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„Ich bin ein österreichischer Patriot und bekenne mich als österreichischer Terrorist“ – Franz Fuchs, ein vergessener Vorläufer des modernen Rechtsterrorismus?

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Rechter Terrorismus: international – digital – analog

Part of the book series: Edition Rechtsextremismus ((EDRECHT))

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Zusammenfassung

Von 1993 bis 1996 hielten eine Reihe von Briefbomben sowie drei Sprengstoffanschläge Österreich in Atem. Verübt wurden diese laut Bekennerschrieben von der zuvor vollkommen unbekannten Bajuwarische Befreiungsarmee (BBA). Ein Jahr, nachdem die Terrorserie abrupt geendet hatte, wurde mit Franz Fuchs, ein wohl isoliert handelnder Einzeltäter, gefasst. Dieser Beitrag zeichnet die Geschehnisse sowie die von Fuchs deklarierte Motivation dieser Terrorserie nach. Es wird die These vertreten, dass der Fall auch heute Erkenntnisse zu aktuellen rechten Terroranschlägen, insbesondere durch Einzeltäter liefern kann.

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Notes

  1. 1.

    Anders dürfte diese vor allem bei der am schlimmsten von Fuchs Taten betroffenen Volksgruppe der Roma, insbesondere jenen in Oberwart aussehen.

  2. 2.

    Die akademische wissenschaftliche Erforschung von Terrorismus ist in Österreich bis heute kaum ausgeprägt. Das mag unter anderem daran liegen, dass politische Gewalt und insbesondere Terror in der Zweiten Republik über weite Strecken die absolute Ausnahme waren. Zwei Überblickswerke zum Thema, ein englischsprachiger Text von Vetschera (1993) und eine als Chronik angelegte Monographie (Benda und Gabriel 1989), erschienen, bevor die Bombenserie begann und damit lange, bevor Fuchs gefasst wurde.

  3. 3.

    Fuchs ist international weit gehend unbeachtet geblieben. So wird er nicht einmal im Standardreferenzwerk von Law (2015) erwähnt. Die folgende Falldarstellung folgt einem früheren Artikel des Autors (Schliefsteiner 2018). Aus Platzgründen wurde die ausführliche Behandlung der journalistischen, akademischen und künstlerischen Reaktionen weggelassen.

  4. 4.

    Österreich war schon aufgrund seiner geographischen Nähe für viele die erste Zufluchtsstelle bzw. diente als Transitland. Am Ende blieben von den knapp 90.000 Flüchtlingen ca. 60.000 im Land.

  5. 5.

    Die SPÖ hatte sich nach 1945 in Anerkenntnis diverse Widerstandsgruppen sozialistisch genannt, ab 1991 erfolgte die Umbenennung in sozialdemokratisch.

  6. 6.

    Volksbegehren sind ein Instrument der direkten Demokratie in Österreich. Wenn 100.000 oder mehr Wahlberechtigte unterschreiben, muss das österreichische Parlament die Petition diskutieren, aber keinesfalls handeln. Österreich zuerst wurde von 416.531 Personen unterzeichnet; das waren 7,35 % der Wahlberechtigten. Mit Stand September 2022 ist es das 17. erfolgreichste (von nunmehr über 60) Volksbegehren (Bundesministerium für Inneres 2022).

  7. 7.

    Dieser Platz ist in diesem Zusammenhang besonders symbolträchtig, denn hier hielt Hitler nach der Annexion Österreichs durch das Deutsch Reich 1938 unter dem Beifall tausender Österreicher seine berühmte Rede. Ein historisches Ereignis, das den Ort für viele politisch linksstehende Menschen zu einem Symbol für die dunkle Geschichte Österreichs und die problematische Neigung großer Teile der österreichischen Bevölkerung zur (extremen) Rechten macht. Der Schriftsteller Thomas Bernhard benannte ein Drama anlässlich des 50. Jahrestags der historischen Ereignisse nach dem Platz – die Aufführung geriet zum Skandal.

  8. 8.

    Die VAPO war von ihren Gründern als loser Zusammenschluss von „national gesinnten“ Personen und Gruppen gedacht, die ohne strenge Hierarchien zusammenarbeiteten. Tief in der nationalsozialistischen Ideologie verwurzelt, kann sie als Versuch eines „führerlosen Widerstands“ gegen „das System“ gesehen werden.

  9. 9.

    Detaillierte Tabellen zur Bombenkampagne (außer der letzten Serie) finden sich bei Grassl-Kosa und Steiner (1996).

  10. 10.

    Der Wiener Bürgermeister ist zugleich Landeshauptmann des Bundeslands Wien und entspricht damit von seiner Stellung einem deutschen Ministerpräsidenten.

  11. 11.

    Manchmal heißt es auch, er sei der Pressesprecher des Clubs gewesen (Siehe Scheid 2001, S. 133). Gombocz veröffentlichte einen Text (1998), in dem er das soziale Milieu und die Netzwerke in der Südsteiermark, aus der er und auch Fuchs stammten beschreibt, die er für die Bombenkampagne verantwortlich macht und sie verdächtigt, in irgendeiner Weise daran beteiligt zu sein.

  12. 12.

    Graf Ernst Rüdiger von Starhemberg (1638–1701) befehligte 1683 die Verteidigung Wiens während der entscheidenden Schlacht gegen die Türken und diente als kaiserlicher General sowie als Präsident des Hofkriegsrats im folgenden Krieg. Spätere Generationen idealisierten Starhemberg als Retter der gesamten westlichen Welt und Kultur. Sein Andenken wurde schon während der österreichisch-ungarischen Monarchie von patriotisch gesinnten Österreichern besonders hochgehalten. So wurde er zu einer Ikone, die auch von der extremen Rechten bewundert wurde. Grassl-Kosa und Steiner widmeten daher der historischen Figur zwei Seiten (1996, S. 112 f.).

  13. 13.

    Ein hervorragendes Beispiel dafür, wie die Bombenanschläge zu Beginn wahrgenommen und eingeordnet wurden, ist die Berichterstattung der Salzburger Nachrichten, aber auch des deutschen Spiegels zu dieser Zeit. Für eine akademischere und detailliertere Herangehensweise (aber mit einer klaren politischen Agenda) an die These, dass Neonazis verantwortlich sein mussten und wie damals argumentiert wurde, siehe Purtscheller (1994). Der Text endet mit einer Zeittafel, welche die erste Serie mit dem Prozess gegen Küssel und mehreren neonazistischen Publikationen in Einklang bringt.

  14. 14.

    Die Argumentation wird von Purtscheller (1994) ausführlich dargestellt. Hier findet sich aber ebenso eine Beschreibung des Kontextes des Küssel-Prozesses und der Entwicklung der Neonazi-Szene. Sika erwähnt einen dritten Verdächtigen, Alexander Wolfert. In seiner Wohnung wurde eine Werkstatt gefunden, in der Experimente mit Sprengstoff durchgeführt wurden. Wolfert scheint jedoch nicht weiter von Interesse gewesen zu sein, wie die weitere Berichterstattung nahelegt (Sika 2000, S. 90 f.).

  15. 15.

    Ein in den Rang eines Verfassungsgesetzes erhobenes österreichisches (Sonder-)Strafrecht, das sämtliche nationalsozialistischen Aktivitäten und Propaganda verbietet.

  16. 16.

    Der Innenminister zu Beginn der Bombenserie, Franz Löschnak, erklärt ausdrücklich, dass es zwar viel Druck vonseiten der Medien und der Politik gegeben habe, aber nie einen ausdrücklichen Auftrag an die Ermittler, in eine bestimmte Richtung zu suchen. Ihm zufolge deuteten die Indizien zu diesem Zeitpunkt auf fremdenfeindliche und deutsch-nationalistische Täter hin, weshalb die Ermittlungen in diese Richtung gingen (Grassl-Kosa und Steiner 1996, S. 41). Dem widerspricht sein Untergebener, der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Michael Sika, der ausdrücklich betonte, dass die Ermittler aufgrund einer permanenten Fixierung schon früh feststellten, dass es sich um die VAPO und die Neonazis handeln müsse. Weiter behauptet er, die Ermittler seien „in den Wald getrieben“ worden und hätten dadurch Monate, wenn nicht Jahre verloren. Seiner Meinung nach wäre er „an einer Straßenlaterne aufgehängt worden“, wenn er im Mai 1994 gesagt hätte, dass die Täter keine Neonazis waren. Sika fügt hinzu, dass die Ermittler ohne die Bekennerschreiben auch nicht gewusst hätten, wo sie beginne hätten sollen zu suchen (ibid., S. 47). Sika behauptet sogar, in den ersten Dezembertagen 1993 seien sich „alle einig“ gewesen, dass es sich um einen Einzeltäter handeln müsse. Dies könnte eine nachträgliche Erklärung oder eine Übertreibung der anfänglichen Überzeugung der Sicherheitskräfte sein – denn dann hätten sie ja die ganze Zeit Recht gehabt. Auch Sika räumt ein, dass im Nachhinein nicht nur der Druck der Medien, sondern gleichfalls die Vorurteile einiger Ermittler zur Fixierung auf rechtsextreme und neonazistische Gruppen geführt hat (Sika 2000, S. 87, 94). Dass aufgrund der österreichischen und deutschen Geschichte und aufgrund politischer Zugehörigkeit und Weltanschauung viele ohne Beweise zu (voreiligen) Schlüssen kamen, zeigt sich in weiten Teilen der damaligen Berichterstattung z. B. des deutschen Magazins Der Spiegel. Die Bombenattentäter wurden teils als überzeugte Neonazis bezeichnet, ohne dass darauf hingewiesen wird, dass diese nicht eindeutig identifiziert worden waren.

  17. 17.

    „Der Typ muß crazy sein, absolut crazy, aber genial. Unsere Nazibuam können das nicht“. Zitiert nach (Vašek 1999, S. 28).

  18. 18.

    Müller verfasste zwei Bücher über seine beruflichen Erfahrungen und über Teile seines Lebens (Müller 2004, 2006). Obwohl der Fall Fuchs ihn berühmt gemacht hat, erwähnt Müller die Briefbomben und Fuchs nur auf wenigen Seiten von Bestie Mensch und oft nur indirekt (Müller 2004, S. 49, 75–77, 103–105, 189).

  19. 19.

    In dieser Form findet sich die Schilderung nur bei Vašek (1999, S. 35). Alle anderen Quellen sprechen nicht von einem „unvorsichtigen“ Umgang mit der Bombe, was aber nicht bedeutet, dass dies nicht geschehen ist, da viele der anderen Quellen in irgendeiner Weise mit der Polizei verbunden waren. Die Tatsache, dass der verdächtige Behälter ohne besondere Maßnahmen nicht zu einer Polizeieinrichtung, sondern zu einem zivilen Flughafen transportiert wurde, spricht für die Interpretation, dass die Beamten die Situation unterschätzt haben.

  20. 20.

    Die Interpretation des Ministers und der Sicherheitskräfte, die Bombe habe nichts mit Terrorismus zu tun, sondern sei Teil eines Streits unter Kriminellen, wurde von eher linksgerichteten Kommentatoren häufig als Versuch der Behörden gewertet, rechtsextremen Terror und politische Gewalt herunterzuspielen und insinuiert, dass die Behörden oder Ermittler mit den Tätern sympathisierten.

  21. 21.

    Einer der Experten, der die Briefbomben untersuchte, erklärte lange vor dem Bekanntwerden von Fuchs, dass dies kein Konstruktionsfehler, sondern Absicht war (Grassl-Kosa und Steiner 1996, S. 98).

  22. 22.

    Laut den beiden anderen Journalisten, die zu dieser Zeit schrieben, arbeiteten unter den 936 Angestellten der Fabrik nur fünf nicht-österreichische Staatsbürger, als diese angegriffen wurde: vier Deutsche und ein Jugoslawe. (Tozzer und Zelsacher 1995, S. 130).

  23. 23.

    Nach Scheid (2001, S. 91 f.) ist es eine wenig bekannte und auch nicht besonders hervorgehobene Tatsache, dass eine Gruppe mit diesem Namen, die alle „bajuwarischen“ Länder in einem einzigen Land zusammenfassen wollte, nach 1945 existierte, sich aber ziemlich schnell auflöste.

  24. 24.

    Nach Kenntnis des Verfassers hat das Bundesinnenministerium ihn bis heute nicht als „authentisch“ anerkannt. Zu diesem Brief siehe Vašek (1999, S. 48–50).

  25. 25.

    Grassl-Kosa und Steiner (1996) liefern eine Tabelle für die „authentischen“ Briefe. Die Faksimiles (wobei im Falle des letzten Briefes einige Teile zu fehlen scheinen) sind ebenfalls (S. 143–209) abgedruckt. Die authentischen Briefe wurden in Scheid (2001, S. 185–252) und Vašek (1999, S. 171–199) wiedergegeben.

  26. 26.

    Am Ende war das HNaA schneller die NSA. Das war etwas, das Fuchs nicht erwartet hätte, ihn aber als Österreicher auf das HNaA „stolz machte“ (Vašek 1999, S. 85–89, Zitat S. 88).

  27. 27.

    Laut Scheid gab ein Zeuge an, das vor dem Attentat auf Oberwart zwei Autos und mehrere Personen gesehen wurden (Scheid 2001, S. 150 f.) Vašek erwähnt, dass vier weiß gekleidete Männer am Tatort gemeldet worden seien (Vašek 1999, S. 44).

  28. 28.

    Manche, insb. linke bzw. antifaschistische Kommentatoren, sahen in dieser Teilnahme oft nur einen Versuch, gute Publicity zu bekommen und unterstellten den Beteiligten, kein wirkliches Mitgefühl für die Opfer oder die Roma-Minderheit zu haben. Einigen Kommentaren zufolge gab es hässliche Szenen mit hochrangigen Politikern, die sich um die „besten Plätze“ stritten, auf denen sie im Fernsehen zu sehen waren. Diese werden in den ausgewogeneren Darstellungen nicht erwähnt, und es wäre notwendig, das Originalmaterial zu überprüfen. (Vgl. El Refaie 2004, S. 224 f.).

  29. 29.

    Unter ihnen waren die Eltern der zuvor zur Zielscheibe gewordenen Madeleine Petrovic.

  30. 30.

    Laut einer an den Ermittlungen beteiligten Quelle, mit der der Autor sprechen konnte, war dieser Sprengsatz so konstruiert, dass er das Opfer höchstwahrscheinlich getötet hätte, wenn er die Spraydose wie die meisten Menschen aufgehoben hätte. Preiszler, der an Rückenproblemen leidet, hat sich jedoch eben nicht wie die meisten über die Dose gebeugt, um sie aufzuheben, sondern hat sich neben der Dose niedergekniet, um sie in die Hand zu nehmen. Dieser Umstand hat ihm wahrscheinlich das Leben gerettet.

  31. 31.

    Dieser afrikanische Vater ist einer der vielen Gründe, warum Scheid nicht glaubt, dass Fuchs allein gehandelt hat. Ihm zufolge war in dem Brief ein Blatt Papier mit dem Namen des Vaters enthalten. Kiesbauer und ihr Vater, der in den USA lebte, seien aber nie gemeinsam in der Öffentlichkeit aufgefallen, so Scheid. Er wirft die Frage auf, woher Fuchs von Kiesbauers Vater gewusst haben soll (Scheid 2001, S. 59 sowie 139 f.).

  32. 32.

    Vašek gibt an, dass weder die Chungs noch Abou-Roumie jemals in der Öffentlichkeit aufgetreten sind (Vašek 1999, S. 74–76; siehe auch Grassl-Kosa und Steiner 1996, S. 26 f. sowie 37 f.). Loley wurde nach Angaben der beiden Autoren nur einmal in einer Zeitung im Zusammenhang mit einer Preisverleihung erwähnt. Dies gilt ebenso für die Familie Palathunkla, die nur einmal im nationalen Fernsehen in Erscheinung trat (Ibid., S. 129 f.).

  33. 33.

    United Nations High Commissioner for Refugees – der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen.

  34. 34.

    Profiler Müller erklärte, es sei unwahrscheinlich, dass der Bombenbauer die an seiner Bombe arbeitenden Polizeiexperten verletzen wollte. Er wollte wohl in der Tat die Entschärfung verhindern (Ibid., S. 100).

  35. 35.

    Es wurde darauf hingewiesen, dass ein Buchstabe eigentlich keine Serie darstellt. Da die Angriffswellen jedoch immer als „Serien“ bezeichnet wurden, blieb der Autor bei diesem Begriff.

  36. 36.

    Viele der angegebenen Adressen waren erfunden, enthielten aber einen Hinweis oder einen Kontext innerhalb von Fuchs’ Weltanschauung und Ideen. Die Absenderadressen spielten mit den historischen Daten der Belagerung Wiens 1683 und ähnelten wichtigen Punkten des Aufmarsches der türkischen Truppen (Grassl-Kosa und Steiner 1996, S. 116 sowie Vašek 1999, S. 24).

  37. 37.

    Für eine distanziertere Betrachtung siehe Vašek (1999, S. 80–95, insbesondere S. 94 f.).

  38. 38.

    Die Aussagen von Fuchs finden sich in Vašek (1999, S. 89).

  39. 39.

    Dies wurde von einigen, insbesondere aus dem linken politischen Spektrum, bezweifelt. Diese Kritiker gehen davon aus, dass die Einführung der Rasterfahndung und die Verhaftung ein glücklicher Zufall waren, um den die Behörden einen Mythos aufgebaut haben. Wie diese Einschätzung die Aussagen von Fuchs erklärt, er habe „gewusst“, dass die Rasterfahndung als Erklärung für seine Ergreifung herhalten würde, und dass er aufgrund dieses „Wissens“ so gehandelt habe, wie er es tat, ist nicht klar. Sika gibt an, dass er die Einführung dieser neuen Maßnahmen von Dezember 1993 an gefordert hatte (2000, S. 249).

  40. 40.

    Bei der Rasterfahndung werden mittels Massendatenverarbeitung Informationen aus (Fremd-)Datenbeständen automatisiert abgeglichen um aus allen Daten Personen mit bestimmten Merkmalen zu ermitteln. Zweck des Verfahrens ist es, die Gruppe der tatsächlich zu Überprüfenden einzuschränken, da anders als bei der regulären Fahndung eben noch keine Zielperson bekannte ist. Das Verfahren wurde bei der Fahndung nach der Roten Armee Fraktion (RAF) entwickelt.

  41. 41.

    Umgangssprachliche Bezeichnung für akustische und optische Überwachungsmaßnahmen von staatlichen Stellen innerhalb des privaten Raums.

  42. 42.

    Diese Methode des psychologischen Drucks ist einer der wenigen Aspekte, der internationalen Beachtung fand. Sie wird, allerdings nur als Überblick, von Simons (2013, S. 217–219 sowie 222) erwähnt.

  43. 43.

    Die Perspektive der Behörden sowie Einblicke in die Konflikte innerhalb der Ermittlungsgruppen und zwischen Polizei und Justiz vgl. Sika (2000, S. 255–267).

  44. 44.

    Fuchs gab später an, dass er in der Hoffnung weggelaufen sei, zu verbluten, nachdem er erkannt hatte, dass er seinen Selbstmordapparat falsch gehandhabt hatte (Vašek 1999, S. 107–109).

  45. 45.

    Auch die Behörden waren zunächst ratlos, wie sich aus der zeitgenössischen Berichterstattung ergibt. Fuchs lebte so unauffällig und war nicht einmal durch schlechtes Gerede über Ausländer oder andere Gruppen aufgefallen, dass die Behörden befürchteten, er könnte Komplizen gehabt haben (vgl. exemplarisch ohne Autor, Spiegel 1997a, S. 165).

  46. 46.

    Nur am Rande sei erwähnte, dass auch hier schon eine Parallele zu heutigen Geschehnissen besteht: Die offizielle Erklärung „Selbstmord“, noch dazu von jemanden, dem beide Hände fehlten, wurde von verschiedenen Personen und Kreisen sofort angezweifelt. Bis heute finden sich in den Kommentarsektionen online bei den wenigen Berichten zum Fall oft Fragen und sarkastische Kommentare in diese Richtung.

  47. 47.

    Manchmal wird es so dargestellt, dass er seinen Selbstmordplan aufgegeben, jedoch seinen Abschiedsbrief nicht vernichtet habe.

  48. 48.

    Für die meisten Österreicherinnen und Österreich gilt ein Leben ohne (staatliche) Krankenversicherung als äußerst gefährlich und muss daher unter allen Umständen vermieden werden. Dies kann als Anzeichen dafür gesehen werden, wie weit sich Fuchs bereits damals aus der Gesellschaft zurückgezogen hatte.

  49. 49.

    Die FPÖ wies darauf hin, dass Fuchs aus einem sozialdemokratischen Elternhaus stamme, sein Vater war SPÖ-Gemeinderat im Heimatort. ÖVP- sowie FPÖ-Abgeordnete warfen dem ehemaligen Innenminister Casper Einem (SPÖ) vor, die Ermittlungen zu behindern, indem er das Profil des möglichen Einzeltäters „zurückhielt“ (Vgl. Ohne Autor, Spiegel 1997b, S. 207).

  50. 50.

    Im April 1995 starben die Aktivisten der extremen Linken, Gregor Thaler und Peter Konicek, bei der Vorbereitung eines Anschlags. Der gefundene Sprengstoff deutete darauf hin, dass sie einen Bombenanschlag auf einen Strommast in Ebergassing, Niederösterreich, verüben wollten, um eine wichtige Stromleitung nach Wien zu unterbrechen. Es wurde vermutet, dass sie mit einem Anschlag am 20. April, dem Geburtstag Adolf Hitlers, den Verdacht auf Rechtsextremisten und Neonazis lenken wollten (siehe Vašek 1999, S. 53–59; Tozzer und Kallinger 1999, S. 140; Scheid 2001, S. 178–180; Sika 2000, S. 139–143. Tozzer und Zelsacher 1995, 201–211 geben einen größeren Kontext und beschreiben die Reaktion).

    Ein ausführlicher Bericht über den Anschlag in Ebergassing wurde in der inzwischen eingestellten links-anarchistischen Publikation Tatblatt von einem unbekannten Autor (möglicherweise der dritten beteiligten Person) online veröffentlicht. Der Bericht erklärt, dass der geplante Anschlag höchstwahrscheinlich kein „Angriff unter falscher Flagge“ war, den man Rechtsextremen in die Schuhe schieben wollte, sondern eine „legitime“ Form des Protests gegen die Stromleitungen der Atommeiler. Der Autor beschreibt und kritisiert, das der versuchte „Terror“ (der von ihm nicht als solcher eingestuft wird) zu einer Situation führte, in der sich die mit der extremen Linken sympathisierenden politischen Parteien und Nichtregierungsorganisationen distanzierten und die Mitglieder der Szene in der Folge (eine Zeit lang) vor konkreten Aktionen zurückgeschreckt sind. Er scheint auch anzudeuten, dass die Personen, die aufgefordert wurden, mit der Polizei zu sprechen, dies zu bereitwillig taten und den Behörden dadurch mehr Namen und Informationen lieferten als notwendig (Ohne Autor ca. 1998). Der Ebergassing-Vorfall ist ein Hauptpunkt des Kerntextes in Purtscheller, Kemmerling, Kopecky (1998). Der Text argumentiert, dass er von der FPÖ bewusst als Propagandainstrument eingesetzt wurde, um von den Bombenanschlägen der extremen Rechten abzulenken.

  51. 51.

    Für eine ähnliche Schlussfolgerung vgl. Scheidl (2015).

  52. 52.

    Wohl im Unterschied zu heutigen Attentätern, wäre dieses „Problem“ aber zumindest laut Fuchs Bekennungen „zu beheben“ gewesen, indem der Staat alle seiner Staatsbürger gleich und Ausländer nicht gleich (insb. was Leistungen betrifft) behandelt.

  53. 53.

    Obwohl diese durchaus immer wieder eine Rolle spielte.

  54. 54.

    „Ein Zweck der Bekennerschreiben ist es auch, Angst zu machen, es soll gefährlich klingen und Angst machen. Es geht aber nicht unbedingt darum, daß Blut fließt. Die Leute sollen nur Angst und das Gefühl haben, daß sich auch die Polizei nicht schützen kann.“ (zitiert nach Vašek 1999, S. 161).

  55. 55.

    In den Bekennerschreiben werden die Briefbomben als „nicht tödlich“ beschreiben und versucht dies durch den Vergleich mit der Wirkung einer militärischen Handgranate zu belegen. Dass Helmut Zilk fast starb, wird (höhnisch) relativiert (Bekennerschreiben vom 1. Februar 1995, S. 4 und 6, zitiert nach Grassl-Kosa und Steiner) Im Verhör bezeichnete er die Briefbombe an Zilk als „Protestaktion“ und meinte „Nach menschlichem Ermessen war nicht davon auszugehen, daß die Bombe zu Dr. Zilk durchgekommen ist.“ (zitiert nach Vašek 1999, S. 13) Mit den Toten von Oberwart wollte er im Verhör nicht konfrontiert werden. Gesamt wirkt es etwas wie der Versuch, sich selbst zu versichern, dass er niemanden umbringen wolle und mit seinen gewählten Terrormethoden auch nicht „konnte“. (Vašek 1999, S. 164)

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Schliefsteiner, P. (2023). „Ich bin ein österreichischer Patriot und bekenne mich als österreichischer Terrorist“ – Franz Fuchs, ein vergessener Vorläufer des modernen Rechtsterrorismus?. In: Coester, M., Daun, A., Hartleb, F., Kopke, C., Leuschner, V. (eds) Rechter Terrorismus: international – digital – analog. Edition Rechtsextremismus. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-40396-6_15

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