Es liegen bislang insbesondere eine Reihe von Untersuchungen zum Zusammenhang von chronischen Erkrankungen, Demenz oder Multimorbidität und der Entstehung eines Pflegebedarfs vor.
Unstrittig ist zum einen, dass das Alter im Zusammenwirken mit höherer Krankheitslast eine wesentliche Determinante von Pflegebedürftigkeit darstellt; so steigt die Pflegequote insbesondere bei Hochaltrigen im Vergleich zu den jüngeren Altersgruppen deutlich an (Statistisches Bundesamt 2017). Zum anderen zeigen Studien auch dann noch starke Alterseffekte, wenn nach Morbiditäten adjustiert wurde (Hajek und König 2016; Schnitzer et al. 2015). Dies legt die Vermutung nahe, dass neben der Krankheitslast weitere Faktoren – wie soziale Lebenslagen, psychisches Wohlbefinden und subjektive Gesundheit sowie das Geschlecht oder Wechselwirkungen im Rahmen einer Medikation – den starken Einfluss des Alters auf das Pflegerisiko mitbestimmen.
In einer morbiditätsbezogenen Betrachtung beruht Pflegebedürftigkeit grundsätzlich auf multifaktoriell verursachten chronischen Erkrankungen oder Behinderungen (Van den Bussche et al. 2014; Bao et al. 2019). Zu den häufigsten Erkrankungen, die zur Pflegebedürftigkeit führen, gehören – neben Akutereignissen wie Frakturen nach Stürzen – insbesondere Hirngefäßerkrankungen (Schlaganfälle), andere chronische Erkrankungen der inneren Organe und des Bewegungsapparats, schwere rheumatische Erkrankungen, Krankheiten des Skelett- und Bewegungsapparats, psychische Erkrankungen sowie Beeinträchtigungen der Sinnesorgane.
Hinzu kommt, dass in der Altersgruppe über 75 Jahren über 80 % der Frauen und rund 75 % der Männer an mehr als einer Erkrankung gleichzeitig leiden, davon fast ein Drittel der Frauen und rund ein Viertel der Männer sogar an fünf oder mehr Erkrankungen gleichzeitig (Robert Koch-Institut 2015). Eine Studie von Wiedenmann (2017) zum Gesundheitszustand pflegebedürftiger Menschen in der eigenen Häuslichkeit ermittelte in diesem Zusammenhang durchschnittlich fünf chronische Erkrankungen in dieser Population, darunter am häufigsten Hypertonie, Herzinsuffizienz, Gelenkerkrankungen, sonstige Erkrankungen des Herzens sowie Demenz. Ausgeprägte Multimorbiditäten als hochvulnerable Zustände mit komplexen Wechselwirkungen und häufig einhergehender Polypharmazie bergen entsprechend die Gefahr, in Pflegebedürftigkeit zu münden und progredient zu wirken.
Ein weiteres wesentliches Merkmal ist die insbesondere bei hochaltrigen Pflegebedürftigen auftretende Überlagerung von chronisch-degenerativen und demenziellen Erkrankungen (Hajek et al. 2017; Beekmann et al. 2012). Angesichts der steigenden Lebenserwartung und der stark wachsenden Zahl sehr alter Menschen nimmt damit die Bedeutung von Demenzerkrankungen als Ursache von Pflegebedürftigkeit zu. Je nach Schätzung wird es bis 2050 zu einer Zunahme der Prävalenzen von gegenwärtig 1 bis 1,5 Millionen auf 1,5 bis 3,5 Millionen kommen (Robert Koch-Institut 2015). Das Bundesministerium für Gesundheit geht auf Basis von Angaben der Alzheimer Gesellschaft sowie eigenen Daten von derzeit 1,6 Millionen und zukünftig bis zu 3 Millionen Demenzerkrankungen aus (Robert Koch-Institut 2015).
Trotz dieser Erkenntnisse bleibt offen, welche gesundheitsrelevanten Faktoren physischer, psychischer und sozialer Art in welchen Konstellationen das Risiko der Entstehung und Progredienz von Pflegebedarf maßgeblich beeinflussen. Anders gefragt: Welche Erkrankungen oder funktionellen Beeinträchtigungen führen in welchen psychischen und sozialen Zusammenhängen mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Pflegebedarf? Welche Merkmale können umgekehrt im Sinne von protektiven Faktoren für eine Vermeidung oder Verzögerung von Pflegebedürftigkeit identifiziert werden?
Die – insgesamt noch spärlichen – Befunde zur Rolle psychischer und sozialer Zusammenhänge mit entstehendem Hilfe- und Pflegebedarf fokussieren vor allem auf die Bedeutung von Partnerschaft, Netzwerkaspekten und sozialer Unterstützung. Hajek und Kollegen etwa befunden in ihrer Studie zu „longitudinal predictors of functional impairment in older adults in Europe“, dass das Risiko einer funktionellen Einschränkung u. a. für Personen ohne Partner oder Partnerin erhöht ist (Hajek und König 2016).
Eine Studie aus Dänemark analysiert Zusammenleben, soziale Partizipation und ein diversives Netzwerk als Faktoren, die das Risiko von Mobilitätseinschränkungen (onset of mobility disability) reduzieren (Lund et al. 2010). Auch Borchert und Rothgang (2008) stellen in ihrer Studie „Soziale Einflüsse auf das Risiko der Pflegebedürftigkeit älterer Männer“ die protektive Wirkung einer Partnerschaft im Hinblick auf den Eintritt in eine Pflegebedürftigkeit fest.
Eigene aktuelle Studien (Schneider et al. 2020; Schnitzer 2020) belegen ebenfalls die Bedeutsamkeit von engen sozialen Beziehungen, Partnerschaft und sozialer Unterstützung für die Feststellung einer Pflegebedürftigkeit und die Einstufung in einen Pflegegrad (nach Pflegeversicherungsgesetz, SGB XI).