Zusammenfassung
Feldhasen sind auf reich strukturierte Offenlandflächen angewiesen, die ganzjährige Deckung und Äsung bieten. In derartigen Lebensräumen wird die Zuwachsrate der Population durch negative Effekte der Prädation, der ungünstigen Witterung oder von Krankheiten weniger stark beeinflusst. Zur Erhöhung der Feldhasendichte ist daher vor allem die Erhaltung bzw. Verbesserung des Lebensraums durch Anlegen von Brachen, Blühstreifen, Hecken und Feldrainen anzustreben. Prädatorenbejagung erhöht die Junghasenüberlebensrate zusätzlich, ist aber ohne begleitende Lebensraumverbesserungsmaßnahmen nur von kurzem Erfolg gekrönt. Nicht zuletzt sollte eine mögliche Bejagung der Feldhasen den Prinzipien der nachhaltigen Jagd folgen, die sich insbesondere am Zuwachs des Feldhasenbestandes orientiert. Das Monitoring der Feldhasenpopulation und der diese beeinflussenden Faktoren stellt die Grundlage für ein adaptives Management dar.
Abstract
European hares depend on richly structured open areas that provide year-round cover and food. In such habitats, the rate of population increase is less affected by negative effects of predation, adverse weather or diseases. Therefore, to increase the density of European hares, the main goal is to maintain or improve the habitat by creating set-asides, flower strips, hedges and field margins. Predator hunting additionally increases the survival rate of young hares, but without accompanying habitat improvement measures it is only crowned with short success. Last but not least, possible hunting of European hares should follow the principles of sustainable hunting, which is especially based on the recruitment of the hare population. Monitoring of European hare population and the factors affecting it provides the basis for adaptive management.
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3.1 Einleitung
Ursprünglich in Steppenhabitaten, Waldsteppen und Freiflächen in der Waldzone beheimatet, folgte der Feldhase (Lepus europaeus) dem Menschen auf seiner Ausbreitung während der neolithischen Revolution von Südosteuropa nach Norden und Westen, wo die Siedler die Landschaft für die Landwirtschaft öffneten (Huber 1973; Lado et al. 2018). Bis zum Spätmittelalter waren Feldhasen in Europa immer noch selten (Huber 1973). Der deutliche Anstieg der Feldhasenpopulation begann erst im 18. und 19. Jahrhundert mit der Zunahme der landwirtschaftlichen Nutzung, z. B. durch Entwässerung von Sümpfen und Flurbereinigungen (Huber 1973).
Heutzutage ist der Feldhase in Europa weit verbreitet und wird in der globalen Roten Liste als „nicht bedroht“ eingestuft (Hackländer und Schai-Braun 2019). Allerdings gingen insbesondere die europäischen Feldhasenbestände in den letzten Jahrzehnten dramatisch zurück (Smith et al. 2005a), weshalb der Feldhase in mehreren europäischen Ländern (z. B. Österreich, Deutschland, Norwegen, Schweiz) als „potenziell bedroht“ oder gar „gefährdet“ gilt (Reichlin et al. 2006). Vor diesem Hintergrund stellen sich Fragen des Feldhasenmanagements einerseits nach den Rückgangsursachen und andererseits nach den notwendigen Managementmaßnahmen zur Verhinderung eines weiteren Rückgangs. In diesem Kapitel sollen ökologische Zusammenhänge zur Biologie des Feldhasen beleuchtet werden, um anschließend nachvollziehbare Managementempfehlungen zu begründen. Befassen wir uns also zunächst mit den Ansprüchen der Feldhasen an ihren Lebensraum und damit, welche Faktoren über die Populationsdynamik des Feldhasen bestimmen.
3.2 Welche Faktoren beeinflussen die Hasendichte?
Die Zuwachsrate bei Feldhasen hängt hauptsächlich von der Überlebensrate der Junghasen ab und nicht von der Fortpflanzungsleistung der Häsinnen (Hackländer et al. 2001). Häsinnen bringen im Durchschnitt jährlich 10 Jungtiere zur Welt (Flux 1981), in guten Jahren oder Gebieten auch 13 (Schai-Braun et al. 2020). Junghasen werden zwischen Januar und September geboren, die meisten jedoch zwischen März und August (Raczyński 1964). Innerhalb eines Jahres vermehren sich zwischen 85 und 100 % der erwachsenen Weibchen (Schai-Braun et al. 2019). Die Reproduktionsleistung der Feldhasen ist also sprichwörtlich hoch. Doch nur wenige Junghasen schaffen es bis zum folgenden Jahr.
Junghasen sind bei der Geburt relativ weit entwickelt, mit offenen Augen und Ohren und Fell (zur Tarnung), und werden daher als Laufjunge bezeichnet. Diese Strategie steht im Zusammenhang mit der Tatsache, dass Feldhasen ganzjährig oberirdisch leben. Die Geburt erfolgt in einer flachen, von der Mutter gescharrten Mulde. Diese als Sasse bezeichnete Stelle befindet sich oft an einem geschützten und trockenen Ort. Normalerweise besuchen die Mütter ihre Jungen nur einmal täglich kurz nach Sonnenuntergang für zwei bis sechs Minuten zum Säugen (Broekhuizen und Maaskamp 1976). Weibchen liefern in optimalen Lebensräumen eine fettreiche Milch (mindestens 20 %, Hackländer et al. 2002).
Die Überlebensraten bei Junghasen sind sehr niedrig. Bis zum Herbst beträgt die Mortalität bis zu 95 % (Schai-Braun et al. 2020). Gründe für die niedrige Überlebensrate bei Junghasen sind überwiegend widriges Wetter, Prädatoren und landwirtschaftliche Aktivitäten. Ungünstige Witterungsbedingungen, insbesondere niedrige Temperaturen und hohe Niederschläge im späten Frühjahr und Frühsommer erhöhen die Sterblichkeit (Hackländer et al. 2001; Karp und Gehr 2000), da Junghasen nicht von ihrer Mutter gewärmt werden. Abgesehen davon ist die Überlebensrate der Junghasen auch in Jahren mit Sommerdürren geringer (Bresiński und Chlewski 1976), da die Weibchen aufgrund des Nahrungsmangels möglicherweise nicht in der Lage sind, genügend Milch zu produzieren. Dementsprechend führt ungünstige Witterung zu niedrigen Zuwachsraten und Jagdstrecken (Eiberle und Matter 1982; Rödel und Dekker 2012). Zu den weiteren Sterblichkeitsursachen zählen auch landwirtschaftliche Tätigkeiten wie das Mähen von Wiesen, der Einsatz von Strieglern auf Getreidefeldern usw. (z. B. Kałuziński und Pielowski 1976; Kittler 1979; Durdík 1981) sowie der Straßenverkehr (z. B. Reichholf 1981; Heigl et al. 2016).
Im Allgemeinen ist ein komplexes Zusammenspiel zahlreicher Faktoren für den Zuwachs und die Abundanz von Feldhasen verantwortlich, nämlich Landschaftsheterogenität, Landnutzung (landwirtschaftliche Aktivitäten), Bodentyp, Klima (bzw. Wetter), Krankheiten und Prädation (Smith et al. 2005a). Metaanalysen, die versuchten, die einzelnen Mortalitätsfaktoren zu gewichten, kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. In vielen Studien waren jedoch Landnutzungspraktiken wichtiger als Wetter und Krankheiten (z. B. Eiberle und Matter 1982; Frölich et al. 2003; Smith et al. 2005a; Weber et al. 2019). Ungünstiges Wetter in Verbindung mit hoher Luftfeuchtigkeit und kalten Temperaturen könnte den Anteil kranker Hasen erhöhen und es Prädatoren ermöglichen, leichtere Beute in Hasen zu finden. Der Hauptprädator für Feldhasen in Mitteleuropa ist der Rotfuchs (Vulpes vulpes). Im Allgemeinen korreliert die Rotfuchsdichte negativ mit der Populationszunahme bzw. der Dichte der Feldhasen (Pegel 1986; Ahrens 1996; Frölich et al. 2003).
3.3 Ansprüche der Feldhasen an ihren Lebensraum
Feldhasen sind heute überwiegend in Acker- und Grünland, aber auch in lichten Wäldern, Mooren, Heide- oder Salzwiesen anzutreffen. Abgesehen davon bewohnen sie auch Parks und Flugplätze. Hasen vertragen also auch anthropogene Strukturen und sind daher auch in Städten zu finden (z. B. Köhler 2008; Mayer und Sunde 2020b). Feldhasen leben vom Meeresspiegel bis auf 2800 m Seehöhe (Huber 1973). Tiefe und lose Schneedecken (Sokolov et al. 2009), Weiden mit Vieh (Lundström-Gilliéron und Schlaepfer 2003; Lush et al. 2014) und die Nähe von Straßen (Roedenbeck und Voser 2008) werden jedoch gemieden.
Auf landwirtschaftlichen Flächen finden sich flächendeckend die höchsten Dichten, wobei Feldhasen Ackerland den Wiesen oder Weiden bevorzugen (McLaren et al. 1997; Vaughan et al. 2003). Hasen präferieren strukturreiche Gebiete, die das ganze Jahr über Nahrung und Deckung bieten (Pavliska et al. 2018). Nachts wird offenes Gelände mit niedriger und lückiger Vegetation für die Nahrungsaufnahme bevorzugt; die eine gute Übersicht und Durchdringbarkeit ermöglichen (Bresiński 1976, 1983). Tagsüber sind geschütztere Bereiche notwendig (Neumann et al. 2011; Schai-Braun und Hackländer 2014). Dichtes Dickicht von Bäumen und Sträuchern wird nachts gemieden, ist aber tagsüber im Randbereich ein gern genutzter Ort für Feldhasen (Abb. 3.1), insbesondere in ausgeräumten Ackerbaugebieten ohne Deckung, und dann vor allem im Winter (Pielowski 1966; Bresiński und Chlewski 1976; Matuszewski 1981).
Dementsprechend werden in Ackerbaugebieten nicht bewirtschaftete Strukturen wie Hecken (Tapper und Barnes 1986; Pépin und Angibault 2007; Cardarelli et al. 2011) und Brachland (Smith et al. 2004; Cardarelli et al. 2011; Schai-Braun et al. 2013) tagsüber als Unterschlupf bevorzugt genutzt. Gleiches gilt für Feldränder, an denen sich sowohl Junghasen (Voigt und Siebert 2019) gerne aufhalten, aber auch Adulte bevorzugt ihre Sasse anlegen (Lewandowski und Nowakowski 1993; Schai-Braun und Hackländer 2014).
Der Feldhase ernährt sich von einer breiten Palette an Kulturpflanzen, Kräutern und Gräsern (vorwiegend Poaceae). Unter den Kräutern werden insbesondere Arten der Fabaceae, Asteraceae, Brassicaceae und Plantaginaceae genutzt (Brüll 1976; Homolka 1982, 1987; Chapuis 1990; Jennings et al. 2006; Reichlin et al. 2006). Im Winter ernähren sich Feldhasen auch von Samen, Knospen, Zweigen, Rinde und anderen verholzenden Pflanzenteilen (Frylestam 1986; Rödel et al. 2004; Sokolov et al. 2009), insbesondere wenn die Bodenvegetation mit Schnee bedeckt ist. Feldhasen können auch zur Samenverbreitung beitragen (Stiegler et al. 2021). Über die genutzten Pflanzenarten wurde sehr viel publiziert, und nicht selten wurden die Begriffe Nutzung und Selektion oder Präferenz synonym verwendet. Daher sind diese Publikationen mit Vorsicht zu genießen, schließlich hängen Nutzung und Selektion von der Pflanzenverfügbarkeit ab, die je nach Untersuchungsgebiet variiert.
Obwohl das Nahrungsspektrum in einem Gebiet mehrere 100 Pflanzenarten umfassen kann, sind die bevorzugten Pflanzen jedoch sehr wenige. Daher wurde der Feldhase als wählerischer Pflanzenfresser beschrieben (Schai-Braun et al. 2015): Von den 349 Pflanzentaxa, die in einem Untersuchungsgebiet in Ostösterreich identifiziert wurden, verwendeten Hasen 47 Taxa und nur 10 wurden positiv selektiert. Die Nahrungswahl wird unter anderem durch den Energiegehalt, d. h. den Rohfett- und Rohproteingehalt, bestimmt, während Rohfaser gemieden wird (Smith et al. 2005b; Schai-Braun et al. 2015). Während der durchschnittliche Rohfettgehalt von Nahrungspflanzen für pflanzenfressende Säugetiere bei etwa 3,5 % liegt, kann der Darm eines Hasen mehr als 30 % Fett enthalten (Popescu et al. 2011). Nahrungsfett ist für Hasen in zweierlei Hinsicht wichtig. Erstens, weil die Reproduktionsleistung von Weibchen mit Zugang zu fettreicher Nahrung höher ist (Hackländer et al. 2002), da Junghasen somit Zugang zu fettreicher Milch haben (mindestens 20 %, Broekhuizen und Maaskamp 1976; Kučera 1991; Hackländer et al. 2002). Zweitens dient Fett als Wasserquelle, wenn Fett verstoffwechselt wird. Daher ist bei einem aus Steppenhabitaten stammenden Säugetier eine positive Selektion auf fetthaltige Pflanzenteile zu erwarten (Kronfeld und Shkolnik 1996). Dementsprechend wird der Wasserbedarf in der Regel durch die Nahrungsaufnahme und -verdauung gedeckt (Kummer 1970); eine direkte Wasseraufnahme oder die Aufnahme von Schnee ist jedoch möglich (Sokolov et al. 2009).
3.4 Und wie viel Platz braucht ein Feldhase?
Feldhasen sind nicht territorial, auch wenn sie in ihrem Streifgebiet Duftmarken hinterlegen. Die Größe des Streifgebietes hängt von der Heterogenität des Lebensraums, der durchschnittlichen Schlaggröße, der Hasendichte, der Jahreszeit, dem Geschlecht und natürlich der verwendeten Untersuchungsmethode ab (z. B. VHF vs. GPS-Telemetrie, Methode der Aktionsraumberechnung (z. B. MCP vs. Kernel), Dauer des Beobachtungszeitraums, Stichprobengröße; s. Marboutin 1997; Schai-Braun und Hackländer 2014).
Gelegentlich können die tagsüber genutzten Sassen und die nächtlichen Äsungsplätze mehrere hundert Meter voneinander entfernt sein, z. B. wenn Futterstellen keinen Schutz bieten und ein nahegelegener Wald tagsüber als Rückzugsgebiet genutzt wird. Die Größe der Streifgebiete hängt somit von der Distanz zwischen Sasse (tagsüber) und Nahrungsplätzen (nachts) ab. In Gebieten mit großen Schlägen und geringer Kulturartenvielfalt kann die Jahresstreifgebietsgröße 330 ha überschreiten (Pielowski 1972). Bei hoher Habitatheterogenität sind die Streifgebiete eher wenige Hektar groß (Lewandowski und Nowakowski 1993; Kunst et al. 2001; Schai-Braun und Hackländer 2014; Ullmann et al. 2018).
Das Raumnutzungsverhalten der Feldhasen ist recht flexibel und wird von der Lebensraumqualität (Futterverfügbarkeit, Deckung, Paarungspartner, Prädationsdruck) beeinflusst. Folglich sind die dokumentierten Streifgebiete größer, wenn Hasen über einen längeren Zeitraum beobachtet werden und sich die Lebensräume im Laufe des Jahres ändern (insbesondere im Ackerland). Hasen bewegen während der Getreideernteperioden schnell das Zentrum ihres Lebensraums (Marboutin und Aebischer 1996; Ullmann et al. 2020, aber vgl. Reitz und Leonard 1994), jedoch nur in Landschaften mit geringer Heterogenität (Schai-Braun et al. 2014). Einige Studien zeigten eine hohe Standorttreue von Hasen (z. B. Broekhuizen und Maaskamp 1982; Hewson und Taylor 1968; Bray et al. 2007), die jedoch nur in optimalen Habitaten mit hoher Heterogenität und geringer Störung zu finden ist (Avril et al. 2012).
Störungen durch landwirtschaftliche Aktivitäten (Ullmann et al. 2020), Jagd (Avril et al. 2014), Naturereignisse wie Überschwemmungen (Schrama et al. 2015) oder harte Winterbedingungen können zu Abwanderungen führen (Sokolov et al. 2009). Nahrungsknappheit im Winter kann sogar zu Massenwanderungen von mehreren Tausend Individuen führen (Fortunatow s. a. und Neschenzew s. a. in Angermann 1972).
3.5 Hasen als begehrte Beute
Feldhasen haben etliche Fressfeinde. Das Spektrum der Prädatoren reicht von kleinen Musteliden wie dem Mauswiesel (Mustela nivalis) bis hin zu Wölfen (Canis lupus) und von kleinen Greifvögeln und Rabenvögeln bis hin zu Uhus (Bubo bubo) (Pielowski 1993; Hell und Soviš 1997). Hauptprädator ist jedoch wie erwähnt der Rotfuchs. In Polen bildeten Hasen 12–46 % der Rotfuchsnahrung (Pielowski 1976b; Goszcyński und Wasilewski 1992), hauptsächlich abhängig von der jährlichen Variation der Verfügbarkeit alternativer Beutetiere (z. B. Wühlmäuse). In Gebieten mit hoher Prädatorenabundanz und/oder einem Mangel an schützender Vegetation ist das Überleben der Junghasen deutlich geringer (Reynolds und Tapper 1995; Schmidt et al. 2004). Die Überlebensrate bei erwachsenen Hasen wird durch Prädation weniger beeinflusst, außer bei Individuen in schlechter Kondition (Severtsov et al. 2017).
Prädatoren wie der Rotfuchs können auch indirekte Auswirkungen auf Feldhasen haben, indem sie deren Lebensraumnutzung beeinflussen. Hasen nutzen Randhabitate mehr, wenn Rotfüchse vorhanden sind (Weterings et al. 2019), äsen eher an Orten mit geringerer Nahrungsqualität (Weterings et al. 2018) und sind wachsamer und fressen weniger (Mayer et al. 2020b). Das Leben in Gruppen reduziert das Prädationsrisiko bei Hasen, und gleichzeitig bleibt in Gruppen mehr Zeit zum Fressen, da nicht alle gleichzeitig wachsam sein müssen (Broekhuizen und Maaskamp 1982; Marboutin und Aebischer 1996). Dies erklärt auch, warum Hasen nach Möglichkeit in Gruppen auf Nahrungssuche sind (Broekhuizen and Maaskamp 1982; Marboutin and Péroux 1999). Einzelne Hasen reduzieren die Aktivität in hellen Mondnächten, da Füchse dann aktiver sind (Viviano et al. 2021).
3.6 Krankheiten: von Ökologen oft unterschätzt!
Für Hasen wurden zahlreiche Krankheiten beschrieben (Übersicht z. B. Boch und Schneidawind 1988; Frölich et al. 2001; Sokolov et al. 2009), viele davon mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Populationsdynamik. Die Krankheitsprävalenz schwankt zwischen den Jahren und unterscheidet sich zwischen Untersuchungsgebieten, Altersklassen und Geschlechtern (Rieck 1956; Lamarque et al. 1996), teilweise erklärt durch Dichte- und Witterungseinflüsse. Parasitenbefall kann einen epidemischen Status erreichen und in wenigen Jahren zu großen Verlusten bei Feldhasenpopulationen führen.
In den letzten Jahrzehnten führten neu auftretende Viruserkrankungen durch einen Calicivirus der Gattung Lagovirus zu starken Rückgängen der Hasenpopulationen (Salvioli et al. 2017). Die erste Calicivirus-Infektion bei Feldhasen wurde in den frühen 1980er-Jahren beschrieben (Gavier-Widén und Mörner 1991); diese führt zu einer Krankheit namens European Brown Hare Syndrome (EBHS), unter Jägern auch Hasenpest genannt. Hasenpopulationen zeigten nach einem EBHS-Ausbruch dramatische Einbrüche. Neben diesem Calicivirus kann auch das Myxomavirus von Wildkaninchen auf Feldhasen überspringen (Übersicht in Barlow et al. 2014). Myxomatose bei Feldhasen ist normalerweise mit einer hohen Prävalenz in sympatrisch lebenden Wildkaninchenpopulationen verbunden (Wibbelt und Frölich 2005).
Während beim Feldhasenmanagement sehr viel auf „sichtbare“, äußere Faktoren geachtet wird, z. B. die Lebensraumstruktur oder die Prädatorendichte, werden Krankheiten in ihrer Wirkung auf die Populationsdynamik des Feldhasen oft ignoriert. Feldhasenmanager sind daher gut beraten, bei Populationsschwankungen auch Krankheiten als Faktor in die Analyse miteinzubeziehen, damit die Managementmaßnahmen nicht auf zufällige statistische Zusammenhänge der „sichtbaren“ Variablen begründet werden.
3.7 Vom Kulturfolger zum Verlierer in der Kulturlandschaft
Bis zum 20. Jahrhundert bot die Kulturlandschaft Europas dem Feldhasen bessere Lebensbedingungen als die Steppen, von denen er aus dem Menschen ursprünglich gefolgt ist. In der Steppe ist die Hasendichte vergleichsweise gering und liegt nur bei ca. 2 Hasen/100 ha. Landwirtschaftliche Nutzung, insbesondere auf fruchtbaren, aber trockenen Bodentypen führen zu höheren Dichten (Sokolov et al. 2009). Schließlich fördert eine gute Habitatqualität die Fruchtbarkeit, das Überleben, die damit verbundene jährliche Zuwachsrate und letztendlich die Populationsdichte. Je nach Habitatqualität können in Europa im Frühjahr (vor der Reproduktion) Hasenbesätze von 1 (Rühe et al. 2000; Kilias und Ackermann 2001) bis 156 Hasen/100 ha (Klansek 1996) gefunden werden (Übersicht in Averianov et al. 2003). Bis zum Herbst kann sich dieser Wert auf bis zu 275 Hasen/100 ha erhöhen (Klansek 1996). Der Spitzenwert von 339 Hasen/100 ha wurde auf einer Insel vor Dänemark erhoben, auf der es zum Zeitpunkt der Zählung weder Landwirtschaft noch Jagd und auch keine terrestrischen Beutegreifer gab (Abildgård et al. 1972).
Mit der zunehmenden Industrialisierung der Landwirtschaft wurden die sehr guten Habitatbedingungen in der europäischen Kulturlandschaft zuungunsten der Feldhasen verändert. Die Entwicklung des Kunstdüngers Ammonium durch das Haber-Bosch-Verfahren, das 1910 patentiert wurde, läutete das Ende der Dreifelderwirtschaft ein, die seit dem Mittelalter dafür gesorgt hatte, dass ein Drittel der Ackerfläche brach lag. Nun konnte die gesamte Ackerfläche durchgehend genutzt und die Produktivität gesteigert werden. Gleichzeitig wurde durch die Entwicklung der Zugmaschinen die Mechanisierung der landwirtschaftlichen Nutzung beschleunigt. Weitere Flurbereinigungen führten in Regionen mit guten Bodenwerten zu ausgeräumten Landschaften („Agrarsteppen“), die durch große Schläge und geringere Heterogenität geprägt waren. In den 1970er-Jahren wurde durch die Erkenntnisse von Onderscheka und Gattinger (1976) auch der Begriff des „Ernteschocks“ eingeführt, der verdeutlichen sollte, dass Feldhasen kurz nach der Getreideernte insbesondere in strukturarmen Ackergebieten mit einer massiven Veränderung ihres Lebensraums konfrontiert werden, die sich negativ auf die Verfügbarkeit von Nahrung und Deckung und damit auf den Energiehaushalt und den Immunstatus der Feldhasen auswirken kann. Insgesamt nahm in den vergangenen Jahrzehnten die Kulturartenvielfalt ab, und gleichzeitig wurden vermehrt höhere Kulturen angebaut. Der seit den 1960er-Jahren expandierende Maisanbau in Europa verkleinerte den für Feldhasen geeigneten Lebensraum noch weiter (Sliwinski et al. 2019; Mayer und Sunde 2020a), da in Maisäckern die bevorzugte Äsung und die für das Sicherheitsbedürfnis eines ursprünglichen Steppentiers notwendige Übersichtlichkeit nicht mehr gegeben sind. Gleiches gilt für andere Biomasse-Energiepflanzen wie Miscanthus (Petrovan et al. 2017).
Da die Intensivierung der Landwirtschaft und die damit einhergehende Verschlechterung der Habitatqualität für Feldhasen bereits in der vorletzten Jahrhundertwende begann, ist auch klar, dass der Rückgang der Feldhasen bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts seinen Anfang nahm. Dies belegen Jagdstreckenanalysen z. B. aus Niederösterreich (Schwenk 1985). Wenn andere Quellen einen Rückgang ab den 1960er- oder 1970er-Jahren festgestellt haben (z. B., Smith et al. 2005a; Bock 2020; Farkas et al. 2020), dann ist dies auf die fehlenden Daten aus den vorangegangenen Jahrzehnten zurückzuführen.
Die Intensivierung der Landwirtschaft wird also als Superfaktor gesehen, der maßgeblich für den Rückgang der Feldhasen verantwortlich gemacht werden kann (Schröpfer und Nyenhuis 1982; Petrak 1990; Schäfers 1996; Panek und Kamieniarz 1999; Lundström-Gilliéron und Schlaepfer 2003; Smith et al. 2005a, Panek 2018; Mayer et al. 2019). Während der Feldhase in der Vergangenheit von extensiver Landwirtschaft profitierte, wird er heute durch die intensive Nutzung unserer Anbauflächen negativ beeinflusst. Andere negative Faktoren wie hoher Prädationsdruck oder ungünstige Witterung werden durch die fehlende Deckung und Äsung in ihrer Wirkung verstärkt.
3.8 Was braucht ein gutes Feldhasenmanagement?
Wie schon in der Einleitung erwähnt, muss man in Hinblick auf die Populationsdynamik des Feldhasen zwischen den Gründen für den Rückgang und den geeigneten Maßnahmen zur Erhöhung der Hasenbestände unterscheiden. Um dem Rückgang der Hasenpopulationen in Europa entgegenzuwirken, wurden verschiedene Ansätze gewählt, die jeweils positive Effekte zeigten. Es wurden Schutzgebiete eingerichtet (Canova et al. 2020), im Winter Nahrungsergänzung angeboten (Matuszewski 1966; Reichlin et al. 2006), Lebensräume verbessert (Genghini und Capizzi 2005; Kamieniarz et al. 2013; Petrovan et al. 2013; Meichtry-Stier et al. 2014; Santilli et al. 2014; Sliwinski et al. 2019; Schai-Braun et al. 2020) und Prädatoren scharf bejagt (Reynolds et al. 2010; Panek 2013). Diese führten meistens zu höheren Feldhasendichten, offensichtlich begründet durch eine Erhöhung der Überlebensrate der Jungtiere. Lebensraumverbesserungen wirkten sich langfristig positiv auf die Feldhasendichte aus, während Prädationsbejagung nur die Symptome bekämpfte, wenn auch sehr effektiv.
Als ungeeignet und womöglich sogar kontraproduktiv haben sich Bestandsstützungen herausgestellt, da diese Krankheitsübertragungen und negative genetische Auswirkungen mit sich bringen (Pierpaoli et al. 1999; Suchentrunk et al. 2006; Stamatis et al. 2007). Die Sterblichkeitsrate der umgesiedelten Individuen ist im ersten Monat meist sehr hoch und liegt zwischen 40 % (Misiorowska und Wasilewski 2012) und 79 % (Angelici et al. 2000), hauptsächlich aufgrund der Prädation durch Rotfüchse (siehe auch Marboutin et al. 1990). Dennoch wird diese Praxis in ganz Europa immer noch ausgeübt (z. B. Ferretti et al. 2010; Modesto et al. 2011; Fischer und Tagand 2012; Misiorowska 2013; Spyrou et al. 2013; Cukor et al. 2018). Ausgewilderte Hasen stammen aus der Zucht in Gefangenschaft oder haben einen Ursprung aus Gebieten mit höheren Hasendichten, die manchmal mehrere hundert Kilometer vom Auswilderungsort entfernt sind (d. h. aus potenziell allochthonen Populationen). Sie können sogar aus Gebieten stammen, in denen sie eingeschleppt wurden, wie aus Argentinien und Uruguay (Suchentrunk et al. 2006). Transport und Freisetzung werden auch im Hinblick auf den Tierschutz diskutiert, da mit dem Fang, dem Transport und der Freilassung in unbekanntem Terrain eine hohe Stressbelastung für die betroffenen Tiere einhergeht (Paci et al. 2006).
Wer den Feldhasenbestand erhöhen möchte, sollte also zunächst den Lebensraum verbessern, parallel dazu den Raubwilddruck senken und nicht zuletzt bei der Bejagung der Feldhasen zurückhaltend sein. Insgesamt gibt es in Bezug zum Feldhasenmanagement nur wenige Patentrezepte, da die Lebensräume, in denen Feldhasen vorkommen, sehr divers sind und die Rahmenbedingungen zwischen den verschiedenen Studiengebieten nicht immer detailliert beschrieben worden sind. Für das evidenzbasierte Feldhasenmanagement steht also letztendlich nur eine geringe Zahl an konkreten Managementempfehlungen zur Verfügung. Feldhasenmanager müssen daher aufgrund der biologischen Grundlagen dieser Tierart für das betreffende Gebiet selbst Maßnahmen entwickeln und diese durch ein permanentes Monitoring (z. B. der Feldhasendichte oder des jährlichen Zuwachses) evaluieren. Im Folgenden werden für ein solches adaptives Management konkrete Empfehlungen aufgeführt.
3.8.1 Lebensraumverbesserung
Wie schon erwähnt, brauchen Feldhasen eine reich strukturierte, extensiv genutzte Landwirtschaft (Abb. 3.2). Der ökologische Landbau ist in diesem Zusammenhang im Übrigen per se keine allgemeine Lösung (Santilli und Galardi 2016), da dieser in einer intensiven Form sogar schädlicher sein kann als konventioneller Anbau. Das Problem liegt also tatsächlich in der Intensivierung der Landwirtschaft. Um dieser entgegenzuwirken, kann man das Rad der Zeit nicht zurückdrehen. Landwirtschaftliche Betriebe müssen im globalen Wettbewerb ihre Effizienz steigern, und dazu gehören größere Flächen, die mit schnelleren Maschinen kostengünstig bearbeitet werden können. Seit der Reform der EU-Agrarpolitik 1992 spielen insbesondere Agrarförderprogramme eine sehr wichtige Rolle für den Feldhasen, denn der verpflichtende Brachflächenanteil von anfangs 15 % der Agrarfläche trug wesentlich dazu bei, den Rückgang der Feldhasenbestände abzuschwächen. Wie wichtig diese Brachflächen für Feldhasen waren, zeigte sich 2008, als die Brachflächenverpflichtung aufgehoben wurde, ein Großteil der Brachen wieder landwirtschaftlich genutzt wurde und in Folge die Feldhasenbestände und -jagdstrecken auch in Deutschland wieder deutlich zurückgingen (Deutscher Jagdverband 2022).
Brachflächen, also aus der Nutzung genommene landwirtschaftliche Flächen sind in ihrer positiven Wirkung schmalen Landschaftselementen (z. B. Blühstreifen, Hecken oder Feldraine) deutlich überlegen (Weber 2017), aber im Endeffekt kommt es auch auf die Menge an. Befinden sich in einem Gebiet nur wenige lineare und schmale Strukturen, die dem Feldhasen Deckung und Äsung bieten, können diese schnell zu ökologischen Fallen werden (Hummel et al. 2017). Da Hasen derartige Strukturen bevorzugen, werden hier vermehrt Jungtiere gesetzt und Sassen für den Tageseinstand ausgewählt. Beutegreifer, die tagsüber (z. B. Rohrweihe, Aaskrähen) oder nachts (z. B. Rotfuchs, Steinmarder) unterwegs sind, orientieren sich gerne an linearen Strukturen und haben somit ein leichtes Spiel. Ist der Prädationsdruck jedoch gering, sei es, weil die legal zu bejagenden Prädatoren scharf bejagt werden oder weil es sehr viele dieser linearen Strukturen gibt, wird der geschilderte negative Effekt von zu wenigen Feldrainen und Blühstreifen etwas abgeschwächt.
Damit nicht auch breite Brachflächen zu ökologischen Fallen werden, braucht es einen gewissen Flächenanteil. Insgesamt sollte der Anteil an habitatverbessernden Strukturen wie Brachflächen, Blühstreifen, Hecken und Feldrainen zumindest 7 % betragen (Cormont et al. 2016). Weniger Prozentpunkte bergen die Gefahr, dass diese Strukturen zu ökologischen Fallen werden, mehr Prozentpunkte verbessern zwar den Lebensraum, die Mehrkosten durch Ausgleichszahlungen an die Landwirte, führen aber nurmehr zu geringen Verbesserungen für den Zuwachs an Feldhasen.
Neben dem Flächenanteil von Brachen ist natürlich deren Anlage und Pflege von entscheidender Bedeutung (Weber 2017). Da Feldhasen lückige und niedrige Vegetation bevorzugen und sich derartige Flächen positiv auf die Junghasenüberlebensrate und damit auf den Zuwachs des Bestandes auswirken, sollten Brachflächen sowohl nur einmal im Jahr gemulcht werden, als auch zusätzlich regelmäßig der Boden verwundet und die Grasnarbe aufgebrochen werden. Dies sollte natürlich nicht in der Hauptsetzzeit der Junghasen (zwischen März und September) und auch nicht flächig passieren. Idealerweise werden dazu mäandrierende Streifen in die Fläche gemulcht und geeggt. Diese ungeraden Streifen maximieren die Grenzlinienlänge. Über die Jahre kann durch diese Maßnahme die Fläche als Ganzes kurz gehalten werden, damit sie für Feldhasen attraktiv bleibt. Werden Brachflächen nicht derart gepflegt und nur einmal im Jahr gemulcht, dann führt dies langfristig zur Dominanz von Gräsern, die zwar Deckung bieten, aber nicht unbedingt die bevorzugte Äsung. Derartige Altgrasbrachen werden daher auch eher für den Tageseinstand genutzt und weniger für die nächtliche Nahrungsaufnahme (Schai-Braun und Hackländer 2014).
Übrigens muss nicht jede Brachfläche bei ihrer Erstanlage auch mit Saatgut versehen werden. Im Boden befinden sich üblicherweise genug Samen attraktiver Äsungspflanzen, sodass man sich diese Kosten sparen kann. Wird einem die Aussaat jedoch auferlegt (im Rahmen der Agrarfördermaßnahmen) oder befinden sich im Boden zu viele Samen von unerwünschten Beikrautarten, die für die benachbarten Ackerflächen belastend sein können (insbesondere im ökologischen Landbau), kann natürlich mit einer Saatgutmischung Starthilfe gegeben werden. Zu beachten ist hierbei, dass grundsätzlich das Motto „weniger ist mehr“ angesagt ist (lückiger Bewuchs) als auch strikt darauf geachtet werden sollte, nur regionaltypisches, autochthones Saatgut zu verwenden.
Brachflächen haben zwar bei richtiger Anlage, Pflege und Flächenanteil den weitaus größten positiven Effekt auf Feldhasen, aber auch zusätzliche Verbesserungsmaßnahmen wie Ackerrandstreifen, naturnahe Uferbegrünungen, niedrige Hecken oder Zwischenfrüchte erhöhen die Habitatqualität insgesamt (Weber 2017).
3.8.2 Beutegreiferdruck reduzieren
Auch Beutegreifer in der Kulturlandschaft kennen Verlierer und Gewinner. Jene, die zu den Generalisten und Opportunisten zählen und für die im Jagdgesetz eine Schusszeit vorgesehen ist, sollten auch bejagt werden. Zu ihnen gehören neben invasiven Neubürgern wie Waschbär und Marderhund insbesondere der Rotfuchs, der Steinmarder und die Aaskrähe. Deren Bejagung ist aber ohne nachhaltigen Erfolg, wenn der Lebensraum nicht vorher oder zeitgleich verbessert worden ist. In ausgeräumten Landschaften hat ein geringerer Prädationsdruck positive Effekte auf den Feldhasenzuwachs, aber es handelt sich eben nur um Symptombekämpfung. Es sei daran erinnert, dass in einem gut strukturierten Lebensraum der negative Einfluss der Prädatoren schwächer ist. Nachdem das Töten von Wirbeltieren auch einen vernünftigen Grund haben muss und nur in den seltensten Fällen noch der Balg Verwendung findet, sollte der Erfolg der Prädatorenbejagung für den Schutz gefährdeter Arten wie Feldhasen transparent und reproduzierbar dokumentiert werden. Als Erfolg ist hierbei nicht die Jagdstrecke an Füchsen gemeint, sondern die Zuwachsrate beim Feldhasen. Schließlich ist es für den Feldhasen egal, wie viele Füchse pro Jahr erlegt werden, sondern wie viele am Leben bleiben.
Eine sinnvolle Prädatorenbejagung zum Schutz der Feldhasen setzt voraus, dass man die Höhe der Prädatorenpopulation kennt und dadurch auch die notwendige Entnahmerate abschätzen kann. Die Dichte der nachtaktiven Prädatoren wie Steinmarder und Marderhund kann z. B. während der Feldhasenzählung abgeschätzt werden. Die Dichte der Füchse, die ja als Hauptprädator gelten, kann zusätzlich durch eine jährliche Überprüfung der bekannten Baue abgeschätzt werden.
Bei der Bejagung von Prädatoren ist es unabdingbar, sich intensiv mit den benachbarten Jagdrevieren zu koordinieren und gemeinsame Ziele zu erarbeiten. Ansonsten wird die Prädatorenbejagung zum Kampf gegen Windmühlen, und der Erfolg für Feldhasen bleibt aus. Dies gilt insbesondere für kleinere Jagdreviere von weniger als 200 ha, die in waldreichen und damit für Feldhasen nicht idealen Gebieten leben.
Die für die Prädatorenreduktion eingesetzten jagdlichen Techniken sollten im Rahmen der gesetzlichen Rahmenbedingungen alle Möglichkeiten ausschöpfen. Die Fallenjagd wird aber in jedem Fall der wichtigste Baustein einer erfolgreichen Prädatorenkontrolle sein. Es versteht sich für weidgerechte Jagdausübungsberechtigte von selbst, dass hierbei dem Tierschutz maximale Bedeutung bemessen werden sollte.
3.8.3 Zuwachsorientierte Bejagung
Wenn der Lebensraum geeignet und der Prädationsdruck gering ist, können sich die Feldhasenbestände wieder mittelfristig erholen und eine schonende, zuwachsorientierte Bejagung angedacht werden. Üblicherweise findet in Mitteleuropa eine Bejagung der Feldhasen im Herbst (Oktober-Dezember) statt. Ausnahmen finden sich dort, wo Weingärten oder Obstbaumanlagen eine wirtschaftliche Rolle spielen. Hier kann die Jagdzeit evtl. bis Januar oder Februar verlängert sein, um Schäden an der Rinde der Bäume oder den Weinstöcken zu vermeiden (Suchomel et al. 2019).
Die zeitliche Befristung der Jagd auf den Herbst zielt darauf ab, unnötiges Leid in der Fortpflanzungssaison zu vermeiden. Feldhasen pflanzen sich in Mittel-, Ost- und Nordeuropa hauptsächlich im Frühling und Sommer fort (z. B. Stieve 1952; Raczyński 1964; Möller 1971; Lincoln 1974), aber überall können sporadisch Junghasen auch im Herbst festgestellt werden (z. B. Schai-Braun et al. 2020 für Österreich), (s. Abb. 3.1). In eher ozeanisch geprägten Klimazonen (z. B. Hewson und Taylor 1975 für Schottland, Hackländer et al. 2011 für Belgien) oder im südlichen Europa (Antoniou et al. 2008 für Griechenland) ist die Reproduktion im Herbst bzw. Winter keine Ausnahme. Da Feldhasen in Mitteleuropa bereits im Dezember reproduktionsaktiv sind, gibt es dort schon seit Längerem die Forderung nach einer kürzeren Jagdsaison (z. B. Kutzer et al. 1976). Eine Verkürzung der Jagdzeit ist vor dem Hintergrund des Klimawandels und der in den Jagdgesetzen geforderten Weidgerechtigkeit wohl auch in Mitteleuropa absehbar.
Bei höheren Dichten ernten Jäger Hasen im Rahmen von Treibjagden unter Verwendung von Schrotflinten (Abb. 3.3), oft mithilfe von Hunden und Beunruhigern.
Unabhängig von der Jagdart oder dem Zeitpunkt ist eine nachhaltige Nutzung nur dann möglich, wenn man einen guten Überblick über die Frühjahrsdichte und den Zuwachs bis zum Herbst hat (Andrzejewski und Jezierski 1966). In Langbein et al. (1999) werden die verschiedenen Zähl- oder Schätzmethoden vorgestellt. Zum Zählen in der Nacht (wenn Hasen aktiv sind) werden Scheinwerfer (Frylestam 1981; Ahrens et al. 1995; Strauß et al. 2008) oder Nachtsichtgeräte (Focardi et al. 2001) verwendet. Frühjahrsdichten und Zuwachsraten können in Folge herangezogen werden, um eine zuwachsorientierte Entnahmerate zu berechnen (Marboutin et al. 2003). In Jahren mit geringem Zuwachs, insbesondere bei ohnehin niedrigen Frühjahrsdichten, kann somit frühzeitig eine herbstliche Jagd abgesagt werden. In Jahren mit hohem Zuwachs ist die Entnahmerate schon vorab festlegbar und somit die Jagdplanung vereinfacht. Schai-Braun et al. (2019) empfehlen z. B. eine Entnahmerate von 10 % für Populationsdichten von 45 Hasen pro 100 Hektar und schlagen vor, Hasenpopulationen mit weniger als 15 Hasen pro 100 Hektar nicht mit Treibjagden zu bejagen. In Gebieten mit niedriger Dichte ist vielerorts die Einzeljagd mit einem Kleinkalibergewehr üblich. Angesichts sinkender Feldhasenbesätze stellt sich in manchen Gebieten die Frage, ob die Notwendigkeit einer Treibjagd noch gegeben ist und der damit verbundene Schrotschuss gerechtfertigt ist (Hackländer 2017), da ein gezielter Schuss mit der Kugel auf einen sitzenden Hasen dem Schrotschuss auf hoch flüchtende Hasen auf Treibjagden vorzuziehen ist.
In Gebieten, in denen die nächtliche Zählung beeinträchtigt ist (z. B. in Gebieten mit hohem Waldanteil), müssen erste Teilstrecken auf Alterszusammensetzung überprüft werden, und zwar durch die Überprüfung durch das Stroh’sche Zeichen (Stroh 1931). Dies ist eine Aufwölbung am vorderen Ende der Vorderläufe, die bis zu einem Alter von ca. 6 bis 8 Monaten ertastet werden kann. Suchentrunk et al. (1991) berichteten, dass einige Jungtiere des Jahres bereits im Alter von 4 Monaten das Stroh’sche Zeichen verloren hatten und einige Individuen dieses Zeichen noch mit einem Alter von mehr als 12 Monaten aufwiesen. Trotz dieser Einschränkungen ist das Stroh’sche Zeichen immer noch die am besten anwendbare Altersbestimmungsmethode im Feld. Wenn der Anteil der Jungtiere des Jahres in der ersten Teilstrecke geringer ist als z. B. 50 % und damit der Zuwachs im Jahr eher schwach war, sollte die Jagd in diesem speziellen Gebiet für das laufende Jahr eingestellt werden.
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Danksagung
Ich danke Niels Blaum und einem anonymen Gutachter für wertvolle Kommentare zu einer vorherigen Version dieses Kapitels.
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Hackländer, K. (2023). Evidenzbasiertes Feldhasenmanagement. In: Voigt, C.C. (eds) Evidenzbasiertes Wildtiermanagement. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-65745-4_3
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