicht behoben werden. Es ist ein Desiderat der weiteren Forschung bzw. Diskussion zu urbaner Resilienz, die Definitionen bzw. theoretischen Grundlagen zu elaborieren. An dieser Stelle seien einige allgemeine Punkte benannt: Die Definition von Resilienz ist zwar ähnlich abstrakt wie die von Nachhaltigkeit, hat aber nicht den gleichen Geltungsbereich. Resilienz muss vielmehr auf eine bestimmte Gefahr, Krise oder ein Risiko bezogen werden; es gibt nicht „die“ Resilienz einer Stadt. Vielmehr kann man Resilienz auf soziale, ökonomische und politische Gegebenheiten beziehen, auf Naturkatastrophen, extreme Wetterereignisse oder Pandemien bzw. Epidemien. Wir haben es hier offensichtlich mit ganz unterschiedlichen Störungen, Krisen und Schocks zu tun, die jeweils auch unterschiedliche Anpassungen erfordern.

In der Resilienzdiskussion fällt zudem auf, dass die Stadt als System gefasst wird – aber was ist damit gemeint? Sind es die (kritischen) Infrastrukturen oder ist es die Kommune als politische Einheit oder einfach die gesamte Einwohnerschaft? Zu bedenken sind hier auch die Verflechtungen, die Städte in sozialer, ökonomischer und politischer Hinsicht sowie in Bezug auf ihre Infrastrukturen aufweisen (z. B. Energie, Verkehr, Kommunikation). Des Weiteren wird in der Literatur eine vermeintliche Wertneutralität des Resilienzansatzes gegenüber der normativen Aufladung von Nachhaltigkeit konstatiert (z. B. Schnur 2013). Bei genauerem Hinsehen zeigt sich allerdings eine implizite, aber potenziell verschiedenen Deutungen unterworfene Normativität von Resilienz. Es wird ein „richtiges Management“ bzw. „lernendes institutionelles Design“ (vgl. Kuhlicke 2018) betont. Resilienz ist aber nicht politisch neutral, sondern Teil des (kommunal-)politischen Prozesses, in dem um Macht, Ressourcen und Finanzen gerungen wird. Schließlich muss auch immer nach den Folgen von Resilienzpolitiken für die soziale Ungleichheit gefragt werden: Für wen ist/wird die Stadt resilient und wer profitiert (langfristig) von Resilienz? Wer bleibt weiter vulnerabel, bzw. werden im Sinne von Zielkonflikten bestimmte Vulnerabilitäten verstärkt? Das sind einige der Fragen für die weitere Diskussion zur resilienten Stadt.

Konzeptionell schließen wir im Wesentlichen an die oben genannten gängigen Definitionen an und definieren urbane Resilienz als die Fähigkeit einer Stadt, angesichts einer Störung, einer Krise oder eines Schocks ihre zentralen Funktionen aufrechtzuerhalten oder rasch wiederherzustellen. Resiliente Städte per se wird es aufgrund der Vielfalt der potenziellen Schocks und Krisen und der Vielfalt städtischer Systeme bzw. auch der Deutungsvielfalt von Resilienz nie geben. Städte können sich aber an Veränderungen anpassen und ihre Teilsysteme so umgestalten, dass sie künftig gegenüber bekannten oder unerwarteten Störungen, Krisen und Schocks resilienter werden. Resilienz ist dabei kein von vornherein klar definierter oder statischer Zustand, sondern wird durch Lernen, Anpassungen und Transformationen erzeugt. Resilienz ist Gegenstand von Diskursen und Aushandlungen zwischen unterschiedlichen Akteuren, sie wird insofern sozial konstruiert. Die Herstellung von Resilienz ist mit Aufwand und Kosten verbunden, wobei der Nutzen von Anpassungsmaßnahmen gegenüber deren Aufwand abgewogen werden muss. Resilienz ist keineswegs neutral, sondern bevorzugt bzw. benachteiligt soziale Gruppen in unterschiedlichem Maße. Sie greift insofern in die Strukturen sozialer Ungleichheit ein und kann sie abschwächen, aber auch verstärken. Resilienz ist aus diesen Gründen keine begrenzte Managementaufgabe, sondern eine Angelegenheit, der sich die Kommunalpolitik in ihrer Vielgestaltigkeit widmen muss. Resilienzpolitiken sind somit in unterschiedlichen kommunalen Handlungsfeldern wie Katastrophenschutz, Sicherheit, Gesundheit oder Flächennutzung maßgeblich. Dazu bedarf es entsprechender integrierter Konzepte und planerischer Verfahren.

4 Resilienz als Stadtkonzept sowie ihr Verhältnis zu anderen Konzepten, insbesondere der Nachhaltigkeit

Stadtkonzepte erfüllen verschiedene Funktionen (Rink und Haase 2018, S. 10 ff.), sie haben zunächst vor allem eine analytische und diagnostische Funktion. Das gilt auch für das Resilienzkonzept, dessen bisherige Stärke in der Identifizierung und Analyse von Vulnerabilität gegenüber unterschiedlichen Risiken, Schocks und Bedrohungen liegt. Um diese zu messen, können Städte sogenannten „Stresstests“ unterzogen werden. Dabei werden Schocks oder Katastrophen durchgespielt und die Resilienz der Städte mittels vorher festgelegter Indikatoren ermittelt. Paradigmatisch hat dies etwa das BBSR in seinem Projekt Stresstest Stadt für verschiedene Bedrohungen durchgeführt (BBSR 2018).

Stadtkonzepte haben eine prognostische Funktion, mit ihrer Hilfe werden die als riskant bzw. bedrohlich angesehenen Trends in die Zukunft projiziert. Aus diesen Prognosen lassen sich dann Anforderungen an die Resilienz von Städten in unterschiedlichen Bereichen ableiten. Mit dem Resilienzkonzept (und dem der Vulnerabilität) werden somit nicht nur aktuelle, sondern auch für die Zukunft erwartbare Entwicklungen beschrieben. Zwar sind damit schon derartige Prognosen angestellt, und die Zunahme von Risiken und Bedrohungen ist abgeleitet worden. Das trifft aber am ehesten für das Thema Klimawandel und Extremereignisse zu, bei anderen Themen – wie z. B. bei Pandemien – steht die Diskussion erst am Anfang. Stadtkonzepte haben auch eine programmatische Funktion, sie begründen etwa, welche Ziele der Stadtentwicklung es zu erreichen gilt. Hier sind es häufig gesellschaftliche Institutionen, Organisationen oder auch soziale Bewegungen, die Programmatiken für die Stadt entwickeln, wie im Memorandum urbane Resilienz geschehen (siehe oben).

Stadtkonzepte haben zudem etwas Visionäres, etwa wenn ihre Ziele weit über das derzeit Mögliche bzw. Vorstellbare hinausgehen. Die resiliente Stadt, die allen Gefahren und Risiken trotzt, könnte zwar eine Vision sein, bisher wurde sie aber noch nicht so formuliert. Dafür wird Resilienz seit einiger Zeit als (planerisches) Leitbild für die Stadt diskutiert, bislang allerdings kaum durchdekliniert (Heinig 2021; Stöglehner 2020; Weidner 2021). Die Schwierigkeit besteht darin, dass Resilienz – anders als z. B. Nachhaltigkeit – immer nur gegenüber einer bestimmten Gefahr oder einem bestimmten Risiko definiert und damit auf einen bestimmten kommunalen Handlungsbereich bezogen werden kann (z. B. Katastrophenschutz oder Gesundheitsvorsorge).

Wir vertreten die Auffassung, dass Resilienz kein Leitbild der Stadtentwicklung ist, sondern lediglich eines für bestimmte Bereiche bzw. Handlungsfelder. Das soll weiter unten noch mit einem Vergleich zwischen Nachhaltigkeit und Resilienz verdeutlicht werden. Stadtkonzepte können zudem eine dezidiert kritische Funktion haben, indem sie aktuelle oder befürchtete Entwicklungen anprangern bzw. skandalisieren. Diese Funktion ist beim Resilienzkonzept bislang nicht ausgeprägt, allenfalls könnte man von einer impliziten Kritik sprechen, wenn konstatiert wird, dass die Stadtentwicklung eben noch nicht resilient ist.

Aus Stadtkonzepten lassen sich Indikatoren oder Kriterien ableiten, die erfüllt sein oder entsprechend derer sich Städte entwickeln müssen oder sollen. Derartige Indikatoren bzw. Indikatoren- und Monitoringsysteme können die Grundlage für Rankings bilden. Mit einem Ranking lassen sich Städte auf einer Resilienzskala verorten und in eine hierarchische Ordnung bringen. Aus wissenschaftlicher Perspektive geht es dabei darum zu messen, wie weit sich die Städte dem Ziel der Resilienz nähern. Rankings richten sich in der Regel an die Öffentlichkeit, sie sollen den Wettbewerb fördern und letztlich die Städte zu Anstrengungen motivieren.

Das Konzept der Resilienz bildet auch die Grundlage für Städtenetze, so hat die Rockefeller Stiftung vor ca. zehn Jahren die Initiative 100 Resilient Cities (100RC) ins Leben gerufen. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, Städte weltweit dabei zu unterstützen, resilienter gegenüber den physischen, sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu werden.Footnote 2 Allerdings sind an diesem Netzwerk bislang keine deutschen Städte beteiligt. Das internationale Städtenetzwerk ICLEI (Local Governments for Sustainability) bietet Anleitungen, stellt praktische Instrumente bereit und unterstützt Städte, Gemeinden und städtische Regionen bei der Entwicklung von Anpassungs- und Resilienzstrategien und Aktionsplänen sowie bei deren Integration in Planungsprozesse (ICLEI Europe 2022).

Resilienz wird häufig als Alternative zum etablierten Konzept der Nachhaltigkeit positioniert: Resilienz „entfaltet eine Kraft, die die Nachhaltigkeit vermag abzulösen“ (Kegler 2015, S. 18); in der Welt der räumlichen Planung stehe ein fundamentaler Wechsel in der Leitauffassung bzw. ein Leitbildwechsel an: der resilience turn (ebd.). Resilienz werde Nachhaltigkeit „überdecken“ (Schnur 2013, S. 337), Nachhaltigkeit komme aus der Mode (Christmann et al. 2016, S. 7) und der „Stern der Nachhaltigkeit“ verblasse (Kübler und Speckhardt 2012, S. 49). Jakubowski hat über diese pauschalen Aussagen hinaus eine differenziertere Argumentation entwickelt. Für ihn konzentrieren sich die Konzepte der Resilienz anders als der Mainstream der Nachhaltigkeitsdiskussion nicht darauf, „ökologisch-soziale Krisen zu vermeiden und eine auf stetige Entwicklung ausgerichtete Politikgestaltung sicherzustellen. Sie fokussieren vielmehr auf den Umgang mit Krisen“ (Jakubowski 2020, S. 21). Sie fragen z. B., welche Mechanismen die Widerstandsfähigkeit gegen Krisen oder externe Schocks erhöhen oder wie sich eine schnelle Erholung bzw. Rückkehr zum vorherigen Zustand erreichen lässt (siehe ebd.). Insofern akzentuiert er, dass Resilienzdenken in erster Linie die Abkehr von einem teils naiven Nachhaltigkeitsdenken erfordere, das „noch allzu oft die Relevanz von Krisen ausblendet“ (ebd., S. 26). Andere Autor*innen vertreten die Meinung, Nachhaltigkeit sei als Voraussetzung für Resilienz zu verstehen, da sie auf die „Erhaltung des Ganzen“ ziele, während Resilienz auf die „Erhaltung der spezifischen Eigenart“ eines Objekts, Subjekts oder Systems schaue (Sieverts 2013, S. 318). Für Stöglehner untermauert Resilienz „im Wesentlichen die Prinzipien einer nachhaltigen Raumentwicklung und stellt ein zusätzliches Argumentarium bereit, diese umzusetzen“ (Stöglehner 2020, S. 341). Eine resiliente Stadtentwicklung hängt eng mit der nachhaltigen Stadtentwicklung zusammen; „Resilienz kann als ein Leitbild auf dem Weg zur Nachhaltigkeit angesehen werden“, meint Heinig (2021, S. 45). Greiving ist der Auffassung, dass das „Konzept der sogenannten Resilienz … das bestehende Leitbild der nachhaltigen Entwicklung keinesfalls ersetzen soll, aber doch sinnvoll erweitern kann“ (Greiving 2018, S. 2064). Einige Autor*innen dieses Beitrags haben sich in einem konzeptionellen Beitrag mit dem Verhältnis von Nachhaltigkeit und Resilienz beschäftigt und sehen Nachhaltigkeit nach wie vor als übergeordnetes Leitbild, das durch Resilienz nicht abgelöst wird (Kuhlicke et al. 2020). In ähnlicher Weise wird Resilienz im Memorandum Urbane Resilienz als Erweiterung bzw. Ergänzung von Nachhaltigkeit und nicht als Ersatz bzw. neues übergeordnetes Leitbild konzeptualisiert (BMIa 2021).

Zunächst einmal kann man feststellen, dass Resilienz überwiegend der Nachhaltigkeit untergeordnet wird, Nachhaltigkeit ist das übergeordnete Leitbild. Resilienz ist in der Stadtentwicklung und Planung keineswegs so verbreitet, anerkannt und verankert wie das Leitbild der Nachhaltigkeit. Während zahlreiche Städte Nachhaltigkeitskonzepte ausgearbeitet und beschlossen haben, spielt Resilienz lediglich in speziellen Konzepten und Planungen eine Rolle, wie etwa in Klima-Anpassungskonzepten. Anders als beim Leitbild der Nachhaltigkeit gibt es für das Thema der Resilienz in Deutschland bislang kaum Governance-Strukturen oder überkommunale Initiativen, die sich dafür einsetzen (vgl. ICLEI als internationales Netzwerk). Insofern ist es derzeit verfrüht, davon zu sprechen, dass die Resilienz die Nachhaltigkeit ablöst. Aufgrund ihrer übergreifenden normativen Geltungskraft, ihrer hohen politischen Legitimation und der starken juristischen Verankerung in deutschen Gesetzestexten ist Nachhaltigkeit derzeit durch kein anderes Leitbild zu ersetzen, auch und insbesondere nicht durch Resilienz, die eher als „zusätzliche Denkfigur“ bzw. als „Heuristik für gute Stadtentwicklung …, die sich im Kern mit externen Schocks und Krisen befasst“ (Jakubowski 2013, S. 371 ff.; ders. 2020, S. 20), gesehen werden kann. Diese muss allerdings auch Reibungen und Widerstände im kommunalen Raum sowie Konflikte mit ggf. divergierenden Interessen in den Blick nehmen. Damit beschäftigen wir uns im nächsten Abschnitt.

5 Resilienz und Konflikte, Krisen, Paradoxien

Trotz der lange andauernden Beschäftigung mit Nachhaltigkeit und dem jüngeren Fokus auf (nachhaltige) Transformation sowie neuerdings auf die Resilienz der Städte ist eine Entwicklung hin zu diesen Zielkategorien keine Einbahnstraße. Im Gegenteil, die sozial-räumlichen und sozial-ökonomischen Unterschiede innerhalb der Städte haben eher zugenommen, Nachhaltigkeits- und Klimaziele konkurrieren oft erfolglos mit Markt- und Wirtschaftslogiken. Ökologische Modernisierung und Begrünung führen nicht selten zu Nebeneffekten wie grüner Gentrifizierung und Verdrängung (siehe Haase und Schmidt in diesem Band), und es gibt zahlreiche Proteste gegen nachhaltigkeitsaffine Modernisierung. Gleichzeitig haben Ziel- und Interessenkonflikte in den Städten generell – zumindest gefühlt – zugenommen, möglicherweise werden sie aber auch nur lauter geäußert – etwa in NIMBY-, Flächennutzungs-, Teilhabe- und Zugangskonflikten (Bescherer et al. 2021).

Krisen und damit verbundene Konflikte bilden eine „Linse“ oder ein „Aufmerksamkeitsfenster“, um Schwachstellen und Schwierigkeiten bisheriger strategischer Politik und vor allem ihrer Umsetzung zu erkennen, und bieten die Möglichkeit, daraus für die Zukunft zu lernen. In diesem Sinne bietet sich auch die Chance, Resilienz als einen Prozess zu fassen, der vom Lernen und Verstehen hin zu entsprechenden Veränderungen führt, die Anpassungen, Wiederherstellung, Neuformierung etc. einschließen können.

Der explizite Blick auf Krisen und die darin angelegten Konflikte (und Paradoxien) ist in der sozialwissenschaftlich fokussierten Resilienzdebatte bislang kaum beachtet worden. Wir verbinden damit die Hypothese, dass neue „Regime“, im Rahmen derer Resilienz und Resilienzkonflikte verhandelt werden (Brand 2020), in hohem Maße in Städten und durch in Städten versammelte Akteur*innen gestaltet, ausgehandelt und mitbestimmt werden. Daher sind Städte auch ein Nukleus und eine Arena für die Chancen und Herausforderungen, denen sich eine Diskussion zu Resilienz gegenübersieht. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, sich im Zusammenhang mit Resilienz mit Krisen, Konflikten und Paradoxien zu beschäftigen: Welchen Einfluss haben diese auf den Aufbau von resilienten und nachhaltigen Strukturen?

Booth definiert „Krise“ als „a situation faced by an individual, group or organization which they are unable to cope with by the use of normal routine procedures and in which stress is created by sudden change“ (Booth 1993, S. 86). Wenn also von „Krise“ gesprochen wird, ist folglich die Kulmination oder die dramatische Verschärfung von Problemen oder Phänomenen gemeint, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt oder ein gesellschaftliches System gefährden oder eine Gesellschaft an den Rand der Zerstörung bringen können (Leusch 2014). Krisen können unterschiedliche Dimensionen aufweisen (z. B. langfristig oder kurzfristig, schleichend oder plötzlich) und auf verschiedenen Ebenen (global, regional, lokal) unterschiedliche Auswirkungen haben (überblicksartig: Keown-McMullan 1997; Shaluf et al. 2003; Birkland 2006).

Wie sieht es aber mit dem Einfluss von Krisen auf Transformationsprozesse hin zu mehr Resilienz bzw. Nachhaltigkeit aus? Krisen können auf der einen Seite als Treiber fungieren, die solche Prozesse in Gang setzen bzw. befeuern. Auf der anderen Seite können sie jedoch auch einen einmal in Gang gesetzten Transformationsprozess behindern bzw. sogar aufhalten (Haase et al. 2018). Zunächst zu Krisen als Treiber von Transformationsprozessen: Krisen, die sich auf der Makroebene ereignen (z. B. die Klimakrise), können Druck auf bestehende soziale Systeme ausüben und somit Chancen für Veränderungen und Neuerungen eröffnen. Gemäß Geels (2013) kann insbesondere das gleichzeitige Auftreten mehrerer Krisen (z. B. finanzieller, sozioökonomischer und ökologischer Art) Nachhaltigkeitstransformationen fördern. Wesentlicher Grund und Triebkraft hierfür sind die Wahrnehmung und Identifizierung grundlegender, nicht länger hinnehmbarer oder aufschiebbarer Probleme und die Erkenntnis der Notwendigkeit weitreichender politischer Reformen. Krisen gelten jedoch ebenso als Transformationshindernis, da verschiedene Krisen wie Finanz-, Schulden- oder Wirtschaftskrisen und darauf reagierende (Spar-)Politiken zu veränderten Prioritäten führen. Beispielsweise geraten Themen wie Klimaanpassung, Resilienz oder Nachhaltigkeit gegenüber Wirtschafts- oder Arbeitsmarktfragen ins Hintertreffen. In solchen Fällen können Krisen dazu führen, dass die Durchführbarkeit des angestrebten oder schon in Gang gesetzten Transformationsprozesses gänzlich infrage gestellt wird.

Konflikte sind ein untrennbarer Bestandteil unserer (urbanen) Gesellschaften, sie gehören zu ihrer Normalität. Sie treten vor allem dort auf, wo sehr verschiedene Interessen, Ziele und Machtansprüche, aber auch Normen und Werte zusammenkommen. Konflikte betreffen Ressourcen, Zugang, Zugehörigkeit, Teilhabe etc. Sie werden oftmals schlicht als Probleme betrachtet, die es zu lösen gilt. Sie können unbestreitbar zu Störungen im Handeln und Entscheiden führen, aber auch Innovationstreiber sein und kreative Potenziale freisetzen.

Wir wollen hier ein differenziertes Konfliktverständnis aufgreifen. Konflikte

  • zeigen gesellschaftliche Herausforderungen und Handlungsbedarfe auf,

  • fordern bestehende Machtverhältnisse, Regulierungen und Entscheidungsverhalten heraus,

  • bilden „produktive Momente“ für das Verstehen gesellschaftlicher Realitäten und gesellschaftlichen Wandels und

  • können Ausgangspunkte für Veränderung und Lernen sein.

Mehr Konflikte deuten nicht unbedingt auf rein problematische Entwicklungen oder gar (politischen) Misserfolg hin. El-Mafaalani (2018) konstatiert beispielsweise ein Integrationsparadox, wonach gesellschaftliche Aushandlungsprozesse und damit Konflikte auch aufgrund größerer Teilhabe und (erfolgreich) eingeforderter Rechte vormals benachteiligter Gruppen entstehen. Auf den Kontext der Resilienz und Nachhaltigkeit übertragen, heißt das, dass Konflikte auch hier gewachsene Erwartungen anzeigen können, die nicht schnell genug erfüllt werden. Mit Bezug zu Resilienz spricht Brand (2020) von neuen Resilienzkonflikten, die sich vor dem Hintergrund der Coronakrise entwickeln können. Ähnliches ließe sich auch für andere Krisen wie die Klima-, Energie- oder Demokratiekrise formulieren.

Schließlich sind auch solche Stadtentwicklungsvorhaben mit Resilienz- bzw. Nachhaltigkeitsbezug erwähnenswert, die den ursprünglich zugrunde liegenden Intentionen bzw. damit verfolgten Zielen zuwiderlaufen. Paradox „sind Sachverhalte oder Aussagen über Sachverhalte, die der allgemeinen Meinung, Suchbewegung oder Erwartung zuwiderlaufen und deshalb zunächst unverständlich bleiben“ (Probst 1989, S. 82, zitiert nach Hartmann 2002, S. 235). In Hinsicht auf Resilienz- und Nachhaltigkeitstransformationen im urbanen Raum ziehen dann solche Politiken bzw. Reformmaßnahmen die Aufmerksamkeit auf sich, die zwar darauf angelegt sind, vulnerable urbane Strukturen resilienter zu machen, aber am Ende die damit verbundenen Ziele nicht erreichen oder sogar in ihr Gegenteil umschlagen. Solche und ähnliche Entwicklungen bzw. Fallbeispiele rekurrieren also auf „Vorstellungen der (zunächst) absurd anmutenden Verkehrung eines einmal Gemeinten oder des unerwarteten Umschlags eines sozialen Prozesses in sein Gegenteil“ (Kemper und Vogelpohl 2013, S. 222, bezugnehmend auf Hartmann 2002). Welche Konflikte, Dilemmata und Paradoxien das im Einzelnen sind und wie sie sich zeigen, dafür wollen wir im vorliegenden Band erste Befunde und Ideen liefern. Diese werden wir in den kommenden Jahren im Detail erforschen.

6 Fazit

Die akademische Diskussion zum Thema urbane Resilienz hat sich bislang auf drei bestimmte Bedrohungen bzw. Risiken fokussiert: den Klimawandel, Naturkatastrophen und Terrorismus. Jetzt ist mit Corona das Thema Pandemie bzw. Epidemie dazugekommen. Mit dem Begriff der Resilienz diskutiert die Wissenschaft ein Konzept oder Leitbild, das Friktionen, Brüche oder Katastrophen als Bestandteil von Entwicklung begreift (Jakubowski 2020, S. 21).

Dieses Konzept wird in Deutschland seit etwas mehr als zehn Jahren in den urbanistischen Wissenschaften diskutiert, bei der resilienten Stadt handelt es sich insofern um ein relativ neues Stadtkonzept. Im Unterschied zu anderen Stadtkonzepten ist es noch nicht besonders ausformuliert. Die resiliente Stadt hat Eingang in die deutsche Wissenschaft gefunden; vor allem die Raum- und Planungsdisziplinen beschäftigen sich seit einiger Zeit damit, neuerdings auch die Sozialwissenschaften. Besonders in den 2010er- und Anfang der 2020er- Jahre wurden Forschungszusammenhänge etabliert und Projekte durchgeführt. Der Schwerpunkt lag dabei eindeutig auf dem Thema Anpassung bzw. Resilienz gegenüber dem Klimawandel. Die deutsche Forschung zur resilienten Stadt ist nicht sehr breit aufgestellt und hat ihren Schwerpunkt in der Empirie, eine theoretische Debatte findet bislang kaum statt. In der Stadtentwicklung, der Planung und der Politik wurde das Konzept bisher kaum angewandt, es hat vor allem Anwendung im Bereich der Klima-Anpassung und jüngst im Gesundheitsbereich gefunden. Es waren bzw. sind wiederholt Extremereignisse, die dem Konzept Auftrieb geben, wie etwa die Coronapandemie seit 2020 oder die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal 2021. Durch die Pandemie ist der Begriff der Resilienz unglaublich populär geworden, wird auf andere Bereiche angewandt und hat Eingang in die breite öffentliche Debatte gefunden. Es könnte sein, dass dadurch ein resilience turn eingeleitet wurde, von dem in den letzten Jahren in der Debatte schon öfter die Rede war. Dafür sprechen etwa neue Pläne der Bundesregierung oder programmatische Texte wie das Memorandum urbane Resilienz. Allerdings ist nicht zu erwarten, dass andere, etablierte Stadtkonzepte bzw. kommunale Leitbilder, wie insbesondere das der Nachhaltigkeit, ersetzt oder verdrängt werden. Vielmehr ist Resilienz auch in der Stadtdebatte ein zusätzliches Konzept, eine Erweiterung bzw. Spezifizierung. Die wissenschaftlichen, planerischen, politischen und zivilgesellschaftlichen Diskurse zur resilienten Stadt sind vielschichtig, und sie stehen erst am Anfang. Konflikte und paradoxe Zusammenhänge geraten erst allmählich in den Fokus. Es bleibt abzuwarten, welche Impulse die aktuellen Ereignisse diesen Resilienzdiskursen geben werden.