Schlüsselwörter

1 Einleitung

Es vergeht seit geraumer Zeit kaum ein Tag, an dem in den Medien nicht von rassistischen Vorwürfen gegenüber Polizeibeamt:innen berichtet wird. Auch wenn sich bei einem Großteil der Fälle im Laufe der intensiveren Prüfung ein Rassismusvorwurf nicht halten lässt, wurden diverse Sachverhalte bekannt, die eine andere, eine deutliche Sprache sprechen. Entsprechend nachvollziehbar war und ist deshalb die Forderung nach einer Rassismus-Studie in der Polizei, u. a. auch vom BKA-Präsidenten Holger Münch, der vor einem Vertrauensverlust in die Sicherheitsbehörden warnte.Footnote 1 Bundesinnenminister Horst Seehofer sprach daraufhin ein Machtwort, teilte medial mit, dass es so eine Studie nicht geben werde und stattdessen eine Studie zum „Alltagsrassismus“ in der Gesellschaft sowie eine „Untersuchung des Polizeialltags“ durchgeführt werden solle: „Es wird keine Studie geben, die sich mit Unterstellungen und Vorwürfen gegen die Polizei richtet.“Footnote 2 Anstatt sich also den zahlreichen Vorwürfen neutral und wissenschaftlich anzunehmen, was klug und weitsichtig gewesen wäre, nimmt dieser reflexhaft eine Täter-Opfer-Umkehr vor, unterstellt den handelnden Polizist:innen stets einwandfreies Verhalten und viktimisiert die Betroffenen erneut. Damit erweist er aber den Polizeien einen Bärendienst. Einige Länder, wie z. B. Hamburg, verkündeten daraufhin zwar, eigene Rassismus-Studien bei der Polizei durchführen zu wollen, bisher blieb es aber bei den Absichtserklärungen bzw. stecken die entsprechenden Bemühungen immer noch in den Kinderschuhen. Parallel werden beträchtliche Ressourcen in die Bekämpfung der „Clankriminalität“ investiert und jede diesbezügliche polizeiliche Maßnahme medial wirksam inszeniert. Im „Lagebericht Clankriminalität 2020“ der Polizei Berlin werden 388 Tatverdächtige aus „Großfamilien“ aufgeführtFootnote 3, was laut PKS ungefähr 0,3 % aller Tatverdächtigen dort ausmacht. Der Großteil dieser 388 Tatverdächtigen ist dabei mit sog. Bagatellkriminalität in Erscheinung getreten. Dieses polizeiliche Vorgehen der Selektierung nach ethnischer Zugehörigkeit und Stigmatisierung anhand von Familiennamen, darf durchaus als rassistisch bezeichnet werden. Kriminalistisch notwendig ist es jedenfalls nicht.

Wenn man selber in polizeilichen Bildungseinrichtungen unterrichtet, stellt man sehr schnell fest, dass die Dienstanfänger:innen in der Regel unvoreingenommen und offen sind. Auch wenn man davon ausgehen kann, dass die Bewerber:innen bei der Polizei in einem eventuell erhöhten Maße „wertkonservativ“ sind, darf man an dieser Stelle dem polizeilichen Einstellungsverfahren durchaus attestieren, dass offensichtlich problematische Kandidat:innen vor der Einstellung – bis auf tatsächlich wenige Einzelfälle – aussortiert werden.Footnote 4 Die Offenheit der Dienstanfänger:innen ändert sich aber schlagartig, sobald diese aus dem ersten Praktikum zurück im Hörsaal sind. Plötzlich vernimmt man Vorurteile – gegen Minderheiten allgemein – und es wird von „Wir“ und „Die“ gesprochen.Footnote 5 Nun ist ein gewisses Streben nach Zugehörigkeit zu der „Polizeifamilie“ und auf der Suche nach der eigenen Identität innerhalb der Polizei sicherlich nachvollziehbar und psychologisch erklärbar, die Konsequenzen daraus müssen aber hellhörig machen, da sie gesamtgesellschaftlich kontraproduktiv, ja sogar gesellschaftsschädlich sind. Man muss zur Bewertung des Problems aber nicht nur den jeweiligen „Einzelfall“ betrachten, sondern die Polizei in ihrer Gesamtheit. Gerade die Organisation Polizei ist durch ihren Aufbau und ihre Tätigkeit prädestiniert für strukturellen Rassismus.Footnote 6 Beim strukturellen Rassismus geht es eben nicht um rassistische Äußerungen Einzelner, sondern um (strukturierte) Abläufe und Routinen, die zur ungerechtfertigten Benachteiligung von Schwarzen, PoC und generell optisch „Nicht-Deutschen“ führt.

2 Anforderungen an die Polizei – gesetzlicher und gesellschaftlicher Auftrag

Neben den grundlegenden rechtlichen und fachlichen Kenntnissen wird von Polizist:innen zur Bewältigung der gesetzlichen präventiven und repressiven Aufgabenwahrnehmung als Ausfluss der beamtenrechtlichen Bestimmungen aus Art. 33 Abs. 5 GG Empathie sowie notwendigerweise ein Rollen- und Perspektivwechsel erwartet. Polizist:innen müssen – zumindest ansatzweise – die Bandbreite der Verhaltensmuster „anderer Kulturen“ kennen und ein Gespür dafür entwickeln, wie sie sich innerhalb dieser Bandbreite von Möglichkeiten verhalten können. Diese Verpflichtung kann auch nicht dadurch ersetzt werden, auf die vermehrte Einstellung von Beamt:innen mit Migrationshintergrund zu setzen, denn es ist eine Individualanforderung an jede einzelne Polizeibeamtin und jeden einzelnen Polizeibeamten. Die erhöhten Einstellungszahlen von Polizist:innen mit Migrationshintergrund sind zwar aus Gründen der Diversität sehr zu begrüßen, denn es ermöglicht eine angemessene und der aktuellen Realität angepasste Repräsentanz der Bevölkerungszusammensetzung, sodass sich die demographisch veränderte Bevölkerung in „ihrer“ Polizei wiederfindet.Footnote 7 Allerdings sitzen viele Polizei-Entscheider der Illusion auf, dass mit der Einstellung von Migrant:innen alle transkulturellen Probleme zwischen Polizei und Bevölkerung gelöst seien: „Der Irrglaube, dass Migranten einander schon verstehen würden, eben weil sie ja alle Migranten seien, verkennt die bestehenden ethnischen Vorurteile, die auch Migranten aus unterschiedlichen Gruppen untereinander besitzen.“Footnote 8 Ein eigener Migrationshintergrund qualifiziert grundsätzlich nicht zur Vermittlung von transkulturellem Wissen, dazu bedarf es weitergehender Fortbildung. Außerdem gibt es auch unter Menschen mit Migrationshintergrund ausgeprägte Rassist:innen. Zudem betrachten sich viele Polizist:innen mit Migrationshintergrund oftmals ausdrücklich als „deutsche“ Polizeibeamt:innen, die nicht als „Quoten-Ausländer:innen“ innerhalb der Polizei zur Bewältigung von Problemen „ihrer Kultur“ herangezogen bzw. reduziert werden wollenFootnote 9. Eine ausgeprägte transkulturelle Kompetenz, die Teil der sozialen Kompetenz ist, ist eine der wesentlichsten Fähigkeiten von Polizeibeamt:innen, um ihren gesetzlichen und gesellschaftlichen Auftrag effizient und effektiv wahrnehmen zu können.

3 Funktionen von Kultur, Werte und Normen, kulturgeschichtliche Einflussfaktoren

„Kultur“ ist ein sehr häufig gebrauchter Begriff, im Alltag wie auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften, dabei ist er nur schwer zu fassen und äußerst vieldeutig. Es gibt verschiedene Kulturbegriffe bzw. Definitionsansätze, z. B. den anthropologischen, ethnologischen, philosophischen, soziologischen, den „engen Kulturbegriff“ (Hochkultur) oder den „erweiterten Kulturbegriff“ (Lebenswelten).Footnote 10 „Kultur“ meint im weitesten Sinne die vom Menschen durch die Bearbeitung der Natur mithilfe von planmäßigen Techniken selbst geschaffene Welt der geistigen Güter, materiellen Kunstprodukte und sozialen Einrichtungen.Footnote 11 Die wesentlichste Unterscheidung ist die zwischen primordialen und konstruktivistischen Kulturkonzepten. Das primordiale Kulturkonzept, welches mittlerweile als überholt gilt, geht davon aus, dass eine kulturell-ethnische Herkunft ein typisches bzw. spezifisches kulturelles Handeln zur Folge hat. Beim konstruktivistischen Kulturkonzept geht man davon aus, dass Kulturen einer Interaktion unterliegen und dynamisch bzw. verhandelbar sind.

Eine wesentliche Funktion von Kultur besteht darin, dass „sie nach innen hin integrativ, nach außen hin hierarchisch und ausgrenzend funktioniert“Footnote 12, d. h. die individuelle und kollektive Identitätsentwicklung basiert auf Unterscheidung (Wechselspiel von „Dazugehören“ und „Abgrenzung“). Identität ist die einzigartige Persönlichkeitsstruktur eines Menschen, die sich ständig entwickelt und auch verändert.Footnote 13 Kulturelle Identität entsteht aus dem kognitiven Vergleich des „Eigenen“ im Gegensatz zu dem „Anderen“. Bei diesem stark von Gefühlen geprägten Vorgang vermittelt dieses Eigene oftmals ein mehr oder weniger ausgeprägtes Sicherheits-, Geborgenheits- und Heimatgefühl. Für Menschen stellt ein ungewollter Identitätsverlust ein psychisch durchaus größeres Problem dar, wenn wichtige Gruppenzugehörigkeiten (z. B. Familie, Freund:innen, Religion) verloren gehen.Footnote 14 Bei der Bildung einer kulturellen Identität spielen Werte eine maßgebliche Rolle. Werte – die nur sehr langfristig veränderbar sind, aber einer ständigen Anpassung unterliegen – entstehen überwiegend aus historischen, traditionellen und religiösen Aspekten oder Überlieferungen. Werte bzw. Wertvorstellungen sind nicht klar definierbare allgemein erstrebenswerte, moralisch oder ethisch als gut befundene spezifische Wesensmerkmale einer Person innerhalb einer Wertegemeinschaft. Aus den präferierten Werten resultieren Denkmuster, Glaubenssätze, Handlungsmuster und Charaktereigenschaften.Footnote 15 Im allgemeinen Sprachgebrauch sind Werte auch Normen bzw. dem Verständnis nach normativ. Aus Werten entstehen Normen bzw. stellen sie die Grundlagen dafür dar. Werte werden in der Regel über die Sozialisation an nachfolgende Generationen weitergegeben, allerdings nicht vollständig. Kultur und Sozialisation sind eng miteinander verbunden. Die Fragen, in welcher Weise Kulturbesonderheiten spezifische Sozialisationsbedingungen darstellen und ob und auf welche Weise sie Sozialisationsprozesse beeinflussen, sind tatsächlich bis heute nur unzureichend erforscht.Footnote 16 Kulturen dürfen aber nicht zu stark als homogene Gemeinschaften wahrgenommen und ihre interne Heterogenität dabei vernachlässigt werden.Footnote 17

Eine weitere Gefahr bei der kulturvergleichenden Sozialforschung besteht bei der Bewertung von unterschiedlichen Kulturen in Form von höher- oder minderwertig. In diesem Zusammenhang müssen beispielhaft auch die „Kulturdimensionsanalyse“ nach HofstedeFootnote 18 bzw. das „Kulturdimensionen-Modell“ nach TrompenaarsFootnote 19, die sog. „Kulturstandards“ nach ThomasFootnote 20 oder auch die GLOBE-StudieFootnote 21 genannt werden, die immer wieder für kulturvergleichende Analysen benutzt werden, kritisch betrachtet werden, da auch sie die Gefahr der Verallgemeinerung und die Bildung von Stereotypen begünstigen. Bis heute findet oftmals noch eine Unterscheidung nach individualistischen und kollektivistischen Kulturen statt.Footnote 22 Diese Unterscheidung in ihrer engen ideologischen Ausrichtung gilt aber mittlerweile ebenfalls als überholt.

Beschäftigt man sich mit dem transkulturellen Ansatz für die Polizei, muss man aber noch zahlreiche weitere Aspekte betrachten, da auch diese einen Einfluss auf das Verhalten von Menschen unterschiedlicher KulturräumeFootnote 23 haben. So spielen z. B. die Kreuzzüge für einige Kulturen bis heute eine nicht zu unterschätzende Rolle.Footnote 24 Weit erheblicheren Einfluss hat aber bis heute der Kolonialismus.Footnote 25 In Hamburg wurde zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes (erst) 2014 an der dortigen Universität eine Forschungsstelle eingerichtet, um die postkoloniale Erinnerungskultur neu aufzuarbeiten. Der Leiter, Prof. Dr. Jürgen Zimmerer, bemängelte mehrfach, dass es bisher keine entsprechend kritische Haltung zur deutschen Kolonialzeit gäbe, wie gegenüber dem Nationalsozialismus, obwohl diese angebracht sei. Nicht selten liest man in der Literatur die Argumentation, dass der deutsche Kolonialismus der Vorläufer des Faschismus und des Naziregimes war bzw. enge Bezüge aufweist.Footnote 26 Auch wenn der Kolonialismus ein weltweites Phänomen war, litten gerade der Nahe und Mittlere Osten sowie besonders der afrikanische Kontinent unter den Folgen. Die von den europäischen Kolonialmächten willkürlich gezogenen Grenzen blieben größtenteils auch die späteren Staatsgrenzen. In den Gebieten gab es bis dahin kaum einen an ein Territorium gebundenen Volksbegriff. Zugehörigkeit definierte sich meist nach der Ethnie. Als Ergebnis sind ein Großteil der Staaten heute Vielvölkerstaaten und überwiegend multireligiös.Footnote 27 Die Kolonialherren besetzten überwiegend die Posten in der Verwaltung selbst und verhinderten so eine Selbstverwaltung der einheimischen Bevölkerungsmehrheit. Dies hatte zur Folge, dass in vielen Ländern eine demokratische Tradition fehlt, was die Bildung von (Militär-) Diktaturen nach der Unabhängigkeit stark begünstigte.Footnote 28 Die besetzten Länder wurden überwiegend als Rohstofflieferanten genutzt, oft entstanden Monokulturen, das verarbeitende Gewerbe wurde stark vernachlässigt. Die Abhängigkeit vom Weltmarktpreis wurde immens und stürzte zahlreiche Länder in die Krise.

Der Kolonialismus ist als „formeller Imperialismus“ ein Teil des Imperialismus. Der Begriff „Imperialismus“ wurde bereits im 16. Jahrhundert geprägt, Imperialismus gab es de facto aber schon seit der Antike. Unter Imperialismus versteht man das Bestreben von Staaten, sich wirtschaftlichen und politischen Einfluss in anderen Ländern bzw. Völkern zu verschaffen.Footnote 29 Diese Einflussnahme erfolgt auf verschiedenen Wegen und reicht von der Schaffung von Abhängigkeiten bis hin zur Unterwerfung.Footnote 30 Der europäische Imperialismus war Hauptgrund für den 1. Weltkrieg, die schrecklichen Folgen sind hinlänglich bekannt. Der Imperialismus wird heute immer noch von verschiedenen Ländern in unterschiedlicher Form gelebt (z. B. Großbritannien, USA, Russland, China, Türkei). Weitere Einflussfaktoren, und zwar von erheblichem Ausmaß, stellen die verschiedenen Kriege der jüngeren Vergangenheit dar. Wurden und werden die Kriege seitens der verschiedenen Akteur:innen oftmals auch unter dem Deckmantel für Demokratie und Freiheit geführt, stecken tatsächlich durchgängig andere, imperialistische Gründe dahinter.

Wie auch immer man diese schwierige Gesamtthematik bewertet, haben Kolonialismus und Imperialismus massive Auswirkungen auf die jeweilige Bevölkerung und damit auch auf die hiesige Polizeiarbeit. In Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung kann eine kriegerische Auseinandersetzung in einem arabischen oder afrikanischen Land für die hiesige Polizei bedeuten, dass Flüchtlinge aus dieser Region schon wenige Tage später bei uns auf öffentlichen Plätzen in Innenstädten stehen und einen Einsatz auslösen, den es für die eingesetzten Kräfte angemessen zu bewältigen gilt. Für diese hilft es zum einen, sich der Gesamtumstände bewusst zu sein, um die eigene Rolle richtig bewerten und ihre eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten (ausschließlich Symptom-, aber nicht Ursachenbekämpfung) einschätzen zu können, und zum anderen, den Sachverhalt aufgrund der fachlichen und transkulturellen Fähigkeiten zielführend und angemessen bewältigen zu können.

4 Sozialphilosophische Theorieansätze und Diversität

Die Sozialphilosophie als Unterdisziplin der praktischen Philosophie fragt danach, wie Menschen leben und handeln sollen, und zwar nicht als Individuum, sondern als Teil einer sozialen Gemeinschaft. Sie beschäftigt sich dabei hauptsächlich mit den Strukturen des Zusammenlebens und bedient sich hierfür einiger Theorieansätze mit Handlungsimplikationen für die Gesellschaftspolitik eines Staates.Footnote 31 Das bekannte Modell der Multikulturalität bezeichnet das Neben- oder Miteinander verschiedener Kulturen in einer Gesellschaft (z. B. Italiener:innen, Griech:innen, Türk:innen in einer deutschen Stadt). Man geht dabei von einem gruppenbezogenen Kulturverständnis aus, welches Kulturen als innerlich homogen und nach außen abgegrenzt versteht.Footnote 32 „Dem Verständnis von Multikulturalität liegt ein Kulturbegriff zugrunde, in dem kulturelle Eigenschaften als Werte und Normen gedacht werden, die statisch und quasi unveränderlich erscheinen.“Footnote 33 Probleme hierbei: Es entsteht ein erhebliches Konfliktpotenzial, speziell aufgrund sozialer Ungleichgewichte und Bildung von Stereotypen. Zudem besteht bei diesem Ansatz die Wahrung der Diversität als Pflicht („die:der Ausländer:in“, Gettoisierung, Parallelgesellschaften). „Menschen verschiedener Herkunft werden durch die Überbetonung von Herkunftskultur zu ewig fremden Nachbarn, betont wird trotz der Idee des Miteinanders das Trennende, nicht das Gemeinsame.“Footnote 34

Das Modell der Interkulturalität steht für eine große Bandbreite an Vorstellungen und Konzepten hinsichtlich des Zusammenlebens bzw. für das Aufeinandertreffen von verschiedenen Kulturen.Footnote 35 Im Kern sind damit die Kommunikation bzw. Interaktion zwischen Menschen verschiedener Kulturräume gemeint. Interkulturalität geht davon aus, dass man in der Lage ist, die jeweilig andere Perspektive einnehmen und bewerten zu können. „Nach Konzepten der klassischen Interkulturalität sind Kulturen Orientierungssysteme, die Denken, Wahrnehmung, Werte und Handeln der Mitglieder von Gemeinschaften bestimmen. Da Menschen die Kulturen durch soziale Lernprozesse verinnerlichen, haben alle einen, ihr Verhalten prägenden, kulturellen Hintergrund. Damit können Menschen verschiedenen Kulturkreisen zugeordnet werden.“Footnote 36 Nach diesem Modell könne eine klare Zuordnung in Eigen und Fremd oder Wir und die Anderen erfolgen.Footnote 37 Bei der Begegnung von zwei Kulturen entstehen kulturelle Überschneidungssituationen dann, wenn es zu wechselseitigen Beziehungen kommt.Footnote 38 „Zwischen dem Eigenkulturellen und dem als „fremd“ Empfundenen entsteht ein Zwischenraum der Uneindeutigkeit, Vagheit und Neuartigkeit, der bedrohlich oder auch anregend wirken kann“Footnote 39, für dessen Bewältigung es interkultureller Kompetenz bedarf. Soweit die – mittlerweile ebenfalls überholte – Theorie. Denn auch bei diesem Modellansatz besteht die Hauptkritik darin, dass Kulturen nicht derart eng abgrenzbar sind. Zudem besteht eine recht große „Fettnäpfchengefahr“, da man glauben könnte, eindeutige Verhaltensmuster bei einem der zahlreich angebotenen interkulturellen Fortbildungskurse erlernen zu können und dann später in der Praxisanwendung feststellt, dass die Wirklichkeit doch ganz anders aussieht.

Ein weiteres Modell stellt die Transkulturalität dar. Auch für dieses Modell gibt es verschiedene Definitionsansätze. Eine sehr prägnante lautet: „Transculturalism is seeing oneself in the other“Footnote 40. Transkulturalität bedeutet im Kern, dass die Begegnung zweier unterschiedlicher Kulturen als Konsequenz zu einer Verwischung der Grenzen bis hin zur Aufhebung dieser Grenzen führen kann. Aus den separaten Einzelkulturen entstehe deshalb aber keine „Globalkultur“, sondern es entstehen Individuen und Gesellschaften, die transkulturelle Elemente in sich tragen, ohne die eigenen Wurzeln zu ignorieren.Footnote 41 „Die Kombination von verschiedenen vertikalen und horizontalen Elementen verschiedener Herkunft macht so jedes Individuum transkulturell.“Footnote 42 Grundlegend bei diesem Modell ist die Erkenntnis, dass in einer globalisierten Welt Kulturen weder territorial verortet werden können noch an homogene Gemeinschaften gebunden sind.Footnote 43 Während bei der Interkulturalität Kulturen als „Kugeln“, „Inseln“ oder „Sphären“ angesehen werden, in denen es lediglich an den kulturellen Außengrenzen zu Austauschprozessen kommt (Kulturkonzept nach Herder), geht die Transkulturalität von der Öffnung, Dynamisierung und einem vielfältigen und wechselseitigen Durchdringen der Kulturen aus (Fluidität). Menschen derselben Nationalität können sich somit kulturell deutlich voneinander unterscheiden. Eine kulturelle Identität muss nichts mit einer Nationalität oder Staatszugehörigkeit zu tun haben. Der Begriff der Transkulturalität löste mittlerweile als kulturwissenschaftliches Paradigma das Konzept der Interkulturalität ab.Footnote 44

5 Kommunikation und soziale Kompetenz

Der Großteil unseres Handelns findet im sozialen Kontext und damit auf den unterschiedlichsten Ebenen interpersoneller Beziehungen statt. Die soziale Kompetenz umfasst die Fähigkeiten zum „sozialen Handeln“ im Sinne von Max Weber. Unter Sozialkompetenz werden all die geistigen und emotionalen Verhaltensweisen, Fähigkeiten und Einstellungen verstanden und zusammengefasst, die dazu beitragen, das eigene Handeln in konkreten sozialen Lebenssituationen von einer individuellen auf eine gemeinsame Handlungsorientierung hin auszurichten und uns erlauben, beruflich wie privat effektiv mit anderen Menschen zu interagieren.Footnote 45 Eine zuverlässige Messung der Sozialkompetenz ist schwieriger als die Feststellung von Fachqualifikationen. Soziale Kompetenz bzw. ihr Grad der Ausprägung kann aber durchaus psychologisch diagnostiziert werden, z. B. durch verschiedene Methoden der Verhaltensbeobachtung. In unterschiedlichen Kulturräumen, aber auch in unterschiedlichen Milieus innerhalb eines Kulturraumes können bei vergleichbaren situativen Anforderungen differierende Verhaltensweisen vom Individuum erwartet und somit als Kompetenz interpretiert werden. Das bedeutet z. B. für die Polizei, dass das Wissen (zumindest grundsätzlich) darüber vorhanden sein muss, dass Begrüßungsrituale, Mimik, Gestik und das Verhalten im öffentlichen Raum kulturellen Unterschieden unterliegen, die oftmals der Interpretation bedürfen, welche ganz entscheidend für die soziale Interaktion sind. Diesbezüglich sind aber generell keine umfangreichen Fachkenntnisse notwendig. Für die Interpretationen reicht in der Regel schon Empathie und ein gewisses Maß an Offenheit für andere Menschen und Kulturen. Für eine zielführende Interaktion ist es aber stets erforderlich, eine Beziehung zu der anderen Person aufzubauen und zuzulassen. Eine ausgeprägte soziale Kompetenz steigert zudem die Selbstsicherheit und ist Basis für eine gewaltfreie(re) Kommunikation.Footnote 46

Die Kommunikation spielt bei der Polizei naturgemäß eine ganz besondere Rolle. Die Kommunikation entscheidet nicht selten darüber, ob eine Einsatzsituation zielführend und – nach Möglichkeit – für alle Seiten zufriedenstellend bewältigt werden konnte oder im negativen Fall völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Die Grundlagen der Kommunikation, die in unzähligen Fach- und Lehrbüchern behandelt werden, werden als bekannt vorausgesetzt und sollen an dieser Stelle nicht vertieft werden. Es reicht, sich vor Augen zu führen, dass es beim Informationsaustausch zwischen Sender und Empfänger aus verschiedenen Gründen zu Kommunikationsstörungen kommen kann, die es nach Möglichkeit zu vermeiden gilt. Kommunikation erfolgt verbal und nonverbal. Bei der verbalen Kommunikation sind nicht nur die Sprache und die Worte entscheidend, sondern ebenso die paraverbalen Faktoren, also z. B. der Tonfall, Sprechtempo und -rhythmus und Pausen. Für viele Menschen aus anderen Kulturräumen ist aber die nonverbale Kommunikation entscheidender, also Gestik, Mimik und die räumliche Entfernung voneinander (Proxemik). Der Prozess der Kommunikation wird von frühester Kindheit an erlernt und geschieht größtenteils unbewusst. Gerade Polizeibeamt:innen machen sich oft nicht bewusst, dass die sehr direkte Art der hiesigen Kommunikation in der Welt eher selten, ja fast extrem ist. Eine direkte Kommunikation zeichnet sich durch ihre Informationsorientierung, Sachlichkeit und Eindeutigkeit aus. Die Inhaltsvermittlung erfolgt größtenteils durch die Sprache und kaum nonverbal. Es bleibt wenig Raum für Interpretationen (sog. „Low Context“-Kommunikation). Bei der indirekten Kommunikation erfolgt die Kommunikation eher „durch die Blume“, Konflikte und Negativaussagen werden dabei vermieden. Es kommt eher darauf an, wie etwas gesagt wird, nicht was gesagt wird. Man muss „zwischen den Zeilen“ lesen können. Die nonverbale Kommunikation spielt dabei eine entscheidende Rolle (sog. „High Context“-Kommunikation).Footnote 47 Für die erfolgreiche Arbeit der Polizeibeamt:innen sind die Aspekte der transkulturellen Kommunikation essentiell, deshalb ist es notwendig, diese zu kennen und sich entsprechend – soweit es möglich ist – darauf einzulassen. Kommunikation ist keine Einbahnstraße.

6 Entstehungsfaktoren für Rassismus innerhalb der Polizei

Polizeibeamt:innen haben berufsbedingt zu einem erheblichen Teil ihres Dienstes mit schrecklichen Erlebnissen und allen erdenklichen menschlichen Abgründen zu tun, die das individuelle Menschenbild oftmals maßgeblich beeinträchtigen. Jeder Polizist und jede Polizistin geht damit anders um und sucht sich einen Weg, um damit fertig zu werden. Das Erlebte macht nicht wenige zynisch und desillusioniert. Sie haben in ihrem Dienst tagtäglich und auf verschiedenen Ebenen auch mit „fremden Kulturen“ zu tun. Polizeibeamt:innen bekommen durch ihre Arbeit relativ schnell eine Art „transkulturellen Tunnelblick“ bzw. Scheuklappen. Kriminalität ist, das ist nicht zuletzt durch die Befassung Émile Durkheims mit dieser grundsätzlichen Thematik bekannt, „normal“, was bedeutet, dass es keine menschliche Gesellschaftsform gibt, die frei von Kriminalität ist. Das Ungleichgewicht zwischen deutschen und nichtdeutschen Tatverdächtigen im Hellfeld kann bekanntermaßen zu großen Teilen durch kriminologische Erkenntnisse erklärt werden. In der Gesamtbewertung kann festgehalten werden, dass Herkunft, Ethnie oder Staatsangehörigkeit bei den Gründen, warum ein Mensch „kriminell“ wird, empirisch belegbar keine Rolle spielen. Ursächlich sind in der Regel die sozialen Rahmenbedingungen einer Person. Trotzdem weiß man als Polizeipraktiker:in natürlich, dass nichtdeutsche Tatverdächtige in einigen Deliktbereichen überproportional vertreten sind. Aber auch diese Phänomene lassen sich kriminalistisch-kriminologisch erklären. Pauschale Aussagen zu einem religiösen oder kulturellen Erklärungsgrund verbieten sich hier ebenfalls.Footnote 48

Außer den spürbaren Einflüssen des Praktikums ist ebenfalls im Unterricht feststellbar, dass bei einem Großteil der Dienstanfänger:innen deutliche Defizite im Erkennen und Bewerten politischer Zusammenhänge vorhanden sind. Diese verhängnisvolle Kombination kann zu Resignation und Frust führen, manchmal sogar zu einem Abdriften oder im Extremfall zu einer Art Radikalisierung. In der Organisation Polizei ist es – bis auf wenige Ausnahmen – nicht vorgesehen, den Polizeibeamt:innen diesbezüglich zu helfen und das leicht in Schieflage geratene Menschenbild wieder zurechtzurücken. Es wird davon ausgegangen, dass Polizist:innen dies selbst erfolgreich bewältigen. Viele Polizist:innen vergessen im Dienst aber leicht, dass sie immer nur einen kleinen Ausschnitt aus der Gesellschaft zu sehen bekommen und rund 97 % der Bevölkerung nicht polizeilich negativ in Erscheinung treten. In Wirtschaftsunternehmen werden schon seit Jahren verschiedene Formen der professionellen Unterstützung und Reflexion von Arbeitsabläufen und -erfahrungen angeboten, meist unter den Oberbegriffen Coaching oder Supervision.Footnote 49 Bei der Polizei gibt es solche Angebote zwar durchaus auch, aber regelhaft nur nach besonders belastenden oder gar traumatisierenden Erlebnissen, und nicht – wie eigentlich erforderlich – periodisch, präventiv und nach Möglichkeit verpflichtend. Hier wird eine echte Chance vertan. Regelmäßig und verbindlich durchgeführte Supervisionen könnten zu zufriedeneren Polizeibeamt:innen führen, würden dabei helfen, personelle Ausfälle und Folgekosten durch spätere psychische oder psychosomatische Erkrankungen zu senken und im Ergebnis dafür sorgen, dass die Polizei ihren gesetzlichen und gesellschaftlichen Auftrag besser erfüllen kann.

7 Die Situation der Vermittlung von transkulturellen Inhalten in der polizeilichen Aus- und Fortbildung in Deutschland

Die beschriebenen Aspekte haben vor allem gezeigt, wie überaus komplex diese Thematik ist und wie immens wichtig sie für die Polizei, unsere Gesellschaft und unser Zusammenleben ist. Gerade deshalb ist es erstaunlich, welch stiefmütterliches Dasein die transkulturelle Aus- und Fortbildung bei der Polizei bundesweit fristet. Deutschlandweit gibt es zwar zahlreiche Protagonist:innen innerhalb der Polizeien, die transkulturelles Wissen auf den verschiedensten Ebenen vermitteln, feste inhaltliche und organisatorische Strukturen oder gar Standards sucht man aber vergebens. Der überwiegende Teil der in den Polizeien zu diesem Themenbereich Lehrenden macht dies im Nebenamt, meist aus einer inneren Überzeugung heraus. Viele haben sich ihr Wissen autodidaktisch beigebracht oder bei externen Anbieter:innen entsprechende Fortbildungskurse absolviert, die teilweise auch noch privat bezahlt werden mussten. Die Inhalte des Unterrichteten variieren deshalb stark und reichen von reinen Kommunikationsseminaren über Religionsunterricht bis hin zu einer Art Landeskunde.

Schaut man sich die verschiedenen Curricula für das polizeiliche Studium bzw. die Modulhandbücher und Berufsbildungspläne für die Ausbildung des mittleren Dienstes oder die Fortbildungskataloge der jeweiligen Länder und des Bundes an, stellt man ein ebenso heterogenes Bild fest. Oftmals finden sich dort lediglich Spiegelstriche wie „Vermittlung von interkultureller Kompetenz“ oder ähnlich. Hinterfragt man dann, was sich konkret dahinter verbirgt, stellt man meist fest, dass dieser Themenbereich nur sehr rudimentär unterrichtet wird.

Die Polizei Hamburg galt bei der Vermittlung transkulturellen Wissens in der polizeilichen Aus- und Fortbildungslandschaft bundesweit bis zum Sommer 2020 als strukturell und inhaltlich am besten aufgestellt. An der Akademie der Polizei Hamburg wurde im Jahr 2015 das Institut für transkulturelle Kompetenz (ITK) mit einem Ethnologen als Leiter gegründet, da man erkannt hatte, dass die bisherige „interkulturelle Fortbildung“ – die bis dahin recht unverbindlich und ohne wirkliches und nachhaltiges Konzept war und im Verhältnis auch nur sehr wenige Polizist:innen erreicht hat – nicht mehr zeitgemäß war und den Anforderungen an den Dienst nicht gerecht wurde. Seit Anfang 2018 wurde transkultureller Unterricht in jeder Klasse bzw. Lehrgruppe an der Polizeiakademie Hamburg durchgeführt. Die Erfahrungen mit den Auszubildenden und den Studierenden waren dabei durchweg positiv. Dieser Unterricht wurde aber im Sommer 2020 beendet und existiert aktuell nicht mehr.

Lange Zeit gab es, genau wie in anderen Bundesländern, auch in Hamburg ein Problem in der Akzeptanz des Themas. Bestenfalls wurde es als eine Art „interkultureller Grundsensibilisierung“ der Polizei gesehen, welche nicht verkehrt, aber verzichtbar ist, wenn andere Themen gerade wichtiger werden. Die Rückmeldungen bestätigten jedoch, dass dieses Training hilft, Einsätze besser zu bewältigen, dass es die Bürger:innenzufriedenheit, aber auch die eigene Zufriedenheit und die der Kolleg:innen erhöht und dass vielfach Stress- und Konfliktpotenzial reduziert wird. Die anfängliche Skepsis ist dadurch – und nicht zuletzt durch eine offensive interne Öffentlichkeitsarbeit – einer breiten Akzeptanz gewichen, zumal das ITK mit „maßgeschneiderten“ Programmen auf vorhandene Bedürfnisse reagiert hatte und nicht durch ein polizeilicherseits oft gewünschtes Erstellen und Abarbeiten einer „Checkliste“ für den Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen.

Des Weiteren unterstützte das ITK die polizeiliche Alltagsarbeit in allen transkulturellen Fragen bis hin zur Beratung bei schwerkriminellen Delikten mit ethnischem Hintergrund. Aus kriminaltaktischer Sicht ist es in vielen Fällen erforderlich, die Handlungen der Tatverdächtigen auch aus ethnologischer oder religionswissenschaftlicher Sicht zu betrachten, um das Ermittlungsverfahren erfolgreicher führen zu können. Hier reicht es grundsätzlich nicht aus, wie bisher nur fallbezogen Beziehungen in und zu anderen Kulturen aufzubauen bzw. dies zu versuchen. Für den Aufbau wirklicher Beziehungen, die später auch zielführend genutzt werden können, bedarf es Zeit, teilweise mehrere Jahre. Zeit, die im normalen Polizeialltag nicht vorhanden ist. Das ITK war ebenfalls in die Präventionsarbeit der Polizei Hamburg eingebunden und leistete eigenständige Forschung. So brachte das ITK-Team u. a. mit einem speziellen Projekt „Vermittlung von Werten und Kriterien für sozialen und beruflichen Erfolg in Deutschland“ gemeinsam mit den örtlich zuständigen Polizeibeamt:innen den Bewohner:innen von Flüchtlingseinrichtungen wichtige Regeln für ein gedeihliches Zusammenleben in Deutschland nahe. Dies aber ohne den „erhobenen Zeigefinger“, sondern in persönlichen Gesprächen in kleinen Gruppen. Dafür orientierte sich das Team des ITK an der in der Jugendarbeit bereits bewährten „Peer-Education“. Zur Umsetzung wurde ein Pool von meist jüngeren Freiwilligen aus verschiedenen Kulturen rekrutiert, die in Deutschland erfolgreich Fuß gefasst haben. Sie sollten also nicht einfach „Arabisch“ können, sondern z. B. „Syrisch/Irakisch-Arabisch“ und aus der jeweiligen Kultur stammen sowie genügend Einblick in die Eigenheiten der jeweilig behandelten und der deutschen Kultur besitzen.

In den Jahren 2016 bis 2018 nahmen über 3000 Hamburger Polizeivollzugsbeamt:innen (von ca. 8700 gesamt) und über 7500 Zugewanderte an Veranstaltungen des ITK teil. In 2019 konnten rund 1700 Polizist:innen und über 800 Zugewanderte beschult werden. Das ITK stellte einen fachlichen transkulturellen Austausch innerhalb und außerhalb der Polizei Hamburg sicher und ist in der bundesweiten „Arbeitsgruppe Interkulturelle Kompetenz der Polizeien des Bundes und der Länder (AG IKK)“ vertreten. In dieser Arbeitsgruppe kommen engagierte Mitarbeiter:innen der Polizeien aus Bund und Ländern zusammen und tauschen sich über ihre Erfahrungen aus. Bisher ist dieser Austausch wie auch die Arbeitsgruppe selbst rein informell und nicht strukturell abgebildet. Es ist aber beabsichtigt, dies zu ändern und die Arbeitsgruppe zukünftig geschäftsführend beim BKA anzubinden.

Die Arbeit des ITK von 2015 bis 2020 kann durchaus als Erfolgsmodell bezeichnet werden.Footnote 50 Aufgrund von personellen Abgängen befindet sich das ITK derzeit in einer Neufindungsphase. Die Zukunft ist ungewiss. Von dem alten „Erfolgsteam“ ist heute niemand mehr dort.

8 Resümee und Ausblick

Die Zukunft der Vermittlung der transkulturellen Kompetenz für Polizist:innen steht bundesweit in den Sternen. Es gibt keine Regelungen, keine Standards, keine einheitlichen Ziele. Das ist mehr als bedauerlich, bedenkt man die eigentliche Erforderlichkeit und Konsequenzen. Die Gründe für die Entstehung von Rassismus innerhalb der Polizei sind bekannt, was zu tun ist aber auch! Die Fortbildungskonzepte innerhalb der Polizeien müssen neu gedacht und angepasst werden. Unter dem Stichwort „lebenslanges Lernen“ müssen Polizist:innen während ihrer gesamten Dienstzeit verpflichtend an periodischen Supervisionen mit Inhalten transkulturellen Wissens und politischer Bildung teilnehmen. Alle verantwortlichen Polizeiführer:innen und Innenpolitiker:innen müssen sich bundesweit die Kritik gefallen lassen, dass ihr Bedauern, wenn es wieder zu – oftmals durchaus vermeidbaren – Vorfällen gekommen ist, nichts weiter als eine hohle Phrase ist, denn sie haben es unterlassen, die erforderlichen Schritte einzuleiten und umzusetzen.Footnote 51 Rassistische Vorfälle innerhalb der Polizei als „Einzelfall“ zu betrachten und diesem nur mit dem Strafrecht sowie dem Disziplinarrecht zu begegnen, ist ideenlos, nicht zielführend und vor allem nicht nachhaltig.

Hinsichtlich der Faktoren für eine Entwicklung von rassistischen Ansichten und Handlungen durch den täglichen Polizeidienst spielen die Polizeigewerkschaften – zumindest in Teilen – eine weitere und durchaus unrühmliche Rolle als Katalysator für rassistische Tendenzen, die in diesem Beitrag aber nicht weiter betrachtet werden sollen.

Transkulturelle Kompetenz stellt zweifelsfrei eine der Schlüsselkompetenzen für Polizist:innen dar – mindestens gleichwertig mit der fachlichen Kompetenz – und ist ein wesentlicher Faktor im Kampf gegen (strukturellen) Rassismus innerhalb der Polizei, da Zusammenhänge erklärt, Wissen vermittelt und Vorurteile beseitigt werden können und so Resilienzen vertieft oder erarbeitet werden können. Gerade beim direkten Kontakt zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Wertehaltungen ist der konstruktive und kompetente Umgang mit dieser kulturellen Vielfalt der entscheidende Erfolgsfaktor.Footnote 52 Speziell für die Polizei ist es damit unumgänglich, die vorhandene Kompetenz auf diesem Gebiet weiter auszubauen.