Zusammenfassung
Der Beitrag widmet sich dem weltweiten Trend einer ‚Konsolidierung‘, d. h. der räumlichen Zusammenlegung verschiedener Kontrollzentralen städtischer Infrastrukturen, die vom öffentlichen Nahverkehr, über Rettungseinsätze, bis hin zum Stromnetz reichen. Es wird gezeigt, wie sich diese Konsolidierung konkret in den Kontrollzentralen gestaltet. Gleichzeitig soll plausibel gemacht werden, dass die Zusammenlegungen der sehr unterschiedlichen Sektoren auf eine neue städtische Gestaltungsmacht und Resilienz abzielen, die der Auslieferung der Städte an globalisierte Risiken entgegenwirken soll. Kontrollzentralen stehen damit zusehends im Zeichen einer städtischen Souveränität.
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Notes
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Die Bandbreite der von Kontrollzentralen behandelten Themen ist begrifflich schwer aufzufangen. Ich verwende den Begriff des Sektors umgangssprachlich unscharf als ‚Themenzweig‘, mit dem etwa die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Rettungsdienst, Energieversorgung, Sicherheitsbranche, Verkehrsregelung usw. in den Blick kommt. Domäne hingegen soll spezifischer ein Tätigkeitsfeld heißen, dass sich durch die verwendete Infrastruktur und eingesetzte Geräte von anderen Domänen abgrenzt. Damit kommt etwa die Unterscheidung zwischen Bus- und Tramverkehr in den Blick, die beide dem öffentlichen Nahverkehrssektor zugerechnet werden können.
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Der Begriff des kommunikativen Handelns lässt sich als eine sozialtheoretische Erweiterung des Grundbegriffes des sozialen Handelns verstehen, denn mit ihm soll die vernachlässigte mediatisierte, materielle, leibkörperliche und damit auch räumliche Dimension Betonung finden. Kommunikatives Handeln zwischen zwei Subjekten verläuft nie ‚rein‘ dyadisch im leeren Raum, sondern setzt immer auch den Bezug auf etwas außerhalb dieser Dyade voraus (vgl. Knoblauch, 2017).
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Der sozialtheoretisch stark abstrakte Begriff der Objektivation bezeichnet im kommunikativen Konstruktivismus eine Verdichtung und Institutionalisierung sozialen Handelns, die gleichsam als etwas vom Leibkörper abgetrenntes, wirkmächtiges, gewissermaßen als ‚Ding an sich‘ wahrgenommen wird. Dabei kann es sich um materielle Sedimente, aber auch um Zeichen, Symbole usw. handeln.
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Vorausgegangen ist dieser Installation von Sensoren in Mülleimern eine wiederholte Missachtung der von der Stadtverwaltung mit den Entsorgungsunternehmen abgeschlossenen Verträge. Entsprechend darf davon ausgegangen werden, dass diese Sensorik nicht nur eine klimafreundlichere Entsorgung erlaubt, wie es offiziell verlautbart wird, sondern auch zu einer besseren Überwachung der Entsorgungsunternehmen dient.
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Schröder, D.J. (2023). Die Refiguration infrastruktureller Kontrollzentralen. In: Hunold, D., Brauer, E., Dangelmaier, T. (eds) Stadt. Raum. Institution. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-41824-3_14
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