Um sowohl Treibhausgas-Emissionen zu verringern als auch Kraftstoffressourcen zu schonen, wird zunehmend an einer Transformation konventionell angetriebener Kraftfahrzeuge hin zu elektrifizierten Antriebskonzepten gearbeitet. Basierend auf herkömmlichen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor wurde eine Vielzahl neuer Antriebssysteme mit verschiedenem Elektrifizierungsgrad entwickelt. Mitte der 1990er-Jahre kamen erste Fahrzeuge mit einem Hybridantrieb auf den Markt. Die Kombination aus Verbrennungs- und Elektromotor erlaubt eine Verbrauchsreduktion und Bremsenergierückgewinnung sowie lokal emissionsfreies Fahren.Footnote 1

Hybridfahrzeuge (Hybrid Electric Vehicle – HEV) werden, wie in Abb. 5.1 dargestellt, drei Kategorien zugeordnet. Bei einem parallelen Hybridantrieb sind Verbrennungsmotor und Antriebsachse mechanisch miteinander verbunden; der Elektromotor hat dabei eine unterstützende Funktion. Der Verbrennungsmotor bei einem seriellen hybridelektrischen Fahrzeug hingegen treibt das Fahrzeug nicht direkt über eine mechanische Verbindung an: Stattdessen wird eine Batterie geladen, die einen Elektromotor versorgt. Eine Kombination beider Systeme wird als „Mischhybrid“ oder „‚Power Split‘-Hybrid“ bezeichnet. Diese klassischen Hybridfahrzeuge erhalten elektrische Energie für den Betrieb des Elektromotors lediglich aus der mechanischen Energie des Verbrennungsmotors oder aus der Rekuperationsenergie. Um die Batterien unabhängig laden zu können, entstanden Plug-in-Hybridfahrzeuge (PHEV), die sich mit einem Stecker extern laden lassen. Auch die Plug-in-Hybride können in die drei Gruppen „parallel“, „seriell“ und „Power Split“ eingeteilt werden. Hybridfahrzeuge mit kleinen Verbrennungsmotoren werden als „Elektrofahrzeuge mit Range Extender“ bezeichnet.Footnote 2

Abb. 5.1
figure 1

Schematische Darstellung unterschiedlicher Antriebstechnologien. (Vgl. Pischinger 2020)

Eine weitere Unterscheidungsform von Hybridfahrzeugen ist die Einteilung in Mikro-, Mild-, und Voll-Hybrid. Während Mikro-Hybride nur über eine geringe elektrische Leistung und Batteriekapazität verfügen, nimmt der Hybridisierungsgrad über den Mild-Hybrid bis zum Voll-Hybrid und Plug-in-Hybrid stetig zu, wie in Abb. 5.2 dargestellt.Footnote 3

Abb. 5.2
figure 2

Hybridarten in Anlehnung an Karle (2021). (Vgl. Karle 2021)

Darüber hinaus liegt ein weiteres wichtiges Unterscheidungsmerkmal elektrisch angetriebener Fahrzeuge in der Topologie des Antriebssystems. Ein zentral angeordneter Motor ermöglicht eine Integration in ein bestehendes Fahrzeug ohne große Veränderungen der Karossiere. Der konventionelle Verbrennungsmotor mit herkömmlichem Getriebe und Kraftstofftank kann durch den Elektromotor und dessen Getriebe sowie die Batterie ersetzt werden. Das senkt die Entwicklungskosten, da auf einem bestehenden Fahrzeug aufgebaut werden kann. Die Verluste, die zum Beispiel im Differenzialgetriebe auftreten, führen insgesamt zu einem um zwei bis drei Prozent niedrigeren Wirkungsgrad gegenüber Radnabenmotoren oder radnahen Motoren, die auf der Antriebswelle sitzen. Es kann ein einzelner Motor oder es können mehrere Motoren verbaut werden. Eine individuelle Ansteuerung bei mehreren Motoren ermöglicht das Weglassen eines Differenzialgetriebes und führt zu verbesserten Fahreigenschaften sowie gesteigerter Effizienz. Im Vergleich zu Radnabenmotoren erhöht sich bei größeren radnahen Motoren nicht die ungefederte Masse. Radnabenmotoren hingegen sind direkt in das Rad eingebaut und tragen die Radnabe. Auch bei Radnabenmotoren ist ein Differenzialgetriebe nicht notwendig und individuell angesteuerte Motoren verbessern die Fahreigenschaften sowie die Effizienz. Außerdem können Fahrassistenzsysteme wie ABS, ASR und ESP schneller und präziser arbeiten, was jedoch zu einem erhöhten Steuerungsaufwand führt. Die durch die Motoren erhöhte ungefederte Masse und der begrenzte Bauraum innerhalb des Rades stellen die erheblichen technischen Herausforderungen dieser Antriebsanordnung dar. Abb. 5.3 vergleicht die drei Antriebstopologien mit den beschriebenen Vorzügen und Nachteilen.Footnote 4

Abb. 5.3
figure 3

Gegenüberstellung der Topologie des Antriebsstrangs von Elektrofahrzeugen

Mit dem Komplexitätszuwachs des Antriebssystems geht auch eine deutlich erweiterte Fahrzeugperipherie einher. Das elektrische Antriebssystem benötigt Hochvoltleitungen, Umrichter und DC/DC-Wandler, um die Nebenaggregate mit niedrigeren Spannungen zu versorgen (vgl. Abb. 5.4). Eine große technische Herausforderung für elektrisch angetriebene Fahrzeuge ist das Thermomanagement. Es müssen verschiedene Temperaturniveaus erreicht und gehalten werden, um eine größtmögliche Effizienz und Sicherheit zu gewährleisten.Footnote 5

Abb. 5.4
figure 4

Fahrzeugperipherie eines elektrischen Antriebssystems

1 „Conversion Design“ vs. „Purpose Design“ für Elektrofahrzeuge

Der Entwicklung elektrischer Fahrzeuge liegen zwei Design-Ansätze zugrunde. Das „Conversion Design“ integriert die elektrischen Antriebskomponenten in bereits bestehende, konventionell angetriebene Fahrzeuge. Beim „Purpose Design“ hingegen wird ein elektrisch angetriebenes Fahrzeug komplett neu entwickelt.Footnote 6

Das „Conversion Design“ nutzt ein bestehendes Fahrzeugkonzept als Entwicklungsbasis für ein elektrisch angetriebenes Fahrzeug. Ziel dieses Ansatzes ist ein schneller Markteintritt. Ein wichtiger Vorteil besteht in den geringeren Entwicklungs- und Investmentkosten. Fahrzeuge im „Conversion Design“ lassen sich in bestehende Produktionslinien herkömmlich angetriebener Kraftfahrzeuge integrieren, so dass sie von Synergieeffekten profitieren. Außerdem können die Kundenbindungen an bestehende Fahrzeugmodelle genutzt werden. Nachteilig wirken sich hingegen potenziell auftretende zusätzliche Kosten durch Änderungen der Fahrzeugstruktur aus. Die Unterbringung der Batterie in einem konventionellen, zerklüfteten Unterboden führt zu wesentlichen Neukonzeptionen und Neuplanungen. Wichtige Komponenten wie Kühlung, Bremsmodul und Lenkassistent müssen an ein elektrisches Fahrzeug angepasst werden und die Fertigung ist in eine bestehende Produktionslinie zu integrieren. Diese Anpassungen sind allerdings limitiert, ebenso wie die konstruktiven Möglichkeiten bei der Fahrzeugentwicklung. Daher werden neue Produktionslinien notwendig, um die erhöhte Elektrofahrzeug-Nachfrage bedienen zu können. Dies ist mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden.Footnote 7,Footnote 8,Footnote 9

Das „Purpose Design“ bietet einen anderen Entwicklungsweg. Dabei wird um den elektrischen Antriebsstrang herum ein neues Fahrzeug entwickelt. Dies ermöglicht Kosteninnovationen, da die Entwicklung auf die spezifischen Anforderungen und Vorteile des elektrischen Antriebsstrangs fokussiert werden kann. Es bietet den Entwicklern und Konstrukteuren größere Freiheiten, um Kosteninnovationen bei der Fahrzeugkonzept- und Package-Auslegung zu erzielen. Die besser den Anforderungen eines elektrischen Fahrzeugs entsprechende Konstruktion und Produktion führen zu optimierten Fahreigenschaften und effizienterem Leichtbau. Während das Fahrzeugkonzept den Entwurf einer Produktidee mit Fokus auf die Grundmerkmale darstellt – unter anderem Fahrzeuggrundform, Hauptabmessungen, Anzahl der Sitzplätze –, wird im Zuge der Package-Auslegung die Ausarbeitung des Konzepts während der Entwicklung sowie die Abstimmung kundenrelevanter, gesetzlicher und qualitätssichernder Aspekte umgesetzt. Neben Kunden- und Marktanforderungen üben die Wettbewerbsprodukte und die Positionierung des Herstellers im Markt einen großen Einfluss auf das Fahrzeugkonzept und das Package aus. Weitere beeinflussende Faktoren sind der Einsatzbereich und das Sicherheitskonzept des Fahrzeugs. Die konstruktiven Freiheitsgrade des „Purpose Design“ ermöglichen es, die Fahrzeugplattform und die Fertigung gezielt für eine Produktfamilie mit einer Vielzahl von Derivaten auszulegen. Dabei bietet die Elektromobilität mit den hinsichtlich Größe und Kontur geometrisch einfacheren Komponenten „Elektromotor“ und „Batterie“ die Chance, eine Fahrzeugplattform zu entwickeln, die – mit unterschiedlichen Aufbauvarianten versehen – vielfältige Fahrzeugkonzepte hervorbringen kann. Da im Fahrzeug weder Verbrennungsmotor noch Tank untergebracht werden müssen, sondern vergleichsweise kleine Elektromotoren im Achsbereich sowie Batterien im Unterboden eingesetzt werden, kann der Fahrzeugraum deutlich flexibler und effektiver genutzt werden als bei konventionellen Antriebskonzepten. Aufgrund des größeren Gewichts der Batterie im Unterboden im Vergleich zum Verbrennungsmotor liegt der Schwerpunkt niedriger und führt zu einer erhöhten Fahrstabilität.Footnote 10,Footnote 11,Footnote 12

Das „Purpose Design“ führt zu erhöhten Entwicklungs- und Investmentkosten. Daher sollte es vor allem bei großen angestrebten Stückzahlen als Design-Grundlage verwendet werden. Die besseren Fahrzeugeigenschaften müssen umfassend mit den entstehenden Kosten abgewogen werden. Außerdem führen unbekannte Marktentwicklungen und längere Entwicklungsperioden zu Unsicherheiten beim „Purpose-Design“-Ansatz. Tab. 5.1 stellt die Unterschiede zwischen „Conversion Design“ und „Purpose Design“ dar.

Tab. 5.1 Gegenüberstellung von „Conversion Design“ und „Purpose Design“

2 Package für Elektrofahrzeuge

Das Fahrzeug-Package muss zahlreiche Anforderungen an Bauraum, Ergonomie, Gesamteigenschaften und Fahrzeugdesign miteinander in Einklang bringen. Es begleitet den gesamten Entwicklungsprozess von der Idee eines Fahrzeugs bis hin zur Serienfertigung. Das Packaging-Konzept wird während der Entwicklung schrittweise optimiert und dient der Überprüfung der technischen Machbarkeit sowie dem geometrischen Zusammenspiel aller Komponenten. Eine zentrale Aufgabe des Packages ist es, während jeder Entwicklungsphase exakte Bauraumgeometrien zu verwalten und einen reibungslosen Entwicklungsprozess zu gewährleisten.Footnote 13,Footnote 14

Das Package ist immer eine Abwägung verschiedener Fahrzeugschwerpunkte. Eine hohe Sicherheit, insbesondere der HV-Komponenten, steht in Konflikt mit effizientem Leichtbau und den für die Konsumierenden tragbaren Kosten. Eine vereinfachte Herstellbarkeit eines zentralen Packages optimiert den Fertigungsprozess und die anfallenden Kosten, führt aber zu einem erhöhten Wartungsaufwand. Es müssen rechtliche Rahmenbedingungen wie zum Beispiel die Einhaltung der Sichtfelder erfüllt sowie die Sicherheit innerhalb und außerhalb des Fahrzeugs gewährleistet sein. Das Thermomanagement des Antriebssystems und der Hochvoltkomponenten sowie die elektromagnetische Verträglichkeit der Peripherie und Leistungselektronik müssen stets sichergestellt werden, um ein einwandfrei arbeitendes Produkt zu entwickeln. Komfort- und Akustikanforderungen des Nutzenden müssen mit einem attraktiven Design und ebensolchen Fahreigenschaften verknüpft werden. Das Ergebnis einer Design-Trendbestimmung muss allerdings stets mit den technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten abgeglichen werden. Die Herausforderung des Packages besteht darin, eine ideale Gesamtfahrzeuglösung innerhalb der technischen, finanziellen und dimensionalen Vorgaben umzusetzen.Footnote 15

Die ersten CAD-Modelle des Package-Entwurfs werden grundlegend bestimmt von den Abmaßen, die durch die Marktpositionierung des Fahrzeugs vorgegeben sind, sowie von den rechtlichen Vorgaben, den Komfort- wie Sichtanforderungen des Sitz-Packages, vom Strukturentwurf sowie von den Komponenten und der Topologie des Antriebsstrangs und des Fahrwerks. Der angestrebte Elektrifizierungsgrad des Kraftfahrzeugs ist entscheidend für ein geeignetes Package-Konzept. Ein hybridelektrisches Fahrzeug mit Heckantrieb benötigt beispielsweise eine Kardanwelle und ein Differenzialgetriebe. Bei vollelektrischen Fahrzeugen entfallen diese Komponenten und bieten Platz für die Hochvoltbatterie im Fahrzeugunterboden. Die zunehmende Elektrifizierung führt zu einer Reihe neuer Komponenten, die in das Fahrzeug integriert werden müssen: Batteriesysteme, elektrische Motoren, Umrichter, DC/DC-Wandler zur Versorgung von Peripherie und Assistenzsystemen, Ladeinfrastruktur, Hochvolt-Bordnetz und ein ausgereiftes Thermomanagement machen ein neuartiges Package-Konzept notwendig.Footnote 16,Footnote 17

2.1 Batterieelektrische Fahrzeuge

Die bestimmende Komponente für die Auslegung des Package-Entwurfs ist das Batteriesystem. Eine Positionierung unterhalb des Sitz-Packages wirkt sich wegen der Größe und des Gewichtes der Batteriezellen positiv auf den Fahrzeugschwerpunkt aus. Diese Anordnung ist aus sicherheitstechnischen Gründen sinnvoll, da eine Feuerschutzwand zwischen Batterie und Fahrerkabine eingebaut werden kann. In vollelektrischen Fahrzeugen existieren drei Integrationskonzepte für das Batteriesystem:

  • Sandwichbodenintegration

  • T-Shape-Anordnung

  • Verteilte Anordnung

Die Sandwichbodenintegration ermöglicht einen großen zusammenhängenden Bauraum zur sicheren Integration der Batterie in das Fahrzeug. Die einfache geometrische Form ermöglicht eine Modularisierung, welche die Wartbarkeit verbessert und eine produktspezifische Skalierbarkeit bietet. Dies erzeugt Synergieeffekte zwischen verschiedenen Fahrzeugmodellen und Produktionslinien. Allerdings führt diese Batterieanordnung zu einem leicht höheren Fahrzeuggewicht im Vergleich zu Batterieanordnungen in T-Shape oder zu verteilten Topologien. Die T-Shape-Anordnung nutzt den Getriebetunnel sowie den Bauraum unterhalb der Rücksitzbank für das Batteriesystem, so dass es eine T-Form annimmt. Die verteilte Anordnung nutzt den Bauraum unterhalb der Sitze sowie des Kraftstofftanks konventioneller Fahrzeuge. Diese Anordnung wird vor allem bei „Conversion-Design“-Entwicklungen genutzt. Alle drei Topologien werden auf den Seitencrash – besonders Pfahlaufprall – ausgelegt. Es muss dabei stets das Ziel sein, eine Beschädigung des Batteriesystems zu verhindern. Ein gutes Package-Konzept muss daher eine Deformationszone mit Crash-Elementen um das Batteriesystem vorsehen. Abb. 5.5 zeigt verschiedene Package-Entwürfe für Batteriesysteme unterschiedlicher Fahrzeugtypen.Footnote 18

Abb. 5.5
figure 5

Topologie der Karosseriebodengruppen in Abhängigkeit vom Batteriepack. (Vgl. Kampker et al. 2018)

2.2 Brennstoffzellenfahrzeuge

Viele große Automobilhersteller entwickeln Brennstoffzellenfahrzeuge für eine emissionslose Mittel- und Langstreckenmobilität. Solche Fahrzeuge müssen in ihrem Packaging-Konzept zusätzliche Komponenten wie einen Betriebsmitteltank, Pumpen, Kühlkreisläufe und eine Hochdruck-Tankvorrichtung berücksichtigen. Stand der Technik ist für den Wasserstofftank ein zylindrischer 700-bar-Druckgasspeicher. Die zylindrische Geometrie erschwert das Package und benötigt viel Bauraum, so dass bereits intensiv an Kryokompressions- und Sorptionsspeichern geforscht wird. Üblicherweise wird für Brennstoffzellen-Pkw der Bauraum unter der Rücksitzbank für den Betriebsmitteltank – in der Regel mit Wasserstoff – und eine kleine Batterie genutzt. Unter den Vordersitzen befindet sich in diesem Fall die Brennstoffzelle. Brennstoffzellenbusse und Schienenfahrzeuge platzieren Wasserstofftanks, Batterie, Brennstoffzelle und Kühlsystem häufig auf dem Fahrzeugdach.Footnote 19

Die Vielzahl unterschiedlicher Temperaturniveaus von Zelle, Umrichter, Motor und Leistungselektronik oder auch die aufwendige Kühlung von Brennstoffzellenfahrzeugen machen ein komplexes Kühlsystem und Thermomanagement unerlässlich (vgl. Abb. 5.6). Die Batteriezellen müssen für eine optimale Effizienz exakt am Betriebspunkt von bis zu 60 °C gehalten werden. Ein Überschreiten dieser optimalen Betriebstemperatur verringert die Lebensdauer der Zelle und führt im schlimmsten Fall zu ihrer Zerstörung. Motoren und Umrichter weisen deutlich höhere Temperaturniveaus von bis zu 100 °C auf. Folglich müssen beim Package separate Kühlkreisläufe eventuell mit eigenen Radiatoren vorgesehen werden. Pumpen und Steuerelektronik für den Kühlkreislauf erhöhen das Fahrzeuggewicht und reduzieren die elektrische Leistung des Gesamtfahrzeugs.Footnote 20

Abb. 5.6
figure 6

Prinzipdarstellung der verschiedenen Kühlkreisläufe des Kühlsystems eines Elektrofahrzeuges

Ein Vorteil der zentralen Anordnung des Energiespeichers und der Hochvoltkomponenten ist die daraus resultierende Flexibilität der Antriebstopologie. Die derzeit häufigste Topologie stellt eine Zentralmaschine mit Reduktionsgetriebe und mechanischem Differenzial im Front- beziehungsweise Heckantrieb dar. Fahrdynamisch weist der Heckantrieb Vorteile gegenüber dem Frontantrieb auf, hat aber meistens einen kleineren Kofferraum zur Folge. Bei einer Zentralmaschine muss der erhöhte Bauraumbedarf durch das Differenzialgetriebe berücksichtigt werden. Radnahe Motoren und insbesondere Radnabenmotoren bieten durch ihre dezentrale Trennung mehr konstruktive Freiheiten als Zentralmotoren und vereinfachen dadurch das Package-Konzept. Eine vollständige Integration des Motors in das Rad als Radnabenantrieb maximiert die Packaging-Freiheiten.

Die Elektrifizierung des Antriebsstrangs bringt neben einer Vielzahl von Assistenzsystemen neue Steuer- und Leistungselektronik in das Fahrzeug. Diese Peripherie ist bei der Auslegung des Packages zu berücksichtigen. Steuergeräte, Sensorik, Aktorik und Thermomanagement müssen im Fahrzeug platziert und möglichst leicht, sicher, kostengünstig sowie produktions- und wartungsfreundlich angeordnet werden. Kurze Kabelwege verringern das Gewicht und erleichtern die Produktion. Elektromagnetische Verträglichkeit muss für jede Kommunikations- und Hochvoltleitung sichergestellt werden.

3 Body für Elektrofahrzeuge

Die Fahrzeugkarosserie bildet als größte funktionale und organisatorische Systemeinheit ein zentrales Kompetenzfeld der OEMs. Für den Fahrzeugproduzenten stellt der Karosserierohbau eine hohe Kernkompetenz sowohl in der Produktentwicklung als auch in der Fertigung dar. Innovative Karosseriebauweisen – etwa aufgrund eines neuen Fahrzeugkonzepts oder neuer Anforderungen – bedeuten für den OEM gleichzeitig auch die intensive Auseinandersetzung mit Kompetenzfokussierung und Wertschöpfungsverlagerungen. Für ein neues Großserienfahrzeugmodell sind teilgebundene Investitionen zur Fertigung der einzelnen Karosserieblechpressteile mit mehr als 300 Mio. € nicht unüblich. Selbst neue Fahrzeugkarosserien mit hohen Übernahmeanteilen aus bereits existierenden Fahrzeugmodellen fordern Werkzeuginvestitionen von mindestens 10 % einer kompletten Neuentwicklung. Auch für klassische Kleinserienkarosserien von bis zu 10.000 Fahrzeugen pro Jahr in entsprechender profillastiger Aluminiumbauweise fallen teilgebundene Investitionen von fünf bis 20 Mio. € an.Footnote 21 Für einen OEM bildet die Karosserie eines neuen Fahrzeugmodells somit eine wesentliche Säule der Kapitalbindung.

Eine konventionelle Karosserie interagiert maßgeblich mit dem Fahrzeug- und Kundennutzungskonzept, dem Fahrzeugdesign und der Produktionsstrategie. Das Karosseriekonzept reagiert mit seinen Funktionseigenschaften auf die Fahrzeughauptattribute und wird auf Basis einer Vielzahl von geometrischen, mechanischen und elektrischen Anforderungsprofilen entwickelt. Die Elektrifizierung des Antriebsstrangs führt zu einer Reihe neuer Bedarfe an die Fahrzeugkarosserie elektrisch angetriebener Fahrzeuge, die teilweise in Konflikt zueinander stehen. Ein effizienter Leichtbau ist von großer Bedeutung, um die im Vergleich zu herkömmlichen Kraftstoffen geringere Energiedichte von Batterien auszugleichen. Ebenso muss die aktive und passive Sicherheit von Fahrzeuginsassen und elektrischem Antriebsstrang zu jedem Zeitpunkt gewährleistet sein. Insbesondere die Energiespeicher – etwa eine Lithium-Ionen-Batterie oder ein Wasserstoff-Druckgasspeicher – sind sicherheitskritische Bauteile und müssen mit einer ausreichenden Crash-Struktur mit Deformationselementen gesichert sein. Auslegungs-Crash ist dabei meist der Pfahlaufprall. Die Bedienung und Ergonomie sowie die Akustik, Vibrationen und die Klimatisierung tragen zu den Komfortmerkmalen einer Karosserie bei und sind wie das Fahrzeug- und Karosseriedesign ein wichtiges Kaufkriterium. Karosserien für elektrisch angetriebene Fahrzeuge müssen ausreichend Kühlmöglichkeiten für das komplexe Thermomanagement bieten. Außerdem müssen die Produktions- und Materialkosten gering gehalten werden und für größere Serien ist ein hoher Automatisierungsgrad anzustreben.

3.1 Eigenschaftsmanagement von Elektrofahrzeugkarosserien

Die ersten Automobilkarosserien wurden an einem Rahmengestell befestigt, da das Fahrgestell stabil, einfach zu fertigen und als Basis für weitere Karosseriebauteile verwendet werden konnte. Diese Bauweise ist heute hauptsächlich bei Lastkraftwagen üblich, da ein Fahrgestell mit verschiedenen Aufbauten versehen werden kann. Im Personenkraftfahrzeugbereich ist diese Rahmenbauweise in den 1950er-Jahren durch die selbsttragende Karosserie abgelöst worden. Die selbsttragende Karosserie, auch „Monocoque“ genannt, bildet die Aufnahme für die wichtigsten Aggregate im (Elektro-) Fahrzeug. Fahrzeugkarosserien müssen eine Vielzahl von teilweise in Konflikt zueinander stehenden Eigenschaften – etwa effizienten Leichtbau gegenüber effektivem Insassen- und Fußgängerschutz – miteinander in Einklang bringen.Footnote 22

Dies wird durch das sogenannte Eigenschaftsmanagement zu Beginn der Entwicklungsphase erreicht. Die Fahrzeugkarosserie interagiert in sehr hohem Maße mit einer Reihe von Komponenten, Produktions- und Design-Ansätzen sowie insbesondere den Kundenwünschen. Aus diesem Grund ist die Karosserieentwicklung neben der Fahrdynamikauslegung eine Kernkompetenz von Fahrzeugherstellern. Elektrisch angetriebene Fahrzeuge stellen einerseits zusätzliche (elektrische) Anforderungen an die Karosserieeigenschaften – beispielsweise jederzeit gewährleistete elektrische Sicherheit. Andererseits erhöhen sie das Konfliktpotenzial klassischer Eigenschaften wie hoher Crash-Sicherheit mit einer großen Deformationszone gegenüber notwendigem Leichtbau, um kundengewünschte Effizienz und Reichweiten zu realisieren. Neue Materialien wie faserverstärkte Kunststoffe müssen verarbeitet werden, ohne die Herstellbarkeit, Wartbarkeit und Automatisierbarkeit zu reduzieren. Weitere kundenrelevante Anforderungen spiegeln sich in den Akustik- und Komforteigenschaften wider. Außerdem müssen produktionsspezifische Kriterien der Karosserie erfüllt werden – zum Beispiel eine einfache Zusammenbauweise, um Fehler zu vermeiden. Gute Zugänglichkeit und Automatisierbarkeit bei gleichzeitig hoher Prozessgüte stellen OEMs vor immer neue Herausforderungen. Synergieeffekte mit bestehenden Fertigungslinien durch eine geringe Teilevielfalt müssen genutzt werden, um die Gesamtkosten niedrig zu halten. Zentrale Aufgabe des Eigenschaftsmanagements ist es, diese Vielzahl teils komplementärer Anforderungen zu gewichten und ein optimales Verhältnis dieser Eigenschaften zu erzeugen.Footnote 23

Die technischen Eigenschaften werden in der Praxis oft mittels einer Fahrzeug(-karosserie)-Interaktionsmatrix visualisiert (vgl. Abb. 5.7). Dabei werden Fahrzeugeigenschaften gegenüber allen Kriterien aufgetragen und Haupt-, Neben- sowie geringe Einflüsse kenntlich gemacht. Das Management kundenspezifischer Eigenschaften wird häufig mit dem „Quality Function Deployment“ oder einem Morphologischen Kasten dargestellt und mit den technischen Eigenschaften der Karosserieinteraktionsmatrix abgestimmt.Footnote 24

Abb. 5.7
figure 7

Fahrzeuginteraktionsmatrix (in Anlehnung an Kampker et al. (2018)). (Vgl. Kampker et al. 2018)

Elektrisch angetriebene Fahrzeuge haben in ihren Leistungskriterien einen anderen Fokus als konventionelle Fahrzeuge. Leichtbau, hohe Sicherheit und verbesserte Brems- und Rekuperationssysteme werden im Zuge des höheren Fahrzeuggewichts zunehmend relevanter. Hohe Effizienz und Reichweiten können nur durch eine ausgewogene Kombination der Fahrzeugeigenschaften wie Leichtbau und Rekuperation erzielt werden. Ein genau abgestimmtes Management dieser Leistungsmerkmale ist von außerordentlicher Bedeutung, da das optimale Vorhandensein einer Eigenschaft unter Vernachlässigung anderer Kriterien nicht zum bestmöglichen Produkt führt. Rekuperation ersetzt keineswegs effizienten Leichtbau, da nur ein kleiner Teil der Bremsenergie rekuperiert werden kann. Thermische und mechanische Verluste limitieren die Rekuperationsrate. Je schwerer das Fahrzeug, desto mehr Energie muss für seine Beschleunigung aufgewendet werden. Im Gegensatz dazu liegt die Reichweitenerhöhung durch die Rekuperation bei 10 bis 15 %. Aufgrund zahlreicher Verluste beträgt der Kettenwirkungsgrad (Rad bis Batterie) in der Regel weniger als 50 %.Footnote 25 Sowohl Simulationen als auch Tests haben gezeigt, dass das Gewicht und die Batteriegröße den Haupteinfluss auf die Reichweite von Elektrofahrzeugen haben. Dem Fahrstil – und damit der Rekuperation – wird ebenfalls ein signifikanter Einfluss zugesprochen, obgleich Segeln hier einen größeren Effekt hat als Rekuperation.Footnote 26,Footnote 27

Die Möglichkeiten des Eigenschaftsmanagements sind von dem gewählten Fahrzeugdesign-Ansatz und den damit verbundenen Freiheitsgraden abhängig. Bei im „Conversion Design“ umgewidmeten Fahrzeugen ist die Vielfalt teilweise konkurrierender Eigenschaften eher begrenzt und durch die starren Vorgaben eingeschränkt. Während das „Conversion Design“ zunehmend vom „Purpose Design“ oder „Inline Design“ abgelöst wird, wobei die Konstruktion eines Fahrzeugs sowohl einen Verbrennungsmotor als auch einen Elektromotor vorsieht, entwickeln sich auch der Karosseriebau und die damit verbundenen Leistungskriterien elektrisch angetriebener Fahrzeuge aus dem modernen Fahrzeugbau.Footnote 28

3.2 Evolution aus dem modernen Fahrzeugbau

In der Elektromobilproduktion stellen die Kosten einen noch wesentlicheren Faktor dar als bei klassisch angetriebenen Fahrzeugen. Maßgeblich für die Produktionskosten pro Fahrzeug ist die Größe der Produktionsserie. Diese wird wiederum massiv durch den erwarteten Absatz bestimmt. Genaue Absatzprognosen für elektrisch angetriebene Pkw-Modelle sind aktuell noch schwierig zu treffen. Der Grund liegt in zahlreichen Unsicherheitsfaktoren, unter anderem in der Kundenakzeptanz infolge von Strom- und Kraftstoffpreisen oder staatlichen Prämien.Footnote 29

Schwierige Absatzprognosen haben bisher dazu geführt, dass elektrisch angetriebene Pkw in kleineren Produktionsgrößen im „Conversion Design“ hergestellt wurden, um Entwicklungskosten zu sparen. Folglich orientierten sich „Conversion-Design“-Elektrofahrzeuge bislang an klassischen Karosseriebauweise- und Werkstoffen. Dadurch nutzen viele Fahrzeughersteller die vorhandene selbsttragende Stahlkarosserie oder die Aluminium-Space-Frame-Bauweise, die auch bei herkömmlichen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zum Einsatz kommen. Darüber hinaus gewinnen Hybridbauweisen aus Stahl, Aluminium und faserverstärkten Kunststoffen eine immer größere Bedeutung im Karosseriebau. Faserverstärkte Kunststoffe haben sich in den vergangenen Jahren von einem exklusiven Material aus dem Motorsport und Flugzeugbau zu einem gängigen Material für elektrisch und konventionell angetriebene Pkw entwickelt, da die Eigenschaften der Stabilität und der Leichtigkeit sich in moderne Fahrzeuge gut integrieren lassen. Die hohen Kosten und die geringe Automatisierbarkeit der Fertigung bremsen indes den Durchbruch am Fahrzeugmarkt.Footnote 30

Neben neuen Materialien und Bauweisen hat sich mit dem Karosseriedesign-Ansatz auch die (Karosserie-) Produktion selbst verändert. Bei Fahrzeugen verschiedener OEMs lässt sich eine Evolution der Strategien zur Standardisierung und Nutzung von Synergieeffekten erkennen: Während Anfang der 1990er-Jahre ein Konzept mit einer Plattform pro Fahrzeugtyp genutzt wurde, entwickelte sich Anfang der 2000er eine Plattform- und Modulstrategie zur Synchronisierung wichtiger Basisfunktionen zwischen den Fahrzeugmodellen. Standardisierte Modulfamilien waren das Fahrwerk oder der Aufbau mit Karosserie und Ergonomie. An die Stelle der Plattform- und Modulfamilienstrategie trat 2012 der Modulare Querbaukasten (MQB) für Fahrzeuge mit quer positionierten Motoren. Neben „Purpose Design“-Modellen produzierten einige OEMs auch „Inline-Design“-Fahrzeuge nach dem modularen Baukastensystem. Mit Beginn der Serienfertigung von „Purpose-Design“-BEV wurde für diese Modelle aus dem MQB der „Modulare E-Antriebs-Baukasten“ (MEB).Footnote 31,Footnote 32

Eine Evolution ist außer in der Modularisierungs- und Plattformstrategie auch in der Design-Strategie sichtbar. Wurden zu Beginn der Elektrifizierung Mitte der 2000er-Jahre Fahrzeuge vornehmlich im „Conversion Design“ umgewidmet, so werden aktuelle Modelle, dem Trend folgend, direkt mit elektrischem Antrieb ausgelegt. Abgasreduktionsvorgaben machen eine Konstruktion rein elektrischer Fahrzeuge („Purpose Design“) oder elektrischer Derivate („Inline Design“) von Pkw mit Verbrennungsmotor, Hybridantrieb oder „Range Extender“ unabdingbar und lösen das klassische „Conversion Design“ ab.

3.3 „Conversion Design“

Die Strategie des „Conversion Design“ besteht darin, eine bestehende Produktvariante mit wenigen Änderungen in eine andere Variante zu überführen. Diese Methode kommt bei der Umrüstung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor auf Fahrzeuge mit Elektroantrieb zum Einsatz. Dabei werden sämtliche Komponenten des elektrischen Antriebsstrangs in eine bestehende Fahrzeugkarosserie integriert.

An der Position von Kraftstofftank und Verbrennungsmotor werden Batterien, Elektromotoren und Leistungselektronik verbaut. Die bestehende Karosserie ist nicht an die besonderen Anforderungen eines elektrischen Antriebssystems angepasst, so dass wichtige Freiheitsgrade ungenutzt bleiben und das Produkt großes Optimierungspotenzial birgt. Beispiele dafür bilden der Fahrzeugtunnel und das Batterie-Package, das den zur Verfügung stehenden Bauraum nicht optimal ausnutzt, da sich die Geometrie von Kraftstofftank und Abgasanlage von derjenigen einer Batterieanordnung stark unterscheidet. Dezentrale und verteilte Batterieanordnungen beeinflussen sowohl die Fahrzeugstruktur als auch die auf Energiedichte optimierte Batterieanordnung negativ, ebenso wie das geometrisch und materialtechnisch ungenutzte Leichtbaupotenzial. Außerdem muss die Karosserie – wegen der Erhöhung des Fahrzeuggewichts durch die elektrischen Komponenten – teilweise strukturell verstärkt werden, um eine hohe Sicherheit zu gewährleisten. Der Wegfall von Verbrennungsmotor und Getriebe verringert ebenfalls die Karosseriefestigkeit, so dass hier Verstärkungen erforderlich werden.Footnote 33

Klassische Karosseriekonzepte des „Conversion Design“ bilden selbsttragende Stahlrahmen und Hybridstrukturen, die an sicherheitsrelevanten Stellen mit Stahl- oder Faserverbundgittern verstärkt wurden.Footnote 34

Die wesentlichen Vorteile des „Conversion Design“ liegen in der schnellen Markteinführung, den geringen Entwicklungskosten und einer besseren Einbindung in bestehende Produktionslinien. Durch „Conversion-Design“-Karosserien werden zudem Kundinnen und Kunden angesprochen, die sich eher für ein Fahrzeug mit herkömmlichem Antriebssystem entscheiden würden. Bei den Nutzenden sollen Assoziation mit Eigenschaften klassischer Verbrennungsmotoren geweckt werden, etwa eine hohe Leistung und Reichweite. Somit verzichtet das „Conversion Design“ gezielt auf Alleinstellungsmerkmale. Von verbrennungsmotorisch angetriebenen Fahrzeugen bekannte Merkmale werden übernommen und gegebenenfalls umfunktioniert, wie zum Beispiel die gleiche Position des Tankdeckels. Die Mobilitätswende erscheint weniger radikal, da bekannte (Karosserie-)Formen und Fahrzeugtypen weiterhin angeboten werden. Vor allem positive Effekte durch gleiche Teile führen dazu, dass immer mehr Fahrzeughersteller elektrisch angetriebene Derivate der herkömmlichen Fahrzeuge anbieten und den elektrifizierten Antriebsstrang direkt in der Konstruktionsphase mitberücksichtigen.Footnote 35

3.4 Karosserie von „Inline-Design“-Elektrofahrzeugen

Die Entwicklung von Fahrzeugen im „Purpose Design“ birgt aktuell noch große Risiken: Hohe Entwicklungskosten sowie schwierig vorhersehbare Kundenpräferenzen und Verkaufszahlen haben in der Vergangenheit zu zahlreichen Problemen verschiedener OEMs geführt. Fällt beispielsweise die Nachfrage eines im „Purpose Design“ entwickelten Fahrzeugs deutlich geringer aus als vom Hersteller erwartet, können vorerst keine direkten Nachfolgemodelle angekündigt werden. Stattdessen wird das Fahrzeug abgewandelt und umkonstruiert. Dieses Modell ist ein „Inline-Design“-Fahrzeug, das verschiedene Antriebstopologien ermöglicht.Footnote 36

Beim „Inline-Design“-Ansatz werden direkt bei der Konstruktion sowohl ein rein elektrisches Fahrzeug als auch ein Verbrenner- oder Brennstoffzellenderivat mitberücksichtigt. Die Karosserie wird dementsprechend flexibel auf alle Antriebstopologien ausgelegt, so dass sie für das jeweilige Derivat kostengünstig angepasst werden kann. Da alle Antriebsbaukästen berücksichtigt werden müssen, nutzt auch das „Inline Design“ nicht alle Freiheitsgrade eines Elektroantriebs optimal aus.Footnote 37

3.5 Karosserie von „Purpose-Design“-Elektrofahrzeugen

Das „Purpose Design“ beschreibt eine auf den Anwendungsfall angepasste Auslegung. Auf die Karosserie des Fahrzeugs bezogen, bedeutet das eine gänzlich neue Auslegung. Gegenüber Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor unterscheidet sich der Bauraum des Antriebsstrangs enorm. Außerdem müssen wegen der geringen Energiedichten der Batterien deutlich mehr konstruktive Maßnahmen umgesetzt werden, um vergleichbare Reichweiten zu ermöglichen. Dies bedeutet starke Eingriffe in die Karosserie und entsprechende Anpassungen derselben. Insbesondere für höhere Reichweiten wird der Leichtbau fokussiert sowie der Luftwiderstand verringert. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wird im „Purpose-Design“-Karosseriebau auf Space Frame oder Monocoques aus Stahl oder Aluminium zurückgegriffen, während kritische Stellen durch einen Stoßgürtel oder Aluminiumrahmen verstärkt werden. Ein Vorteil dieser Aufbauform liegt in der optimalen Anpassung der Karosserie an die Erfordernisse einer elektrischen Antriebstopologie. „Purpose-Design“-Karosserien verwenden eine profil- und baukastenartige Bauweise, was vor allem die automatisierte Fertigung und Wartbarkeit unterstützt. Außerdem können bereits im Konstruktionsprozess notwendige Karosserieversteifungen infolge des höheren Fahrzeuggewichts und des Fehlens des Verbrennungsmotors berücksichtigt werden, der einen hohen Anteil der Energie im Frontalcrash aufnimmt.

Ein reines „Purpose-Design“-Konzept führt zu einer vereinfachten Produktion und zu einer besseren Organisation im Vergleich zu „Inline-Design“-Fahrzeugen. Geringerer Teileaufwand und vereinfachte Prozessschritte reduzieren bei elektrisch angetriebenen Pkw den Fertigungsaufwand. Ein „Purpose Design“ mit eigener Produktionslinie lohnt sich jedoch nur bei hohen Stückzahlen.Footnote 38,Footnote 39

3.6 Karosseriestrukturkonzept in Abhängigkeit vom mechanischen Package

Der wesentliche Vorteil des „Purpose Design“ wird an kaum einer Fahrzeugkomponente so deutlich wie anhand der Karosserie. Das Konzept der Karosseriestruktur wird maßgeblich durch die Topologie des elektrischen Antriebsstrangs mitbestimmt. Je nach Fahrzeugtyp sowie benötigter Batteriekapazität und -größe haben sich verschiedene Packaging- und Karosseriestrukturkonzepte etabliert. Die Batterieposition korreliert in hohem Maße mit der Fahrzeugklasse, dem Fahrzeuglayout und der Ergonomie und bildet damit einen großen Einflussfaktor für die Karosserie. Die Anforderungen an die Fahrzeugsicherheit schränken das Batterie-Package ein. Gegenüber der verteilten Anordnung im „Conversion Design“ wird im „Purpose Design“ daher auf eine zentrale Anordnung in der Bodengruppe geachtet. Sie stellt das am stärksten von dieser Entwicklung betroffene Bauteil dar, weil dort die Hochvoltbatterie verbaut wird, um einen niedrigen Schwerpunkt zu erreichen. Anders als beim „Conversion Design“ können hier jedoch die Anforderungen an die Batteriegröße und die Position durch eine Anpassung der Karosseriestruktur sowie vieler anderer Fahrzeugelemente – beispielsweise eine höherliegende zweite Sitzreihe – umgesetzt werden. Während der Konzeptbildung der Fahrzeugkarosserie müssen folglich stets die Batterieposition und die Topologie berücksichtigt werden. Das Fehlen von Längsträgern und klassischen Fahrzeugkomponenten wie dem Verbrennungsmotor verringert die Karosseriesteifigkeit und muss durch Verstärkungen, steifere Materialien oder Sicherheitsstrukturen wie zusätzliche Rahmen aus hochfesten Stählen, Aluminium oder Faserverbundstrukturen ausgeglichen werden.Footnote 40,Footnote 41,Footnote 42

3.7 Karosseriebaukasten für Elektrofahrzeuge: Ein Blick in die Zukunft

Die Entwicklung neuartiger Karosserien erfolgt nach einem Drei-Disziplinen-System, das aus den Konzepten „Bauweise“, „Werkstoffe“ und „Produktion“ besteht. Innerhalb der jeweiligen Disziplin entwickeln sich verschiedene Grade der Modularisierung und Vereinheitlichung. Dies wird als „Baukastensystem“ bezeichnet.Footnote 43

Erhöhte Herstellungskosten für elektrisch angetriebene Fahrzeuge erfordern eine wirtschaftlichere Produktion, um dem Nutzenden ein erschwingliches und hochwertiges Produkt anbieten zu können. Aus diesem Grund verwenden viele Fahrzeughersteller ein teilweise markenübergreifendes Baukastenprinzip. Der Baukasten zeichnet sich durch ein hohes Maß an Gleichteilen und damit verbundenen Synergieeffekten aus, wodurch die Kosten für Entwicklung, Produktion und Einzelteile sinken.Footnote 44 Weitere wesentliche Eigenschaften sind die Skalierbarkeit auf verschiedene Fahrzeugklassen bei konstant hoher Design-Freiheit, vergleichsweise kurzen Entwicklungs- und Produktionszeiten, ein verstärkter Fokus auf Leichtbau und die Absicherung der Funktionalität, insbesondere der Fahrzeugsicherheit.Footnote 45

Flexibilität

Ein moderner Karosseriebau benötigt eine zunehmende Flexibilisierung der grundsätzlichen Fähigkeiten, ohne dabei Wirtschaftlichkeit, Qualität und Nutzungsgrad zu beeinträchtigen:Footnote 46

  • Produktflexibilität

    Herstellbarkeit verschiedener Derivate

  • Wandlungsfähigkeit

    Adaption von Prozessänderungen

  • Integrationsfähigkeit

    Kombinierbarkeit von Derivaten und Erweiterung einer bestehenden Anlage

  • Nachfolgefähigkeit

    Eingliederung von Nachfolgemodellen und -technologien

  • Anpassungsfähigkeit

    Skalierbarkeit der Stückzahlen

Kurze Modellwechselzyklen und zunehmende Modellvielfalt erfordern vielseitigere Anlagen und Plattformen, so dass Baukastenprinzipien an Bedeutung gewinnen. Zunehmend dynamische Marktanforderungen machen eine Flexibilisierung sowohl von Hardware als auch von Software notwendig. Im Zusammenhang mit Abläufen der „Industrie 4.0“ und ausgereiften Datenbanken wird es möglich, aus einem Baukasten verschiedene Derivate und Fahrzeugklassen auf einer Karosseriefertigungsanlage herzustellen. Die Einführung sowie Stückzahlskalierung neuer Modelle gelingt schneller und ermöglicht eine kostengünstigere Produktion und Entwicklung.Footnote 47

Boxenstoppfertigung und Schwarmmontage

Zusätzlich zu Baukasten- und Plattformstrategien lässt sich eine verbesserte Integrationsfähigkeit verschiedener Modelle und Derivate durch die sogenannte Boxenstoppfertigung realisieren. Eine modulare Boxenstoppfertigung bricht mit der starren, eindimensionalen Linienfertigung. Die einzelnen Produktionsstationen werden nicht alle gleichsam durchlaufen, sondern nach Auslastung, technischer und logistischer Verfügbarkeit sowie technischer Notwendigkeit – zum Beispiel von Fügeverfahren – zugeordnet. Eine Kombination aus Linien- und Inselfertigung ermöglicht eine flächenoptimierte Anordnung und Ansteuerung der Modulzellen.Footnote 48,Footnote 49

Auch bei der Fahrzeug- und Karosseriemontage haben sich kombinierte Ansätze aus Fließfertigung und Inselfertigung etabliert. Diese Schwarmmontage eignet sich insbesondere für Elektrofahrzeuge, die sich durch eine hohe technische Diversifizierung und viele Derivate auszeichnen, weil die Flexibilität und Ausnutzung der Taktzeiten einer Fertigungsanlage besser realisiert werden.

Werkstoffe

Die Leichtbauanforderungen an moderne Fahrzeuge erfordern eine Diversifikation der verbauten Werkstoffe. Der Anteil höchst- und ultrahochfester Stähle nimmt bei modernen Fahrzeugen stetig zu bei geringer werdendem Gesamtanteil von Stahl im Fahrzeug.Footnote 50 Neben Stahl kommen vor allem Nichteisenmetalle wie Aluminium und Magnesium sowie Kunststoffe beziehungsweise Kunststoff-Verbunde zum Einsatz. Die Vielzahl von Materialien unterschiedlicher Eigenschaften muss von der Bauteil- und Komponentenentwicklung bis hin zur Prozess-, Füge- und Montagetechnik stets bedacht werden. Dies bildet zusätzlich zur Modularisierung durch Baukästenprinzipien und Plattformstrategien sowie zur Flexibilisierung der Fertigungskapazitäten eine wesentliche Herausforderung des modernen Karosseriebaus.Footnote 51

Karosseriebaukasten „FlexBody“

In den Studien von Röth und Göer (2011)Footnote 52 sowie von Kern et al. (2009)Footnote 53 wurde der Karosseriebaukasten „FlexBody“ für Kleinserienproduktionsgrößen vorgestellt. Zu den wesentlichen Merkmalen dieses Baukastens zählen die Anwendbarkeit auf verschiedene Fahrzeugklassen, ohne die Design-Freiheit einzuschränken, eine kurze Entwicklungs- und Produktionszeit, die Erfüllung moderner Leichtbauanforderungen sowie die funktionale Absicherung insbesondere von Sicherheitsanforderungen. Mit dem Baukasten können unterschiedliche Strukturverläufe in Rahmenbauweisen umgesetzt werden. Beim „FlexBody“ wird die Karosserietragstruktur mit Profilen und konzeptgleichen Knotenstrukturen abgebildet. Die Knoten werden in sogenannte Zwei-Arm-, Drei-Arm- oder Vier-Arm-Knoten unterteilt. Die Profile und Knoten werden, in Abhängigkeit von der Werkstoffkombination, abschließend mittels kalter oder warmer Fügeverfahren zur fertigen Karosserie assembliert (vgl. Abb. 5.8).Footnote 54

Abb. 5.8
figure 8

Profile und Knotenstrukturen im „FlexBody“-Karosseriebaukasten

Die Querschnitte der Profile werden den jeweiligen Anforderungen entsprechend dimensioniert. Spezielle Verfahren zur Gestaltung komplexer Profilformen kommen in bestimmten Bereichen zum Einsatz. Die Knotenstrukturen sorgen für eine sichere Lastübertragung an den Verbindungsstellen und gleichen die unterschiedlichen Querschnittsabmessungen der Profile aus. Der modulare Aufbau des Karosseriebaukastens erlaubt eine Kombination unterschiedlicher Materialien wie Stahl, Aluminium, GFK/CFK sowie Strukturschäume (vgl. Abb. 5.9 und 5.10).

Abb. 5.9
figure 9

Strukturlayout mit Karosseriebaukasten für die urbanen Stadtfahrzeuge „urb-e“ und „ec2go“

Abb. 5.10
figure 10

Beispielhafte Material- und Fertigungsmischung beim „FlexBody“-Karosseriebaukasten

Durch den Einsatz des „richtigen Materials an der richtigen Stelle“ ist gezielter, wirtschaftlicher Leichtbau möglich. Auf diese Weise wird das Fahrzeuggewicht insgesamt reduziert und durch gezielten Leichtbau Einfluss auf die Gewichtsverteilung genommen. Um einen solchen Materialmix für eine Kleinserie zu ermöglichen, werden nur solche Fertigungsverfahren im Karosseriebaukasten zugelassen, die in Abhängigkeit von der geplanten Stückzahl sehr geringe bis niedrige Werkzeuginvestitionen erfordern. Für eine sichere Verbindung von Bauteilen aus unterschiedlichen Materialien sorgt neben den klassischen Verbindungstechniken ein neues Fügeverfahren: das Injektionskleben. Damit lassen sich über die verhältnismäßig dicke Klebeschicht die Bauteiltoleranzen bis zu zwei Millimeter ausgleichen.

Skalierbare Rahmenstruktur

Um ein hohes Maß an Skalierbarkeit zu gewährleisten, gehen die Entwicklungen hin zu Karosserieplattformen, die auf einer anpassbaren Rahmenstruktur basieren, wie beim „Benteler Electric Drive System“ (BEDS). Untersysteme werden – als Module zusammengefasst – in die Karosserierahmenplattform integriert. Das Werkstoffkonzept solcher Plattformsysteme besteht aus Aluminium für den Strukturrahmen (Flexframe), dem Batteriekasten und dem Crash-Management-System (CMS). Um eine an verschiedene Fahrzeugklassen angepasste Karosserie zu erreichen, bestehen wesentliche Komponenten aus Aluminium-Extrusionsprofilen. Dadurch kann eine individuelle Anpassung der gewünschten Karosseriebauform in Fahrzeuglängs- und -querrichtung vorgenommen werden. Hauptbestandteil dieser Karosserieplattform ist der Flexframe. Er setzt sich aus einem mehrteiligen Schweller, den Querträgern und Aluminium-Druckgussknoten zusammen. Der Schweller besteht aus einem duktilen äußeren, einem steifen inneren und einem weiteren Extrusionsprofil, das die Trennung zum Fahrzeugaufbau herstellt. Dies ermöglicht die Entwicklung des Designs und der Struktur des Karosserieaufbaus unabhängig vom Flexframe.Footnote 55

Innerhalb des Flexframes befindet sich der Batteriekasten, der die Zellmodule beherbergt und sie vor äußeren Einflüssen sowie mechanischer Beschädigung schützt. Er setzt sich aus einer äußeren und einer inneren Crash-Struktur sowie einem Aluminium-Blechschalen-Unterboden mit integriertem Kühlsystem zusammen. Der Batteriekasten wird mit Schrauben am Schweller und an den Querträgern des Flexframes befestigt. Diese Verbindung bildet eine steife Struktur für optimales Deformationsverhalten beim Seitencrash.Footnote 56

4 Leichtbau

Leichtbau gilt als Treiber von Innovationen und wird im Sprachgebrauch hauptsächlich auf die Masse – also das Gewicht – bezogen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts unternahmen Ingenieure aus dem Automobilbausektor immer größere Anstrengungen bei der Umsetzung von Leichtbaumaßnahmen. Antrieb war damals das Streben nach immer höheren Geschwindigkeiten, die durch eine geringere Masse begünstigt werden. Die Gewichtsreduktion wurde zu dieser Zeit vornehmlich durch Stoffleichtbau erreicht. Dabei bediente man sich zur Gewichtsreduzierung beispielsweise einer leichteren Legierung aus Aluminium zur Substitution von Stahl.Footnote 57 Zum anfänglichen Stoffleichtbau sind in den folgenden Jahren Form-, Bedingungs-, Konzept- (auch „Systemleichtbau“ genannt) und Fertigungsleichtbau hinzugekommen. Im Bereich der Elektromobilität haben sich zu den Potenzialen bei konventionellen Fahrzeugen weitere Leichtbauoptionen aufgetan.Footnote 58

Steigerung der Fahrdynamik und Senkung des Energieverbrauchs bilden bei konventionell angetriebenen Fahrzeugen bis heute die zentralen Aspekte des Leichtbaus. Von einer Reduzierung des Energieverbrauchs profitieren beide Seiten: der Nutzende durch geringere Betriebskosten und der Hersteller durch einen geringeren Flotten-CO2-Ausstoß. Die Steigerung der Fahrdynamik hingegen hat weder für Kundinnen und Kunden noch für den Hersteller einen direkten wirtschaftlichen Mehrwert.Footnote 59

Der Energieverbrauch und die Effizienz des Fahrzeugs sind maßgeblich von seinen Widerständen abhängig. Dabei werden einzelne Widerstände wiederum durch die Masse des Fahrzeugs bedingt. Die Widerstände des Fahrzeugs setzen sich aus dem Luft-, dem Roll-, dem Steigungs-, dem Beschleunigungs- und einem fahrzeugspezifischen inneren Widerstand zusammen. Der Gesamtfahrwiderstand ist dabei die Summe der Einzelwiderstände, die in Gl. (5.1)Footnote 60 mathematisch dargestellt sind:

$$ {F}_{FW}=\frac{\varrho }{2}\ast {v}^2\ast {c}_w\ast A+{f}_{Roll}\ast m\ast g\ast \cos \left(\alpha \right)+m\ast g\ast \sin \left(\alpha \right)+m\ast a+{F}_{innen} $$
(5.1)
$$ Luftwiderstand=\frac{\varrho }{2}\ast {v}^2\ast {c}_w\ast A $$
$$ Rollwiderstand={f}_{Roll}\ast m\ast g\ast \cos \left(\alpha \right) $$
$$ Steigungswiderstand=m\ast g\ast \sin \left(\alpha \right) $$
$$ Beschleunigungswiderstand=m\ast a $$
$$ Innerer\ Widerstand={F}_{innen} $$

Im Folgenden werden lediglich der Luft-, der Roll- und der Beschleunigungswiderstand sowie der innere Widerstand betrachtet. Die wesentlichen Merkmale in Gl. (5.1) sind, dass der Roll-, der Steigungs- und der Beschleunigungswiderstand von der Masse des Fahrzeuges abhängig sind und der Luftwiderstand von der Geschwindigkeit im Quadrat.

In Abb. 5.11 sind die wesentlichen Fahrwiderstände in Bezug auf unterschiedliche Fahrsituationen zusammengetragen. Die zugrundeliegenden Daten beziehen sich auf ein Fahrzeug der Kompaktklasse und wurden im Realbetrieb aufgenommen.

Abb. 5.11
figure 11

Anteile am Gesamtwiderstand bei verschiedenen Fahrsituationen. (i. A. a. Aristoteles und Friedrich 2017, S. 36)

Zu erkennen ist, dass im Stadtbetrieb der Beschleunigungs- und der Rollwiderstand dominieren. Beide sind proportional zur Masse des Fahrzeugs und abhängig von der Geschwindigkeit. Daraus lässt sich ableiten, dass Leichtbau in der Stadt und auf Landstraßen einen höheren Einfluss auf den Energieverbrauch hat. Je höher die Fahrgeschwindigkeiten werden, desto dominanter wird der Luftwiderstand gegenüber dem Rollwiderstand. Dies ist beispielhaft zusätzlich in Abb. 5.12 detailliert dargestellt. Der Verlauf zeigt die beiden Widerstände in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit. Zu erkennen ist, dass bei einer Geschwindigkeit von mehr als 80 km/h, wie es bei Autobahnfahrten der Fall ist, der Luftwiderstand überwiegt.

Abb. 5.12
figure 12

Beispielhafte Darstellung des Luft- und Rollwiderstands. (i. A. a Aristoteles und Friedrich 2017, S. 35)

Eine Möglichkeit zur Reduktion des Luftwiderstands, der bei höheren Geschwindigkeiten bestimmend für den Energieverbrauch ist, stellen aerodynamische Maßnahmen dar. Die Dominanz des Luftwiderstands bei höheren Geschwindigkeiten ist hauptsächlich durch die Geschwindigkeit begründet, die quadratisch in den Widerstand eingeht. Weitere Einflüsse sind der Strömungswiderstandskoeffizient – auch als „cw-Wert“ bezeichnet – und die Stirnfläche A des Fahrzeugs (vgl. Gl. (5.1)). Als letzter Fahrwiderstand kommt der innere Widerstand der Mechanik hinzu. Dieser ist geschwindigkeitsunabhängig und macht nur einen geringeren Anteil am Gesamtwiderstand aus. Insgesamt kann eine Reduzierung der Masse und die Berücksichtigung der jeweiligen Fahrsituation zu einem geringeren Energiebedarf des Fahrzeugs führen.

Leichtbaumaßnahmen werden aufgrund der damit verbundenen Mehrkosten vorzugsweise zuerst in Oberklassefahrzeugen eingesetzt, da in diesem Segment die Zahlungsbereitschaft der Nutzenden höher ist. Durch einen hohen Verkaufspreis der Fahrzeuge lässt sich der Mehrpreis für den Leichtbau kompensieren.Footnote 61 Abb. 5.13 zeigt beispielhaft die Leergewichte von drei Verbrennungsfahrzeugen aus der Mittel-, der Kompakt- und der Kleinwagenklasse entlang der Generationen. Dass sich Leichtbaumaßnahmen und die damit zusammenhängende Zahlungsbereitschaft der Nutzenden in späteren Entwicklungsstadien auch in die Kompaktklasse ausgeweitet haben, zeigt der Verlauf aus Abb. 5.13. In der Kleinwagenklasse sind noch keine Leichtbaumaßnahmen im Verlauf der Generationen zu erkennen. Die Zunahme des Leergewichts ist den wachsenden Anforderungen an die Fahrzeuge geschuldet.

Abb. 5.13
figure 13

Vergleich Leergewicht von Verbrennungsfahrzeugen unterschiedlicher Fahrzeugklassen. (i. A. a. Eckstein et al. 2010, S. 790)

Dabei stieg das Gewicht durch Komfort- und Interieurfunktionen um 37 %, durch Qualität um 8 % und durch Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit um 30 %. Aufgrund legislativer Anforderungen stieg das Leergewicht in der Kompaktklasse um weitere 25 %.Footnote 62 Durch die von gestiegenen Anforderungen verursachte Zunahme des Leergewichts der Fahrzeuge sind Leichtbaumaßnahmen erforderlich geworden, um den Energieverbrauch zu senken.

In Abb. 5.14 ist der Einfluss der gewachsenen Anforderungen und dessen Auswirkung auf das Leergewicht eines konventionell angetriebenen Fahrzeugs dargestellt.

Abb. 5.14
figure 14

Einfluss Gewichtserhöhung durch gewachsene Anforderungen (Aufwärtsspirale). (i. A. a. Eckstein et al. 2010, S. 789)

Durch die gestiegenen Anforderungen an die Sicherheit, die Gesetzgebung und die dadurch bedingte Gewichtserhöhung muss die Motorleistung angepasst werden. Daraus folgt die Verstärkung von Fahrwerk und Antriebsstrang, was wiederum zu einer Gewichtszunahme führt. Dies hat dann Auswirkungen auf die Größe des Energiespeichers und dieser Umstand wiederum auf die Steifigkeit der Karosserie – aufgrund des gestiegenen Gesamtgewichts. Diese Gewichtsentwicklung wird auch als „Aufwärtsspirale“ bezeichnet.

In Abb. 5.15 sind die beiden Gewichtsspiralen dargestellt. In der Aufwärtsspirale bedingt eine schwerere Karosserie eine größere und somit schwerere Auslegung weiterer Bauteile, die am Ende zwangsläufig zu einem höheren Fahrzeuggewicht führen, um die Bedürfnisse und Anforderungen der Nutzenden und der Gesetzgebung (vgl. Abb. 5.14) zu erfüllen.

Abb. 5.15
figure 15

Gewichtsspiralen. (i. A. a. Aristoteles und Friedrich 2017, S. 43)

Auf der rechten Seite in Abb. 5.15 bedingen eine leichtere Karosserie und kleinere Komponenten bei Motor und Fahrwerk ein insgesamt leichteres Fahrzeug.

Um das Fahrzeuggewicht zu reduzieren, wurden in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Komponenten aus Materialien mit hohem spezifischem Gewicht durch leichtere ersetzt. Beispielsweise wurde im Jahr 2016 der erste Vollaluminiummotor vorgestellt, der mit 35 kg Gesamtgewicht etwa 17 % weniger als sein Vorgänger wiegt.Footnote 63 Eine weitere, heute vielfach ergriffene Maßnahme zur Gewichtsreduktion stellt der Verbundleichtbau als eine Art des Stoffleichtbaus dar. Dabei werden mehrere unterschiedliche Materialien in einer Karosserie vereint. So besteht eine Karosserie aus mehreren verschiedenen Stahl-, Aluminium- oder Kunststoffsorten, die je nach Anforderungen eingesetzt werden.Footnote 64

Zu den antriebsunabhängigen Techniken des Leichtbaus eröffnen sich bei Elektrofahrzeugen durch die Verwendung unterschiedlicher Komponenten zusätzliche Potenziale zur Reduktion des Gewichts, zur Steigerung der Effizienz und zur Erhöhung der Dynamik. Zur Betrachtung der größten Unterschiede zu konventionellen Fahrzeugen und zur Identifizierung der Leichtbaupotenziale bei Elektrofahrzeugen ist in Abb. 5.16 die Gewichtsverteilung auf Baugruppenebene dargestellt. Dabei wird zwischen einem reinen Elektrofahrzeug mit einem Leergewicht von 1400 kg und einem Verbrennerfahrzeug mit rund 1450 kg unterschieden. Dabei handelt es sich lediglich um zwei beispielhafte Fahrzeuge, bei denen die prozentuale Verteilung von Bedeutung ist.

Abb. 5.16
figure 16

Vergleich Gewichtsanteile Verbrenner-Fahrzeug und Elektrofahrzeug. (i. A. a. Aristoteles und Friedrich 2017, S. 776)

Am Beispiel der Fahrzeuge aus Abb. 5.16 sind die wesentlichen Unterschiede zwischen einem konventionellen Verbrennerfahrzeug und einem Elektrofahrzeug zu erkennen: Sie liegen im Antrieb, im Fahrwerk, in der Karosserie und in der Traktionsbatterie.

Mit diesem Exempel kann gezeigt werden, dass Motor und Antriebsstrang bei einem konventionellen Fahrzeug 27 % des Gesamtgewichts ausmachen – beim Elektrofahrzeug liegt der Wert bei lediglich 6 %. Das entspricht einer Ersparnis von rund 300 kg im Vergleich zum Verbrennerfahrzeug. Leichtbaumaßnahmen im Bereich der Karosserie des Elektrofahrzeugs haben eine weitere Gewichtsreduktion von etwa 170 kg (11 %) gegenüber dem Verbrennerfahrzeug zur Folge. Die Energiespeicherung wird in einem Elektrofahrzeug nicht in einem Tank, sondern in einer Traktionsbatterie realisiert. Sie macht im hier betrachteten Beispiel 22 % der Gesamtmasse aus und entspricht damit rund 310 kg. Aus dem hohen Gewicht der Traktionsbatterie ergibt sich, dass in diesem Bereich noch weitere Leichtbaupotenziale erforscht werden müssen.

Im Vergleich zu einem konventionellen Verbrennungsmotor ermöglicht der Einsatz eines Elektromotors eine massive Gewichtseinsparung. Die Gewichtsreduzierung durch die Technologieänderung liegt bei 100 kg und mehr und es wird weiter an gewichtsoptimierten Elektromotoren geforscht. So lässt sich etwa durch den Einsatz von Metall-3-D-Druck das Gewicht eines Elektromotors auf 20 kW pro kg Gewicht reduzieren. Durch den Einsatz der 3-D-Druck-Technologien wird einerseits Material gezielt nur an denjenigen Stellen verwendet, wo es tatsächlich benötigt wird, andererseits können sehr dünne Wandstärken in Kombination mit feinen Oberflächenstrukturen gefertigt werden.Footnote 65

Eine weitere Leichtbaumaßnahme besteht darin, die Menge des eingesetzten Materials zu reduzieren. Dazu werden die mechanischen Belastungen des Bauteils analysiert und ausgewertet. Anschließend werden die Bauteile materialoptimiert. Diese sogenannte Topologieoptimierung ist eine computergestützte und numerische Analyse. Weiterentwicklungen im Bereich der IT in Form von immer leistungsfähigeren Prozessoren ermöglichen dabei immer genauere Topologieoptimierungen. Der limitierende Faktor zur Herstellung topologieoptimierter Bauteile sind – aus Gründen ihres Aufbaus – die Fertigungsanlagen. Durch neue Verfahren wie dem Selektiven Lasersintern (SLS), dem Selektiven Laserschmelzen (SLM) oder dem Direkten Metall-Laser-Schmelzen (DMLS) können nahezu beliebige Formen aus Materialien wie hochfeste Aluminiumlegierungen hergestellt werden.Footnote 66 Nachteilig an diesen additiven Fertigungsverfahren sind die hohen Investitionskosten für die Produktionsanlagen und die langen Fertigungszeiten, weshalb sie nur bedingt für eine wirtschaftliche Serienproduktion geeignet sind.Footnote 67

Aus dem Umstand, dass der Gewichtsanteil der Traktionsbatterie am Referenz-Elektrofahrzeug bei 22 % liegt, ergibt sich in der E-Mobilität ein neues Feld der Gewichtseinsparung. Durch die Steigerung der gravimetrischen Energiedichte der Batterie lässt sich bei gleichbleibender Kapazität des Akkus das Gewicht reduzieren. Dieser Ansatz der Gewichtsreduktion wird bereits seit einigen Jahren verfolgt, wie Abb. 5.17 verdeutlicht. Dort ist die Entwicklung der Energiedichte auf Zell-, Modul- und Pack-Ebene von 2010 bis 2019 aufgetragen.

Abb. 5.17
figure 17

Entwicklung der spezifischen Energie einer Batterie auf Zell-, Modul- und Pack-Ebene. (i. A. a. Löbberding et al. 2020)

Dank intensiver Forschungs- und Entwicklungsleistungen hat die Energiedichte sich verdoppelt.Footnote 68 Bei einer Batterie mit einer Energie von 40 kWh konnten somit von 2010 bis 2019 rund 300 kg auf Systemebene eingespart werden – oder es wurde bei gleichem Gewicht zur Reichweitensteigerung die Energie verdoppelt. Das Ergebnis dieses Fortschritts sind heutige Energiedichten von bis zu 260 Wh/kgFootnote 69 für Lithium-Nickel-Kobalt-Aluminium-Oxide (NCA)-Traktionsbatterien. Für die kommenden Jahre sind weitere Steigerungen der Energiedichten auf 350 Wh/kgFootnote 70 und 460 Wh/kgFootnote 71 bei „All-Solid-State“-Batterien möglich.

Ein alternativer Ansatz zur Reduktion des Mehrgewichts durch die Traktionsbatterie stellt die Nutzung des Batteriepacks als Strukturelement dar. Dadurch kann die Karosserie weniger steif und somit leichter ausgelegt werden. Erreicht wird das einerseits durch die sogenannte Strukturbatterie, die durch den Einsatz von verstärkten Kohlenstofffasern in den Batteriezellen an Steifigkeit gewinnt.Footnote 72 Andererseits soll die „Cell-to-Chassis“-Technologie die Energiedichte im Fahrzeug erhöhen. Ziel dabei ist es, mehr Zellen auf das gleiche Volumen zu integrieren. Erreicht wird das durch den Verzicht auf Pack und Module sowie durch die direkte Integration der Zellen in die Karosserie.

Eine weitere Reduktion der Fahrzeuggesamtmasse lässt sich mittels Optimierung durch Rationalisierung erreichen. Ein Beispiel dafür ist die „By-Wire“-Technologie. Bei ihr werden mechanische Verbindungen durch Sensoren und Aktoren ersetzt, die lediglich über elektrische Leitungen miteinander verbunden sind. So wird etwa durch das elektronische Gaspedal das Zugseil zum Motor eingespart. Eine weitere Möglichkeit ist das „Steer-by-Wire“, bei dem die Lenksäule entfällt, was wiederum das Gewicht verringert.

Zusammenfassend kann festgehalten werden: Durch Maßnahmen wie den Einsatz moderner Werkstoffe (Stoffleichtbau), der Topologieoptimierung (Formleichtbau) oder der Entwicklung moderner Batterie- und Speichersysteme (Systemleichtbau) konnte und kann künftig die Effizienz und somit die Reichweite von Fahrzeugen stetig verbessert werden. Neben der Reichweite sind auch die fahrdynamischen Aspekte zu berücksichtigen. Durch immer weiteres Streben nach Leichtbau ist insbesondere die Gewichtsverteilung im Fahrzeug zu beachten. Hohe Schwerpunkte im Fahrzeug können das Fahrverhalten negativ beeinflussen. Für einen tiefen Schwerpunkt zur Steigerung der Fahrdynamik ist Leichtbau im Dach-, Heck- und Frontbereich anzustreben.Footnote 73

Dem Leichtbau kommt eine besondere Bedeutung bei Elektrofahrzeugen der L7e-Kategorie zu, die als „Leichtelektromobile“ (LEM) bezeichnet werden. Sie dürfen eine Leermasse des Fahrzeugs ohne Batterie von 450 kg nicht überschreiten. Das niedrige Gewicht wird durch die geringen Abmessungen, das stark reduzierte Interieur und die verminderte Sicherheits- und Komfortausstattung erreicht, was beispielsweise den Wegfall der Klimaanlage oder den Verzicht auf Seitenscheiben bedeutet. Eine Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h und die bedingte Regen- sowie Wintertauglichkeit des Fahrzeugs führen zu einem geringen Marktanteil in Deutschland von 0,03 %.Footnote 74

Bei allen Bestrebungen zur Gewichtsreduzierung im Automobilbau oder anderen Maßnahmen zur Effizienzsteigerung ist zu berücksichtigen, dass Leichtbau bei Elektrofahrzeugen – wie auch bei konventionellen Verbrennerfahrzeugen – häufig mit zusätzlichen Kosten einhergeht, die am Ende Hersteller und Endkunde tragen müssen.

Bei batterieelektrischen Fahrzeugen besteht im Vergleich zu konventionellen Autos aktuell eine höhere Bereitschaft zu Mehrkosten bei der Anschaffung. Dies ist unter anderem durch die Nachhaltigkeit der E-Mobilität zu erklären – und durch Aspekte wie die niedrigeren Energiekosten pro Kilometer, einen geringeren Verschleiß und reduzierte Wartungskosten.Footnote 75 Bei konventionellen Antriebsmaschinen lag der akzeptierte Mehraufwand für Leichtbau in der Industrie bei bis zu 7 € pro Kilogramm Leichtbau. Bei der Elektromobilität liegt er bei bis zu 18 € pro eingesparten Kilogramm Gewicht.Footnote 76 Im Rohbau können mit 3 € pro Kilogramm für Stahl, 10 € für Aluminium und rund 50 € für CFK gerechnet werden.Footnote 77 Somit sind die Mehrkosten für Leichtbau durch Aluminium vertretbar. Zusätzlich lassen sich durch sinkende Kosten bei der Traktionsbatterie und dem Antrieb die Mehrkosten für Leichtbau in der Elektromobilität teilweise kompensieren.

Wie Abb. 5.18 zeigt, ist der Preis pro kWh für Traktionsbatterien in den vergangenen neun Jahren von anfänglich 688 US$ auf 137 US$ im Jahr 2020 gesunken. Das entspricht einer Kostenreduktion von 80 %. Bei einer Batteriekapazität von beispielsweise 42 kWh Bruttogehalt ergeben sich somit Ersparnisse von etwa 23.000 US$ auf Pack-Ebene. Diese können wiederum in höhere Batteriekapazitäten sowie Leichtbau zur Reichweitensteigerung investiert oder an den Kunden weitergegeben werden, um einen Kaufanreiz zu schaffen.

Abb. 5.18
figure 18

Preisentwicklung der Traktionsbatterie in US$/kWh. (i. A. a. Henze 2020)

Im Vergleich zu Verbrennungsmotor-Fahrzeugen können Elektrofahrzeuge wegen ihres E-Motors als Generator kinetische Energie beim Bremsen in elektrische Energie umwandeln und zurück in den Speicher speisen. Die kinetische Energie ist wiederum proportional zur Masse des Fahrzeugs. Daraus ergibt sich ein Zusammenhang zwischen der Masse des Fahrzeugs und der möglichen Energierückgewinnung durch den Elektromotor. Diese Energierückgewinnung wird auch als „Rekupertion“ bezeichnet. Durch die Rekuperation nimmt das Energieeinsparpotenzial bei Elektrofahrzeugen durch Leichtbau im Vergleich zu einem konventionellen Fahrzeug ab. Ein Teil der Energie zur Beschleunigung der Masse kann beim Bremsvorgang wieder in elektrische Energie umgewandelt werden. Bei diesem Vorgang wird der Elektromotor als Generator verwendet und somit Energie in die Batterie gespeist. Während beim Beschleunigen der Wirkungsgrad von der eingespeisten Energie bis zum Vortrieb bei 80 %Footnote 78 liegt, beträgt der Literaturwert beim Rekuperieren vom Antrieb zurück in die Traktionsbatterie etwa 56 %.Footnote 79 In der CAR (Center-Automotive-Research)-Studie der Universität Duisburg-Essen wurde bei einer Verbrauchsfahrt mit einem Elektrofahrzeug der Oberklasse aus den USA der Energieverbrauch ohne und mit einer Zuladung von 300 kg gemessen. Bei der Auswertung des Energieverbrauchs wurde ein Verbrauch von 17,77 kWh/100 km im unbeladenen Zustand und 17,87 kWh/100 km im beladenen Zustand ermittelt. Das entspricht einem Mehrverbrauch 0,6 %. Zu erklären ist diese geringe Verbrauchszunahme durch die hohe Rekuperation des Elektrofahrzeugs. Auch bei einer zweiten Versuchsreihe mit einem deutschen Elektrofahrzeug ergab sich ein Mehrverbrauch von lediglich 0,57 kWh/100 km.Footnote 80

Durch die Rekuperation des Elektrofahrzeugs ist der Einsatz von Leichtbau im E-Mobil gegenüber dem in einem konventionellen Fahrzeug in Abhängigkeit vom Fahrzyklus zu untersuchen. Eine allgemeine Aussage über die Wirtschaftlichkeit von Leichtbau kann somit nicht getroffen werden. Der Energiebedarf eines schweren Fahrzeugs ist höher als der eines leichteren, wobei er sich durch die Rekuperation teilweise kompensieren lässt. Im Stadtbetrieb kann durch die Rekuperation aufgrund der zahlreichen Bremsvorgänge ein Teil der Energie zurückgewonnen werden. Dabei kann Leichtbau in Abhängigkeit vom Preis sinnvoll sein. Bei Landstraßenfahrten mit konstanter Geschwindigkeit wird wenig rekuperiert. Somit ist der Einsatz von Leichtbau und aerodynamischen Maßnahmen zur Energieeinsparung sinnvoll. Bei Autobahnfahrten mit höheren Geschwindigkeiten ist die Bedeutung der Aerodynamik des Fahrzeugs höher als die des Leichtbaus.

Aufgrund der zahlreichen Einflussfaktoren auf den Energiebedarf des Fahrzeugs gilt es somit abzuwägen, ob und inwiefern Leichtbau ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist.