FormalPara Zusammenfassung

Der angelaufene Umbau der ärztlichen Aus- und Weiterbildung in Richtung auf explizit nachzuweisende Kompetenzen zielt auf eine gestufte Harmonisierung der beiden Qualifizierungsphasen unter Stärkung ihrer Versorgungsrelevanz. Versorgungsrelevant ist auch Wissenschaftskompetenz. Um versorgungswirksam werden zu können, setzen die von Approbationsordnung und (Muster-)Weiterbildungsordnung geforderten Kompetenzprofile qualitativ geeignete und ausreichend viele Studien- und Weiterbildungsplätze voraus. Der Beitrag beschreibt den Reformprozess der ärztlichen Aus- und Weiterbildung und plädiert über deren qualitative Entwicklung hinaus für eine sektorenübergreifende regional integrierte quantitative Weiterbildungsplanung.

The ongoing restructuring of initial and advanced medical training towards explicitly verifiable competences aims at a graduated alignment of the two qualification phases while strengthening their relevance to health care. In addition, scientific competence is also relevant for health care. In order to be effective in the provision of health care, the competence profiles required by the licensing regulations and (model) specialist training regulations necessitate qualitatively appropriate and sufficient numbers of study and further training places. The author describes the reform process of initial and advanced medical training and, beyond its qualitative development, advocates cross-sectoral, regionally integrated quantitative planning of continuing training.

1 Leistungs-, Kompetenz- und Qualifizierungsprofil des Gesundheitswesens

Das Leistungsprofil des Gesundheitswesens, das zur Versorgung der Bevölkerung ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich und notwendig ist (§ 12 SGB V), muss durch ein entsprechendes Kompetenzprofil der Ärzteschaft und der übrigen Therapieberufe unterfüttert sein. Dieses Kompetenzprofil muss entwickelt, erworben und beherrscht werden. Krankenhäuser als zentrale Qualifizierungseinrichtungen der Therapie- und Pflegeberufe leisten dazu einen systemrelevanten Beitrag. Aus-, Weiter- und Fortbildung in der Versorgungspraxis der Krankenhäuser haben den Vorzug, unmittelbar versorgungsrelevant zu sein. Dieses Organisationsmodell wirkt allerdings strukturkonservativ. Die Berücksichtigung von Versorgungsaufgaben anderer Sektoren oder ein Qualifizierungs-Vorlauf für zu erwartende Innovationen stehen nicht im Focus der Versorgungskrankenhäuser, selbst wenn sie als „Lehrkrankenhäuser“ mit medizinischen Fakultäten verbunden sind.

Der Beitrag beschreibt den Umbau der ärztlichen Aus- und Weiterbildung in Richtung auf ein definiertes System gestufter Kenntnisse und Handlungskompetenzen. Alle Versorgungseinrichtungen werden daran mitwirken müssen.

2 Kompetenzorientierte Aus- und Weiterbildung der Ärzteschaft

Die Ärzteschaft baut ihren Kompetenzmix in zwei Stufen auf (Aus- und Weiterbildung) und aktualisiert ihn mit berufsbegleitender obligatorischer Fortbildung. Alle drei Abschnitte zielen stets auf den aktuellen Stand des Wissens.

Die Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO; BMG 2021) regelt die Ausbildung im Medizinstudium sowie die staatlichen Prüfungen bis zur Approbation. Dazu gehören Lehrveranstaltungen der Medizinischen Fakultäten und praktische Ausbildungsabschnitte in Krankenhäusern und anderen geeigneten Einrichtungen der ärztlichen Krankenversorgung. Die ÄApprO ist eine Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit mit Zustimmung des Bundesrates. Gesetzliche Grundlage ist die Bundesärzteordnung (BÄO; BMJ 2019). Die grundgesetzlich garantierte Lehrfreiheit der Universitäten (Artikel 5 (3) GG) und staatliche Ausbildungsstandards müssen konstruktiv ineinandergreifen.

Die Weiterbildung gehört hingegen in die Kompetenz der Landesärztekammern (LÄKn). Sie sind Körperschaften Öffentlichen Rechts, in denen alle Ärztinnen und Ärzte Mitglied und über Wahlen zur Kammerversammlung an der Willensbildung beteiligt sind. Die LÄKn beschließen jeweils ihre Weiterbildungsordnung (WBO). Dabei übernehmen sie weitgehend, aber nicht notwendig in allen Details, die Musterweiterbildungsordnung (MWBO), über die der Deutsche Ärztetag periodisch beschließt (Bundesärztekammer 2022). Gegenstände der (M-)WBO sind die Gebiete (Facharzt-Bezeichnungen), Mindestzeiten, Mindestmengen und die zu erwerbenden Facharzt-Kompetenzen. Die regionalen Weiterbildungsordnungen treten nach Zustimmung der Aufsichtsbehörde, d. h. des jeweiligen Landesgesundheitsministeriums, in Kraft. Auch wenn die Gestaltung der Weiterbildung wesentlich Angelegenheit ärztlicher Selbstverwaltung ist, ist also der Staat aufsichtsführend beteiligt.

Fortbildung ist professionelle Pflicht (ABIM Foundation 2002). Schon die Approbationsordnung nennt als Ausbildungsziel die Befähigung zu ständiger Fortbildung (§ 1 Abs. 1 ÄApprO). Zu den Aufgaben der Ärztekammern gehört, „die berufliche Fortbildung der Kammermitglieder zu regeln, Fortbildungsveranstaltungen durchzuführen, zu zertifizieren, anzuerkennen und die Teilnahme daran zu bescheinigen“ (so § 9 (1) Kammergesetz für Heilberufe Niedersachsen (HKG), Nieders. Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung 2021). Für Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten ist Fortbildung vorgeschrieben (§ 95b SGB V) und durch eine Regelung der Vertreterversammlung der KBV (KBV 2016), für Krankenhausärzte durch eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses untersetzt (G-BA 2020: Regelungen zur Fortbildung im Krankenhaus/FKH-R).

Zur Entwicklung des Kompetenzprofils gehören auch Maßnahmen, die zu einem lernenden Gesundheitssystem beitragen: Entwicklung evidenzbasierter Leitlinien (AWMF), die für alle Leistungserbringer verpflichtende Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität ihrer Leistungen (§ 135a SGB V), die systematische Bewertung gesundheitlicher Technologien (HTA) oder die wissenschaftsgetriebene und u. a. durch den Innovationsfonds geförderte Versorgungsforschung.

Nach längerer Beratung hinter geschlossenen Türen veröffentlichten die Gesundheits- und Wissenschaftsressorts von Bund und Ländern am 31.03.2017 den „Masterplan Medizinstudium 2020“ (BMG und BMBF 2017). Er beinhaltet 37 Maßnahmen, damit „die Ausbildung der nächsten Medizinergenerationen den Herausforderungen einer Gesellschaft des längeren Lebens gerecht werden kann“. Dazu sollen u. a. beitragen eine Stärkung des Patienten- und Praxisbezugs der Ausbildung, ihre Kompetenzorientierung und eine vertikale Integration klinisch-praktischer und grundlagenwissenschaftlicher Inhalte (Z-Modell, siehe dazu insgesamt Wissenschaftsrat 2018).

Nach Darlegung der Expertenkommission des Wissenschaftsrats zum Masterplan 2020 „umfasst das ärztliche Kompetenzprofil als Ziel des Medizinstudiums eine Kombination erlernbarer Fähigkeiten, Fertigkeiten und Haltungen sowie dazugehöriger Wissensbestände, die die Absolventinnen und Absolventen zur praktischen Ausübung des Arztberufs befähigen soll. Die zu erlernenden Kompetenzen leiten sich dabei aus der ärztlichen Berufspraxis und den Anforderungen der Gesellschaft bzw. des Gesundheitswesens ab.“ (Wissenschaftsrat 2018, S. 41) Die Ausrichtung des Studiums auf Kompetenzen zielt also auf Studienergebnisse (Outcomes). Die bisherigen Ausbildungsfächer mit ihren Stoffkatalogen sind eingebunden.

Schon 2015 hatte der Medizinische Fakultätentag mit dem Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) ein kompetenzorientiertes Kerncurriculum vorgelegt (MFT 2015), das inzwischen weiterentwickelt wurde (2021: NKLM 2.0). In Verantwortung der Medizinischen Fakultäten entstand damit ein neues Regelungsinstrument des Medizinstudiums. Es fördert die Vergleichbarkeit standortspezifischer Curricula, vereinheitlicht aber nicht die Lehre. 25 % des Stundenanteils sollen die Standorte für profilgebende Wahlfächer nutzen.

Schon der Masterplan 2020 hatte für die Ausbildungsordnung die Einführung eines Leistungsnachweises zur strukturierten Vermittlung wissenschaftlicher Kompetenzen vorgesehen. Die Bundesärztekammer sieht Wissenschaftlichkeit als konstitutives Element des Arztberufs „als Grundlage für lebenslanges Lernen sowie für die kritische Evaluation und Anwendung wissenschaftlicher Informationen und ihrer Quellen“ (BÄK 2020). Nach der Expertenkommission des Wissenschaftsrates zum Masterplan 2020 leistet die wissenschaftliche Ausrichtung des Medizinstudiums einen wichtigen Beitrag „sowohl zur Weiterentwicklung der medizinischen Forschung und der Gesundheitsversorgung als auch zur Sicherung der Versorgungsqualität im Gesundheitssystem“ (Wissenschaftsrat 2018, S. 33).

Kompetenzziele müssen in fakultären und staatlichen Prüfungen berücksichtigt werden. Kompetenzprüfungen sind Beobachtungsprüfungen. In den vergangenen 20 Jahren haben alle Fakultäten Erfahrungen mit strukturierten klinisch-praktischen Prüfungen gesammelt (OSCEs – Objective Structured Clinical Examinations). Die für 2025 angekündigte Novelle der Approbationsordnung soll Teile des NKLM (Arztrollen und sog. übergeordnete Kompetenzen) einheitlich verbindlich machen. Der Entwurf sieht zwei OSCEs vor. Das Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) entwickelt die Bedingungen der Staatsprüfungen weiter („constructive alignment“ zum NKLM 2.0, www.impp.de).

Teilparallel entwickelte die Ärzteschaft unter Koordinierung der Bundesärztekammer eine kompetenzorientierte Musterweiterbildungsordnung. Sie wurde 2018 durch den 121. Deutschen Ärztetag beschlossen und von den LÄKn 2020 in Kraft gesetzt (zuletzt: BÄK 2022). Sie ist gegliedert in „Kognitive und Methodenkompetenz (Kenntnisse)“ und „Handlungskompetenz (Erfahrungen und Fertigkeiten)“. Die Weiterbildung ist weiter durch Mindestzeiten, in einigen Gebieten auch durch Mindestmengen strukturiert. Mindestzeiten und Mindestmengen sind leicht nachprüfbar, jedoch kaum vereinbar mit individueller Kompetenzorientierung. In mehreren Gebieten strukturieren fachlich empfohlene Weiterbildungspläne (FEWP) als Bausteine der MWBO die zu erwerbenden Kompetenzen. Kompetenzkataloge und FEWP stellen aber noch kein strukturiertes Weiterbildungscurriculum dar. Sofern nichts anderes bestimmt ist, kann die Weiterbildung im ambulanten wie auch im stationären Sektor erfolgen (§ 4 Abs. 9 MWBO). Die Kompetenzziele sind diesen Versorgungsbereichen nicht explizit zugeordnet.

Seit 2020 haben Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung (ÄiW) die Pflicht, ihre absolvierten Weiterbildungsabschnitte mit Weiterbildungsinhalten, Richtzahlen und Weiterbildungsgesprächen online über das Portal ihrer Ärztekammer in einem eLogbuch zu dokumentieren und von den Weiterbildungsbefugten überprüfen und bestätigen zu lassen. Das eLogbuch wurde unter Federführung der Bundesärztekammer entwickelt. Seine Auswirkungen in der Praxis müssen jedoch erst evaluiert werden. Vorausgegangen war die Erprobung von Logbüchern für das Praktische Jahr (PJ), den letzten Abschnitt des Medizinstudiums (Witzel et al. 2020).

3 Kompetenzorientierung betrifft wesentlich die Krankenhäuser

Krankenhäuser haben wesentlichen Anteil an der Facharzt-Weiterbildung. Das ist leicht erkennbar an der großen Zahl der Ärztinnen und Ärzte (noch) ohne Gebietsbezeichnung, die dem stationären Sektor zugeordnet sind (Abb. 9.1).

Abb. 9.1
figure 1

Zahl berufstätiger Ärztinnen und Ärzte nach Gebietsbezeichnung, insgesamt und davon niedergelassen, 31.12.2021. (Daten: Ärztestatistik der Bundesärztekammer, eigene Darstellung)

Daher betrifft auch die Wende zu Kompetenzzielen wesentlich die Krankenhäuser. Da Weiterbildung bedeutet, Kompetenzen nachzuweisen, muss Weiterbildung im Krankenhaus (und anderswo) ihre Resultatqualität belegen. Die zur Weiterbildung ermächtigen Ärztinnen und Ärzte und das Krankenhaus als Weiterbildungseinrichtung müssen die Weiterbildung also entsprechend strukturieren. Mit stärkerer Offenlegung der Weiterbildungsergebnisse dürfte auch der Wettbewerb um ÄiW zunehmen. Wettbewerb wird seinerseits das Entstehen strukturierter und akkreditierter Weiterbildungsprogramme („residency programs“) fördern. Ein großer Anteil der Weiterbildung findet in Universitätsklinika statt. Das fördert die wissenschaftliche Orientierung der ÄiW („clinician scientists“), aber nicht unbedingt ihre Orientierung an einer regional integrierten Primärversorgung.

4 Entwicklung der Versorgungsbereiche und der Geschlechter-Relation

Seit 2001 hat die Zahl der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte von 297,9 Tausend auf 416,1 Tausend zugenommen (+40 %) (Abb. 9.2). Im stationären Bereich betrug die Zunahme 51 %, im zweitgrößten ambulanten Versorgungsbereich nur 26 %. Die kleine Kategorie „andere Bereiche“ nahm um 46 % zu. In den fünf Jahren 2017–2021 zusammengenommen gab es 8.149 erfolgreiche Facharztprüfungen Allgemeinmedizin, ein Anteil von 12,3 % aller Facharztprüfungen.

Abb. 9.2
figure 2

Anzahl (in 1.000) der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte insgesamt, nach Tätigkeitsbereichen; rechte Ordinate: Anteil der Ärzte (in %). (Daten: Ärztestatistik der Bundesärztekammer, eigene Darstellung)

Die Zahl der berufstätigen Ärztinnen stieg von 111,5 auf 202,0 Tausend (+81 %). Entsprechend nahm der Anteil berufstätiger Ärztinnen im Gesundheitswesen von 37,4 % auf 48,5 % zu. Mit der Feminisierung steigen die Präferenzen für Teilzeitarbeit und angestellte Tätigkeit. Allerdings entwickeln junge Ärzte ähnliche Präferenzen (Ziegler et al. 2017). Die traditionelle Rollenverteilung überwiegt bei ärztlichen Paaren noch immer, d. h. die Ärztin übernimmt den größeren Teil der Familienarbeit. Familienfreundliche Arbeitsorganisation vor allem im Krankenhaus ist daher eine Determinante zügiger Weiterbildung bis zur Facharztprüfung und darüber hinaus für die Berufszufriedenheit aller Krankenhausmitarbeiterinnen und -mitarbeiter wichtig (Kocalevent et al. 2020; Kocalevent et al. 2021).

5 Integrierte Kapazitätsplanung

Das für die Versorgung nötige Kompetenzprofil muss sich auf eine quantitativ und qualitativ ausdifferenzierte Personalentwicklung stützen. Die Kapazität des Medizinstudiums ist durch Kapazitätsverordnungen der Länder geregelt. Durch das sog. Kapazitätsausschöpfungsgebot ist die Ausbildungskapazität an Personalausstattung, Bettenzahlen und Zahl lehrgeeigneter Patienten der Universitätsmedizin und ihrer Lehrkrankenhäuser/Lehrpraxen gekoppelt. Die mit der angekündigten Approbationsordnungsnovelle angestrebte Verbesserung der Ausbildung durch geringere Gruppengrößen und früheren Patientenkontakt müsste nach dem bisherigen Regelwerk zu einer Kapazitätsabsenkung führen. Das ist politisch nicht gewollt. Eine alternativ nötige Mittelaufstockung trifft jedoch bisher auf Ablehnung der Finanzminister. Eine Änderung des Regelwerks ist rechtlich sehr anspruchsvoll und wird vorhersehbar streitbefangen sein.

Seit 2001 ist die Zahl der eingeschriebenen Medizinstudierenden um 32 % auf 105.275 im Jahr 2021 angestiegen, der Frauenanteil beträgt 64 % (Destatis 2022a). 2021 schlossen 10.241 Studierende das Medizinstudium mit bestandenem Staatsexamen ab, einige weitere mit einem anerkennungsfähigen Masterabschluss (Destatis 2022b). Die Ärzteschaft, die früher vor einer Ärzteschwemme gewarnt hatte, forderte auf dem Deutschen Ärztetag 2022 zusätzlich 6.000 Studienplätze pro Jahr, also eine Steigerung um mehr als 50 %, bei gleichzeitiger Umsetzung der Vorgaben des Masterplans Medizinstudium 2020 (Deutscher Ärztetag 2022). Dies ist eine Maximalforderung, zumal Deutschland im OECD-Vergleich weit überdurchschnittlich viele Ärzte und Pflegekräfte pro 1.000 Einwohner hat (OECD 2021). Konsequent wäre außerdem, zuerst per ÄApprO-Novelle die beschlossenen Reformweichen zu stellen, damit ein Kapazitätsausbau nicht weiter zu Absolventinnen und Absolventen führt, deren Ausbildung auf eine „Gesellschaft des langen Lebens“ nicht ausgerichtet ist. Derweil bauen mehrere private medizinische Hochschulen gebührenpflichtige Ausbildungskapazitäten auf und versuchen, ein passendes Forschungsprofil zu entwickeln. Der Wissenschaftsrat begutachtet diese Entwicklung, z. B. steht die Akkreditierung der Medizinischen Hochschule Brandenburg „Theodor Fontane“ im Jahr 2024 an.

Während bei der Vergabe der Medizinstudienplätze durch ein zentral koordiniertes Zulassungsverfahren (www.hochschulstart.de) in die Freiheit der Berufswahl (Artikel 12 GG) eingegriffen wird, ist dies bei der Wahl der Weiterbildungsstellen nicht nötig: Es stehen genug Weiterbildungsstellen zur Verfügung. Das war nicht immer der Fall (unbezahlte „Gastärzte“). Dennoch finden nicht alle Approbierten die Weiterbildungsstelle ihrer ersten Wahl, sondern gehen Kompromisse hinsichtlich Fachgebiet und Standort ein. Gleichzeitig beklagen vor allem chirurgische Fächer einen Nachwuchsmangel, dessen Wurzel schon in demotivierenden Famulaturerfahrungen der Studierenden liegen könnte (Schneider et al. 2020; Werwick et al. 2017).

Das Profil der ärztlichen Weiterbildung ist also durch Zahl, Art und Attraktivität der vorgehaltenen Weiterbildungsplätze bedingt (Kontext-Steuerung). Anbieter sind vor allem Krankenhäuser (fast alle), aber auch Leistungserbringer im ambulanten Bereich. Die Krankenhausplanung der Länder berücksichtigt Versorgungsstufen, Standorte und Abteilungsstrukturen der Krankenhäuser. Das Landeskrankenhausgesetz Sachsen-Anhalt z. B. verpflichtet Krankenhäuser, die als Weiterbildungsstätte zugelassen sind, im Rahmen ihres Versorgungsauftrages Weiterbildungsstellen für Ärzte zur Verfügung zu stellen (§ 14 (2) KHG LSA). Dieser Auftrag ist aber nicht explizit mit dem Bedarf des (regionalen) Gesundheitswesens abgestimmt.

Nach § 75a SGB V unterstützen Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen die ambulante Weiterbildung durch strukturelle Maßnahmen (Koordinierungsstellen, Kompetenzzentren Weiterbildung) und finanzielle Anreize. Praxen zugelassener Ärzte und medizinische Versorgungszentren, in geringerem Umfang auch Krankenhäuser erhalten Gehaltszuschüsse, die die Vergütung der ÄiW auf das im Krankenhaus übliche Niveau anheben. 2020 wurden 11.027 Weiterbildungen gefördert, davon 8.473 in der Allgemeinmedizin (KBV 2022). Umgerechnet in Vollzeitäquivalente waren dies insgesamt 5.926 bzw. 4.760 in der Allgemeinmedizin. Der Anteil Teilzeitbeschäftigter ist also hoch, und er nimmt jährlich zu. Die Gruppe der geförderten ÄiW für Allgemeinmedizin hat ein medianes Alter von 38 Jahren und einen Frauenanteil von 70 %. Dabei spielen Rückkehr in den Beruf nach einer Familienphase und Ausstieg aus vorherigen Krankenhauspositionen eine Rolle.

Im ambulanten Sektor werden Facharzt-Sitze (einschl. Sitze der psychotherapeutischen Versorgung) nach der Bedarfsplanungs-Richtlinie des G-BA (G-BA 2022) regionalen Planungsbereichen zugeordnet. Die medizinischen Fachgebiete haben unterschiedlich große Planungsbereiche. Die feinkörnigste regionale Zuordnung hat die Hausärztliche Versorgung mit derzeit 882 sog. Mittelbereichen und einer allgemeinen Verhältniszahl (Sollwert) von 1.607 Einwohnern und Einwohnerinnen je Arzt/Ärztin. Der Quotient aus dem fachgebietsspezifischen Istwert „Einwohner pro Arzt“ und dem historisch hergeleiteten, an die regionale Morbiditätsstruktur (Leistungsbedarf) angepassten und alle zwei Jahre aktualisierten fachgebietsspezifischen Sollwert ergibt den sog. Versorgungsgrad. Aus dem Versorgungsgrad errechnet sich die Anzahl der (noch) möglichen Facharzt-Zulassungen. Grenzwerte des Versorgungsgrads definieren Über- und Unterversorgung. Der zuständige Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (§ 90 SGB V) kann regionale Besonderheiten berücksichtigen, z. B. die Erreichbarkeit durch speziellen Zuschnitt der Planungsbereiche oder Sonderbedarfe für Teilgebiete der Inneren Medizin. Bei drohender Unterversorgung beschließt er Fördermaßnahmen, bei Überversorgung sperrt er den Planungsbereich für weitere Zulassungen. Diese sog. „Ärztliche Bedarfsplanung“ wirkt als Verteilungsplanung. Auswirkungen auf die Bereitschaft der Approbierten, eine bestimmte Facharzt-Bezeichnung zu erwerben, hat sie nur indirekt.

6 Ausblick

Aus- und Weiterbildung der Ärzteschaft werden gemeinsam auf gestuft nachzuweisende Kompetenzen ausgerichtet. Diese Wende signalisiert das Ende der jahrzehntelangen Unverbundenheit von ärztlicher Aus- und Weiterbildung, von Theorie und Praxis (dazu van den Bussche et al. 2018). Ihre Auswirkungen werden erst in den nächsten Jahren sichtbar werden. Eine systematische Begleitevaluation fehlt. Im Ansatz öffnet eine Kompetenzorientierung der Personalentwicklung den bisherigen Arztvorbehalt für komplementäre oder substitutive Beiträge aus weiteren Berufsfeldern.

Die in Approbations- und (Muster-)Weiterbildungsordnung angelegten Kompetenzprofile können allerdings erst in quantitativer Untersetzung durch Studien- und Weiterbildungsplätze versorgungswirksam werden. Eine quantitative Weiterbildungsplanung fehlt offensichtlich. Die Krankenhäuser bilden prioritär für den eigenen Bedarf, weniger für den regional benötigten Facharzt-Mix weiter. Der ungedeckt bleibende Facharztbedarf des ambulanten Sektors – vor allem, doch nicht nur an weitergebildeten Hausärztinnen und Hausärzten – muss im Nachgang korrigierend mit Solidarmitteln gefördert werden. Damit der Weiterbildungs-Output der Krankenhäuser mit dem (regionalen) Versorgungsbedarf korrespondiert, sollten Zahl und Struktur ihrer Weiterbildungsstellen im Rahmen von Qualitäts- und Leistungsvereinbarungen vertragsfähig werden. Auch kann die einwohnerbezogene Bedarfsplanungs-Richtlinie sektorübergreifend um regional auszuweisende Weiterbildungsstellen ergänzt werden. Dies wäre ein möglicher Auftrag an das Landesgremium nach § 90a SGB V. Eine weitere Möglichkeit ist, Weiterbildung im ambulanten Sektor nicht nur zu ermöglichen, sondern eine sektorübergreifende Rotation („Cross-Training“) vorzusehen, für ÄiW der Krankenhäuser vor allem in den Bereich der Primärversorgung. Die MWBO nennt bereits interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit unter den für alle Arztgruppen erforderlichen Kompetenzen. Ein Cross-Training würde gleichzeitig einen bidirektionalen Kompetenz-Austausch zwischen den Versorgungs-Sektoren fördern, (aus Sicht des Krankenhauses) aktive Zuweiser-Pflege bewirken und die Weiterbildung als Systemaufgabe erkennbar machen. Je weiter sich die ambulante Öffnung der Krankenhäuser entwickelt (z. B. durch Portalpraxen), desto einfacher wird diese Rotation. Diese Schritte entwickeln die bisherige Kontext-Steuerung bei der Wahl der Weiterbildungsstellen aktiv weiter, ohne Freiheit und Neigungsorientierung der Berufswahl abzuschaffen.

Darüber hinaus werden sich die Kompetenzkataloge in der Praxis weiter entwickeln. Während z. B. die Expertenkommission des Wissenschaftsrates die digitale Transformation in der Medizin als Kernaspekt einer modernen medizinischen Ausbildung bezeichnet (Wissenschaftsrat 2018, S. 9 ff), nennt die MWBO unter den allgemeinen Inhalten der Weiterbildung zwar „Telemedizin“, IT-Grundlagen wie Informations- und Kommunikationssysteme, digitale Akten oder maschinelle Entscheidungsunterstützung sind aber der Zusatz-Weiterbildung „Medizinische Informatik“ zugeordnet.