FormalPara Zusammenfassung

Pädiatrische Patientinnen und Patienten stellen bei der Arzneimitteltherapie eine besondere Herausforderung dar: Die Physiologie von Kindern ist im Vergleich zu Erwachsenen anders. Die Notwendigkeit klinischer Studien liegt auf der Hand. Dennoch erhalten im stationären Bereich ca. 42 bis 90 % aller Kinder und Jugendlichen Medikamente außerhalb der Zulassung; knapp 40 % aller oralen Arzneimittel im stationären Bereich werden vor der Gabe an Patientinnen und Patienten manipuliert.

Die EU-Kinderarzneimittelverordnung von 2006 hat bislang zu keiner nachhaltigen Verbesserung der Situation geführt. Wissenschaftliche Untersuchungen konnten keinen signifikanten Rückgang der Off-Label-Verordnungen nachweisen. Der Aufbereitung und schnellen Verfügbarkeit der bestehenden Evidenz für die Dosierung von Kinderarzneimitteln kommen daher eine hohe Bedeutung zu. Mit dem Kinderformularium.DE steht seit Anfang 2021 ein wichtiges Hilfsmittel für pädiatrisch tätige Ärztinnen und Ärzte sowie Apothekerinnen und Apotheker zur Verfügung. Es bleibt langfristig unerlässlich, den kleinsten Patientinnen und Patienten mehr Aufmerksamkeit zu schenken, um die pädiatrische Arzneimittelversorgung nachhaltig zu verbessern. Bereits gut etablierte Maßnahmen müssen verstetigt werden.

1 Herausforderungen der pädiatrischen Arzneimittel-Therapie

1.1 Entwicklungsphysiologische Besonderheiten

In der Medizin gilt seit über 100 Jahren der Grundsatz „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“ (Seyberth 2008). Jedoch reicht diese einfache Abgrenzung bei weitem nicht aus, um eine adäquate und kindgerechte Arzneimittelversorgung sicherzustellen: Kinder und Erwachsene unterscheiden sich entwicklungsbedingt in ihrer Physiologie, was mit einer altersabhängig veränderten Pharmakokinetik und -dynamik einhergeht. Für die Arzneimitteltherapie wird die Bevölkerungsgruppe der „Kinder und Jugendlichen“ in verschiedene altersbezogene Untergruppen, bspw. gemäß ICH-Guideline der International Conference on Harmonisation (ICH) (siehe Tab. 6.1), untergliedert (Neubert und Schulze 2018; Wimmer et al. 2015; ICH 2001; Neubert und Botzenhardt 2014; Nolte 2022).

Tab. 6.1 Altersgruppen nach ICH-Guideline. (International Conference on Harmonisation (ICH) 2001)

Im Bereich der Pharmakokinetik treten in Abhängigkeit vom Alter und von den physikochemischen Eigenschaften des Arzneistoffs Unterschiede in allen Ebenen des (L)ADME-Modells auf. Dieses Modell beschreibt den Weg eines Arzneimittels durch den Organismus: Auf die Wirkstofffreisetzung (Liberation) aus der Darreichungsform folgt die Aufnahme in den Körper (Absorption bzw. Resorption). Anschließend wird der Wirkstoff im Körper verteilt (Distribution), verstoffwechselt (Metabolismus) und schlussendlich ausgeschieden (Elimination) (Pschyrembel online 2016).

In den ersten Lebenswochen und Tagen ist beispielsweise die Aufnahme von Arzneistoffen (Absorption) durch eine verringerte Magensäureproduktion und Drammotilität verändert (Neubert und Botzenhardt 2014). Auch kann es wegen der noch nicht vollständig ausgebildeten Hautbarriere zu einer systemischen Aufnahme von lokal verabreichten Arzneimitteln, z. B. Glucocorticoiden, kommen.

Der Metabolismus dagegen variiert u. a. bedingt durch die altersabhängige Reifung der Leber-Enzyme, die im Vergleich zu Erwachsenen stärker oder weniger stark exprimiert sein können (Neubert und Schulze 2018; Neubert und Botzenhardt 2014). Auch im Bereich der Niere kommt es altersabhängig zu einer beschleunigten oder verlangsamten Ausscheidung (Elimination) von Arzneimitteln (Neubert und Schulze 2018; Seyberth und Schwab 2010).

Die vorgenannten Veränderungen erklären den nicht-linearen Zusammenhang zwischen Alter und Arzneimitteldosierung bei der pädiatrischen Arzneimitteltherapie (siehe Abb. 6.1; Seyberth und Schwab 2010).

Abb. 6.1
figure 1

Gesamtkörper-Clearance (GKC, weiß) und Gesamtkörpervolumen (GKV, schwarz) in Abhängigkeit vom Alter. (Aus Seyberth und Schwab 2010)

Im Bereich der Pharmakodynamik, also der Wirkung von Arzneimitteln im Körper, unterscheiden sich Kinder von Erwachsenen aufgrund einer zwischen den Altersgruppen variierenden Empfindlichkeit und Dichte der Rezeptoren (Neubert und Botzenhardt 2014; Neubert und Schulze 2018; Raith 2016). So wirken bspw. Benzodiazepine bei Zweijährigen stärker als bei Erwachsenen, wohingegen andere Arzneimittel (z. B. Bronchodilatatoren) bei Kleinkindern eine geringere Wirksamkeit als bei Erwachsenen zeigen (Neubert und Botzenhardt 2014). All diese Faktoren müssen Beachtung finden, wenn Kinder und Jugendliche adäquat, d. h. mit dem richtigen Arzneimittel in der richtigen Dosierung, therapiert werden sollen.

1.2 Regulatorische Besonderheiten

1.2.1 Fehlende Studien

Die Notwendigkeit klinischer Studien unter Berücksichtigung der Subpopulationen des pädiatrischen Kollektivs liegt damit auf der Hand – jedoch gibt es eine Vielzahl von Arzneimitteln, die bei Kindern nicht zugelassen sind (Neubert und Schulze 2018; Neubert und Rascher 2018; Neubert und Botzenhardt 2014; Spielberg 2010; BfArM o.J.a). Durch den kleineren Marktanteil im Vergleich zur Erwachsenenmedizin ist das wirtschaftliche Interesse pharmazeutischer Unternehmer gering. Hinzu kommt, dass bis Ende der 90er Jahre Studien bei Minderjährigen aus rechtlicher Sicht schwierig durchzuführen waren und diese zudem gesellschaftlich als unethisch angesehen wurden (Neubert et al. 2008a; Wimmer und Rascher 2016). Um pädiatrische Patientinnen und Patienten dennoch adäquat therapieren zu können, werden Arzneimittel außerhalb ihrer Zulassung (sog. Off-Label-Anwendung) oder ohne Zulassung (sog. Unlicensed-Anwendung) verwendet. Der Einsatz basiert oft nur auf Erfahrungswerten und geschieht unter der Annahme, dass die Sicherheit und Wirksamkeit bei Kindern vergleichbar mit der bei Erwachsenen ist (Conroy et al. 2000, Neubert et al. 2004). Unter Off-Label-Anwendung versteht man jeglichen Gebrauch eines zugelassenen Arzneimittels, der außerhalb der in der Fachinformation angegebenen Indikation, Altersgruppe, Dosis, Darreichungsform und des Applikationsweges liegt. Als Unlicensed-Einsatz wird hingegen die Verwendung eines Arzneimittels ohne Zulassung für den deutschen/europäischen Markt bezeichnet (Neubert et al. 2008b).

1.2.2 Off-Label-Gebrauch – ohne Alternative, aber mit Risiko

Internationale Studien belegen, dass der Off-Label- bzw. Unlicensed-Einsatz von Arzneimitteln in der Pädiatrie weit verbreitet ist. Im stationären Bereich erhalten ca. 42 bis 90 % aller Kinder und Jugendlichen Medikamente außerhalb der Zulassung und ca. 10 bis 65 % der verordneten Arzneimittel werden ohne Zulassung eingesetzt. Studien auf neonatologischen Intensivstationen ergaben Prävalenzen von teilweise über 90 % (Kimland und Odlind 2012; Magalhaes et al. 2015). Eine vergleichende Untersuchung aus den Jahren 2004 und 2014 ergab, dass 39,2 % (2014) bzw. 34,3 % (2004) aller Verordnungen auf einer neonatologischen Intensivstation an einem deutschen Universitätsklinikum off-label eingesetzt wurden und 70 % (2004) bzw. 62,7 % (2014) aller Patientinnen und Patienten ein für sie nicht zugelassenes Medikament erhielten (Geißler et al. 2020).

Im ambulanten Bereich werden ca. 46 bis 64 % aller Kinder und Jugendlichen off-label behandelt, etwa 11 bis 31 % aller Verordnungen erfolgen hier außerhalb der Zulassung (Kimland und Odlind 2012).

Pädiatrische Spezialambulanzen, in denen Kinder mit sehr seltenen, chronischen und häufig auch komplexen Erkrankungen betreut werden, nehmen dabei eine Sonderrolle ein: Der Anteil an Off-Label-/Unlicensed-Verordnungen bzw. der Patientinnen und Patienten mit mindestens einer Off-Label-/Unlicensed-Verordnung ist hier signifikant höher als bspw. in einer pädiatrischen Notfallambulanz. Damit ist die Versorgung mit Arzneimitteln in den Spezialambulanzen als vergleichbar mit der stationären Versorgung von Kindern und Jugendlichen anzusehen (Gerber 2021).

Als primäre Gründe für eine Arzneimittelanwendung außerhalb der Zulassung wurden in verschiedenen Untersuchungen immer wieder eine abweichende Dosierung oder Indikation sowie das Fehlen von Angaben zum Einsatz bei Kindern und Jugendlichen (Fehlen von pädiatrischen Informationen) aufgrund des Mangels an großen klinischen Prüfungen gefunden (Gerber 2021; Knopf et al. 2013; t Jong et al. 2002a, 2002b). Die Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS-Studie) des Robert Koch-Instituts wies zudem nach, dass bei ambulant verschriebenen Arzneimitteln häufig schon allein aufgrund des Patientenalters (4,2 % der verordneten Arzneimittel) keine Zulassung vorliegt. Werden auch die Dosierungen und die Indikationen mit in die Beurteilung des Zulassungsstatus einbezogen, liegt der Off-Label-Anteil sogar bei 29,9 % (Knopf et al. 2013).

Während der Off-Label-Einsatz von Arzneimitteln in der Pädiatrie häufig unumgänglich, manchmal sogar zwingend notwendig ist, ist dieser jedoch auch mit Risiken verbunden (Rojahn und Stute 2012). So konnte mehrfach gezeigt werden, dass der Off-Label-Gebrauch von Arzneimitteln mit einem erhöhten Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen einhergeht (Bellis et al. 2013; Neubert et al. 2004). Zudem liegt die Verantwortung für eine Arzneimittelverordnung, die außerhalb der Zulassung des Arzneimittels erfolgt, bei der verschreibenden Ärztin/beim verschreibenden Arzt und nicht mehr beim pharmazeutischen Unternehmer. Auch die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, z. B. wenn die Krankheit schwerwiegend ist, keine andere (zugelassene) Therapie verfügbar ist und aufgrund von Forschungsergebnissen berechtigte Hoffnung auf einen Behandlungserfolg besteht (Rojahn und Stute 2012; Seyberth et al. 2002; Rascher 2017).

1.3 Pharmazeutische Herausforderungen

Altersgerechte Darreichungsformen sind eine wichtige Voraussetzung für eine wirksame und sichere Arzneimitteltherapie. Dennoch liegen immer noch viele benötigte Arzneimittel nicht in kindgerechten Darreichungsformen vor (Wimmer et al. 2015). Insbesondere jüngere Kinder können oftmals noch keine Tabletten oder Kapseln schlucken, sodass sog. Arzneimittel-Manipulationen in der Pädiatrie an der Tagesordnung sind (Bjerknes et al. 2017). Als Manipulation eines Arzneimittels wird die Veränderung einer Darreichungsform direkt vor der Verabreichung bezeichnet, wie z. B. das Teilen oder Mörsern einer Tablette, das Öffnen einer Kapsel oder das Dispergieren eines Pulvers in Flüssigkeit (Richey et al. 2013a).

Eine im Jahr 2020 an der Kinder- und Jugendklinik in Erlangen durchgeführte Beobachtungsstudie zeigte, dass knapp 40 % aller oralen Arzneimittel vor der Gabe an Patientinnen und Patienten manipuliert wurden (Zahn et al. 2020a). Knapp 60 % der Patientinnen und Patienten im Beobachtungszeitraum waren von mindestens einer Manipulation betroffen. Die Altersgruppe der Säuglinge und Kleinkinder machte dabei den größten Anteil aus. Über die Hälfte der Manipulationen wurden abweichend von den Angaben in den Fachinformationen vorgenommen (Abb. 6.2). Ein Großteil dieser Manipulationen war jedoch alternativlos, da kein besser geeignetes Handelspräparat auf dem deutschen Markt verfügbar war.

Abb. 6.2
figure 2

Flussdiagramm der Manipulationen (n [%]) klassifiziert nach Zulassungsstatus (in- und off-label) und Vermeidbarkeit durch ein in Deutschland verfügbares Handelspräparat. (Adaptiert nach Zahn et al. 2020a)

Diese Untersuchung belegt nicht nur ein deutsches Phänomen. In den Niederlanden, Norwegen und England wurden vergleichbare Ergebnisse gefunden, die den internationalen Mangel an kindgerechten Arzneimitteln unterstreichen (Nunn et al. 2013; Richey et al. 2013b; Bjerknes et al. 2017; van der Vossen et al. 2019).

Manipulationen von Arzneimitteln sind dabei nicht unkritisch, insbesondere, wenn sie nicht validiert und standardisiert durchgeführt werden (Richey et al. 2013b; Richey et al. 2017). Sie können die Sicherheit und Wirksamkeit einer Arzneimittelgabe in einem unbekannten Ausmaß beeinflussen, z. B. indem die Freisetzungseigenschaften einer Darreichungsform verändert oder die Dosierungsgenauigkeit der Einzeldosis beeinflusst werden.

Die Durchführung von Manipulationen wird nur selten von den pharmazeutischen Unternehmern systematisch untersucht und in den öffentlich zugänglichen Fach- und Gebrauchsinformationen beschrieben. Werden Manipulationen trotz fehlender Informationen vorgenommen, handelt es sich um eine nicht-lizensierte Verabreichung (Unlicensed-Anwendung) und der pharmazeutische Unternehmer übernimmt somit keine Haftung mehr. Der Mangel an Informationen führt zudem dazu, dass Manipulationen nicht standardisiert durchgeführt werden und erhöht zusätzlich das Risiko für Medikationsfehler. Dabei ist gerade dieses Risiko aufgrund der beträchtlichen Rate an Off-Label- und Unlicensed-Anwendungen in der Pädiatrie ohnehin besonders erhöht (s. o.) (Bellis et al. 2013).

1.4 Information und Kommunikation mit Eltern und Patientinnen und Patienten

Auch die Kommunikation mit Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen, genauso wie mit anderen Akteuren im Gesundheitswesen (sog. Schnittstellen), spielen in der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Arzneimitteln eine besondere Rolle. In der großangelegten deutschlandweiten KiGGS-Studie wurde bspw. gezeigt, dass Unterdosierung der häufigste Grund für eine Off-Label-Anwendung ist (Knopf et al. 2013). Werden Arzneimittel unterdosiert, haben Patientinnen und Patienten wahrscheinlich keinen therapeutischen Nutzen, aber sie werden dem Risiko für Nebenwirkungen, die unabhängig von der Dosis auftreten können, ausgesetzt. Dies stellt ein nicht unerhebliches Problem dar, gerade im Hinblick auf Therapieversagen und mögliche Resistenzentwicklungen, beispielsweise bei Antibiotika-Therapien. Dass die Eltern die Dosierung bewusst reduzieren, z. B. aufgrund von Ängsten vor möglichen Nebenwirkungen, konnte in der KIGGS-Studie nicht nachgewiesen werden. Es belegt aber, dass eine gute Aufklärung über mögliche Risiken einer fehlerhaften Anwendung und eine verständliche, nachhaltige (z. B. schriftliche) Kommunikation der verordneten Dosis notwendig sind.

Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung zu Arzneimittel-bedingten stationären Aufnahmen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland hat nochmals unterstrichen, dass gute Information und Kommunikation unabdingbar sind: Fehldosierungen und Non-Compliance bei der Anwendung von Arzneimitteln durch die Patientinnen und Patienten bzw. deren Eltern/Erziehungsberechtigten sind häufige Gründe für vermeidbare stationäre Aufnahmen (KiDSafe, unveröffentlichte Daten; Neubert et al. 2019).

2 Lösungsansätze und Entwicklungen der letzten Jahre

2.1 Die EU-Kinderarzneimittelverordnung

2.1.1 PIP und PUMA

Seit Anfang 2000 gibt es intensive Bemühungen, die Versorgung von Kindern mit Arzneimitteln durch regulatorische Maßnahmen zu verbessern: 2002 wurde die Initiative „Better Medicines for Children“ gestartet (Neubert et al. 2008a; Wimmer et al. 2014). Zudem trat 2007 vor dem Hintergrund häufiger Off-Label-Anwendungen und des zusätzlich bestehenden Mangels an kindergerechten Darreichungsformen die sogenannten EU-Kinderarzneimittelverordnung (EG-Verordnung Nr. 1901/2006) in Kraft (BfArM o.J.a). Ziel dieses Gesetzes ist es, die Entwicklung von Arzneimitteln für Kinder zu fördern (BfArM o.J.a; Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union 2006). Ihre wesentlichen Bestandteile sind die Einrichtung eines Pädiatrieausschusses (PDCO, Paediatric Committee), die Verpflichtung zur Erstellung eines pädiatrischen Prüfkonzepts (PIP, Paediatric Investigation Plan) für neue Arzneimittel und eine neue Form der Arzneimittelzulassung speziell für die Pädiatrie (PUMA, paediatric use marketing authorisation) (BfArM o.J.b).

Seit Juni 2008 ist damit ein pädiatrisches Prüfkonzept (PIP), welches das geplante Entwicklungsprogramm für eine Anwendung des Medikaments bei Kindern beschreibt, verpflichtender Bestandteil der Zulassungsunterlagen für neue Arzneimittel und muss vom PDCO genehmigt werden. Ausnahmen von der Pflicht zur Erstellung eines PIP gibt es beispielsweise für Biosimilars oder Arzneimittel mit mindestens zehnjähriger medizinischer Verwendung in der EU („well established use“). Zudem können beim PDCO Zurück- oder Freistellungen von der pädiatrischen Entwicklung beantragt werden, u. a. bei Arzneimitteln, die zur Therapie von Erkrankungen vorgesehen sind, die lediglich Erwachsene betreffen (BfArM o.J.a; Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union 2006).

Die aktuellen Zahlen zu den pädiatrischen Prüfkonzepten deuten auf eine Verbesserung der Situation in der Pädiatrie hinsichtlich neuer Arzneimittel hin: Im Jahr 2020 wurden vom PDCO 141 initiale PIPs genehmigt – eine deutliche Steigerung gegenüber 2019 mit 94 PIPs und jeweils die höchste Zahl der vorangegangenen fünf Jahre (EMA 2019, 2020). In den ersten knapp zehn Jahren seit dem Inkrafttreten der EU-Kinderarzneimittelverordnung (Juli 2007 bis Dezember 2016) wurden insgesamt 950 PIPs durch das PDCO final bewertet, aus denen 221 neue pädiatrische Zulassungen hervorgingen (Mentzer 2017). Zuletzt – in den Jahren 2019, 2020 und 2021 – wurden 30, 50 bzw. 46 neue Medikamente und Applikationshilfen für Kinder und Jugendliche zugelassen (vfa 2022).

Der Ansatz der EU, durch Anreize für pharmazeutische Unternehmer auch die pädiatrische Zulassung alter Wirkstoffe mit abgelaufenem Patentschutz interessant zu machen (PUMA), indem bei der Zulassung einer pädiatrischen Darreichungsform oder Indikation eines bereits für Erwachsene zugelassenen Arzneistoffs ein zehnjähriger Patentschutz gewährt wird, zeigt jedoch nur begrenzte Erfolge (Rausch 2019; Riedel et al. 2016; BfArM o.J.b). Rund 15 Jahre nach Einführung haben in Deutschland nur sechs Arzneimittel eine PUMA-Zulassung erhalten (siehe Tab. 6.2; Rausch 2019).

Tab. 6.2 In Deutschland als PUMA zugelassene Arzneimittel. (Nach Moll 2019)

Hupfer untersuchte kürzlich, ob bzw. wie sich die regulatorischen Maßnahmen in der Versorgung von Kindern im ambulanten Sektor (pädiatrische Spezialambulanzen einer Universitätsklinik) im Verlauf von zehn Jahren auswirken. Auch diese Untersuchung bestätigt den ungenügenden Nutzen der gesetzlichen Vorgaben: Zwischen 2009 und 2019 konnten sich keine signifikanten Veränderungen bzgl. der Häufigkeit der Off-Label-Verordnungen in pädiatrischen Spezialambulanzen nachweisen lassen (2009: 49,7 % vs. 2019: 45,5 %, p = 0,105). Indikation, Dosierung und fehlende pädiatrische Informationen sind dabei nach wie vor die Hauptgründe für den Off-Label-Einsatz bei Kindern (Hupfer 2022).

2.1.2 PUMA-Zulassung und Zusatznutzen

Seitens der Industrie liegt der fehlende Erfolg der regulatorischen Maßnahmen vermutlich vorrangig in der Wirtschaftlichkeit begründet. Die Kosten für die Entwicklung und Prüfung einer PUMA liegen meist über den später zu erwartenden Einnahmen (Beneker 2020; Moll 2019; Wimmer et al. 2014). Ein Grund hierfür ist, dass PUMAs – anders als beispielsweise Orphan Drugs – mit der Zulassung nicht automatisch einen Zusatznutzen attestiert bekommen und damit Festbeträge und Rabattverträge drohen. Denn obwohl PUMAs einen bereits für Erwachsene zugelassenen Wirkstoff enthalten, unterliegen sie den Regelungen für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen und bedürfen daher einer frühen Nutzenbewertung durch den G-BA (Rausch 2019; Riedel et al. 2016).

Diese ergab beispielsweise für Alkindi® keinen Zusatznutzen (G-BA 2018). Das Hydrocortison-Granulat zur Ersatztherapie bei Nebenniereninsuffizienz ist ab Geburt bis unter 18 Jahre zugelassen und ermöglicht durch die Darreichungsform eine sehr präzise Dosierung. Zudem wurde der bittere Geschmack maskiert, um die Akzeptanz zu verbessern. Zuvor standen nur Rezepturen oder Tabletten mit 10 mg Wirkstoff zur Verfügung (Rausch 2019). Im Rahmen der frühen Nutzenbewertung wurde Hydrocortison in Form von Tabletten oder Rezepturen als zweckmäßige Vergleichstherapie angesehen (Rausch 2019; G-BA 2018). Im Vergleich der unterschiedlichen Zubereitungen von Hydrocortison sah der G-BA jedoch keine Anhaltspunkte für einen Zusatznutzen. Der laut der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) „enorme Vorteil für Kinder“ ist bei der Zulassung einer pädiatrischen Darreichungsform eines bereits zugelassenen Wirkstoffs jedoch nicht der Wirkstoff an sich, sondern die speziell auf pädiatrische Bedürfnisse zugeschnittene Darreichungsform, die bei der Bewertung keine bzw. keine ausreichende Berücksichtigung fand (Rausch 2019).

Bei Slenyto® (Melatonin als Retardtablette für Schlafstörungen bei Autismus-Spektrum-Störungen ab zwei Jahren) hingegen erkannte der G-BA einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen (Mende 2019). Die Entscheidung war jedoch knapp, denn der G-BA folgte hier nicht der Einschätzung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Dieses hatte anhand der vom pharmazeutischen Unternehmer eingereichten Daten, die auch Teil der Zulassungsunterlagen waren, die Datenlage für die Anerkennung eines Zusatznutzens als nicht ausreichend angesehen (Moll 2019; Mende 2019). Dies zeigt deutlich eine Problematik auf: Bei PUMAs handelt es sich um eine EU-weite Zulassung; die für die Bewertung des Zusatznutzens nötigen Studien sind jedoch nur in Deutschland erforderlich. Für die Anerkennung eines Zusatznutzens und der damit verbundenen, ggf. höheren Preisgestaltung für nur ein Land müssten zusätzliche Studien an pädiatrischen Patientinnen und Patienten durchgeführt werden. Immer wieder wird daher gefordert, dass der medizinische Zusatznutzen bereits durch die Zulassung als PUMA gegeben sein sollte, um sie in Deutschland für die pharmazeutische Industrie nicht wirtschaftlich unattraktiv werden zu lassen (Rausch 2019; Mende 2019).

Die Kosten für den Einsatz der PUMA-Arzneimittel sind aufgrund des Entwicklungsaufwands – und ggf. trotz fehlenden Zusatznutzens – höher als die Off-Label-Anwendung von Generika oder Rezepturen und belastet damit das Arzneimittelbudget der Ärztinnen und Ärzte (Beneker 2020). Dies schränkt die flächendeckende Verordnung von PUMA-Arzneimitteln zusätzlich ein und es werden weiterhin Rezepturen verordnet oder kostengünstigere Generika manipuliert (Wimmer et al. 2014; Wimmer und Rascher 2016; Zahn et al. 2020b).

2.2 Evidenzbasierte Informationen

Grundlage für eine gute Schulung und Information von Eltern und Patientinnen und Patienten sind evidenzbasierte Informationen für Ärztinnen und Ärzte bzw. weitere Leistungserbringende. In Deutschland stand bis vor kurzem kein national anerkanntes Standardwerk zur evidenzbasierten Verordnung von Arzneimitteln bei Kindern und Jugendlichen zur Verfügung. Ärztinnen und Ärzte waren daher bei der Versorgung von pädiatrischen Patientinnen und Patienten weitestgehend auf sich alleine gestellt. Vor allem im Off-Label-Bereich musste die/der Verordnende über viele Jahre hinweg die nötigen Informationen eigenständig einholen und die vorhandene wissenschaftliche Literatur hinsichtlich des Nutzen-Risiko-Verhältnisses individuell sichten und beurteilen. In verschiedenen anderen Ländern gab es dagegen bereits seit längerem Initiativen, um national harmonisierte und evidenzbasierte Informationen zur pädiatrischen Arzneimitteltherapie zur Verfügung zu stellen (Lenney 2015; van der Zanden et al. 2017; SwissPedDose 2021).

2.2.1 Kinderformularium.DE

Seit Anfang 2021 steht in Deutschland die vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Arzneimittel-Informationsplattform www.Kinderformularium.DE zur Verfügung (Zahn et al. 2021). Die unabhängige und kostenfreie Datenbank richtet sich an Angehörige der Heilberufe und baut auf dem etablierten niederländischen Pendant Kinderformularium.nl auf (van der Zanden et al. 2017). Dieses ist in den Niederlanden als Standard für pädiatrische Dosierungen seit über zehn Jahren anerkannt.

Kernstück von www.Kinderformularium.DE sind Wirkstoffmonographien mit evidenzbasierten pädiatrischen Dosierungsempfehlungen im zugelassenen, aber auch im Off-Label-Bereich (Abb. 6.36.4). Durch Letzteres unterscheidet sich die Datenbank von anderen, in Deutschland bereits zuvor verfügbaren Informationsquellen für die pädiatrische Arzneimitteltherapie, wie z. B. die ZAK-Datenbank (Zugelassene Arzneimittel für Kinder) (Schoettler 2009).

Abb. 6.3
figure 3

Screenshot der Dosierungsempfehlungen in der Wirkstoffmonographie Ibuprofen im Kinderformularium.DE (Stand 08/2022)

Abb. 6.4
figure 4

Screenshot der Dosierungsempfehlungen in der Wirkstoffmonographie Everolimus im Kinderformularium.DE (Stand 08/2022)

Außerdem findet sich in jeder Wirkstoffmonographie des Kinderformulariums jeweils ein Abschnitt zu den verfügbaren Handelspräparaten, der bei der Auswahl des geeigneten Präparats für die Behandelten unterstützt und hilfreiche Tipps zur Anwendung enthält (Zahn et al. 2021). Langfristiges Ziel ist es, hier auch Informationen zur sachgerechten Durchführung von Manipulationen zu implementieren, um risikobehaftete Manipulationen zu standardisieren und somit die Arzneimitteltherapiesicherheit in der Pädiatrie zu verbessern.

2.2.2 KiDSafe

Im Rahmen des durch den Innovationsfonds des G-BA geförderten Projektes KiDSafe wurde die Wirksamkeit von www.Kinderformularium.DE im Zusammenspiel mit regelmäßigen Schulungen und einem System zur systematischen Identifizierung von Arzneimittelnebenwirkungen untersucht (Förderkennzeichen 01NVF16021) (Neubert et al. 2019). Diese Qualitätssicherungsmaßnahme mit dem Ziel, die Versorgung von pädiatrischen Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln zu verbessern, wurde bei niedergelassenen Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten sowie Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiatern deutschlandweit implementiert und evaluiert.

Insgesamt konnte ein positiver Effekt auf die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Arzneimitteln gezeigt werden: Das Bewusstsein für die korrekte Anwendung von Arzneimitteln im Kindes- und Jugendalter wurde gestärkt, die Erkennung und der Umgang mit Nebenwirkungen geschult und die Sicherheit bei der Arzneimittelverordnung durch Bereitstellung von sonst seltenen bzw. fehlenden evidenzbasierten Informationen erhöht. Um den im KiDSafe-Projekt gezeigten positiven Effekt dieser Maßnahme auch im klinischen Alltag in Deutschland breit zu implementieren, muss die Nutzung von www.Kinderformularium.DE weiterverbreitet und es müssen entsprechende Fortbildungsveranstaltungen angeboten werden. Die Entwicklung und Etablierung der Datenbank wird durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) im Rahmen des Aktionsplans zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland gefördert; die Förderung läuft Ende 2022 aus. Langfristig kann die Datenbank nur erfolgreich bleiben, wenn die Finanzierung für die Pflege und Aktualisierung der Inhalte dauerhaft gesichert ist.

2.3 Elektronische Verordnungshilfen

Auch elektronische Verordnungshilfen (engl. computerised physician order entry (CPOE) systems) haben großes Potenzial, den Medikationsprozess in der Pädiatrie, insbesondere die ärztliche Verordnung (z. B. durch Vermeidung von Dosierungsfehlern infolge fehlerhafter Berechnungen, Nicht-Beachtung von Interaktionen, Auswahl einer falschen Arzneiform, bei der die Dosierung nicht abgemessen werden kann) und Dokumentation von Arzneimitteln im stationären Bereich zu verbessern (Fortescue et al. 2003; Kaushal et al. 2001; Neubert und Wimmer 2014; Standing und Tuleu 2005).

Ihre Einführung ebenso wie die Schnittstellenoptimierung werden dabei von internationalen Expertinnen und Experten als die zentralen Maßnahmen zur Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Krankenhäusern angesehen (WIdO 2014). In Verbindung mit integrierter Entscheidungsunterstützung (sog. clinical decision support (CDS) systems) und spezifischen pädiatrischen Funktionen, wie der körpergewichtsbezogenen Dosisberechnung gelten diese als Schlüssel zur Minimierung von Medikationsfehlern in der Pädiatrie (Fortescue et al. 2003; Wong et al. 2009; Council on Clinical Information Technology Executive Committee et al. 2013). Der Nutzen eines derartigen Systems für Kinderkliniken in Deutschland konnte mit einer prospektiven Vorher-Nachher-Untersuchung gezeigt werden. Wimmer et al. untersuchten über jeweils fünf Monate die papiergebundenen (Vorher-) bzw. die elektronischen (Nachher-)Patientenkurven auf das Vorliegen von unerwünschten Arzneimittelereignissen und fanden, dass der Einsatz dieses Systems die Inzidenz potenziell schädigender Medikationsfehler signifikant reduzieren konnte (56,7 % vs. 34,7 %; p < 0,001; RR 0,6 (95 % KI 0,5–0,7)). Insbesondere unvollständige Verordnungen und Dosierungsfehler wurden durch die Nutzung des CPOE-Systems reduziert. Einen Einfluss auf das Auftreten von vermeidbaren Nebenwirkungen infolge von Medikationsfehlern konnte aufgrund der zu geringen Fallzahl jedoch nicht gezeigt werden (Wimmer et al. 2022).

2.4 Fort- und Weiterbildung

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Wissen um die besonderen Anforderungen an die pädiatrische Arzneimitteltherapie zu vermitteln und die Angehörigen der Heilberufe dafür zu sensibilisieren.

Die im Rahmen des KiDSafe-Projekts angebotenen Qualitätszirkel zu verschiedenen Themen der Arzneimitteltherapie wurden von den Ärztinnen und Ärzten sehr gut angenommen. Knapp zwei Drittel der Teilnehmenden gaben an, dass sich durch den Besuch der Seminare die eigene Sicherheit bei der Medikamentenverordnung verändert hat (KiDSafe, unveröffentlichte Daten; Neubert et al. 2019).

Die neue Weiterbildungsordnung für Ärztinnen und Ärzte beinhaltet auch Themen der Arzneimitteltherapiesicherheit und die Universitäten Bonn, Heidelberg und Tübingen starten im Wintersemester 2022/2023 einen Masterstudiengang für Arzneimitteltherapiesicherheit.

Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) arbeitet ebenfalls an einem Seminarangebot vor allem für Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung mit besonderem Fokus auf Pädiatrie-spezifische Fragestellungen.

2.5 Best Practice durch internationale Initiativen

Auch international gibt es Initiativen, die auf eine Verbesserung der Arzneimittelversorgungssituation in der Pädiatrie abzielen.

Die Initiative „European Paediatric Formulary“ (PaedForm) hat beispielsweise zum Ziel, pädiatrische Rezepturen innerhalb der EU zu standardisieren und frei zur Verfügung zu stellen. Die Datenbank stellt eine sinnvolle Ergänzung zu den bereits bestehenden Datenbanken in Bezug auf die Vermeidung problembehafteter Manipulationen durch den Einsatz von standardisierten Rezepturarzneimitteln dar.

Bei der Durchführung von hochwertigen klinischen Studien als unerlässlichem Schritt zur Verbesserung der Arzneimitteltherapie pädiatrischer Patientinnen und Patienten setzt das pan-europäische Kooperationsnetzwerk c4c (conect4children) an. Es soll die Entwicklung neuer Arzneimittel und anderer Therapien für die gesamte pädiatrische Bevölkerungsgruppe erleichtern. Das Netzwerk unterstützt dabei, Kapazitäten für die Durchführung multinationaler pädiatrischer klinischer Studien aufzubauen und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Bedürfnisse von Kindern und ihren Familien berücksichtigt werden. Auch Deutschland ist in diesem Netzwerk vertreten. Das GermanNetPaeT, das durch das Dr. Margarete Fischer-Bosch-Institut koordiniert wird, vereint aktuell 20 pädiatrische bzw. kinder- und jugendpsychiatrische Studienzentren in Deutschland und wird sowohl durch das KKS-Netzwerk als auch durch die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin unterstützt.

Auch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat zu diesem Zweck ein Netzwerk aus Forschungseinrichtungen, Prüfärztinnen und -ärzten und Zentren mit anerkanntem Fachwissen zur Durchführung klinischer Studien an Kindern erschaffen (European Network of Paediatric Research at the European Medicines Agency (Enpr-EMA)).

3 Fazit

Trotz vielfältiger Maßnahmen und Bemühungen besteht nach wie vor ein großes Versorgungsdefizit bei der Arzneimitteltherapie von Kindern und Jugendlichen. Die europäische Kinderarzneimittelverordnung hat zu einem deutlichen Anstieg an klinischen Studien mit Kindern und Jugendlichen geführt. Eine Verbesserung im Sinne einer Reduktion von Off-Label-Anwendungen wurde bisher in wissenschaftlichen Arbeiten nur sehr bedingt nachgewiesen. Es gibt eine Reihe von vielversprechenden Maßnahmen wie die Etablierung einer evidenzbasierten Datenbank für Kinderarzneimittel oder die Einrichtung eines National Hub für klinische Studien im Rahmen der europäischen Initiative c4c, deren langfristiger Erfolg jedoch von einer finanziellen Verstetigung abhängt.

Die Bündelung von Kompetenzen, beispielsweise in einem Referenzzentrum für pädiatrische Arzneimitteltherapie und Pharmakovigilanz als Anlaufstelle für die Belange der pädiatrischen Pharmakotherapie, könnte einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass Kinder und Jugendliche flächendeckend von der bestverfügbaren Evidenz profitieren.

Zum einen würde ein solches Zentrum dabei als Ansprechpartner für Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apothekern sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei Fragen zur pädiatrischen Arzneimitteltherapie dienen. Zum anderen würde es als Referenzzentrum für Fragen zum Nutzen (Wirksamkeit) und Schaden (unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Medikationsfehler) von Arzneimitteln bei Kindern und Jugendlichen fungieren.

Eine ähnliche Einrichtung gibt es für Arzneimittel in der Schwangerschaft (Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für EmbryonaltoxikologieFootnote 1), die sich zwischenzeitlich dauerhaft in Deutschland etabliert hat.

Es bleibt langfristig unerlässlich, den kleinsten Patientinnen und Patienten mehr Aufmerksamkeit zu schenken, um die pädiatrische Arzneimittelversorgung nachhaltig zu verbessern.