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Qualifizierung ist nicht zu denken ohne Transfer. Von Transfer wird gesprochen, sobald Wissen oder Fertigkeiten auf andere ähnliche Aufgaben und Fragestellungen oder Situationen bezogen und im Lernhandeln produktiv und deutlich werden (vgl. Seel, 2000, S. 30). Lerntransfer bedeutet ein Adaptieren von und Umgehen mit Wissen in vergleichbaren oder überwiegend unbekannten Problemlösungssituationen als intellektuelle Aktivität des Lerners. Mitnichten handelt es sich um einen regelhaften Automatismus, vielmehr um sowohl intuitives wie auch reflektiertes Handeln eines Individuums. Die „Übertragung“ (Seel) des Erlernten hat aufgrund ihrer Nicht-Zwangsläufigkeit zu einer Befassung mit der «Qualität» von Wissen geführt (vgl. Renkl, 1994), so in der Fragestellung seiner Anwendbarkeit und Nützlichkeit. Damit spielen in Lernzusammenhängen prospektive Verwendungsgesichtspunkte des Wissens eine Rolle, die keine Qualität des Wissens selbst sind (Heid, 2005, S. 104); diese sind gesellschaftlicher Praxis und deren Akteuren und Interessen geschuldet. Mithin werden in Institiutionen der Wissensvermittlung laufend Unterscheidungen getroffen, welches Wissen für bestimmte Zielgruppen als besonders relevant erachtet und gelehrt wird (vgl. Strunk, 2005).Footnote 1

An die Lehrkräfte(fort-)bildung wird, verstärkt seit der PISA-Studie (Baumert et al., 2001), die generelle Frage nach ihrer „Wirksamkeit“ adressiert. Damit wird generell ihr Transfererfolg mit einem Zweifel behaftet, was sie unter Nachweisdruck bringt. Sie soll über die Qualitäten ihres Angebots hinaus ihren Erfolg in der Anwendung des Vermittelten im Lehrerhandeln und Unterricht unter Beweis stellen. An die Teilnahme von institutionalisierten qualifizierenden Bildungsveranstaltungen wird die Anforderung gerichtet, möglichst umgehend „Wirkungen im Berufsalltag“ (Mutzeck, 1988, S. 1) zu zeigen – das ist sicherlich wünschenswert, aber nicht voraussetzungslos und letztlich naiv. Denn es ist die Frage, ob und wie Fortbildung darauf Einfluss hat. Um den Anspruch noch zu steigern, soll die Lehrkräftefortbildung sogar das Lernen der Schülerinnen und Schüler verbessern (z. B. Heinrich-Dönges, 2021). Als Grundlage für solch hohe Erwartungen fehlen allerdings „Studien (in der Lehrkräftefortbildungsforschung, H.A.), die Lernfortschritte von Schülerinnen und Schülern in Folge von Lehrerfortbildungen nachweisen wollen“; [sie sind] „vergleichsweise selten“ (Fussangel et al., 2016, S. 376). Forschungsmethodisch dürfte dies auch besondere Anforderungen an das Design stellen (Neuweg, 2011). All das hindert nicht daran, den Anspruch aufrechtzuerhalten.

Aufgrund ihrer Einbettung „zwischen Praxis, Forschung und Politik“ (Heinemann, 2023, S. 29) ist es nicht trivial, dass die Lehrkräfte(fort-]bildung auf die existente Schulpraxis ausgerichtet ist, sie zielt auch auf ihre Modernisierung und ist Teil der Standortpolitik (dazu: Ahlheim & Bender, 1996,) wie auch an PISA erkennbar wird (Huisken, 2005).Footnote 2

Zu dieser Konstellation unterschiedlicher Anforderungen und Erwartungen kommt aktuell hinzu, dass unter der Bezeichnung „Unterstützungssystem“ die Lehrkräftefortbildung im Kontext einer „Dezentralisierung“ in der verstärkten Selbständigkeit der Schule zugleich „Schulqualität“ gewährleisten soll (Fussangel et al., 2016, S. 362). Dennoch fehlt es an einer an dem Bedarf der einzelnen Schule orientierten Fortbildung. Und in einer weiteren Funktion gilt Lehrkräftefortbildung in ihrer bildungspolitischen Nähe als weiche Form von Steuerung mit „zwanghafte[n] Nutzenerwartungen“ (Berkemeyer, 2017, S. 187). Insofern ist die Nachfrage des Historikers und Verwaltungsexperten Ulrich Heinemann (2023) nach empirischen Studien für die These, Fortbildung verbessere die Schule, nachvollziehbar und berechtigt.

Mit diesem problemfokussierten Blick auf inkommensurable Interessen und Erwartungen an die institutionalisierte Lehrkräftefortbildung, das diese nicht als freien und unabhängigen Akteur zeigt, geht es im Folgenden um die Ebenen Teilnehmer, Schule und Unterricht als Voraussetzungen für die Umsetzung des Gelernten. Dabei wird von zwei unterschiedlichen Systemen, ‚Schule‘ und ‚Fortbildung‘, die einen Bezug aufeinander haben, ausgegangen. Sie fungieren eigenständig und weisen jeweilige Eigenlogiken auf. Es ist zu zeigen, dass die Bedingungen des Lernerfolgs eben nicht ausschließlich beim Lernenden und in der Qualität des Lernangebots liegen, sondern in Umsetzungs’anreizen‘ und den Transfer unterstützenden Maßnahmen der Organisation Schule.

Das verbale Material des Evaluationsprojekts (von Fortbildnern, Teilnehmern, KulturSchul-Beauftragten und Schulleitungen) und weitere Notizen zu den Fortbildungen für KulturSchule werden vor dem Hintergrund eines heuristischen Modells hinsichtlich des Lernertrags der Fortbildungen und Unterstützung von Reflexion und Transfer gesichtet. Darüber sollen Anhaltspunkte für den „Wirksamkeitsanspruch“ der Fortbildung und die Voraussetzungen der konkreten Transfersituation gewonnen werden. Da im Rahmen eines Sammelsuriums von «Innovationsprojekten» die Bezeichnung Transfer geradezu inflationär in Anspruch genommen wird, wird hier auf den konstitutiven begrifflichen Zusammenhang mit Lernprozessen sowie die Interdependenz mit spezifischen Transfersituationen Wert gelegt (vgl. Mähler & Stern, 2006, S. 784).

1 Heuristisches Rahmenmodell

Mit dem Fokus auf den Transfer des in der Fortbildung Gelernten sind einige ‚Stationen‘ und Gegebenheiten des beruflichen Lernens im Erwachsenenalter bereits unterstellt: Die Lehrkräfte verfügen über Wissen, Fähigkeiten und Strategien sowie Erfahrungen; sie handeln selbständig und eigenverantwortlich im Beruf; beim Lernen und in ihrer Tätigkeit verfolgen sie eigene Interessen. Die Fortbildung trifft also auf eine biographische Lerngeschichte eines Einzelnen. Diese will sie für die Bewältigung berufsspezifischer Situationen qualifizieren. Die beruflichen Anforderungen der Lehrkräfte unterscheiden sich dabei „in vielfacher Hinsicht von denen anderer Akademiker“ (Lipowsky, 2011, S. 399): Sie sind „in der Regel mit komplexeren Situationen konfrontiert, unterliegen einem permanenten Entscheidungs- und Handlungsdruck und haben sich mit einer Vielzahl von ‚ill-defined-problems‘, also mit einer Reihe ungeklärter Probleme und unvermeidlicher Zielkonflikte auseinanderzusetzen, für deren Bewältigung eine adaptive ExpertiseFootnote 3 und kein rezeptologisch anwendbares Wissen wie in anderen Berufen erforderlich ist“ (ebd.).

Wenn in Fortbildungen neues Wissen erlernt wird, muss dieses in irgendeiner Form als weiterführend erscheinen, im Sinne von deutend und hilfreich oder problemlösend vor dem Hintergrund einer Vielzahl von bekannten oder neu auftretenden Situationen in Schule und Unterricht. Diese Erwartungsperspektive auf das in der Fortbildung vermittelte Wissen wird im Folgenden als Anwendbarkeit gefasst. Die Bedeutung, die dem neuen Wissen zur Bewältigung von Berufssituationen mehr oder minder zugeschrieben wird, bildet den Hintergrund für die persönliche Fortbildungs- und Transferbereitschaft. Schlicht gesagt: Eine Lehrperson hat in der Fortbildung eine Nutzenerwartung. Der banale Satz, was in der Fortbildung gelernt wird, soll in der Praxis ankommen, ist insofern nicht den Wirksamkeitsanforderungen an Fortbildung entnommen, sondern basiert auf den sich im Berufsalltag stellenden Anforderungen, die täglich zu bewältigen sind. Von den Fortbildungsteilnehmern wird der ‚Nutzen‘ einer Veranstaltung auf das Level bezogen, wie diese die eigenen Fähigkeiten und persönliche Handlungskompezenz im Aktionsfeld erweitern. Das zeigt und erweist sich im späteren zeitlichen Verlauf in den konkreten Anforderungssituationen.

In der Weiterbildungsforschung ist ein heuristisches Modell entwickelt worden, das den Blick über die Fortbildung und das Lerngeschehen hinaus auf das jeweilige Anwendungsfeld richtet (Sandmeier et al., 2021). Im Wesentlichen besteht es aus den Elementen «Transfererfolg», der abhängig ist vom «Lernfeld» und «Funktionsfeld». Neben didaktischen Komponenten, die im Lernfeld zum Tragen kommen, wird mit diesem heuristischen Modell auch die für den Lerntransfer bedeutsame transferunterstützende Situation in der Organisation, die das jeweilige Funktionsfeld darstellt, erfasst. Überdies ergeben sich Hinweise auf Organisationsmerkmale, die auf die individuelle Transfermotivation Einfluss nehmen. Mit dem Hintergrund dieser Konzeption und ihr zugrunde liegende Studien haben die Autoren einen handhabbaren Fragebogen mit Items und Skalen entworfen, der für die evaluative Nutzung in der betrieblichen Weiterbildung gedacht ist; er könnte auch für die Lehrkräftefortbildung adaptiert werden, wenn eine institutionenübergreifende Zusammenarbeit gestärkt und mehr Informationen über den langfristigen Transfererfolg gewonnen werden sollen. Abb. 1 zeigt die Verbindung von Lernfeld, Funktionsfeld und Transfererfolg.

Abb. 1
figure 1

Theoretisches Rahmenmodell aus: Sandmeier et al., (2021, S. 18). Wiederverwendung aus Zeitschrift für Evaluation mit Genehmigung des Waxmann-Verlages

Das Modell veranschaulicht die Anforderungen an die Lehrkräftefortbildung und ebenso die notwendige Unterstützung seitens des schulischen Innovationsmanagements. Ein Vorzug des dargestellten Modells ist: Es widersteht kurzschlüssigen Wirkungserwartungen, wie sie in Wirksamkeitsstudien transportiert werden, in denen Lehrpersonen zu Kompetenzträgern schrumpfen und Lernende als Lernleistungserbringer vorgestellt werden (kritisch Bosse, 2012, S. 23). Insofern ist es wichtig, zu rekapitulieren, dass statistisch feststellbare Lernresultate sich nicht in Kausalzusammenhängen nachweisen lassen (Schüßler, 2012). Lernerfolge haben zahlreiche Bedingungen; eine davon ist, dass der Lerninhalt für den Lernenden relevant ist. Dies ist eine Leistung der Fortbildung, wenn es gelingt, eine Auseinandersetzung mit dem Gegenstand zu initiieren. Am Faktor solch subjektiver Gründe für die Relevanzzuschreibung von Inhalten sehen groß angelegte Wirkungsstudien vorbei. Auch verschwinden im Design solcher Studien individuelle Besonderheiten und Lernbiographien der Teilnehmenden; diese begleiten eine Lerngelegenheit mit ihren persönlichen Deutungen. Auch die Einmaligkeit einer Lernsituation, die ihre Unwiederholbarkeit begründet, spiegeln Untersuchungen, die Ziele, methodische Gestaltungsmerkmale des Lernarrangements und die Besonderheit der Lehrpersonen auf eine sie vergleichbar machende Abstraktionshöhe manipulieren, nicht wider.Footnote 4

Darüberhinaus scheint die Teilnehmerforschung über das Lernen in der Fortbildung noch erweiterungsfähig zu sein. Der Mathematikfachdidaktiker Günter Törner beklagt in seiner Bestandsaufnahme von „Faktoren für Lehrerfortbildung“, dass er in der Literatur sehr wenig über das Lernen in der Fortbildung inklusive der zugehörigen Lernumgebungen finden konnte (Törner, 2015, S. 212). So hilfreich also eine Modellierung der Anwendung und Methodik für das Lernen der Lernenden erscheinen mag – für das Verständnis von Lernprozessen ist aufschlussreich, wenn bekannt ist, an welchem Inhalt und unter welchen Bedingungen die Vermittler des ‚Stoffs‘ mit ihrem Wissensstand gelernt haben. Eventuell könnten sie auch etwas gelernt haben, was sie als Lernende befähigt hat, das eigene Wissen selbständig zu erweitern? Diesbezügliche Aufschlüsse könnten für die Gestaltung von Lernarrangements auf Unterrichtsebene wegweisend sein.

Ein weiteres Problem stellen generalisierte Bezugnahmen der Fortbildungsforschung auf Studien dar, die „überwiegend auf angelsächsischen, hauptsächlich US-amerikanischen Untersuchungen basieren[]“ und ein „Wissen über Zusammenhänge, Mechanismen und Wirkungen bestimmter Fortbildungskonzeptionen auf Aspekte der Professionalität von Lehrpersonen“ (Heinemann, 2023, S. 28) zusammentragen. Diese Studien entstehen manchmal unter arrangierten Versuchsbedingungen. Es ist fraglich, inwieweit sie sich überhaupt auf Verhältnisse in Schulen in Deutschland übertragen lassen – und diese bedeutsame Fußnote wird in Forschungsüberblicken oftmals weggelassen. Werden z. B. in Meta-Studien EffektstärkenFootnote 5 betrachtet, dann stützt sich die Aussagekraft auf ein rein statistisches Maß (Lind, 2012). Georg Lind fügt dagegen als Hauptargument an, dass die Effektstärke kaum etwas über die theoretische oder praktische Bedeutsamkeit der jeweiligen Studie besagt. Eben diese wäre zu begründen und zu entfalten. Insgesamt besteht die Schwierigkeit, «Wirkung» eindeutig und nachweisbar von anderen Einfussfaktoren zu isolieren und auf einen invarianten Faktor zurückzuführen. Nicht zuletzt ist unklar und disparat, was als Wirkung definiert und in einem Forschungsdesign methodisch zugreifbar untersucht wird (vgl. Heinrich-Dönges, 2012, S. 49 ff.). „Die Wirksamkeit von Lehrerfort- und Weiterbildungsmaßnahmen ist keine eindimensionale Größe“, schränken Frank Lipowsky und Daniela Rzejak (2012, S. 235) ein, um dennoch ohne Weiteres daran anschließend komprimiert Output-Ergebnisse auf vier unterschiedlich gut erforschten Wirkungsebenen, die den prominenten Evaluationsstufen von Donald Kirkpatrik (1960) gleichkommen, vorzustellen.Footnote 6

Michael Gessler und Andreas Sebe-Opfermann (2011) bezeichnen Wirkungsketten auf solchen Ebenen als Mythos. Lernresultate lassen sich nicht von den Lernarrangements, in denen sie zustande kommen, trennen.Footnote 7 Neben den wahrgenommenen Effekten einer Fortbildung treten auch nicht-intendierte auf, die aufgrund der Fokussierung auf das Erwartete oftmals nicht zur Kenntnis genommen werden. Zudem entwickeln sich in Lernkontexten der Fort- und Weiterbildung auch individuelle „Benefit“-Komplexe, die über den Erwerb spezifischer Kenntnisse und Fähigkeiten hinausgehen (Schäfer, 2017, S. 14). Es wäre also aufklärend, wenn identifizierbar wäre, welche Fortbildungsrealität durch die Forschungsdaten erfasst wird.

Die graphische Darstellung des Transferprozesses bei Sandmeier et al. (2021) lässt erkennen, dass es den Autoren nicht um die Bebilderung einer der Argumentation enthobenen ‚Notwendigkeit‘ geht, neu Gelerntes in das Funktionsfeld zu transportieren. Auf Pfeile zwischen den Feldern Lernen und Funktionskontext wird verzichtet. Der Lerntransfer hat neben Bedingungen im Lernfeld eine wichtige Komponente im Organisationskontext. Jeweils sind bestimmte Leistungen in beiden Handlungsfeldern von unterschiedlichen Akteuren zu erbringen, damit Lernen gelingen kann und Transfer unterstützt wird. Um Fortgebildete langzeitlich zur Umsetzung neu erworberer Kompetenzen und Gestaltungsideen für das Lernarrangement zu bewegen, sind somit mehrere moderierende Bedingungen und ‚Stellschrauben‘ zu beachten.

Zum einen betrifft dies die didaktische Gestaltung der Lerngelegenheiten. Die eingesetzten Methoden sind nicht unabhängig von Zielen einer Konzeption und den Inhalten, sie sollen das Lernen unterstützen und werden mit den an die Inhalte gebundenen Ziele abgestimmt.Footnote 8 In der Teilnehmerorientierung wird der Lernsituation für das Lernen eines Individuums eine hohe Relevanz beigemessen; sie sollen auch ihre Erfahrungen mit einbringen können. Der Einzelne soll im Lernprozess ‚mitgenommen‘ werden und eigene Bezüge zum Gegenstand entwickeln.Footnote 9 Auch der antizipierte Nutzen des Erlernten im Funktionsfeld ist wichtig für die Entstehung individueller Lerngründe (vgl. Holzkamp, 1993). Die Qualität der Lernsituation wird außerdem vom Austausch mit den anderen Teilnehmern und einer angenehmen Atmosphäre bestimmt. Ebenso sind Kompetenzunterstützung durch Anwendung und direktes Feedback im Lerngeschehen wichtig für den Lernerfolg. Das bedeutet, Fortbildende benötigen ein umfangreiches Wissen, „wodurch sich erfolgversprechende Lerngelegenheiten in Fortbildungen auszeichnen“ (Lipowsky & Rzejak, 2021, S. 13), um mit ihrer umfangreichen didaktisch gesättigten Erfahrung die Bedürfnisse der Zielgruppe zu antizipieren (Heid, 2005, S. 109).

Die Sachverständigen ihres Lernens sind und bleiben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Sie entscheiden mit ihrem persönlichen Hintergrund, ob sie eine Fortbildung als erfolgreich bewerten und was sie ihnen geboten hat. Wie sich dies in den Stellungnahmen der Fortbildungsteilnehmer ausdrückt, ob als kurzfristiger oder sogar langfristiger Lernerfolg, und welche Bedingungen im Anwendungsfeld herrschen, zeigt die weitere Analyse.

1.1 Die Teilnehmerperspektive

In dem Sinne der vorab genannten Kriterien wie Einbezug der Teilnehmer, Gestaltung der Fortbildung und Rahmenbedingungen, Erleben von Selbstwirksamkeit, Reflexionsmomente und Transferbedingungen in der Schule wurde das verbale Material durchgesehen. Die Fachforen werden von den Teilnehmern als besonders erachtet und gewürdigt, auch in dem Sinne, von dem Verlauf und den Aufgabenstellungen überrascht zu sein. Vermerkt wird in der Begründung ein anderes Seminarkonzept, das Freiräume und einen starken Einbezug in Prozesse bietet.

„Dieses intensive Einlassen auf einen Schaffensprozess. Hat man sonst bei Fortbildungen ja überhaupt nicht, also geschweige denn, dass man selber so aktiv mit eingreifen kann“ (FFT3, 00:37). [Involviertsein]

„… man braucht aber die zweieinhalb Tage, um auch [aus dem Alltag] rauszukommen und hier reinzukommen. Und ich liebe das. Das ist ein extrem intensives Arbeiten, die eineinhalb Tage bis zur Präsentation abends am zweiten Tag. Und dann noch mal diese Reflexionsrunde, und die war heute jetzt extrem gut, so wie wir das gemacht haben. Dass wir diese Gruppen noch mal gemixt haben, und dadurch hast du nämlich auch von den anderen noch mal genauer mitgekriegt, wie haben sie es gemacht, also wie war der genaue Prozess. Sodass ich dieses Mal mehr noch von den anderen Gruppen mitnehme als sonst. Vorher habe ich immer nur deren Produkt gesehen und habe gedacht, ist schön. Und jetzt war es zum ersten Mal so, dass ich Teile, die mich interessierten oder wo ich mich andocken konnte, dass ich dann noch mal rückfragen konnte gezielt, wie seid ihr denn vorgegangen, ja, also bei der Performance-Gruppe beispielsweise, ja“ (FFT6, 20). [Prozessgeschehen & Austausch]

„Sehr sehr kommunikativ, sehr förderlich, sehr hilfreich in kollegialen Austausch zu gehen, andere Zeichnungen zu sehen, mit anderen sich darüber zu unterhalten, die Entwicklung der anderen mit zu sehen; zu sehen und zu erleben und zu hören. Hat auch für das eigene Vorankommen ganz viel gebracht und auch für die eigene Reflexion. Und vor allem der Raum hat es einfach auch ja geboten dadurch, dass es die Empore gab, dass man diese Distanz zum eigenen Werk oder zum Werk der anderen aufbauen kann. Und, ja, also man war ja Teil eines Ganzen, und dieses Konzept, was der R. (Name) da entwickelt hat, mit den anfänglichen Spuren auf dieser riesengroßen Fläche, ja, das war ein superschöner Einstieg“ (FFT3, 05). [Lernen durch kollegialen Austausch]

„Also ich als völlig tanzunbegabter Mensch, so würde ich mich einfach bezeichnen, der noch nie Kontakt größer dazu hatte, merke, ich kann es ja doch irgendwie. Man kann ja doch – von den anderen Kursteilnehmern, da waren ja auch manche mehr oder weniger begabt, was das Tanzen angeht – und wir kriegen eine Performance hin und das wird irgendwie total putzig und witzig und schön, und es entsteht einfach was“ (FFT1, 17). [Zuwachs des eigenen Vermögens/das soziale ‚Produkt‘]

„Was nehme ich mit, ja, diese Atmosphäre, die entstanden ist und diese Möglichkeit, so eine Atmosphäre zu schaffen. Ich habe das Gefühl, ich könnte … ich möchte auch solche Lernatmosphäre schaffen. Ich habe Lust darauf“ (IFT15, 04). [Positives Beispiel für die eigene Praxis & Transferwunsch]

„… ja, wo ich merke, erst mal reflektieren muss, was ist denn da alles so passiert. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich das in meinen Unterricht einbauen will. Aber es hat erst mal auch was einfach mit mir gemacht, … es hat mich so in meiner Eingeschränktheit, in meiner Form, die ich so habe, die wurde geweitet. Ich habe jetzt einfach einen größeren Spielraum in meinem Handeln und auch in meinem Denken, auch mir selbst gegenüber“ (IFT13, 04). [Bildungsaspekt]

Die Interviewausschnitte demonstrieren den persönlichen Eindruck, den die Fortbildung in den Workshops der Fachforen hinterlässt. Zur Zufriedenheit der Teilnehmer gehört auch, sich mit den anderen Teilnehmern auszutauschen und gemeinsam an einer Aufgabe zu arbeiten. Das Überschreiten von geglaubten eigenen Grenzen wird vermerkt. Ebenso eine Atmosphäre, die entspannt ist und Freiräume zum Aufeinanderzugehen lässt. Es gibt Stimmen, die sich fragen, ob es ihnen gelingen wird, ihre Erfahrung in den Schulraum zu transferieren. Zur Zeit des Interviews fehlt ihnen noch die Sicherheit eines eigenen Konzepts.

Auch wenn Lernerfolg und Zufriedenheit nicht in einem direkten Zusammenhang stehen (Gessler & Seebe-Opfermann, 2011) und damit auch ein Nicht-Lernen nicht auszuschließen ist, liegt einer solchen Zufriedenheitsbekundung die Erfüllung eines anderen Bedürfnisses zugrunde, wie die nach Kommunikation, Austausch oder Kenntnis der Werkprodukte anderer. Dennoch bleibt es plausibel, anzunehmen, dass die Zufriedenheit mit einer Fortbildungsmaßnahme eine positive Grundlage für den Aufbau einer Transfermotivation ist. Diese wird besonders deutlich in dem artikulierten Vorhaben, eine Atmosphäre im Klassenzimmer schaffen zu wollen, wie sie in der Fortbildung enstanden ist.

Es gibt Unterschiede in den Workshops, wie nah der Schaffensprozess an die Unterrichtsstrukturen im Klassenraum heranreicht. Das Professionswissen entwickelt sich nicht mit rezepthaften Handlungsanweisungen. Denn Handeln ist situativ bedingt und kann nicht vorweggenommen werden (Neuweg, 2011, S. 464). Sobald infolge der Fortbildung mit den eigenen Routinen freier umgegangen werden kann, erweitern sich die eigenen Handlungsmöglichkeiten. Eine Voraussetzung ist das Einnehmen einer Distanz zu Unterricht und Schule. Vor allem fühlen sich die Teilnehmer selbst als Person angesprochen, neu angeregt und erfrischt und entwickeln zum Teil weiterführende Ideen:

„So eine Vorfreude, Sachen wieder auszuprobieren und im Unterricht auch sich so Freiräume zu schaffen, irgendwie zu gucken, mal auszuprobieren, also wenn man diese Roboter bastelt, tatsächlich auch fächerübergreifend zu arbeiten, noch mal außerhalb der Projektwoche. Also ich würde gerne probieren zu gucken, wie kann ich solche fächerübergreifenden Elemente im normalen Alltag unterbringen“ (FFT5, 04). [Transferidee und Erprobungsmöglichkeit]

„… es hat mich so, ich will es jetzt mal klar mal sagen, so bereichert, und ich denke, da wird einiges dann, wenn ich im Schulalltag bin, mir noch einfallen, dass ich sage, ach ja, vielleicht kann man das so oder so machen, oder das war vielleicht jetzt noch mal eine Idee“ (FFT4, 07). [Inkubation und Variabilität der Umsetzung]

„Und eben, dass man aus den kleinen Sachen was macht, also aus einer Begrüßung, dass man irgendwie, wir spielen eine Begrüßung und bauen das mal so als eine Performace auf. Da fing es sofort bei mir an zu rattern, wie, man hat ein Musikstück und die Kinder kommen auf die Bühne, machen ihren Begrüßungsmove und gehen wieder ab, und die nächsten kommen raus, das geht so alles Hand in Hand“ (FFT1, 17). [Einfachheit der Idee für Transfer]

„Also ganz konkret tatsächlich auf den Unterricht bezogen, ich werde bestimmt die Sache, die wir am ersten Tag gemacht haben, das Gestell, die Konstruktion, die Türme, auch direkt mit meinen beiden fünften Klassen, glaube ich, umsetzen. Ganz direkt tatsächlich auch das Spiel mit Schatten, ob man die nachzeichnet, ob man die fotografiert, im Hinblick auf Abstraktion. Ich finde das einen guten Einstieg für die Oberstufe, ganz klar. Ich bin gespannt, wohin das eigentlich sich dann auch so im Klassenraum entwickelt“ (FFT8, 06). [Neugier, was der Transfer auslöst]

Nicht nur das eigene Selbst wird durch die Fortbildung affiziert, die Lehrkräfte denken auch an ihre Schülerinnen und Schüler. Zum einen,

„dass dann mit solchen Übungen, wie wir sie hier gemacht haben, kann man also das wieder aufbrechen, dass man von einem Großen sich einen Teil rausnimmt…“ „Sie können auch über so einen experimentellen Weg am Ende zu einem schönen Ergebnis kommen“ (FFT3, 12). [Umlernen ermöglichen]

„Also das ermöglicht mir so für die Schüler so eine Offenheit irgendwie zu schaffen“ (FFT5, 11). [Freiräume zulassen]

Und von Schülern lernen:

„…zu gucken, was bringen die eigentlich mit, und was kann ich von denen lernen auch. Ja. Auch so ein gegenseitiges Lernen“ FFT5,13). [Reziprozität als persönlicher Gewinn eines Transfers]

Zum anderen das Verhältnis zu den Schülern neu auszutarieren:

„Auch gleichzeitig so eine Offenheit zu haben für Schüler [und] dann auch zu sagen, ich will nicht auf dieses Ergebnis hinaus, sondern gucken, wo kommen die Schüler raus“ (FFT 5, 04). [Schülerorientierung]

„Aber ich glaube, ich würde mich mehr trauen jetzt, die Schüler auch zu provozieren, sie herauszufordern und sie auch zum Machen animieren. Also ihnen zuzumuten, etwas zu sein, etwas darzustellen, also dass sie mehr aktiver werden, … ja, also so auch mal Szenen nachspielen oder etwas, dass das Körperliche vielleicht jetzt noch mal in den Fokus gerät“ (FFT15, 10). [Bildungsaspekt]

Für Lehrkräfte liegt ein Transferanreiz der Fortbildung in Anregungen, anders auf die Schülerinnen und Schüler zuzugehen (was hier auf die als angenehm empfundene Umgangsweise der Fortbildner mit den Teilnehmenden zurückgeht) oder in der Sensibilisierung für deren Schwierigkeiten (aufgrund einer Selbstbeobachtung z. B. beim Vorlesen) oder um diese aus einer erstarrten Haltung im institutionalisierten Lernen herauszuführen (auf der Basis einer Beobachtung des Schülerverhaltens).

Die beispielhaften Aussagen der Lehrkräfte stehen somit für ihren individuellen Lernerfolg und eine Transferorientierung, die in der Fortbildungsveranstaltung geweckt wird. Der Bezug auf die Praxis lässt bei der Mehrzahl der Lehrkräfte Bilder entstehen, in welche Richtung diese transformiert werden kann und in welcher Hinsicht die Schüler von einer neuen Haltung profitieren. Insofern scheint die Intention, die die Programmverantwortlichen und die Fortbildenden verfolgen, aufzugehen, nämlich qua Gestaltung der Fachforen eine ästhetische Erfahrung zu ermöglichen und über deren Eindrücklichkeit die Lehrperson zu motivieren, ihren Unterricht zu verändern, sodass auch Schüler das erleben können. Obwohl in diesem nicht lang ausgezogenen Format von zweieinhalb Tagen die unterrichtliche Anwendung nicht im Vordergrund steht, vielmehr das bildende Moment der Selbstwahrnehmung im ästhetischen Moment, erfolgt diese Reflexion auf den eigentlichen Adressaten. Insofern lassen die Kommentierungen der Teilnehmer die Interpretation zu, dass die ästhetische Erfahrung im Individuum etwas anstößt, was die Sicht der Lehrperson auf Relevanzen im Unterrichten verändert und auch für die Perspektive der Schüler sensibilisiert.

2 Reflexion und Transfer

Das heuristische Modell des Lerntransfers unterscheidet zwischen kurz- und langfristigem Erfolg einer Fortbildungsmaßnahme. Der langfristige Erfolg zeigt sich mit der Anwendung des im Lernrarrangement erworbenen Wissens, der Fertigkeiten oder veränderter Haltung. Gemäß der Itemformulierungen des Modells wird langfristiger Erfolg in beruflichen Kontexten darüber erfasst, wenn die in der Fortbildung erworbenen Kompetenzen in der subjektiven Einschätzung zum Beispiel „öfter“ zum Tragen kommen, zu mehr Zufriedenheit im Arbeitsumfeld führen und sich positiv auf die eigene Arbeitsleistung auswirken und sich Arbeitsabläufe und das allgemeine Klima verbessern.Footnote 10 Eine positive Auswirkung erstreckt sich demnach auch auf das Subjekt des Transfers selbst, aber ebenso auf die Organisation, die in die Weiterbildung der Arbeitskräfte investiert hat. Ein vorteilhafter Effekt mitsamt einer positiven Resonanz stellen also für den Einzelnen einen einsichtigen Grund dar, seine an die Praxis adaptierten Kenntnisse und Kompetenzen einzubringen.Footnote 11

Soweit jedenfalls die Modellannahmen; die allgemeine Erwartung von positiven Effekten bildet den Hintergrund für die Empfehlung, die individuelle Transferbereitschaft bereits in der Fortbildung zu unterstützen. Dies kann in eingeplanten Reflexionsphasen geschehen, in denen aufgrund von Impulsen die individuellen Wahrnehmungen und Deutungen des Lernertrags rekapituliert werden und so stärker ins Bewusstsein des Einzelnen gelangen. Die Interdependenz von Reflexion und Transfer interessiert auch Experten, die sich mit Lernen und Erkenntnis, Handlung und Transfer und Professionalisierung beschäftigen.

Reflexion und Transfer werden als mentale und praktische Aktivitäten rekonstruiert, die die in der Fortbildung vermittelten Intentionen, Inhalte und Erfahrungsprozesse betreffen. Ein Modus von Fortbildung besteht beispielsweise darin, neue Handlungserfahrungen in die bisherigen zu integrieren; verbunden werden also die Vermittlung von Wissenselementen und Handlungsmustern. Als Reflexion gilt der das Lernen und Üben begleitende Verarbeitungsprozess (vgl. Neuweg, 2010). Diesem wird auch in formalen Lernprozessen eine hohe Bedeutung zugesprochen (Konrad, 2005).

Aktuell wird vermerkt, dass in der Literatur kein klares Verständnis von Reflexion vorliegt (v. Aufschnaiter et al., 2019). Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass die Disziplinen und Forschungsrichtungen, die Reflexion reflektieren, einander abgelöst und sich damit Kontexte und Diskursrichtungen geändert haben. Ein Zugriff auf Herkunftsgeschichte und Bedeutung von Reflexion findet sich in der Philosophie, die Reflexion zu ihren Grundbegriffen zählt.

Die begriffliche Bezeichnung umfasst die grundsätzliche Erkenntnis von Gegenständen, Zuständen, Ereignissen und Verhältnissen in der Erfahrungswelt sowie – in einer Distanz von der bereits gewonnenen Erkenntnis – die Kategorisierung der gebildeten Vorstellungen (Wagner, 1973, S. 1203). Es geht dabei zum Beispiel um Relationierungen dieser systematisierten Vorstellungen zu den Phänomenen. Die zweite Verwendungsweise von Reflexion meint das bewusste Wahrnehmen des Selbst, also ein nach innen gerichteter Fokus eines Subjekts auf seine Geistestätigkeiten. Diese beiden unterschiedlichen Richtungen des Denkens, die sich mal mit der äußeren und mal mit der inneren Welt befassen können, können jedoch zu einer Unklarheit führen: „Im empirisch-empiristischen Begriff der Reflexion bleibt ein wichtiges Stück des Problems unklar und wird ein wichtiges Verhältnis verzerrt. Verwischt wird der „Unterschied zwischen dem, was als Bewusstseinsgeschehen, und dem, was als Bewusstseinsinhalt und als Produkt jenes Bewusstseinsgeschehens möglicher Gegenstand der Reflexion ist: das eine gilt ihm genau wie das andere als im Bewusstein enthalten und in der Reflexion gleicherweise auffindbar“ (ebd., S. 1204). Um Klarheit zu bewahren, seien die Vorgänge des Denkgeschehens von den Ideen zu trennen.

Wie es scheint, stellt dieses unter der Hand geschehende Zusammenfließen von zwei Denkrichtungen eine nach wie vor aktuelle Problematik dar. Dies muss hier nicht weiterverfolgt werden, dennoch hilft der Hinweis auf diese Verschränkung, die besser unterbliebe. Zugleich verfolgt der aktuelle Diskurs in Fortbildungs- und Professionalisierungsforschung das Interesse, dass die Fortbildungsteilnehmer ihr Handeln in beruflichen Situationen rekapitulieren und „reflektieren“. In ihrer begrifflichen Auseinandersetzung mit dem Reflexionsverständnis hält Claudia v. Aufschnaiter als Konsenskern diverser Grundlagentexte „vertieftes, lösungsorientiertes Nachdenken“ fest. Einen Dissens macht sie darin aus, ob Nachdenken einen Selbstbezug aufweisen muss. Dieses Problem, das in der philosophischen Diskussion als gelöst gelten kann, ergänzt sie durch Vorgabe eines orientierenden Telos von Fortbildung, nämlich „sich selbst als professionelle Lehrkraft weiterzuentwickeln“: „Wird eine Reflexion eingefordert [sic!], geht es um das analytische Nachdenken mit Bezug auf sich selbst mit dem Ziel, an der eigenen Professionalität zu arbeiten. […] Reflexion ist ein Prozess des strukturierten Analysierens, in dessen Rahmen zwischen den eigenen Kenntnissen, Fähigkeiten, Einstellungen/Überzeugungen und/oder Bereitschaften und dem eigenen situationsspezifischen Denken und Verhalten […] eine Beziehung hergestellt wird, mit dem Ziel, die eigenen Kenntnisse, Einstellungen … und/oder das eigene Denken und Verhalten (weiter-)zuentwickeln“ (v. Aufschnaiter et al., 2019, S. 148, i. O. tw. kursiv). Angesprochen wird die individuelle Professionalität, die auch durch institutionalisierte Fortbildung angebahnt werden soll (Cramer, 2020, S. 112). Georg H. Neuweg (2021) macht in einer Analyse darauf aufmerksam, dass „in keiner Weise gesichert ist, dass sich Lehrerinnen und Lehrer entlang ihrer Erfahrung alleine professionell weiterentwickeln können“, wenn „Distanz und Einlassung vergleichzeitigt sind“ (S. 470); erst eine gestandene Berufsbiographie schaffe dafür eine Chance.

Es stellen sich folgende Nachfragen an die Definition Aufschnaiters: Wer ist das Subjekt, das Reflexion vom Teilnehmer einfordert? Woher ergibt sich die nicht begründete Zwangsläufigkeit, „an der eigenen Professionalität zu arbeiten“? Colin Cramer sieht in dem Begriff der Reflexion „normativ übersteigerte Erwartungen“ (ebd., S. 125), die an Lehrkräfte gestellt werden. Zu normativen Aussagen wird dann gegriffen, wenn wissenschaftliche, auf Wahrheit zielende Klärungen ersetzt werden. Soll eine Lehrperson analysierend vorgehen, so ist dieser Form des Denkens ein Beschluss zur eigenen Weiterentwicklung nicht immanent. Denn im denkenden Tun liegt ein gedanklicher Fortschritt – oder auch nicht. Der Gedanke ist zu beurteilen, nicht der moralische Wille des Denkenden.

Offenbar handelt es sich hier um ein an BerufspraxenFootnote 12 herangetragenen Wunsch beziehungsweise eine normative Setzung. Der Einwand gegenüber solchen Zuschreibungen lautet, dass Nachdenken als Denktätigkeit frei ist. Die Sache wird verfehlt, wenn neben den inhaltlichen Denkvorgang ein eigener sittlicher Auftrag tritt.

Die mit dem Lehrberuf verankerte Ungewissheitskonstante gilt als ein Grund, Reflexivität zu fördern, indem „die Grundlagen der Reflexion im Reflexionsprozess mitbedacht werden“ (Cramer, 2020, S. 118). Bezogen auf die Fortbildung unterscheidet Frank Lipowsky eine Reflexionsphase, die während des Fortbildungsgeschehens ein „vertiefte[s] Nachdenken über [die] eigene Praxis“ (Lipowsky, 2010, S. 64) initiiert, und eine Transformationsphase, die im Anwendungsfeld Schule zu verorten ist. Letztere bezeichnet die Umsetzungsleistung, „das Gelernte in der alltäglichen Praxis anzuwenden, [was] zum einen von den tatsächlichen Anwendungsgelegenheiten, zum anderen vom Austausch mit Kolleginnen und Kollegen und von der Unterstützung durch Vorgesetzte abhängig ist“ (ebd., S. 65). Diese Differenzierung korrespondiert also durchaus mit dem heuristischen Modell von Sandmeier et al. (2021) und verweist auch auf Bedingungen, die im Funktionsfeld gelten.

Für die Fort- und Weiterbildung heißt Reflexion in einem engeren Sinne, dass die Teilnehmenden zunächst ihren Lernprozess vergegenwärtigen. Auf dieser Ebene wird die Selbstbeobachtung und -wahrnehmung angeregt. Weiterhin können Fortbildende Überlegungen anbahnen, welche weiteren Hinsichten das Erlernte außerdem noch bietet. In diesem Sinne ist ein Fortbildner ein Lernprozessbegleiter (Breitschwerdt, 2022), der dafür Wissen und didaktisches Know-how benötigt.

Eva Cendon (2016) sieht in „Re-flexion“ die Möglichkeit, den Blick zurückzuwenden auf in der Selbstbewertung gelungene oder weniger gelungenen oder gescheiterte Handlungssituationen im Beruf. Ihre Reflexionsimpulse legt sie so an, den Teilnehmern ein insgesamt besseres Verständnis der Vorgänge und Probleme im Berufsfeld zu ermöglichen. In dem Fall geschieht das Wahrnehmen ex post und ist mehr ein Erinnern. Deshalb spricht Georg Hans Neuweg von Konstruktion und Interpretation. Eingeschlossen ist in diesen Vorgang eine mehr oder wenig scharf gestellte Selbstbeobachtung. Ein bisheriges stillschweigendes Wahrnehmen, Handeln, Denken wird zu einem (stummen mentalen oder verbalen) Bericht über das in Situationen aktivierte Handlungswissen transformiert (Neuweg, 2001).Footnote 13 Reflexion zielt insofern auf Vergegenwärtigung eines sich angeeigneten, eventuell auch abgesunkenen Wissens und das Transparentwerden von Abläufen situativen Handelns in beruflichen Situationen. Berufliches Handeln und die ihr zugehörige berufliche Praxis können insofern einer Neubewertung zugänglich gemacht werden. Eine Selbstaufklärung über die eigene berufliche Praxis ermöglicht auch eine emanzipative Perspektive. Berufliche Selbstbeschreibungen zwischen Idealisierung und Wirklichkeit lassen Berufsfunktionen hinterfragbar werden und stiften Klarheit für das Handlungssubjekt über die Grundlagen und die Gründe des eigenen Handelns. Bemerkte Beschränkungen fordern zur Erklärung der Ursachen heraus und lassen nach Funktionszusammenhängen fragen. Eventuell zeigen sich dahinterliegende gesellschaftliche Interessen und Funktionszuweisungen.

Der Erziehungswissenschaftler Helmut Heid betont die lern- und bildungstheoretische Perspektive, „wenn Lernende lernen sollen, sich fremdbestimmten Zwecken externaler Instanzen nicht kritiklos zu unterwerfen“. „[D]en darin zur Geltung kommenden Anspruch (können) sie „nur dann erfüllen, wenn sie gelernt haben, ihr Wissen auf die sachkompetente Kritik der Bedingungen, Prinzipien und Mechanismen externaler Zumutungen anzuwenden“ (Heid, 2005, S. 101, Hervorhebung. i. O.). Eine offenkundig externale Aufforderung ist definitorisch nicht in eine internale Zielrichtung, konstruktiv an der eigenen Berufsrolle zu arbeiten, zu verwandeln. Als Gegenstand von Lernprozessen ließe sich über Funktionen, existente Spannungsfelder und Einflussmöglichkeiten im Rahmen beruflicher Selbstbeschreibungen und der Verfehlung ihrer Funktion sprechen. Für die Forschung schärfen diese den Blick auf das Subjekt und dessen „Vorstellung von dem eigenen Berufsbild oder der eigenen Berufskultur“ (Hartig, 2006, S. 160), das zu einer kritischen Analyse erheblich kontrastieren kann (vgl. Gutte, 1994).

Um das Reflektieren anzuregen, sind einige Methoden wie z. B. Lerntagebücher oder die dialogische Didaktik entwickelt worden, die auf die Stärkung von nachträglicher Selbstbeobachtung zielen oder darauf, unartikulierte Relevanzkriterien für das eigene Handeln hervorzulocken. Ein diesbezüglicher Lernertrag ergänzt u. U. die Selbstwahrnehmung eines Individuums, dient der besseren Selbstkontrolle in der Wissensaneignung und der Kompetenzerweiterung im Handlungsfeld. Ob sich die Praxis tatsächlich ändert und eventuell sogar verbessert, ist damit nicht gesagt. Ulrich Heinemann hinterfragt das „Bild des überaus engagierten professionellen Handelns und des pädagogisch besten Willens zum alleinigen Wohle aller Schülerinnen und Schüler“ (Heinemann, 2023, S. 27), das die Schulentwicklungsforschung als auch die Professionstheorien zeichnen und markiert Sollensansprüche, die sich hinter indikativischen Verben verbergen. Insofern kann auch vermutet werden, dass die aktuelle Konjunktur der Reflexion auf ein Interesse an flexiblen Lehrkräften verweist, die vielfältigen externalen Ansprüchen nach Veränderung der Praxis genügen sollen, ohne Bedingungen dieser Berufstätigkeit und ihre Zwecksetzung zu thematisieren. Letzteres wäre ein durchaus wichtiger Gegenstand von Reflexion.

2.1 Reflexion und Transfer – ein Entwicklungsfeld

Die Programmverantwortlichen wollen von der Evaluation der Fortbildungsformate im Kontext des KulturSchul-Programms beantwortet sehen, wie die KulturSchulen die Fortbildungsimpulse aufgreifen. Ihre Fragestellung weist auf die empirische Grenze der Fortbildung hin, ebenso auf die Grenze der Schule.Footnote 14 Solche Grenze gilt für jede Organisation, und sie hat Bedeutung für den Transfer, der von den besonderen Bedingungen im Anwendungsfeld abhängt. Eine Frage ist, wie mit dieser Grenze umgegangen wird. Die Reflexion der Fortbildungsteilnehmer kann sich auf das künftige Handeln richten, sie können Umsetzungsideen und Transfergelegenheiten ansprechen und damit mental vorbereiten. Für die Evaluation sind deswegen auch Reflexionsphasen in den Fortbildungsformaten sondiert worden.Footnote 15

Im Rahmen der teilnehmenden Beobachtung sind von den Reflexionsphasen handschriftliche Notizen angefertigt worden. Äußerungen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen werden weitgehend in indirekter Rede wiedergegeben. Der Verlauf erscheint skelettiert und ist nicht mit der situativen oder inhaltlichen Qualität der Fortbildung identisch. Drei Beispiele verdeutlichen, dass an Reflexionsphasen komplexe Anforderungen bestehen, die im Rahmen eines Abschlussszenarios eher eine sie einschränkende Bedingung vorfinden.

Reflexionsimpuls-Beispiel 1: Workshop-Team (in der Schlussphase eines Workshops beim Fachforum, 2017)

Die 30-minütige Sequenz ereignet sich in der Burghalle der Burg Fürsteneck am Abschlusstag eines zweieinhalbtägigen tanz- und bewegungsorientierten Workshops um 11,00 Uhr nach einer 90-minütigen Aktivitätsphase, in der noch verschiedene Übungen ausprobiert und weiterentwickelt wurden. Am Vorabend fanden bereits die ‚Werkstatteinblicke‘ statt. Diese Phase ist im Ablaufplan mit „Reflexion, Feedback, Austausch, Transfer etc.“ überschrieben.

Die Kursleiterin bittet alle Teilnehmer, sich im Kreis niederzusetzen. Jeder erhält ein zweiseitiges „Arbeitsblatt“ als Hilfestellung, um die Fortbildung zu rekapitulieren. Das Blatt fordert die Teilnehmenden auf, ihre „kreativen Ressourcen“ zu fokussieren. Die zu vervollständigenden Aussagen lauten z. B.:

  • „Ich fühle mich kreativ, wenn…“

  • „Kreative Augenblicke in meinem Unterricht sind, wenn ich…“

  • „Was muss ich tun, um meine Ziele NICHT zu erreichen?“

  • „Woran würde ich merken, dass ich mein Ziel erreicht habe?“

Die Mehrzahl der Teilnehmenden holt sich einen Stift. Nach 20 min äußert jeder im Kreis ringsum eigene Eindrücke. Die Teilnehmerreaktionen werden im Folgenden ihrer Reihenfolge nach in indirekter Rede wiedergegeben:

Teilnehmerin 1::

Die Bewegung im Workshop schaffe Gemeinschaft. Dies sei auch im Kollegium oder in der Arbeit mit den Schülern möglich. Die Teilnehmerin habe Offenheit und Toleranz wahrgenommen.

Teilnehmerin 2::

Mit dieser Art von Aktivität schaffe man es, aus „Trott und Routine rauszukommen“.

Teilnehmerin 3::

Man habe einen „Zugang zum eigenen Körper“ finden können und Gemeinschaft erlebt.

Teilnehmerin 4::

Man habe „nicht groß überlegen“ müssen. Die Leitung habe kurze Impulse gesetzt und die Teilnehmenden frei agieren lassen. Vieles sei offen gelassen worden; eine Steigerung der Schwierigkeiten wurde ermöglicht. Die Aufgabenstellungen hätten „nicht so ausführlich“ ausfallen müssen. Das eigene persönliche Credo laute, „sei frei und spontan.“

Teilnehmerin 5::

Die Kursleitung habe „eine Atmosphäre geschaffen, in der es erlaubt war, sich einzulassen.“

Teilnehmer 6::

Als Teilnehmer habe man gelernt, „an die eigenen Grenzen zu gehen und sie zu überwinden.“ Der Workshop habe ihn dazu gebracht, „Nähe zuzulassen“, und der Körperkontakt habe „Grenzen geweitet“

Teilnehmer 7::

Der Workshop habe gezeigt, dass die Kursleitung entscheidend dafür sei, wie sie „ihre Rolle mit Ideen und Visionen füllen kann.“

Teilnehmerin 8::

Sie habe „Respekt vor dem Rollenwechsel“, der ihr bevorstehe: „von der Teilnehmerin zur Lehrerin.“ Sie wünsche sich mehr Sicherheit, wenn sie in ähnlicher Weise eine Gruppe anleiten würde. Konkrete Anwendungsmöglichkeiten zu besprechen, wäre hilfreich für sie.

Teilnehmerin 9::

Sie habe die Erfahrung gemacht, „dass Bewegung befreiend ist.“ Das eigene Erleben bei der Fortbildung sei „eine wichtige Voraussetzung dafür, dass man es mit den Schülern ausprobiert.“

Teilnehmerin 10::

Ihr Anspruch an die Fortbildungsteilnahme sei es gewesen, „etwas Konkretes nutzen zu können.“ Im Ergebnis nimmt sie die Stärkung eines Gemeinschaftsgefühls und die Stärkung der eigenen Persönlichkeit mit, die durch den Workshop ermöglicht worden sei.

Teilnehmerin 11::

Die eigene Batterie sei nun wieder aufgeladen.

Teilnehmerin 12::

Sie sei „ohne Erwartungen hergekommen“ und fühle sich jetzt „losgelöst und entspannt, anders als vorher.“ Es sei gut gewesen, eine eigene Erfahrung machen zu können: Man verlange den Schülern oftmals etwas ab und könne dies nun besser verstehen.

Teilnehmerin 13::

Die Teilnehmerin sei „ohne bestimmte Erwartungen“ angereist und überrascht, wie schnell man selbst mitgemacht habe: „Woanders hätte ich mich geniert.“ Es sei möglich gewesen, den „Kopf auszuschalten und einfach mal zu machen“. Die Schule sei während des Workshops in ihrem Kopf nicht präsent gewesen.

Teilnehmerin 14::

Sie sei mit einer anderen Vorstellung vom Tanzen angereist und hätte beispielsweise Gruppentanzchoreographien erwartet. Stattdessen sei eine große Offenheit gefordert gewesen. Sie habe Spaß gehabt und ihren Kopf ausschalten können; es ging „nur um Fühlen, Sein.“

In dieser Phase erfolgt keine Kommentierung oder aufnehmende Beiträge zu bereits geäußerten Teilnehmereindrücken. Diese sind different, der persönliche Eindruck wird thematisiert und der Kursleitung ein Feedback gegeben. Die eigene Erwartung an den Workshop sowie neu Gelerntes, das positiv attribuiert wird, werden angesprochen. Auch die Umsetzungsfrage wird von einigen angesprochen (T8, T9. T10). Auf den schriftlichen Impuls des „Arbeitsblatts“ mit seinen Fragestellungen wird in dem Austausch weder von Teilnehmenden noch von der Kursleitung eingegangen.

Da diese Reflexionsphase am Ende des zweieinhalbtägigen Workshops erfolgt, ist davon auszugehen, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich über ihre Erfahrungen im Workshop bei anderer Gelegenheit, z. B. abends, schon ausgetauscht haben. So ist im verbalen Material das Erstaunen eines Mannes ausgedrückt, in dem Bewegungsablauf körperlich einer Frau so nahe gekommen zu sein, ohne dass man darüber hätte nachdenken müssen. Der Kontakt ist als ungekünstelt und nicht fremdbestimmt empfunden worden, als ein Ereignis im Prozess unter einander nicht Vertrauten. Im vorliegenden Protokoll ist allerdings zunächst wenig ersichtlich, worum es in dem Workshop ging. Allgemein wird von Bewegung gesprochen und auch darüber, dass ein Zusammengehörigkeitsgefühl entstanden sei (T1, T3, T6, T10).

Eventuell hat der Einstieg mit dem Arbeitsblatt, das nicht an Inhalt und Geschehen des Workshops anknüpft, von ästhetischer Erfahrung weggeführt. Im Austausch werden Erwartungen und deren Enttäuschung, Wahrnehmungen, aber auch Befindlichkeiten und Gefühle angesprochen. Einige sprechen auch an, was sie gelernt haben (T6, T9). Dies führt allerdings nicht in die Thematisierung der emotional behafteten Eindrücke oder zu weiterführenden Nachfragen seitens der Moderatorin; jeder Beitrag bleibt als persönlicher individueller Eindruck stehen.

Reflexionsimpuls-Beispiel 2 : Fachdidaktiker (in der Schlussphase eines Tag X im Plenum, 2017)

Die Sequenz ereignet sich zum Abschluss einer eintägigen Veranstaltung in einer Kultureinrichtung, wobei es um eine Verbindung von mathematischen Fragestellungen und der Technik des (geometrischen) Faltens von Papier ging. Nach praktischen Arbeitsphasen und einer Führung durch die Ausstellung übernimmt der Leiter der Einrichtung, ein universitärer Fachdidaktiker, die abschließende Moderation zwischen 15,40 und 16,00 Uhr. Die Referentin, die die mehrstündige praktische Arbeit angeleitet hat, beteiligt sich an der Diskussion.

Fachdidaktiker::

„Könnte man das Falten in der Schule einsetzen? Für welche Altersstufen wäre dies denkbar?“

Teilnehmerin 1::

Sie bedankt sich für den Impuls, wie man den Tangens noch anwenden könne, „nicht in Mathe, sondern irgendwann anders, um Schüler glücklich zu machen.“

Teilnehmerin 2::

Der Workshop sei gut gewesen, lebensnah und praktisch.

Teilnehmerin 3::

Die Referentin habe anschaulich anleiten können, sodass die Teilnehmenden eigentätig arbeiten konnten.

Fachdidaktiker::

Der Moderator erkundigt sich, ob die kennengelernte Praxis des Faltens „auch für andere Zusammenhänge als nur mathematische“ anwendbar sei.

Teilnehmerin 4::

Im Fremdsprachenunterricht sei es vielleicht möglich, eine Anleitung in anderer Sprache zu benutzen, auch wenn in einem solchen Textformat keine alltagspraktischen Begriffe verwendet werden.

Teilnehmerin 5::

Im Deutschunterricht könne man eine Vorgangsbeschreibung üben und die Schüler zu freiem Sprechen anleiten.

Teilnehmerin 6::

In der Biologie könne man die Stabilität von Waben und anderen Mustern in der Natur verdeutlichen. Im Chemieunterricht könne man Molekülmodelle mit bestimmten Winkeln und Formen darstellen.

Teilnehmerin 7::

Im Kunstunterricht ließen sich auf die Art und Weise räumliche Phänomene besser begreifen.

Referentin::

Origami besitze eine gute Lernphilosophie: Man könne mit und an seinen Fehlern lernen. Und es sei möglich, nicht zuerst eine Struktur zu erklären, sondern sie erfahren zu lassen.

Fachdidaktiker::

Er formuliert abschließend, dass die kennengelernten Techniken das Potenzial haben, Lust an Mathematik und an einer persönlichen Erfahrung zu wecken.

Bei diesem Abschluss des Veranstaltungsstages steht die Verwertbarkeit des Fortbildungsinhalts in der Schule im Mittelpunkt. In erster Linie wird nach der innovativen Anwendbarkeit des kennengelernten Zugangs zu einer vielseitig angewendeten Falttechnik, in zweiter für den Fachunterricht und anderen Fachdomänen gefragt. Die Möglichkeiten für Ideen der Teilnehmerinnen sind recht offen und weit. Die Reflexion von Erfahrungskomponenten sind der Abschlussrunde nicht vorgeschaltet, sodass individuelle Eindrücke über diese Ästhetisierung dieser variantenreichen Falttechnik ausgeklammert bleiben.

Da die Teilnehmerinnen aufgefordert werden, sich über die Anwendbarkeit der Origami-Technik in ihrer Schule und auch in ihren Fächern Gedanken zu machen, lenkt dies den Blick gezielt auf ihr Handlungsfeld. Durch das eigentätige Falten von Papier sind sie praktisch mit einer weit verbreiteten kulturellen Praktik bekannt gemacht worden und sie nehmen auch manifeste Beispiele in Papier mit. Sie haben selbst etwas gelernt. Das neue Wissen, das sich in dieser Repräsentation nicht als Schulstoff offenbart, können sie als ‚Exotikum‘ in die Schule einbringen. Jedes Mobile im Flur oder eine Ausstellung könnte begleitet sein von zu lösenden Rätseln aus verschiedenen Schulfachdisziplinen. Mit Hinsicht auf ihre Fächer steuern die Teilnehmerinnen mögliche Ansatzpunkte eines Aufgreifens der Fortbildung in ihrer Abschlussbesprechung bei, ohne dass eine Überzeugung offenkundig wird, demnächst Origami in die Schule einzubringen.

Damit sind zwei Beispiele aus zwei unterschiedlichen Fortbildungsformaten vorgestellt. In den Workshops der «Fachforen» steht explizit keine direkte Verwertbarkeit einer neuen Erfahrung im Vordergrund, gleichwohl eine Inkubationszeit für eigene Ideen; im anderen Fall eines «Tag X» erfolgt am Beispiel einer Kulturtechnik aus einem anderen Kulturkreis für mathematisches und fachlich transferiertes Lernen. Unterbelichtet bleiben gemäß der Beobachtung in den jeweiligen Reflexionsphasen die Eindrücke und Erlebnisse, die sich auf die ästhetische Erfahrung beziehen. Das Ästhetische als Phänomen und die Reflexion seiner Relevanz, wie es die eigene Wahrnehmung affiziert, wird nicht publik. Die Nachbetrachtung konkreter Lernprozesse kommt nicht in einen öffentlichen Austausch der Teilnehmenden. Zwar kann vermutet werden, dass auf informeller Ebene, in der Kaffepause oder bei den Fachforen am Abend, ein Austausch stattfindet. Dennoch ist zu bedenken, dass es nicht genügt, „eine Erfahrung zu machen oder eine Handlung auszuführen, sondern sie muss reflektiert werden, um lernhaltig sein zu können“ (Koerber, 2019, S. 193). Da es eine Eigenart schulischen Lernens ist, die Besonderheit sinnlicher Wahrnehmung auszugrenzen, sollte dies in der Fortbildung, die diese im Lernen in der Schule stärken will, vermieden werden.

Alternativ besteht die Möglichkeit, das Ästhetische als etwas, was das Individuum berührt, nachzufragen. Zugleich stellt dies den erlernten Habitus des Lehrerseins, hauptsächlich die Sachebene zu thematisieren (Post, 2010) infrage. Diese Gewohnheit illustriert ein weiteres beobachtetes Beispiel an einem Tag X, bei dem Zusammenhänge zwischen Mathematik und Musik thematisiert und in praktischen Beispielen erprobt werden. In den Übungsphasen wiederholen und experimentieren die Lehrkräfte, wie sich mit Klängen Länge und Dimensionen von geometrischen Figuren darstellen lassen. Die Möglichkeit der akustischen Darstellung finden sie erstaunlich. Die verbalisierte Faszination und das Erproben, Nachhören und Bestimmen wird nach kurzer Zeit durch einen Hinweis aus der Gruppe unterbrochen, man müsse für die anstehende Präsentation im Plenum Ergebnisse mitbringen. Sogleich richtet sich das Bestreben aller diszipliniert darauf, was sie präsentieren können. Ihren Lernprozess illustrieren sie nicht im Plenum; das, was die Lehrkräfte in ihrer Arbeitsgruppe selbst erstaunte und beschäftigte, war ihnen offenbar nicht zeigewürdig genug, um das Plenum sich mit eben diesem Prozess zu beschäftigen. Es scheint, dass nicht das Rätselhafte und Erstaunliche in den Vordergrund kommen sollte, sondern etwas, was am Phänomen als markant erscheint und in einer wissenden Haltung vertreten werden kann.

Reflexionsimpuls-Beispiel 3 : Künstler (in der Schlussphase eines Workshops beim Fachforum, 2017)

Die Sequenz ereignet sich am Abschlusstag eines zweieinhalbtägigen Workshops der Bildenden Kunst um 10,30 Uhr, nach einer 75-minütigen Aktivitätsphase, in der noch praktisch gearbeitet wurde, und (was unüblich ist) bereits vor den Werkstatteinblicken, um den Abbau früher beginnen zu können. Ort: Burghalle auf der Burg Fürsteneck. Dauer: 30 min.

Der Kursleiter, ein Künstler, bittet die Teilnehmenden, sich in einem Stuhlkreis zusammenzusetzen. Er rekapituliert zunächst mit den Teilnehmenden den Ablauf des zweieinhalbtägigen Workshops. Anschließend leitet er zu einer Feedback-Runde über. Der Workshop-Leiter fragt danach, wie sein Einstieg in den Workshop bei den Teilnehmern angekommen ist:

Workshop-Leiter::

„War alles verständlich? Was war am Anfang unklar?“

Teilnehmerin 1::

Die Arbeit sei „faszinierend“ gewesen, insbesondere die „Vielfalt an Flächen und Linien.“

Teilnehmerin 2::

Dass jeder seine Bilder 15mal angefertigt habe, um sie jedem Teilnehmer mitzugeben, sei ein langwieriger Prozess gewesen.

Teilnehmerin 3::

Der Prozess sei „vielleicht ein bisschen chaotisch gewesen, aber dafür sind wir ja auch Künstler, zwei Tage lang.“

Teilnehmerin 4::

Sie habe keine Lust mehr gehabt, 15mal das Gleiche zu zeichnen. Aber „geht es unseren Schülern nicht auch manchmal so?“

Teilnehmerin 5::

Die „serielle Produktion“ sei bereichernd gewesen.

Teilnehmerin 6::

Es wäre „interessant zu sehen“, wie die Teilnehmer ihre Bilder unterschiedlich gestaltet hätten.

Die Teilnehmenden diskutieren durcheinander über die Anstrengungen, die das 15-malige Anfertigen desselben Bildes bedeutet hat. Der Kursleiter hört einige Minuten zu und übernimmt die Moderation mit einem Lachen mit der Frage, was im Workshop gescheitert sei.

Teilnehmer 7::

Man bräuchte bei der Arbeitsweise der seriellen Produktion sogar mehr als 15 Zeichnungen, um entscheiden zu können, welches am besten gelungen sei und woran weiter zu arbeiten wäre.

Workshop-Leiter::

Die Arbeitsweise sei eine Möglichkeit, „an seine eigenen Grenzen zu gehen, bis man keinen Bock mehr hat.“ Ihm sei es darum gegangen, die individuelle Verantwortung in einem sozialen Kontext zu verdeutlichen und „eine Laborsituation zum Ausprobieren“ zu schaffen. Ein partielles „organisatorisches Chaos“ bitte er zu entschuldigen.

Anschließend gibt der Workshop-Leiter ein Feedback an die Teilnehmenden. Was entstanden ist, sei „super.“ Sein Konzept sei gewesen, „wir legen eine Spur, einen Weg, den jeder gehen kann“. Er erläutert, dass ihm wichtig gewesen sei, „Begegnungen zu schaffen“, Handlungen zu vollziehen und zu reflektieren, ein individuelles inneres Bild zu entwickeln, „das so gar nicht in Worte gefasst“ werden könne und ein Erlebnis zu erzeugen. Um 11 Uhr betreten dann die Teilnehmenden der parallelen Workshops die Halle und die Werkstatteinblicke beginnen.

Bei dieser Variante des Workshop-Abschlusses steht die künstlerische Arbeit am Beispiel „serielle Produktion“ im Vordergrund. In der Feedbackrunde sprechen die Teilnehmer ihre Eindrücke, Befindlichkeit und Wahrnehmungen an. Ein explizites Gemeinschaftsgefühl, das während des Workshops entstanden sei, wird nicht thematisiert; jeder hat für sich gearbeitet und „produziert“. Insgesamt berührt dieser Workshop die Gefühlsebene weniger emotional positiv wie beim Tanzworkshop, gleichfalls wird eine besondere Erfahrung gemacht. Da die Teilnehmenden vorwiegend Kunst unterrichten, ist eine Verwertbarkeit naheliegend und möglich. Im Unterschied zu den vorangehenden ist dieser Workshop durchaus als fachliche Fortbildung einzuordnen, auch wenn er für andere Interessenten geöffnet war.

Die Person des Dozenten bedingt am Beispiel dieser drei Reflexionsphasen nicht nur unterschiedliche Herangehensweisen, auch dessen Provenienz charakterisiert die Akzentuierung. Der Wissenschaftler und Fachdidaktiker rückt deutlich die unterrichtliche Anwendungsperspektive in den Horizont der Teilnehmerinnen; der Künstler richtet die Aufmerksamkeit auf den Schaffensprozess in dessen reproduzierender Gleichförmigkeit, was (s)eine kritische Botschaft über die gesellschaftlichen Verhältnisse beinhaltet. Die Workshopleitende der Tanzwerkstatt fokussiert hingegen auf die Besinnung kreativer Kräfte in jedem Einzelnen.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den «Fachforen» zeigen sich im Vergleich zu «Tag X» möglicherweise in stärkerem Ausmaß emotional involviert. Die Zeitdauer der in einem längeren kreativen Arbeitsprozess entstandenen Erfahrungen trägt zu dieser Intensitätsqualität bei. In dem Beispiel «Tag X» werden die Fortgebildeten explizit nach ihren eigenen Ideen gefragt. In allen beobachteten Fortbildungen beschreiben die Teilnehmer die Atmosphäre als lernförderlich. In allen Abschlussrunden begrenzt das einzuhaltende Zeitkontingent die Austauschmöglichkeiten. Insgesamt scheint das Reflexionspotenzial noch ausschöpfbar. Einen positiven Abschluss zu setzen und einen kleinen ‚Proviant‘ für den Schulalltag mitzugeben, ist die eine Kunst; die andere, in der Reflexion Transferüberlegungen zu stärken.

2.2 Transferunterstützung in den Fortbildungen und in der Schule

Auf welche Art und Weise in den Fortbildungsformaten eine Transferunterstützung geleistet werden kann, ist nicht abstrakt beantwortbar, sondern an das Ziel der Konzeption und die Struktur des Formats und ebenso an den Inhalt gebunden. So ist die «SLT-Reihe» ein Beispiel für einen direkten Wechsel von Theorie-Input und Praxis-Bezug, was zahlreiche Gelegenheiten für Reflexion und Überlegungen zum Transfer bietet: Denn anschließend an den Theorie-Input haben die Schulleitungsteams die Aufgabe, in Arbeitsphasen das Gelernte auf die Strukturen ihrer Organisation und die Verhältnisse zu beziehen. Durch geeignete Strukturen und andere Gestaltungsmaßnahmen in der Schule soll Kulturelle Bildung eine nachhaltige Festigung erfahren. Dies berührt z. B. Fragen der Rhythmisierung und die inhaltliche Verknüpfung von Lernzeiten am Vor- und am Nachmittag. Außerdem betrifft dies die strategische Unterstützung von intraprofessioneller Teamarbeit und Kooperativität. Die «SLT-Reihe» schafft zuvorderst einen Blick auf die eigene Organisation, ihre Strukturen und weitere Anforderungen wie Kenntnisse im Projektmanagement. Durch den Austausch der Seminarteilnehmer, die aus verschiedenen Schulen kommen, entstehen vielseitige Reflexionsmomente, welche konkreten Erfahrungen mit Veränderungen gemacht worden sind. Im Zeitraum von zwei Jahren bietet jedes terminlich anstehende Blockseminar den Schulteams Gelegenheit, von aktuellen Fragestellungen und aufgetretenen Problemen zu berichten und eine diesbezügliche Kommentierung herauszufordern. Inwiefern dieses organisationale Lernen auch den Blick auf die eigenen Lernprozesse stärkt und zu Korrekturen an den Werten führt, ist unbekannt.Footnote 16

Die «Workshops Kreative Unterrichtspraxis», die «Fachforen» und «Tag X» sind hingegen wichtige Erfahrungsquellen hinsichtlich der zahlreichen Facetten, die Kultureller Bildung aufweist und wie sie methodisch umgesetzt werden kann. Diese Formate setzen weitgehend auf ästhetische Erfahrung, neue Zugänge durch künstlerische Praktiken oder auch ein Kennenlernen von Kulturinstitutionen. Hier gilt offenbar unterschiedlich, ob eine Transferorientierung durch die Anwendungsnähe wie in der «Kreativen Unterrichtspraxis» angenommen wird oder ob ein Impuls, der Zeit zum Reifen bekommt, gesetzt wird, oder ob «good practise» zur Übernahme anregen soll. Von Letzterer ist bekannt, dass stets besondere Bedingungen vorliegen, die das Modell konterkarieren. So heißt es oftmals, „bei uns funktioniert das nicht“. Eine Initiationslust der Lehrkräfte, ihre neuen Erfahrungen ins Feld einzubringen ist, wie das Teilnehmerfeedback zeigt, vorhanden. Die Bedingungen, auf die sie in ihrer Schule treffen, sind dann jeweils spezifische, was das Klima unter den Kollegen betrifft oder die praktische Unterstützung der Schulleitung.

Bedeutsam ist die auf dem Evaluationsmaterial gründende Vermutung, dass die Teilnahme von mehreren Lehrkräften einer Schule an den Fachforen in der Regel nicht zu einer gemeinsam geplanten fachüberschreitenden Umsetzung führt.Footnote 17 Der Schulalltag bietet offenbar zu wenig dafür reservierten Raum, kreative Ideen nachsinnend weiterzuentwickeln und strategisch denkend umzusetzen (wenn nicht das schulische Feld dafür bereitet ist). Die Reflexionsphase einer Fortbildung könnte ein solches Nachdenken anregen und nach möglichen Ideen und Konzepten fragen und diese spontan generierte, unverbindliche Sammlung durch die Teilnehmer als ‚kreatives Kapital‘ wachsen lassen. Allerdings sind die Verhältnisse an den Schulen je besonders, was die Kommunikation und den Austausch betrifft und nochmals anders, was eine kollegiale oder interprofessionelle Zusammenarbeit angeht. Das heißt die einzelne Schule stellt ein spezifisches und sozial geprägtes Feld von Beziehungen dar, auf dem die Einschätzung von persönlichen Einflussmöglichkeiten und Selbstwirksamkeit etc. gründen. Eine Lehrperson betont im Interview, dass die Fortbildungssituation im Verhältnis zur Schule unvergleichbar sei.

„Ich meine, das ist ja hier eine besondere Situation. Weil du bist den Menschen, denen du hier begegnest, [gegenüber] erst mal total offen. Die sind ja nicht irgendwie mit irgendwas besetzt, mit irgendwelchen Vorurteilen, mit irgendwelchen Erfahrungen. Sondern du nimmst die Leute erst mal so wahr, wie sie jetzt da sind. Und was die für eine Geschichte hinter sich haben, weißt du nicht, interessiert dich auch nicht so, sondern du nimmst den Moment wahr. In der Schule ist das, finde ich, wiederum ganz schön schwierig, weil da so eine Geschichte eine Rolle spielt, deine Position, deine Rolle, die du im Kollegium besetzt, ob das eine Führungsposition ist, oder ob das die Art ist, wie du unterrichtest, die Art ist, wie du einfach bist als Mensch, als Wesen. Und da, glaube ich, manchmal ist es relativ schwierig. Und deine Frage war ja, wie nehme ich Kulturschule oder die Einstellung gegenüber Kulturschule in meinem Kollegium wahr. Das ist eben genau das, dass ich da Kollegen habe, die so eingefahren sind in ihren Formen, dass es denen unglaublich schwerfällt, aus diesen Formen auszubrechen, weil diese Formen ihnen Halt geben, Sicherheit geben, und weil sie das, was sie kennen, nicht aufgeben wollen. Und da ist so diese eine, diese starre Kontrafraktion. Und dann gibt es einen etwa größeren Teil, das sind so diese Neutralen. Das sind die, die es gilt zu motivieren. Die es gilt mitzunehmen, die es gilt, irgendwie ja so ein bisschen in Bewegung zu bringen, wegzuziehen von der negativen Fraktion. Und dann gibt es die Fraktion, die total offen ist. Das ist der größte Teil. Und im Moment ist es so, dass manchmal der größte Teil so frustriert ist, dass es so einen großen negativen Teil gibt. Und statt dass der große Teil sich mit denen beschäftigt, die noch so zwischendrin stehen, und versuchen, einfach das zu leben, was von dieser Freude, von dieser Begeisterung weiterzugeben und damit einfach den Anderen zu begeistern, anzustecken“ (FFT13, 08).

Der Interviewpartner wünscht sich, dass Freude und Begeisterung, die aus der Fortbildung erwachsen, der Kulturellen Bildung in der Schule den Weg bahnen. Dementgegen, so meint er, stünden die Routinen der Anderen. Die vorfindlichen Gruppierungen und das anzutreffende Klima empfindet er als Barriere. Die Bedeutung des Klimas und des Umgangs untereinander für die Implementation Kultureller Bildung hebt auch eine andere Lehrperson hervor:

„Mit wem willst du darüber sprechen? Es fängt ja schon vorher an, dass mein Name bei der Tanzaufführung im Lehrerzimmer aushängt und jeder zweite Kollege mich anhaut und sich schlapplacht und sagt, hier [Name], du gehst auf Tanzfortbildung, das wollen wir alle gern mal sehen, hahaha. Okay, jetzt könnte ich diesen Kollegen in einem kleinen Gespräch erzählen, wie toll das war. Das wird irgendwo hängen bleiben, vielleicht, aber es wird nicht dazu führen, dass sie ihren Unterricht verändern oder dass sie irgendwie so einen Impuls mitnehmen“ (FFT1).

Diese Lehrperson sieht wenig Gelegenheiten oder konkrete Adressaten für Gespräche oder gar Umgestaltungsprozesse. Es scheint, dass die Tanzthematik keine Anerkennung als ein relevantes Lerngebiet im unterrichtlichen Zusammenhang genießt.

Während einige Lehrkräfte anführen, dass ihnen in der Schule zusätzliche Kommunikationsgelegenheiten und ein Erprobungsformat fehlen, reicht wiederum anderen der vorhandene Austausch in der Fortbildung und in der Schule aus. Die Grundhaltung zum Ästhetischen im Kollegium ist eine andere als im vorigen Fall. Zugleich scheint in diesem positiven Klima die mitgebrachte Erfahrung aus der Fortbildung ausreichend aufgehoben.

Eigentlich fängt das bei mir im Team an. Das geht über, eigentlich im Gesamtkollegium, weil bei uns das eine große Akzeptanz hat, wunderbarerweise. Und klar, einige sind da weniger involviert, andere mehr. Und ein Großteil ist aber eben auch sehr involviert oder macht einfach mit und findet das auch gut in dieser Form. Und deswegen gibt es da einen Austausch. Und dadurch, dass wir eben auch mit Kollegen oder dass ich mit Kolleginnen hier bin und auch aus unterschiedlichen Bereichen, Fachbereichen, haben wir hier schon einfach den Austausch. In der Schule wird das dann auch weitergetragen, weil die Stimmung bei uns einfach auch entsprechend an der Schule ist“ (FFT16, 05).

Anderen fehlt eine Würdigung von Inhalten und Methoden der Fortbildung in der Schule, weshalb sich innerschulisch nur wenig an der Relation von Fortbildungswilligen und dem Stamm der Reservierten ändere.

„Das sind tatsächlich eher diese situativen Austauschmomente. Also ich weiß jetzt schon, welchen Kollegen ich erzählen werde, hey, das war cool, kommt mit, ich habe das und das gelernt. Oder dass ich mich mit meinem DS-Kollegen austausche oder auch mit dem Kulturschulbeauftragten von unserer Schule. Aber so richtige Foren oder so eine Art Konferenz, ist, glaube ich, nicht angedacht, nein. Und das ist ein bisschen schade, weil es dann nämlich weiterhin so bleiben wird, dass immer die gleichen zehn Kollegen von 90 auf diese Fortbildung fahren und die anderen sagen, was machen die denn da schon wieder. Ja. Das ist eigentlich noch verbesserungswürdig an unserer Schule, würde ich sagen, dass man eher so als Multiplikator, aber halt nicht so situativ, sondern halt wirklich Multiplikator ist und das einfach mal vorstellt, was man da gemacht hat“ (FFT11, 05).

Gremien wie Gesamtkonferenz werden als nicht geeignet angesehen, sich mit dem KulturSchul-Profil zu befassen. In geringem Umfang werden neue Kommunikationsformate für Informationsweitergabe, Klärungen oder einen Austausch entwickelt.Footnote 18 Schulleitungen können anscheinend noch Potenzial entfalten, Gelegenheiten zu nutzen, um den pädagogischen Gehalt des Profils KulturSchule zu erläutern.

„Der andere Ort ist [die] Gesamtkonferenz, und diese Besprechungen sind ja immer davon geprägt, dass es irgendwie schnell fertig sein soll. Und wir haben auf dem Weg als Kulturschule an solchen Kulturschultagen, wo auch Leute von außerhalb kamen, Musik zusammen gemacht mit so einem Drum-Circle, alle Kollegen zusammen, das war supercool. Und das klang ja dann so, nein, das kann man auch mal in der Gesamtkonferenz machen. Aber am Ende des Tages bin ich als Kollege nicht da[zu da], die Gesamtkonferenz zu gestalten, sondern es ist die Konferenzleitung, was bei uns die Schulleitung ist, und die macht es nicht. Und da ist halt die Frage, stelle ich mich als Kollege da hin und mache das jetzt und habe sowieso schon so ein Spaßvogel-Image und vielleicht finden es alle cool. Oder klappt es noch, wenn halt jemand von außerhalb kommt und einfach sagt, ihr müsst das jetzt machen. Und habe ich die Zeit in diesem stressigen Schulalltag, und das ist ja auch mit ein Problem von Musik, einfach erst mal diese 80 Musikinstrumente zu organisieren, dahin zu stellen, es aufzuräumen, hinterher wieder zu gucken, das ist einfach eine Menge Arbeit, die dahintersteckt, um so was möglich zu machen. Ja, also ich finde da wenig, also es gibt dieses persönliche Gespräch, man versteht sich mit einigen Kollegen besser und sagt, okay, das war cool. Aber es haben mir auch Leute gesagt, okay, interessant, aber ich kann das nicht nachmachen, was die jetzt da erlebt haben, was auch immer, Videos. Der eine war total begeistert von seinem Video-Workshop und hat ganz tolle Videos gedreht. Ich kenne mich auch ein bisschen aus mit Videos, ich könnte das auch machen, aber ich habe jetzt nicht den Punkt, wo ich sage, okay, sein Beitrag hat mich jetzt dazu geführt, dass ich mehr Videos drehe mit den Kindern. Ja, und so ist es halt eben mit den anderen Sachen auch“ (FFT1, 31).

Dieser Fortbildungsteilnehmer registriert die feststehende Verantwortlichkeit für die Sitzungsleitung, was die Festlegung von Tagesordnung und Berichtspunkte miteinschließt. Er sieht es als Wagnis an, einen Bericht zu dem gelungenen Drum-Circle mit externen Kollegen zu geben. Offenkundig gehört eine Berichterstattung darüber nicht mit zu seinem Auftrag, jedenfalls versteht er es so. Nähme er sich die Freiheit, würde dies den stillen Konsens über den Ablauf von Gesamtkonferenzen verletzen. Noch im Verlauf des von ihm verfolgten Gedankens, welche Möglichkeiten bestünden, um das Fortbildungsgeschehen im Kollegium anzusprechen, sieht er für sich wie für andere zeitlich eine Grenze, weitere ansprechende Ideen aus der Fortbildung umzusetzen. Ihm ist daran gelegen, dass der schulexterne Fragesteller von der Universität versteht, dass es eine Grenze zwischen dem Möglichen und dem Machbaren gibt. Das, so gibt er zu verstehen, liegt nicht an der Güte der konzeptionellen Idee aus der Fortbildung, sondern an den Alltagspflichten und der zeitlichen Dichte der Schularbeit.

Insgesamt ist aus den Stellungnahmen erschließbar, dass die KulturSchul-Fortbildung in ihrer Adressierung des Teilnehmers nicht die Schule als Ganze und nicht die Organisation, die den Interaktionsrahmen strukturiert, anspricht. Es besteht die Auffassung, dass Kulturelle Bildung durch die Fortgebildeten in die Schule getragen wird; der vom Kollegium getroffene Beschluss KulturSchule zu werden, führt nicht dazu, die Implementation als Auftrag an die Organisation und alle Organisationsmitglieder anzusehen. Insofern sieht es auch das Kollegium als Aufgabe Einzelner an, Kulturelle Bildung im Unterricht oder in Projekten umzusetzen, nicht aber als Gesamtanliegen, über dessen Stand und Weitergang sich verständigt wird. Dementsprechend wird es als Aufgabe der Fachforen gesehen, jedes Kollegiumsmitglied ganz praktisch eigene Erfahrungen machen zu lassen, damit in der Breite bekannt ist, welch ernst zu nehmendes Angebot Kulturelle Bildung bietet. Fände jede Lehrperson etwas für ihr Faible, würde niemand den Sinn Kultureller Bildung infrage stellen, so die Annahme:

„Aber da setzt es aber ja an: dass möglichst viele Fachforen stattfinden und dass möglichst viele Kollegen dahin fahren. Und das ist ja das Ding, dass man einfach weiß, wovon man spricht, dass man nicht sagt, […] was ist das denn albernes. Sondern dass jeder da so seine Sache macht und sein Ding findet“ (FFT1, 32).

In dieser Sichtweise ist die Fortbildung, der ein ansteckendes Potenzial zugesprochen wird, zugleich die Transferinstanz. Der Innovationsimpuls liegt beim Fortbildungsfeld, die Umsetzung beim Fortgebildeten. Die Erwartung ist, dass sich der Unterricht sukzessive verändert, je mehr Lehrkräfte an den Fachforen teilgenommen haben. Derselbe Teilnehmer sieht seine Beobachtung in der Auffassung bestätigt, sie zeige, dass die Fortbildung bei den Kollegen auf fruchtbaren Boden gefallen sei.

„Wo ich gemerkt habe, dass andere Kollegen, die auf diesen Fortbildungen waren, dass meine Musikkollegen auf einmal sehr coole Performances auf die Bühne gebracht haben mit Schülern, wo ich gemerkt habe, halt, ein Stück singen oder ein Theaterstück spielen, ist nicht alles. Sondern ich kann mit Bewegungsperformances total tolle Sachen machen, die auch andere Menschen begeistern. Dadurch vielleicht, dass dann 20 Kollegen noch, die dann irgendwie, sagen wir mal, Vorlesewettbewerb in der sechsten Klasse [haben]. Ich hatte das organisiert, mein Kollege war für die Performance zuständig und macht da so eine Sache, wo aber dann so zehn Kollegen sehen, okay, das war irgendwie ganz cool. Das Problem ist aber, dass die sich wahrscheinlich erst mal nicht trauen würden, wenn sie nicht doch dann selber so was erst mal machen. Also da gehört ja viel dazu“ (FFT1, 31).

Es reiche nicht aus, sich etwas abzuschauen, so die Ansicht des Teilnehmers. Fortbildung führt zu eigenen Erfahrungen, und das Erproben gehört zum Sicherwerden mit dazu, um sich mit einem ästhetischen Zugang vor die Schülerinnen und Schüler zu begeben. Hinsichtlich der Verbreitung der Ideen im Kollegium der KulturSchule ist der Interviewpartner davon überzeugt, dass allererst die Fortbildung zu einer Verallgemeinerung der Kompetenz und der Angebote Kultureller Bildung führt. Auch bezüglich der Unterrichtsentwicklung wird Fortbildung als zuständiger Ort angesehen. Denn selbst ein Gestaltungs- und Einflussbereich als Vorsitzender eines Fachbereichsgremiums erscheint ihm als wenig geeignet, um zum Weitertragen von konzeptionellen Ideen aus der Fortbildung anzuregen. Eine Initiative seinerseits ginge an den Erwartungen der Kolleginnen und Kollegen vorbei, so die Ansicht. Es scheint ihm nicht opportun zu sein, als Kollege den anderen Lehrkräften einen Vorschlag zu machen.

„Die Gremien, die es gibt an der Schule, sind nicht dafür da, um irgendwie über Unterricht oder über Inhalte zu sprechen. Ich erlebe das als Fachbereichsleiter [im Fach X], dass halt solche Sitzungen einfach schnell vorbei sein sollen, dass man vielleicht bereit ist, das Kern-Curriculum umzuschreiben, aber jetzt den Schritt zu machen und zu sagen, ich mache jetzt eine Tanzperformance mit meinen Kollegen, so weit bin ich nicht“ (FFT1, 30).

Das selbst Erlebte in der Fortbildung mit einer Tanzperformance wirkt fort, der Teilnehmer denkt sich in die Situation hinein, mit Kolleginnen und Kollegen dies auszuprobieren, aber das innere Bild lässt ihn das Vorhaben infrage stellen, weil er sich zum einen dafür nicht sicher genug fühlt, zum anderen eine kritische Haltung der Kollegen zu diesem Vorschlag vorwegnimmt.

Ein Fortbildungsteilnehmer nimmt, denkt er an den Transfer, das soziale Kollektiv, die anderen Lehrkräfte in der eigenen Schule in den Blick. Überwiegend gilt ein großer Teil als offen eingestellt, allerdings regulieren die in der jeweiligen KulturSchule vorherrschenden Gewohnheiten, Umgangsweisen und der Konferenzhabitus, wie die Disseminationsidee einer fortgebildeten Lehrperson aussieht. Auch das ist eben „Schulkultur“. Als Normalität sind heterogene Ansichten, ein unterschiedliches Engagement und unterschiedliche Grade von schulischer Involviertheit feststellbar. Die im Unterrichtsalltag ausgeprägten Gewohnheiten geben Sicherheit; warum also, so die Frage der nicht Fortgebildeten, sollten Routinen verändert und aufgegeben werden?

Auf die Umsetzungsmöglichkeiten des in der Fortbildung Durchgeführten angesprochen, geraten die vorfindlichen Konstellationen von Mitziehenden, anderweitig Engagierten, eher Abwartenden oder Reservierten im Kollegium in den Blick der Interviewpartner; deren Interesse an Weiterentwicklung wird von den Fortgebildeten eingeschätzt. Dass die Schule mit ihrer Aufnahme in das Landesprogramm KulturSchule einen gemeinsamen Willen artikuliert hat, Kulturelle Bildung zu fördern und in der Lernkultur zu implementieren, wird nicht so vergegenwärtigt, dass dieser Beschluss die gesamte Schule als Organisation betrifft und somit die eigene Bereitschaft übersteigt. Mit ihrer symbolischen Schulkultur signalisiert sie den Lehrkräften (vgl. Helsper, 2008, S. 116), welchen Part sie in der Entwicklung der Schule und Lernkultur einnehmen. Es ist also auch eine Frage, inwieweit die Fortbildung diese über Jahre gewachsene Schulkultur modifizieren kann.

2.3 Transferunterstützung durch die Schulleitung

Für einen Fortbildungsrückkehrer spielt die Einschätzung, inwieweit es in der eigenen Schule erwünscht ist, das in der Fortbildung Erlernte in den Gesamtkontext einzubringen eine große Rolle. Anschaulich beschreibt ein Fortbildungsteilnehmer das soziale Feld in seinem Kollegium, in dem unterschiedliche Rollenzuweisungen herrschen. Fortbildungsinhalte in den Unterricht einzubringen erscheint als ‚private‘ Angelegenheit, über die meist nicht gesprochen wird. Wenn Neues in den eigenen Unterrichtsstil integriert wird, merken vor allem die Schülerinnen und Schüler, was für sie anders ist und ob es eine Lernhilfe darstellt.

Projekte mit Kollegen haben gemäß diesen Evaluationsunterlagen Seltenheitscharakter. Es kommt vor, dass bei Tagen der offenen Tür gemeinsam etwas vorbereitet und vorgestellt wird, ansonsten sei das Zeitbudget zu klein. Das bedeutet, dass die Schulkultur, das Klima unter den Kollegen und eine offene und fortbildungsfreundliche Atmosphäre, ein Interesse aller an dem, was die Fortbildung bietet, entscheidend dafür ist, ob über Fortbildung und den konstruktiven Ertrag für das Unterrichten und die pädagogische Beziehungsgestaltung gesprochen wird. In der Regel fehlt Lehrkräften ein Kommunikationsformat, in dessen Rahmen von den Lehrkräften ausgehend Lernerfahrungen weitergegeben werden und umgekehrt in dem sich KulturSchule als «lernende Organisation» zeigt.Footnote 19

Vorwiegend werden die KulturSchulbeauftragten als Anlaufstellen für Informationen über die Fortbildungserfahrungen ihrer Kolleginnen und Kollegen gesehen, darüberhinaus geben sie auch Anregungen für Themen, die an Pädagogischen Tagen bearbeitet werden sollen, gleichwohl stellen sie kein auratisches Gestaltungs- oder Expertisezentrum der Schule dar. Insofern bleibt es meist bei einem Tür- und Angel-Austausch mit den Fortbildungsrückkehrern und aufgrund der Funktionszuweisung auch ohne weiterreichendere Konsequenz für die Lernkultur.

Nicht nur in der Theorie des Change-Managements nimmt die Schulleitung eine Schlüsselrolle für Schulentwicklung und Transfer ein. Auch in der Schulwirklichkeit beeinflusst sie grundsätzlich das Transferklima im Anwendungsfeld. Bezüglich der Umsetzungsphase von Fortbildung merkt Frank Lipowsky jedoch an, dass „eher selten […] darüber nachgedacht [wird], wie extern stattfindende Fortbildungsaktivitäten einzelner Lehrer/innen oder Lehrerteams sinnvoll in schulische Prozesse eingebunden und von der Schulleitung wirkungsvoll unterstützt werden können“ (Lipowsky, 2010, S. 65). Die Forschungsdokumente zur KulturSchul-Entwicklung sehen diesbezüglich ebenfalls Potenzial.

Interesse und Unterstützung der Schulleitung zeigen sich darin, wenn sie sich über die aktuellen Ansätze der Fortbildung auf dem Laufenden hält, Umsetzungsgelegenheiten im Kollegium und bei Fortbildungsrückkehrern direkt anspricht oder die Fortbildungsinhalte in übergreifende Zielsetzungen der Organisation wie das Schulprogramm einbindet.Footnote 20 Für die Transfermotivation der Lehrkräfte muss deutlich sein, dass Fortbildungsmaßnahmen in der Kompetenzerweiterung auch das Schulprogramm unterstützen und geschätzt werden. Eine Schulleiterin, die diverse Male in den Fortbildungen anzutreffen war, thematisiert in ihrem Kollegium entsprechend, was sie ‚mitgenommen‘ hat und erklärt damit zugleich auch die Fortbildung als wertvoll.

Was verrät das verbale Material dieser Evaluationsstudie zu der Bedeutung, die Schulleitungen den Fortbildungen für Kulturelle Bildung beimessen? Welchen Widerhall finden die Fortbildungsimpulse vor Ort in den Schulen?Footnote 21

Alle Schulverantwortlichen nehmen in ihren Antworten einen Gesamtblick auf ihre Schule vor, auf ihre Schülerklientel und auf die mit dem KulturSchul-Profil verbundene Zielstellung. Als Entwicklungsstand zum Interviewzeitpunkt nennen alle fünf Schulleitungen ein erfolgreiches Herausarbeiten der Schule aus einer ehemals eher ungünstigen Situation. Ein großes Reservoir für Veränderung sieht ein Schulleiter im Potenzial des Kollegiums: Es „sind Pädagogen im besten Sinne“, die sich „in der Gänze“ „als eine Kümmerer-Schule“ (ISL2, 0050) verstünden. Nach fünf Jahren habe die Schule jetzt „mehr Anmeldungen als wir aufnehmen können“ (ebd.). Lehrkräfte wurden neu angeworben, zum Teil sind sie vom Schulleiter direkt persönlich angesprochen worden. „Menschen, die ich eingestellt habe, (sind) „von vornherein auch mit der Grundidee [KulturSchule] konfrontiert“ worden. Das habe zu einer Dynamisierung geführt, die begleitet worden sei von neuen Themen, die die Schulleitung „in die Schule reingebracht“ habe. Kultur sei übersetzbar mit der Höchstform von Individualisierung, die bei entsprechenden Rahmenbedingungen „tatsächlich jedem Kind es ermöglichen, seine Potenziale zu entfalten“ (ebd., 04). Dem Schulleiter gehe es darum, ein Klima zu schaffen, in dem sich alle Schüler, aber auch die Lehrkräfte entwickeln könnten (ebd., 06).

In den Fortbildungen erkennen die Schulleitungen einen strategischen Nutzen für die KulturSchul-Entwicklung: „[D]ie Identifikation […] als KulturSchule steigt, wenn man an so einem Fachforum teilgenommen hat“ (ISL1, 21; 14). Dem KulturSchul-Programm wird Innovationskraft zuerkannt: „[E]ine Schule, die sich nicht entwickelt, entwickelt sich zurück“ (ISL5). Sie unterstützen die Kontinuität der Entwicklung: „Wir müssen in diesem Fluss bleiben“ (ISL3, 62). Die Fortbildungen wirken anregend auf die Lehrkräfte. Sie kommen „aufgeheizt mit vielen Ideen, mit viel Elan [die] auch wieder in die Schule zurückwirken“ (ISL2, 11) von der Fortbildung. Allerdings kenne der Schulleiter die Fachforen nicht und suche noch nach einem Format, wie wir „eine Idee schaffen für ästhetische Zugangsweisen“ (ebd., 21). Eine andere Schule ‚buchte‘ Fachforen zu einer schulinternen Fortbildung, um so die Entwicklung zur KulturSchule zu fördern (ISL1). Zu einem späteren Zeitpunkt nahm die Schulleitung mit einer Gruppe von Lehrkräften an einem anderen Fachforum teil. Dies hat das Verständnis des Fortbildungsanliegens nach eigenem Bekunden stark gefördert.

Die Fortbildungen verstehen die Schulleitungen als „Schulentwicklungsmaßnahme“ (ISL1, 1,43), sie förderten die „‚Corporate Identity‘ […] im Sinne von KulturSchule“, sagt eine Schulleiterin, um anzufügen, dass jede Teilnehmerin „[s]ich selber mit ihrem Begriff von Kunst und Kultur“ beschäftigen könne, was „sich auch im Alltag ausgewirkt [hat]“.

„[J]a, der konkrete Nutzen ist, dass die Lehrer, die auf den Fachforen waren, dass die mal nicht so arg didaktisch gedacht haben erst mal, sondern einfach sich selber mit ihrem Begriff von Kunst und Kultur beschäftigt haben und das dann mit zurückgebracht haben in die Schule“ (ISL1, 04).

Wenn Schulleitungen Fachforen besuchen, um so die Besonderheit der ästhetischen Zugänge kennenzulernen, können sich ganz neue Blicke auf das eigene Personal ergeben:

„Ich sehe die Kollegin, mit der ich so am engsten da (beim Fachforum, H.A.) zusammen war, ganz anders jetzt und kann viel besser einschätzen, dass da noch ganz viele Möglichkeiten sind. Das hätte ich vorher nicht so gedacht, dass wir darüber in der Arbeit weiterkommen [können]“ (ISL1, 05).

Somit scheinen in der Interaktion im Rahmen eines kunstbezogenen Workshops noch unbekannte Seiten in der Persönlichkeit auf, und dies bietet einen zusätzlichen Ansatzpunkt für die gemeinsame Arbeit an der Schulentwicklung. Außerdem wird von der Schulleiterin die Hoffnung geäußert, dass die Teilnahme an den Fachforen auch die Haltung der Lehrkräfte ändere und es in der Folge zu einer stärkeren Beteiligung an der Schulentwicklung komme. In ihrem Unterricht sollen die Lehrkräfte „sich auch ein bisschen freier fühlen, in dem was sie tun“ (ISL1, 13).

Die Schulleitungen sehen einen Vorteil im Gruppenbesuch der Lehrkräfte, weil er die „Nachhaltigkeit“ und die „Verbreitung in der Schule“ (ISL2, 08) fördere. Das soziale Miteinander werde dadurch gestärkt:

„Und auch Lehrerinnen und Lehrer zu haben, die dann eine gute Ausbildung in den Fachforen haben, das ist da definitiv ein wesentlicher Beitrag dazu gewesen, dass so was gelingt. Und dass es sozusagen in dem spürbaren sozialen Frieden, sozialen Miteinander gut funktioniert“ (ISL5, 19).

Befragt nach Wahrnehmungen von möglichen Veränderungen hat sich für einen Schulleiter „vor allem [bei der] Unterrichtspraxis“ was getan. An dieser „entscheidet sich nicht nur KulturSchule, da entscheidet sich auch gute Schule“ (ISL2, 10).

„Und das nehme ich wahr, dass diese Impulse im Unterricht ankommen. Das kann ich gut sehen, weil ich regelmäßig im Unterricht bin bei den Kolleginnen und Kollegen“ und „auch einmal im Jahr im Anschluss an diesen Unterrichtsbesuch mit ihm oder ihr ins Gespräch komme darüber, wie wollen wir an dieser Schule Unterricht gestalten“ (ISL2, 10,04).

Auch Skeptiker würden sich durch die Fortbildung überzeugen lassen:

„Also ich habe da so einen Kollegen vor Augen, der immer wieder gesagt hat, was soll das denn. Und der ist zum Glück auch auf einem dieser Foren gewesen. Er kam zurück und war total begeistert und hat in seinem Chemieunterricht ästhetische Zugänge eröffnet, die er, glaube ich, vorher selbst nicht für möglich gehalten hat“ (ISL2, 08).

Es sei günstig und hilfreich, dass die Fortbildung alle Fachlehrkräfte anspreche. Die besondere Möglichkeit, dass Lehrkräfte bei den Fachforen sich zweieinhalb Tage auf eine Sache konzentrieren können, wird außerdem gewürdigt. Diese Aussage besagt viel über den im Lehrberuf vorherrschenden Zwang zum kurzatmigen Multitasking.

Indes sind auch Lehrkräfte von einem Fachforum zurückgekommen, die der Schulleiterin mitteilen, es habe „jetzt für unsere Sache wenig gebracht. Wir haben uns da nicht wiedergefunden. … das muss ich ja auch ernst nehmen“ (ISL3, 05). Sie schildert, wie sie darauf eingeht und diese Gruppe von Fremdsprachenlehrkräften sich eine andere Fortbildungsmaßnahme aussuchen lässt, die diesen besser zur Intention der Veränderung des Sprachunterrichts passt.

Aber auch für die eigenen Bedürfnisse als Persönlichkeit in der Schulleitungsaufgabe bietet die KulturSchul-Entwicklung eine Perspektive:

„Und KulturSchule wäre ja jetzt so eine Möglichkeit auch für mein Leitungshandeln, etwas kreativer zu werden oder ein bisschen mehr Freiheit mir zu nehmen. Und, ja, da bin ich dran. Das gelingt mir natürlich nicht, weil ich in bestimmten, man ist ja in so einem, wie soll ich sagen, das ist ja so eine Mühle. Man funktioniert und funktioniert und funktioniert. Und da so auszubrechen und einfach auch mal Dinge zu machen, die ungewöhnlich sind, bei denen ich mich wohlfühle, ja, so. Da suche ich im Moment so nach, ja, versuche, das zu tun“ (ISL1, 00,11).

Was für das eigene Leitungshandeln noch in einer Erprobung ist, hat sich in einigen Schulen dahingehend konkretisiert, die Konferenzgestaltung zu verändern. Darin soll sich ebenfalls die Besonderheit des Schulprogramms ausdrücken.

Hinsichtlich der Auswirkungen auf Schülerinnen und Schüler wird von einer Schulleiterin die Hoffnung artikuliert, dass Lehrkräften bewusst wird,

„dass es wirklich darum geht, sich mit einem Aspekt der Persönlichkeitsbildung zu beschäftigen, so, dass was Neues entstehen kann, was wir gestern auch da besprochen haben. Einfach, dass neue Dinge möglich sind, dass man keine Angst hat, mal was Neues zu tun oder was zuzulassen“ (ISL1, 14).

Es lässt sich konstatieren, dass die Schulleitungen die Fortbildungen schätzen und würdigen. Verschiedentlich werden neue Lernräume geschaffen wie Kulturwerkstätten in der FörderschuleFootnote 22 oder Arrangements zur Individualisierung des Lernens oder internationale Austauschprogramme an einer anderen KulturSchule. All diese Innovationen sind herausfordernd, benötigen Kooperationspartner, die eingebunden werden müssen, und außerdem eine neue angemessene Ausstattung. Eine solche Baustelle darf jedoch nicht den Blick der Schulleitung von der schulischen Gesamtentwicklung ablenken. Auch wegen solcher die Aufmerksamkeit der Schulleitung bindenden Konzentrationspunkte auf das aktuelle Geschehen stellen die regelmäßigen Fortbildungs- und Vernetzungsangebote eine verlässliche Struktur für die KulturSchul-Entwicklung dar und gewährleisten das ‚Im-Fluss-Bleiben‘.

3 Die Schule als Ort des Transfers

Die Metapher „Im-Fluss-Bleiben“ steht für die Gewährleistung von Kommunikation und Transparenz über das Geschehen im Kontext des KulturSchul-Profils. Auf Schulebene ist weitgehend eine Berichterstattung von den Fachforen eingeführt worden. Die 2017 durchgeführte Befragung an fünf KulturSchulen zeigt, dass über die Hälfte derjenigen, die an Fortbildungen teilgenommen haben (52 %), angeben, dass die KulturSchul-Fortbildungen in größeren Sitzungen wie in einer Gesamtkonferenz thematisiert werden. „Auf den Gesamtkonferenzen habe ich immer einen festen Punkt, seitdem wir in der Entwicklung KulturSchule sind. Das kann dann ein organisatorischer Punkt sein, das kann aber auch ein inhaltlicher Punkt sein. Dann haben wir eigene pädagogische Konferenzen zum Thema KulturSchul-Entwicklung“ (ISL1, 22). Schulische Gremien, in denen die Interviewpartner eine Berichterstattung verorten, sind etwa Fach- und Gesamtkonferenzen, auch Treffen der KulturSchul-Teams oder schulinterne Arbeitsgruppen zu bestimmten Fragestellungen oder ein Austausch in Jahrgangsteams und bei Pädagogischen Konferenzen bzw. Pädagogischen Tagen.

Die Berichte von der Fortbildung sollen die Kolleginnen und Kollegen in Form einer Gegenleistung für ihre Vertretung im Unterricht informieren („du durftest drei Tage weggehen, jetzt bedankst du dich“ (ISL3, 82)); implizit teilt dies auch mit, dass die Fortbildungszeit wertgeschätzt wird, weil sie das Schulanliegen unterstützt. In schulischen Gremien stellt das Berichten ein Signal dar, dass die Fortbildung der Lehrkräfte im offiziellen Interesse der KulturSchul-Profilierung geschieht. Allerdings treten dabei nicht immer die erwünschten Effekte ein. So wurde wiedergegeben, dass nach einer längeren Notenkonferenz verabredungsgemäß eine Rückkehrergruppe über das besuchte Fachforum informierte, was in der Art und Weise, in der dies erfolgte, die Geduld der Zuhörerschaft strapazierte. Es hieß sodann, die Gruppe jüngerer Lehrkräfte hätte ihren Auftrag nicht gut vorbereitet gehabt. Befürchtet wird, dass das Misslingen des Berichts auch den Anlass, die Fortbildung, beschädigt.

Der innerschulische Austausch über die von den Fortbildungsteilnehmenden gesammelten Erfahrungen wird als wichtig betrachtet; in manchen Kollegien seien einige „auch schon gespannt, was wir alles mitbringen“, sagt eine Fortgebildete (IFFT8, 07), jedoch wird auch die Problematik angesprochen, dass sich die Besonderheit der ästhetischen Prozesse und ihre Wirkungen mündlich nur schwer mitteilen lassen, so eine KulturSchul-Beauftragte:

„Man muss schon gucken, wie transportiert man das, was man erlebt hat, ins Kollegium. Am besten fahren alle mal hin, dann sieht man das mit ganz anderen Augen als wenn ich nur so als Außenstehender denke, warum haben die jetzt zweieinhalb Tage da das gemacht. Und das sind ja dann auch nur kurze Ausschnitte. Mal ein Video von irgendwas zu sehen und denken, das war jetzt der Inhalt der zweieinhalb Tage, ist ja auch sicherlich nicht der richtige Schluss. Aber das wird dann schon vereinfacht gesehen. Und da muss man aufpassen. Am besten [ist], Leute selber hinschicken“ (IKSKL2, 45).

Die Fortbildungserfahrungen sind ein Anlass für einen informellen Austausch der Lehrkräfte in der Schule. Der Teilauswertung einer Studie, die im nächsten Kapitel ausführlich beschrieben wird, ist zu entnehmen, dass nahezu 85 % der Fortgebildeten angeben, mit ihren Kolleginnen und Kollegen über Ideen aus der Fortbildung zu sprechen. Abb. 2 zeigt Einschätzungen über Austausch und Transfer seitens der Fortgebildeten. (S. 192). Die Itemformulierungen ermitteln, ob dies während der Fortbildung oder in der Schule geschehen ist.

Abb. 2
figure 2

Lehrkräfte zum Transfer

Der Aussage während der Fortbildung darüber gesprochen zu haben, wie Ideen in der Schule umgesetzt werden können (Item 65) stimmen 70,6 % der Fortgebildeten zu. Dies ist eine wichtige Transferbedingung, wie im Reflexionsabschnitt erläutert worden ist. Eine Idee aus der Fortbildung in der Schule umgesetzt zu haben (Item 67), bestätigt nahezu drei Viertel der Fortbildungsteilnehmenden (73 %). Hingegen zeigt sich auch hier, dass die offiziellen Treffen der Lehrkräfte eher anderen Themen gewidmet sind: So stimmt etwas mehr als die Häfte der Fortgebildeten der Aussage zu, dass Ideen aus der Fortbildung Thema in größeren Sitzungen sind (Item 73), was innerhalb der Fragestellungen zur Kommunikation den, relativ gesehen, geringsten Wert darstellt.

Inwiefern Anregungen, die aus einem Fachforum hervorgehen, als schulischer Projekttag oder inwieweit gelungene ästhetische Zugänge in den Fachdisziplinen darüberhinaus auch im Schulcurriculum verankert werden, müsste über das schulinterne Curriculum und die KulturSchul-Zertifizierungsunterlagen herausgefunden werden.

Ein systematisches Aufgreifen von Fortbildungsimpulsen in den Schulen erfordert eine ausgeprägte Management- und Kommunikationskompetenz von der Schulleitung (vgl. Krainz-Dürr, 1999). Denn im Kontext Schule treffen vielerlei Anliegen und dringliche Probleme aufeinander, auch widersprüchliche oder gar gegensätzliche. Einige müssen ad hoc bearbeitet werden, andere haben Priorität, sodass in der Geballtheit aktueller Tagesfragen die Gefahr besteht, das notwendige Innovationsmanagement für eine konzise KulturSchul-Konzeption in den Hintergrund zu drängen. Zudem erzeugen Änderungsprozesse an sich zunächst Widerstände. Auch die in einer eigenverantwortlichen Schule vorhandene funktionelle Differenzierung in Steuergruppen und thematisch spezifizierte Projektgruppen kann im Kollegium kritisch bewertet werden, wie Studien zeigen. Grundsätzlich ist es somit nicht außerwöhnlich, dass mit der Schulprogrammarbeit einhergehende Veränderungen im Unterricht auch zu Abwehr bei einem Teil der Lehrkräfte führt. Schulleitungen oder Lehrkräfte haben, ohne dass es einen darauf zielenden Nachfrageimpuls in den für die Evaluation geführten Interviews gab, Konflikte angedeutet. Sie haben von sich aus Einwände angesprochen, die von „Kontrafraktionen“ stammen und die sie somit als bemerkenswert erachtet und markiert haben. Um welche Bedenken handelt es sich? Welche Auswirkungen haben diese möglicherweise auf das Transferklima?

4 KulturSchule als Arena

Konflikte oder Auseinandersetzungen im Schulfeld werden mit dem Arenabegriff aufgenommen. In der Evaluationsforschung ist dieser gebräuchlicher als im Schulkontext, vor dem Hintergrund, dass eine Evaluation, die beauftragt wird, bereits von unterschiedlichen Interessen und Betroffenheiten einer Evaluation in einem Handlungsfeld ausgehen muss.

Grundlage ist, dass auch das Kulturelle und die Ästhetische Bildung zu Abwehr führen (Zirfas, 2015). Kunstwerke und Kunststile sind hinlänglich deshalb bekannt geworden, weil sie Auseinandersetzungen hervorrufen. Solche stehen immer auch in Beziehung zu anderen Arenen wie dem politischen, sozialen und ökonomischen Feld (ebd., S. 10). Mit dem Programm KulturSchule, deren Eckpunkte Kultur und dem Ästhetischen einen Rang auf Augenhöhe mit anderen Fachdisziplinen einräumen, wird implizit auch eine Debatte über die Identität und Wiedererkennbarkeit von Fachkulturen angestoßen.

Im Folgenden werden drei Kontroversen referiert, die Schulleitungen berichtet haben und die Zuschreibungen beinhalten, die auf die Implementation und das Praxisfeld wirken.

Ästhetische Zugänge mindern die Unterrichtsqualität

Eine Fortbildungsakteurin berichtet: „Von außen kommt dann (gegenüber ästhetischen Zugängen, H.A.), was ist überhaupt die Qualität, was ist die Berechtigung? Lernen die Schüler genug, können wir die so noch aufs Abitur vorbereiten, sind die konkurrenzfähig und so weiter und so fort“ (IS4, 42). Es werden gleich mehrere Fragen aufgeführt, die in ihrem Kern die Frage nach der Qualifizierung der Schülerinnen und Schüler zum Bestehen des Abiturs zum Inhalt haben. Der Verweis, dass diese Fragen „von außen“ an die Schule herangetragen werden, will besagen, dass es intern in der Schule keine Relativierung der Zustimmung der Schule zum KulturSchul-Programm gibtFootnote 23; aber die Aufgabe der Schulleitung steht im Fokus, auch dann ‚die‘ Unterrichtsqualität zu garantieren, wenn ästhetische Zugänge praktiziert werden.

Diese Referierung gibt keine Begründung an, warum ästhetische Zugänge dem Lernen abträglich sein sollen. Möglicherweise erkennt der oder die Kritiker in den ästhetischen Methoden das von Schule herrschende Bild als Ort des reproduzierenden Lernens nicht wieder. Theatralische, musikalische, diverse performative Elemente in manchen Fächern mögen ungewöhnlich sein. Allerdings verrät der Fingerzeig auf das Bestehen des Abiturs, dass hier schulische Anforderungen, wie sie üblich sind, eingefordert werden. Es spielt für diese Kritik keine Rolle, ob ästhetisches Lernen zur Vielseitigkeit in der Persönlichkeitsentwicklung beiträgt, Anstrengung erfordert und zu Kompetenzen führt; für kritische Eltern stellt sich einzig die Frage, ob Kompetenzen vermittelt werden, die für die Abiturprüfung relevant sind. Die Befürchtung scheint, dass eine Zulassung neuer Ausdrucksmöglichkeiten die in der Konkurrenz der Schüler offenbar bereits verbuchten Erfolge ihres Sprößlings ‚verwässern‘ könnten. Kommen nunmehr Handlungsorientierung im Unterricht und spielerische und erprobende Elemente im Unterricht vor, sind ihnen die neuen Maßstäbe ein Indiz für die Möglichkeit eines Zurückfallens ihres Kindes in der Rangreihe der Schülerkonkurrenz.

Moleküle tanzen‘ – ist das noch Chemie?

Es mag vielleicht seltsam anmuten, wenn ein Kind mit ausgebreiteten Armen den Flur entlang tänzelt und fröhlich erklärend dazu sagt, ‚ich bin ein Blutplättchen‘. So berichtet dies eine Schulleiterin, die damit mitteilten will, wie sonderbar auf einen Besucher eine Bewegungs- und Sinnesorientierung im Unterricht wirken kann. Aber muss man darüber erstaunt sein? Dieses Schulkind sitzt nicht über einem Schaubild im Biologielehrbuch oder schaut sich einen Film dazu an. Die Begegnung im Flur bringt zum Ausdruck, dass Lehrkräfte naturwissenschaftliche Sachverhalte unter Einbezug innengerichteter körperbezogener Sinne verständnisintensiver gestalten und bei diesem Kind sich ein leibhaftiges Bei-der-Sache-Sein eingestellt hat (Fauser, 2018). Diese Umstellung auf ein Lernen mit allen Sinnen mag mit den herkömmlichen Methoden, die in ihrem Lerneffekt weitgehend nicht überprüft sind, konfligieren. Wenn nunmehr andere eingesetzt werden, wäre zu untersuchen, wie sie das Lernverständnis anregen und ob es sich verbessert oder nicht. Die Lehrkräfte in Naturwissenschaften an dieser Schule sind eher davon überzeugt, mehr Aufmerksamkeit ihrer Schüler, die aus bildungsarmen Elternhäusern stammen, zu bekommen. Die Naturwissenschaftslehrkräfte gelten, was Unterrichtsinnovationen betrifft, eher als zurückhaltend: Wenn „einer 20 Jahre lang das [seine Unterrichtsroutine, H.A.] gemacht hat und plötzlich soll er ‚Moleküle tanzen‘, dann hat er vielleicht Angst, ich kriege das nicht hin, ich mache mich lächerlich“. Mit dieser Aussage wird auf Unsicherheit verwiesen bis hin zur Befürchtung, nicht als Autorität im Fach anerkannt zu werden. Um ein Verständnis für eine zögerliche Umsetzung der ästhetischen Zugänge deutlich zu machen, wird auf eine gegenüber der Waldorfpädagogik geäußerte Abwertungsmetapher zurückgegriffen. Sie besagt zugleich, dass bei ihrer Verwenderin ein Fachbild ins Rutschen gekommen ist. Dies ist ein erneuter Verweis darauf, dass es tradierte Bilder von Unterricht und Schule gibt. Werden diese angetastet, geht eventuell auch der Glaube an das Lernen in der Institution verloren. Die Äußerungen der Lehrkräfte nach der Fortbildung besagen hingegen, dass sie erst dann etwas ausprobieren, wenn für sie wahrscheinlich ist, die Schüler damit zu gewinnen, etwas Neues auszuprobieren.

Von wegen KulturSchule: Unterrichtsausfall!

„Wir kommen [von einer Fortbildung] zurück und werden von den anderen angemacht und auch von den Eltern; und ich kriege nach dem Schulelternbeiratsabend die Mitteilung, ja, was heißt denn hier KulturSchule, bei Ihnen fällt ja nur Unterricht aus – was nicht stimmt“ (IXT2, 21). Dieses Beispiel illustriert ebenso wie die kritische Anfrage zur Unterrichtsqualität das konflikthafte Verhältnis zwischen Eltern und der Schule als Institution. Obwohl die Schulleitung bereits im Vorfeld der Fortbildungen dafür sorgt, dass die zur Fortbildung gereisten Lehrkräfte vertreten werden, ist es zu diesen Anwürfen gekommen.

Geht es dem Elternvertreter darum, darauf aufmerksam machen zu wollen, wie sehr Schüler auf eine gute Sachkenntnis angewiesen sind und damit auf Unterricht, der eben diese vermitteln soll? Wäre dem so, käme es gar nicht erst zu einem Dissenz mit der Schulleitung, da der Unterricht nicht ausgefallen ist. Offenbar bringt der Umstand, dass die Lehrkräfte der Schule sich in der Pädagogik auf dem Laufenden halten und in neuen Methoden fortbilden, der Schule keine Anerkennung ein. Ihr wird sogar abgesprochen Kulturschule zu sein, was an wenigen abwesenden Lehrpersonen festgemacht wird. Da deren Unterricht vertreten wird, gilt dies den Kritikführenden offenkundig nicht als gleichwertig und anerkennungswürdig, sodass für sie ein Verstoß gegen professionelle Usancen vorliegt. Das lässt darauf schließen, dass hier eine inoffizielle Berufsdefinition vorgelegt wird, nach der eine Lehrperson schlicht die Pflicht hat, Unterricht zu erteilen wie Lehrer Lämpel. Dieser ließ Diktate schreiben, fragte ‚Stoff‘ ab und kontrollierte den Abschrieb von der Tafel. Mit diesem überkommenen Unterrichtsbild erscheint ein ‚Sich fortbilden‘ wie Pflichtvergessenheit.

Dieses Räsonnement macht deutlich, dass ein Lernkulturwandel vom Lehren zum Lernen Widerstand und Abwehr hervorrufen kann. Eine Vorsorge zu treffen, indem Einblicke in diese noch ungewohnten Unterrichtsansätze ermöglicht werden, ist nicht nur hinsichtlich der Eltern wichtig, sie nimmt auch die noch skeptischen Lehrkräfte mit. Und eine Diskussion in der Schule über Kriterien, wann Lernen gelingt, welche zahlreichen Dimensionen es annimmt, und wie es festgestellt werden kann, bietet eine Grundlage, auf die bei solchen Auseinandersetzungen zurückgegriffen werden kann. Zudem können Freiräume in der Notenvergabe genutzt werden, die der Gesetzgeber in Hessen 2019 beschlossen hat.Footnote 24

Abschließend lässt sich sagen, dass Transfer die „Entwicklung einer gemeinsamen Perspektive“ (Kauer, 2018, S. 143) benötigt, da die „Transfersituation […] vom Kontext Funktionsfeld direkt beeinflusst [wird]“ (Gessler, 2012, S. 386).

5 Fazit und Ausblick

Kommt Kulturelle Bildung qua Fortbildung in die Schule? Infolge der Auswertung der Interviewdaten zeigt sich, dass die Beantwortung dieser Frage sich nicht allein am Vorhandensein von Fortbildungsgelegenheiten, deren Qualität und deren Nutzung, entscheidet, sie entscheidet sich ebenso am Transfer und der Transfersituation. Denn eine Lehrkräftefortbildung kann „zwar wirksam sein und dennoch findet keine Anwendung der vermittelten Inhalte im System Schule statt. Die WirksamkeitsevaluationFootnote 25 [von Fortbildungsveranstaltungen, H.A.] lässt somit keine Rückschlüsse auf die Anwendung von Fortbildungsinhalten im System Schule zu“ (Vigerske, 2017, S. 25).

Das für die Stabilisierung und Erweiterung der Kompetenzen von Lehrkräften fundamentale Lernfeld Fortbildung zielt auf die ‚Wirkung‘ auf den Adressaten, die Persönlichkeitsstärkung der Lehrperson, und zum anderen die Entfaltung der erworbenen Kompetenzen im Handlungsfeld Schule. Für die Forschung wie auch der Fortbildungspraxis stellt sich also die Frage, wie die in der Fortbildung aufgebaute Transferbereitschaft, unter der Bedingung pädagogisch selbstverantwortliche Schule stärker unterstützt werden kann. Noch ist allerdings die Interdependenz zwischen Fortbildungsmaßnahme und Schule als zwei aufeinander verwiesene Orte kaum in der Optik der Forschung zur Lehrkräftefortbildung.

Die Transfermotivation einer Lehrperson wiederum hängt von verschiedenen Einflussfaktoren ab, wie der Transferstudie von Stefanie Vigerske (2017) zu entnehmen ist. Das Untersuchungsergebnis ihrer Studie hebt die Bedeutsamkeit der Zufriedenheit des Teilnehmers mit der Fortbildung hervorFootnote 26 und nennt darüberhinaus zwei weitere „wesentliche Faktoren“, die die Transferentscheidungen der Lehrkräfte beeinflussen. Diese sind das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, das in der Fortbildung Gelernte in der Schule anzuwenden, sowie die Möglichkeiten, das Gelernte einzubringen, sei es, dass dies durch die verfügbare Zeit reguliert wird oder durch Voraussetzungen im Lehrplan oder die unterrichtete Jahrgangsstufe. Dies hier vorgelegte Evaluation der Fortbildungen im KulturSchul-Kontext verweist darauf, dass diese in Vigerskes Studie herausgearbeiteten Bedingungen sogar noch zu erweitern sind.

Ausgehend von ihren Ergebnissen gibt Vigerskes Transferstudie Hinweise für an Einzelfaktoren ansetzende weitere Studien als auch Handlungsempfehlungen für die Fortbildungspraxis. Da ihre Untersuchung den Nukleus des Transfers in der positiven Rezeption der Fortbildung beim Fortbildungsteilnehmer sieht, ist die weitergehende Frage konsequent und nachvollziehbar, nach Ansatzpunkten zu suchen, wie die Motivation weiter gestärkt werden kann, das Erlernte auch anzuwenden. Hierfür spielt neben den zwei bereits genannten Faktoren die Situation in der Schule eine Rolle. Diese wird dahingehend pointiert, dass Lehrkräfte sich als Einzelkämpfer sehen und „oft nicht gemeinsam mit Kollegen an der Umsetzung von Lehrerfortbildungsinhalten arbeiten können“ (Vigerske, 2017, S. 259); außerdem werden sie kaum ermuntert und sie erhalten kein Feedback zu ihren unterrichtlichen Umsetzungen. Zu Letzterem besteht auch kein Austausch mit anderen Lehrkräften (ebd.).

Eine Transferstützung, die Vigerskes Studie in ihrer Auswirkung als statistisch signifikant nachweist, gelingt dann, wenn Dozenten nach der Fortbildung für weitere Rückfragen zu Verfügung stehen oder weitere Treffen der Fortbildungsteilnehmer zu Umsetzungsperspektiven stattfinden. Spätere virtuelle Treffen im Internet werden von Fortbildungsteilnehmern hingegen eher weniger genutzt. Es wäre wichtig, dieses Ergebnis bei einer künftigen Planung von Lehrkräftefortbildungen zu reflektieren, da darin erneut die Bedeutung personaler Beziehung aufscheint.

Auch die hier in dieser Publikation vorgestellte Evaluation der Fortbildung für KulturSchule kommt aufgrund der verbalen Daten von Teilnehmern an den Workshops der Fachforen zu einem ähnliche Befund, zumindest was die Transfersituation in der Schule betrifft. Dies ist bemerkenswert, weil diese Evaluation sich mit einem kleinen Spektrum von Fortbildungsformaten befasst, die auf die Schulentwicklung von seinerzeit 20 Programm-Schulen hinsichtlich der Etablierung eines kulturellen und ästhetischen Profilschwerpunkts im Rahmen schulischer Allgemeinbildung zielen. Formatübergreifend geht es also um eine curriculare und eine didaktische fachübergreifende und fächerverbindende Fortentwicklung des Unterrichts durch Konzepte und Herangehensweisen, die auf einem breiten Allgemeinbildungsverständnis beruhen (Klafki, 1991), um dezent ein Gegenwicht zum klassischen Kernfachkonzept zu setzen.

Die Untersuchung von Vigerske (2017) in Baden-Württemberg ist allerdings im Unterschied zu dieser Evaluation inhalts- und fachunspezifischFootnote 27 angelegt; auf der Basis von vorhandenen Transfermodellen und in deren „synoptischer Verschränkung“ (ebd., S. 75) wird ein standardisiertes Erhebungsinstrument konzipiert, das die Begrenzung auf „bestimmte Themen, Fächer oder Fachbereiche von Lehrerfortbildungen“ (ebd., S. 74) überschreitet. Damit verliert leider diese Studie für den curricularen Diskurs das Essentielle, nämlich die Inhaltlichkeit. Dennoch ist es informativ und aufschlussreich, die im Kontext dieser Evaluationsstudie zur KulturSchul-Fortbildung stehenden Beobachtungen mit diesem, von den Fortbildungsinhalten abstrahierenden Ansatz abzugleichen.

In der vorliegenden Evaluationsstudie werden aber nicht nur Transfereinschränkungen, wie sie die Transfersituation vor Ort beinhalten können, thematisiert. Qua Programmatik des Landesprogramms KulturSchule sind in der Schulentwicklung alle Unterrichtsfächer inklusive Naturwissenschaften adressiert, ästhetisch kulturelle Zugänge einzusetzen (vgl. Rittelmeyer, 2018). Dies fordert eine allgemeine Unterrichtsentwicklung und Transformation der Lernkultur an den Schulen heraus. Die Fortbildungen für KulturSchule sind bestrebt, eine Umstellung bei den Lehrkräften zu initiieren, ihr pädagogisches Handeln zu verändern. Dabei geht es nicht, um eine Formulierung von Ewald Terhart zu verwenden, um „Äußerlichkeiten“ (Terhart, 2013, S. 77), sondern das Verändern von Routinen, die bisher Sicherheit gestiftet haben. Dies betrifft die Haltung und ebenso das Methodenrepertoire, wobei das Prozessgeschehen einer in der Schule praktizierten Bewegungs- und Handlungsorientierung in der Sicht einiger Lehrkräfte das Risiko implizieree, dass dadurch zum Beispiel die Förderung ebenso wichtiger Kompetenzen der Schüler wie das Üben der Rechtschreibung vernachlässigt würde. Diese Sorge argumentiert mit insgesamt fehlender Unterrichtszeit. Daneben gesellt sich Kritik wie die einiger Eltern, die in einer Aufführungskultur keine in Prüfungen verwertbare Kompetenzen erkennen, und in Unterrichtsvertretungen die Absenz der Benotungspraxis durch den dazu autorisierten Fachlehrer sehen wollen. Schulleitungen haben von solchen Anwürfen berichtet, denen hier nachgegangen worden ist.

Von der Fortbildungsforschung sind solch subtile Abwehrversuche eines anderen Unterrichtsansatzes und von Fortbildungen, die „Mannigfaltigkeit unserer Wahrnehmungen“ (Meyer-Drawe, 1999, S. 329) der Dinge um uns erkennbar machen und unterschiedliche Perspektiven auf Wirklichkeit durch künstlerische Ausdrucksweisen aufgreifen wollen, noch nicht aufgegriffen worden.

Provokant könnte man auch noch fragen: Endet die Reichweite der Fortbildung vor der Schultür? Hinsichtlich ihrer empirischen Grenze in der institutionalisierten Lehrkräftefortbildung ist dies zu bejahen, insofern die empirische Grenze der Schule durch Handlungen der Lehrkräfte mit den Schülerinnen und Schülern bestimmt ist (Nerowski, 2015). Sie ist zu verneinen, weil die Lehrkräfte das Erlernte in Interaktionen transformieren können, die im Unterricht in der Schule konkret werden. Ob und wann dies geschieht, liegt in ihrer Entscheidung sowie an den jeweiligen Bedingungen der Transfersituation.

Diese „Inkubationszeit“ von Fortbildung und Anwendung in der Schule wollen spezifische Fortbildungsangebote wie der «Fachaustauschtag» zur Reife bringen. Die Fortbildungsverantwortlichen sehen die Chance im Peer-Learning und streben die gemeinsame ko-konstruktive Planung von Unterrichtseinheiten anFootnote 28. In eben diesem Sinne ist ein Austausch der LehrkräfteFootnote 29 das Ziel des vernetzenden KulturSchul-Tags, bei dem ein Markt der Möglichkeiten erprobte und verstetigte Elemente von Lernarrangements präsentiert, auch unter Beteiligung von Schülerinnen und Schülern. Durch all dies verdichtet sich für die Lehrkräfte in KulturSchulen ein Bild dessen, was andernorts geschieht und möglich ist. Aber es fehlt an Wissen, wie Lehrkräfte diese Angebote wahrnehmen und für ihren Unterricht nutzen.

Die Vernetzung der KulturSchulen und die Stärkung von Selbstlernprozessen der Lehrkräfte kann die aus den Interviewdaten hervorgehende Feststellung nicht überspielen, dass auch in KulturSchulen die verbalisierte Wertschätzung der KulturSchul-Fortbildung noch keinen Ausdruck in einem kompetenzfördernden Management der Schule gefunden hat; eine Einführung von Experimentierräumen zur Erprobung von Ideen (Kauer, 2018, S. 145) ist bisher noch ohne Beispiel geblieben. Jedoch würde dieses Labor des Lehrerlernens ohne ein hierfür einzupreisendes Zeitbudget nur wenig Aussicht auf Etablierung haben. In Zeiten des zunehmenden Quereinstiegs in den Lehrberuf und immer heterogener werdender Qualifikationsvoraussetzungen der Lehrkräfte könnten aus einer solchen Werkstatt wichtige Impulse für die Kompetenzförderung hervorgehen.

In KulturSchulen ist hingegen die Praxis anzutreffen, über die Fortbildung in den Fachforen in schulischen Gremien oder in kleineren Teams zu berichten. Manchenorts wird mit dem Gefühl einer unbefriedigenden Situation nach einem Kommunikationsformat gesucht, das zur kollegialen Zusammenarbeit anzustiften vermag. Seit Langem wird diese als ein grundlegendes Problem gesehen, das in der Schule besteht. In der wissenschaftlichen Literatur schlägt sich dieses Mangelempfinden als normative Forderung nieder, die die Professions- und die Schulentwicklungsforschung durchzieht: Es bedürfe zur Reform von Schule und Unterricht einer nachhaltigen innerschulischen Kooperation der Lehrkräfte und Entwicklung professioneller Lerngemeinschaften (PLG).Footnote 30 Ihre Erwünschtheit ist an der Vielzahl der Publikationen abzulesen, die insbesondere der professionellen Lerngemeinschaft die Kraft zubilligen, die lose Kopplung als Strukturprinzip der Schule zu verpflastern. Skeptisch ist allerdings die Organisationssoziologin Veronia Tacke, da in ihrer Sicht es nicht pauschal beantwortbar sei, wo in Organisationen Strukturprobleme liegen (Tacke, 2004, S. 31). Es könnte sich auch um unklar formulierte Entscheidungsprogramme handeln oder die Gestaltung von Kommunikationswegen oder eine mangelnde Personalentwicklung. Tacke verweist außerdem auf die rückwirkenden Effekte von Veränderungen, die einen systemischen Zusammenhang belegten.

Was sich auf einer sachlich unstrittigen Ebene feststellen lässt, ist das Fehlen von Ausbildungsinhalten in der ersten Phase der Lehrerbildung, die sich mit der relativen Autonomie der Schule, Schulprogramm, Unterrichtsentwicklung, Evaluation und ähnlichen Themen befassen und die einen Organisationsblick auf Schule initiieren könnten. Eine Selbstbeobachtung der Organisation durch die ihr Angehörenden muss erst angeregt werden, auch wenn dies den blinden Fleck in der Selbstbeobachtung nicht auszuschließen vermag (Tacke, 2004). Eine Studie von Sabine Reh zu Teamsitzungen von Lehrkräften belegt, dass diese Verantwortung auf einer Ebene übernehmen, die die nächst höhere entlastet, indem für auftretende Probleme praktische Lösungen gefunden werden. Das kann bedeuten, dass Teamsitzungen dazu führen, dass der Blick der Lehrkräfte auf die eigene Organisation oder auch von der Adminstration getroffene Entscheidungen und (nicht) beabsichtigte Wirkungen geschärft wird. Eine Vielfalt von Perspektiven, die in den gemeinsamen Sitzungen geäußert werden, konnte Reh hingegen nicht identifizieren. Dennoch spricht sie im Ergebnis von einem „höhere[n] Maß an Reflexivität des Unterrichts“ (Reh, 2008, S. 181), was sich allerdings nicht in der Verwendung eines didaktischen Vokabulars zeige. Veronika Tacke setzt diese Arbeit der Lehrkräfte einer De-Professionalisierung gleich, weil das problemlösende Bemühen nicht auf den Unterricht als Kerngeschäft gerichtet sei. Dabei übersieht sie, dass Störungen diesen in vielfältiger Hinsicht beeinträchtigen können. Im Rahmen der an die Lehrkräfte gestellten Anforderungen ‚müssen‘ sie sich auch mit den Bedingungen ihres pädagogischen Handelns und dem Erreichen ihrer Zielsetzungen auseinandersetzen (Heid, 2005). Aber die eigentliche Frage ist, inwieweit Pädagogen in ihrem Berufskontext eine gemeinsame Zieleinigkeit ausbilden können. Dies wäre eine Voraussetzung, um in einer konzertierten Aktion ein „individuelles und freudvolles Lernen“ (Kauer, 2018, S. 145) der Schülerinnen und Schüler zu gestalten. Und nicht zuletzt, verträgt sich ein solcher Lernkulturwandel mit der Selektionsfunktion der Schule?

In diese Tiefe eines Schulkulturwandels dringen die Überlegungen ästhetisch kultureller Bildung nicht vor. Gleichwohl impliziert die Fortbildung seit ihren Anfangsjahren eine Schulentwicklung, um eine nachhaltige Veränderung zu implementieren. Das Thema Transferbedingungen und die für den Transfer benötigten Freiräume zur Anwendung des Gelernten im Unterricht und Schulleben gehörten in den Rahmen der SLT-Reihe. Es geht um das Entdecken von Ansatzpunkten und Entwicklungskapazitäten, die in der eigenen Organisation liegen. Eine Schulleitung, die die Ziele der eigenen Schule im Rahmen des KulturSchul-Programms bei den zahlreichen Begegnungsgelegenheiten und Gremien der Schule kommuniziert, hat eine nicht zu unterschätzende Rolle, der Fortbildung für Kulturelle Bildung Gewicht zu verleihen. Dafür ist der Rückhalt des Kollegiums essentiell und immer wieder durch Überzeugungsarbeit insbesondere auch für die Schulentwicklung zu gewinnen.