Die Planung neuer Ladeinfrastruktur und die zu erwartende Nutzung basieren derzeit primär auf Simulationsmodellen wie Agenten-Modellen, Verkehrsmodellen und Ähnlichem sowie auf Umfragedaten.Footnote 1 Mit fortschreitendem Hochlauf der Elektromobilität stehen als zusätzliche Säule auch reale Nutzungsdaten in immer größerer Zahl zur Verfügung. Diese Daten lassen sich verwenden, um genutzte Modelle zu validieren und Effekte zu entdecken, die in den bisherigen Methoden nicht sichtbar sind. In diesem Kapitel wird der aktuelle Stand der Ladeinfrastrukturnutzung in Deutschland nach Infrastrukturart aufgezeigt. Bei privater Ladeinfrastruktur zeigt sich dabei eine erhöhte Nutzung vor allem am späten Nachmittag und Abend, wobei eine Leistungsverschiebung in die Nacht hinein ohne signifikante Komforteinbußen möglich ist. Öffentliche AC-Ladeinfrastruktur wird insbesondere nach der Ankunft am Arbeitsplatz genutzt. DC-Schnelllader wiederum finden für kürzere Zeiträume über den Tag hinweg Anwendung. Die Ladeprofile elektrischer Fahrzeugflotten sind dabei stark vom Einsatz der Fahrzeuge im jeweiligen Sektor abhängig. Durch eine planmäßige Nutzung der Fahrzeuge lässt sich die Ladung in der Regel gut planen.

1 Private Ladeinfrastrukturnutzung am Wohnort

Bei privater Ladeinfrastruktur besteht häufig eine Eins-zu-eins-Beziehung zwischen Fahrzeug und Ladestation, bei der das Fahrzeug an der privaten Wallbox geparkt wird. Bei typischen täglichen Fahrdistanzen von 39 kmFootnote 2 und Energieverbräuchen von etwa 15 bis 25 kWh/100kmFootnote 3 ergibt sich ein Energiebedarf von 6 bis 10 kWh pro Tag. Da private Ladeinfrastruktur oft mit 11 kW Leistung realisiert wird, beschränkt sich die tägliche Ladedauer selbst bei erhöhten Verbräuchen somit auf maximal wenige Stunden. Die Ladungen finden typischerweise werktags nach Rückkehr vom Arbeitsplatz statt und lassen sich durch die Verwendung von typischen Mobilitätsprofilen modellieren.Footnote 4

In den Projekten „E-Mobility-Carré“Footnote 5 und „E-Mobility-Allee“Footnote 6 wurde darüber hinaus gezeigt, dass die Gleichzeitigkeit dieser Ladungen selbst im ungesteuerten Zustand relativ gering ausgeprägt ist. So wurden im „E-Mobility-Carré“ maximal 13 der 58 untersuchten Ladepunkte gleichzeitig genutzt, womit eine Nachfragespitze von 98 kW erzeugt wurde. Diese konnte durch ein Lastmanagementsystem auf 40 kW reduziert werden, was von 93 % der Befragten als nicht einschränkend empfunden wurde. Die mittlere Infrastrukturnutzung war noch deutlich geringer und ist in Abb. 26.1 dargestellt. In der „E-Mobility-Allee“ waren die Ergebnisse mit maximal vier gleichzeitig ladenden von zehn Fahrzeugen insgesamt ähnlich. Ein wichtiger Grund für diese relativ niedrige Gleichzeitigkeitsquote ist, dass nach einer gewissen Gewöhnungsphase nicht mehr täglich geladen wird, wenn die Restreichweite die für den nächsten Tag geplante Strecke deutlich übersteigt. Mit immer größer werdenden FahrzeugbatterienFootnote 7 kann davon ausgegangen werden, dass einzelne Fahrzeuge noch seltener geladenen werden.

Abb. 26.1
figure 1

Gleichzeitigkeit von Ladungen im „E-Mobility-Carré“. (Abbildung mit Erlaubnis abgedruckt nach Halder (2021)) (vgl. Halder 2021)

2 Öffentliche Ladeinfrastrukturnutzung

Öffentliche Ladeinfrastruktur unterscheidet sich in der Nutzung stark nach angebotener Leistung. Normalladeinfrastruktur wird entweder nachts genutzt oder parallel zu einer anderen Aktivität wie Arbeiten oder Einkaufen. Oftmals überschreitet die Standzeit die tatsächliche Ladezeit deutlich, da Standzeiten von acht oder mehr Stunden nicht selten sind.Footnote 8 Schnelllader hingegen werden vor allem bei Langstreckenfahrten genutzt und nach etwa 20 bis 40 min wieder freigegeben, damit die Fahrt zügig fortgesetzt werden kann. Standzeiten ohne tatsächlichen Leistungstransfer sind eher selten.

Mit den genannten Nutzungsszenarien lassen sich die aktuellen Nutzungsprofile öffentlicher Lademöglichkeiten gut erklären. Wie Abb. 26.2 offenbart, steigt die durchschnittliche Belegung von Ladepunkten mit niedriger Leistung in den Morgenstunden zwischen 6 und 10 Uhr stark an. Verantwortlich dafür sind vermutlich vor allem diejenigen Ladevorgänge, die nach der Ankunft am Arbeitsplatz starten. Die Auslastung sinkt am Nachmittag zwischen 15 und 18 Uhr und somit zum Ende eines Vollzeitarbeitstags wieder ab.

Abb. 26.2
figure 2

Durchschnittliche Ladepunktbelegung in Deutschland zwischen 21.12.2019 und 10.03.2020 nach Leistung. (Vgl. Hecht et al. 2020)

Bei Schnellladeinfrastruktur ist das Muster anders: Ladevorgänge finden zwar auch tagsüber statt, aber die Ankunftszeiten sind deutlich weniger mit dem Beginn eines typischen Arbeitstags korreliert. Unter Berücksichtigung der deutlich kürzeren Standzeiten ist davon auszugehen, dass es sich hier um Gelegenheitsladungen bei anderen Aktivitäten wie Einkaufen oder Freizeit handelt. Außerdem bleibt im Vergleich zu langsameren Leistungen die Nutzung am Wochenende relativ konstant, was sich vor allem mit Fahrten auf Langstrecken oder bei Freizeitaktivitäten erklären lässt.

Im Vergleich zur Belegung ergibt sich bei der Anzahl der Ladevorgänge pro Tag ein deutlich anderes Bild, wie Abb. 26.3 zeigt: An Wochentagen ist die Summe der Ladevorgänge zwischen allen Leistungsklassen ähnlich – mit leicht höheren Werten bei Schnellladern mit 50 kW (für höhere Leistungen liegen keine ausreichenden Daten vor). Am Wochenende hingegen ist die Anzahl der Ladevorgänge an Schnellladepunkten deutlich höher als bei Normalladepunkten. Ursächlich hierfür sind die deutlich kürzeren Standzeiten, da eine langsame AC-Ladesäule häufig mehrere Stunden oder auch einen kompletten Tag lang belegt ist, um einen einzigen Ladevorgang zu ermöglichen, während Schnelllader im gleichen Zeitraum deutlich mehr Fahrzeuge bedienen können. Auf eine Überlegenheit von Schnellladern sollte man dennoch nicht sofort schließen, da diese deutlich höhere Investitionskosten erzeugen.

Abb. 26.3
figure 3

Starts von Ladungen nach Ladepunktleistung (die y-Achse beschreibt die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Ladevorgang innerhalb eines 20-minütigen Zeitfensters gestartet wird). (Vgl. Hecht et al. 2020)

Beim Betrachten der Belegung nach Standort ergibt sich ein eindeutiges Bild (vgl. Abb. 26.4): Im urbanen Zentrum werden Ladestationen sowohl tagsüber als auch nachts intensiv genutzt, wobei tagsüber die Nutzung deutlich höher ist. Ursächlich hierfür ist vermutlich eine Kombination aus Fahrten zur Arbeit, Einkaufen und Freizeitaktivitäten mit jeweils zugehörigen Standzeiten. Dafür spricht unter anderem, dass an Sonntagen die Nutzung geringer ist. An Samstagen ist dies nicht zu beobachten, da Fahrten zur Arbeit durch andere Fahrten kompensiert werden. Da in urbanen Gegenden auch eine hohe Einwohnerdichte herrscht, wird die Infrastruktur abends und nachts von in der Nähe wohnenden Personen genutzt. Dies ist unter anderem an den leichten Spitzen der urbanen Kurve in Abb. 26.4 während des frühen Abends zu erkennen. Insgesamt ist der Standort dementsprechend äußerst attraktiv, da verschiedene Gruppen bedient werden können und sich durch hohe Auslastung auch ein hoher Umsatz erzielen lässt.

Abb. 26.4
figure 4

Durchschnittliche Ladepunktbelegung in Deutschland zwischen 21.12.2019 und 10.03.2020 nach Standort. (Vgl. Hecht et al. 2020)

In primär gewerblich genutzten Gegenden wiederum steht eindeutig eine Nutzung während der Arbeit im Vordergrund. An Wochenenden ist die Nutzung stark reduziert, und auch nachts werden nur wenige Ladepunkte genutzt. Aufgrund der langen Standzeiten und der insgesamt niedrigen Auslastung ist der Standort für Betreibende weniger attraktiv. Im suburbanen Raum ist die Belegung über eine Woche hinweg von einer hohen Gleichmäßigkeit geprägt, da tagsüber kaum Neuankömmlinge die Nutzung erhöhen. Aus diesem Grund ist auch der Unterschied zwischen Woche und Wochenende kaum ausgeprägt. Ladeinfrastruktur in wenig besiedelten („unbewohnt“) Bereichen wird kaum genutzt. Dies lässt sich vor allem auf einen Mangel an Kundschaft zurückführen. Ein weiterer Grund ist, dass Schnellladestationen häufig in wenig besiedeltem Gebiet errichtet werden, welche aus bereits genannten Gründen weniger häufig belegt sind.

Neben diesen relativen Unterschieden zwischen den Aufstellungsorten ist anzumerken, dass selbst an guten Standorten der Betrieb von Ladeinfrastruktur derzeit noch kaum rentabel ist. Es gibt nur vergleichsweise wenige, hoch ausgelastete Ladestationen, die sich finanziell rechnen und einen Großteil der Erlöse generieren. Um ein deutschlandweites verfügbares Netz aufbauen zu können, müssen daher Kosten sinken und – wo notwendig – Förderungen die geringe Auslastung kompensieren.

3 Nutzung von elektrifizierten Flotten

Im privaten Bereich gibt es trotz einer stark steigenden Zulassungszahl immer noch viele Personen, die vom Kauf eines Elektrofahrzeugs absehen. Die genannten Gründe umfassen dabei häufig, dass die Reichweite der Elektrofahrzeuge vor allem für weite Fahrten als zu gering betrachtet wird. Dieses Argument tritt bei gewerblich eingesetzten Elektrofahrzeugen nur bedingt auf, da die Strecken je nach Gewerbe verhältnismäßig kurz und vor allem sehr planbar sind. Insgesamt ist das Flottenprofil stark vom individuellen Gewerbe abhängig, jedoch lassen sich die generellen Überlegungen an exemplarischen Beispielen gut darlegen. Abb. 26.5 zeigt beispielhaft die An- und Absteckzeitpunkte der Flotte eines Pflegedienstes und eines Energieversorgungsunternehmens, die im Projekt „GO ELK“ mit Datenloggern ausgestattet und über die Dauer von zwei Jahren hinweg dokumentiert wurden.Footnote 9

Abb. 26.5
figure 5

An- und Absteckzeitpunkte der Flotte eines Pflegedienstes (oben) und eines Energieversorgungsunternehmens (unten). (Eigene Auswertung der Daten aus GO ELK)

Beim Pflegedienst sind insbesondere zwei regelmäßig auftretende Arbeitsschichten zu erkennen. Zwischen 6 und 7 Uhr beginnt die erste Schicht, zu der die meisten Fahrten gestartet werden. In der Zeit zwischen 11 und 14 Uhr wird die Schicht beendet. Dann werden die Fahrzeuge oftmals mit der Ladestation verbunden und geladen. Die zweite Schicht beginnt zwischen 14 und 17 Uhr und endet zwischen 20 und 23 Uhr. Nach Beendigung der Schicht werden die Fahrzeuge nachts mit der Station verbunden und wieder aufgeladen. Das Profil des Energieversorgungsunternehmens kann in gewisser Weise als komplementär gegenüber demjenigen des Pflegedienstes erachtet werden, da die Fahrzeuge tendenziell morgens in der Zeit von 6 bis 9 Uhr mit der Ladestation verbunden und nachmittags in der Zeit von 15 bis 18 Uhr wieder vom Netz genommen werden – in der Zwischenzeit gibt es einige Fahrten. Der Grund für dieses etwas ungewöhnliche Fahrprofil ist, dass der Belegschaft die Mitnahme der Fahrzeuge nach Hause gestattet ist und dieses Angebot für die Arbeitswege genutzt wird.

Durch das Ladeprofil ergeben sich regelmäßige und gut planbare Netzanschlusszeiten der beiden gewerblich eingesetzten Fahrzeugflotten. Abb. 26.6 zeigt die durchschnittliche Netzanschlusshäufigkeit beider Flotten innerhalb einer Woche. Während der Pflegedienst ein gleichmäßiges Profil über den gesamten Zeitraum hinweg aufzeigt, ergeben sich beim Energieversorgungsunternehmen Unterschiede zwischen den Tagen Montag bis Freitag sowie Samstag und Sonntag, die auf die private Nutzung der Fahrzeuge durch die Belegschaft zurückzuführen sind. Die regelmäßig auftretenden Anschlussprofile können für die Planung der Ladevorgänge genutzt werden. Bei bekannten Stand- und Anschlusszeiten können intelligente Ladestrategien entwickelt werden, die die Bezugsleistung möglichst gleichmäßig halten, um hohe Leistungsspitzen und damit verbundene erhöhte leitungsbezogene Netzentgelte zu umgehen.

Abb. 26.6
figure 6

Durchschnittliche Belegung der gewerblichen Ladeinfrastruktur der Flotten eines Pflegedienstes (oben) und eines Energieversorgungsunternehmens (unten)

Bei Analyse der Ladezustände (State of Charge – SoC) zu Beginn einer Ladung ist zu erkennen, dass die Fahrzeuge häufig noch eine mittlere Restreichweite aufweisen (vgl. Abb. 26.7). Dabei liegen die Ansteck-SoC bei Fahrzeugen des Pflegedienstes durchschnittlich höher als bei denjenigen des Energieversorgungsunternehmens. Sie verteilen sich überwiegend im Bereich zwischen 40 und 80 % der Batteriekapazität, während beim Energieversorgungsunternehmen eine gleichmäßigere Verteilung zwischen 25 und 70 % der Batteriekapazität vorliegt. Sehr geringe Ansteck-SoC zwischen 0 und 10 % der Batteriekapazität treten nur äußerst selten auf. Beiden Profilen ist gemeinsam, dass die Werte der Absteck-SoC sich vermehrt zwischen 90 und 100 % befinden. Somit werden die Fahrzeuge meist vollgeladen, bevor sie wieder für eine Fahrt genutzt werden.

Abb. 26.7
figure 7

SoC zu Beginn und am Ende der Ladevorgänge bei Fahrzeugen eines Pflegedienstes (oben) und eines Energieversorgungsunternehmens (unten)

Insgesamt unterscheidet sich die Nutzung gewerblicher Flotten von der Nutzung privater Pkw in der Planbarkeit des Gebrauchs, der Ladung und der Weglänge. Bei bekannten und sich wiederholenden Schichten kann die Ladeplanung bedarfsgerecht vorgenommen werden. Sind ausreichend lange Standzeiten vorhanden, könnten daher insbesondere diese Fahrzeuge mit einer bekannten Wahrscheinlichkeit für die Erbringung von Netzdienstleistungen genutzt werden, da die Erbringungszeiträume der Regelleistungsmärkte in den vergangenen Jahren deutlich verkürzt wurden.Footnote 10 Werden die gewerblichen Fahrzeuge auch für den privaten Gebrauch freigegeben, sinkt diese Planbarkeit sehr stark, da die Fahrzeuge seltener an die Ladepunkte des Unternehmens angeschlossen werden. Zudem variiert die Planbarkeit zwischen den individuellen Gewerbeflotten – beispielsweise Logistikunternehmen mit festen Routen und Zeiten versus Carsharing mit spontanen Privatfahrten – und die Planung der Ladeinfrastrukturnutzung muss stets für den Einzelfall erfolgen.