Schlüsselwörter

Die in dem vorliegenden Band dokumentierte Untersuchung beruht auf einer inhaltsanalytischen Auswertung der Rechtsgrundlagen zur Personalentwicklung und Lehrkräftefortbildung in allgemeinbildenden Schulen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland sowie von entsprechenden Handreichungen und konzeptionellen Dokumenten. Von zentraler Bedeutung sind die Schulgesetze, die Gesetze zur Lehrkräftebildung und entsprechende Verordnungen. Das Thema Personalentwicklung im öffentlichen Dienst betrifft außerdem das Beamtenrecht, insbesondere das Laufbahnrecht sowie das Besoldungsrecht. Die Regelungen für die nicht als Beamte beschäftigten Lehrkräfte orientieren sich dabei an den beamtenrechtlichen Vorgaben.

Angelegenheiten der Lehrkräftebildung und der Schule werden in Deutschland aufgrund der Kulturhoheit der Länder auf Länderebene geregelt. Auch beamtenrechtliche Fragen zur Personalentwicklung von Lehrkräften, wie z. B. Fragen der dienstlichen Beurteilung oder der Beförderung, werden seit der Abschaffung der Rahmengesetzgebung des Bundes im Zuge der Föderalismusreform 2006 im Wesentlichen auf Länderebene geregelt. Aus diesen Gründen wurden in der durchgeführten Studie in erster Linie landesgesetzliche Regelungen analysiert. Wo Bundesgesetze oder Bundesverordnungen im Beamtenrecht eine orientierende Funktion für die Landesregelungen haben, wie dies etwa bei der Einführung von Leistungszulagen und -prämien im Besoldungsrecht der Fall ist, wurde Bundesrecht in die Analyse mit einbezogen.

Zur Rekonstruktion der Leitbilder und begrifflichen Konzepte der schulischen Personalentwicklung wurden die Referenzrahmen zur Schulqualität der Länder analysiert, die sowohl die Grundlage für die Entwicklung von Maßnahmen der Schulentwicklung als auch für die Evaluation der schulischen Arbeit durch die Schulinspektion darstellen (vgl. die methodischen Ausführungen in Kap. 3).

Um die Frage zu beantworten, inwieweit Schulleitungen für die Anforderungen einer systematischen Personalentwicklung ausreichend qualifiziert werden, wurden konzeptuelle Dokumente sowie einschlägige Webseiten analysiert (vgl. die methodischen Ausführungen in Kap. 9).

2.1 Recherche relevanter Dokumente

Die Recherche sowie Auswertung der rechtlichen Dokumente erfolgte entlang der in Abb. 2.1 Normenhierarchie für das Beispiel der dienstlichen Beurteilung (vgl. Kap. 5) dargestellten Normenhierarchie. Der übergeordnete Rechtsmaßstab, im Fall der dienstlichen Beurteilung der Leistungsgrundsatz, wird durch das Grundgesetz (Art. 33 Abs. 2, 5) vorgegeben. Die Leistung jedes Beamten und jeder Beamtin bezieht sich auf konkrete, dieser Person zugewiesene Aufgaben, die sich aus dem jeweiligen Dienstposten ergeben. Die Beschreibung der Aufgaben für den Schulbereich erfolgt in den Landesschulgesetzen, die die Aufgaben der schulischen Akteure präzisieren. Auf einer mittleren Regelungsebene werden in Verwaltungsvorschriften oder Dienstordnungen weitere Präzisierungen dieser Aufgaben vorgenommen, die schließlich auf der unteren, innerdienstlichen Ebene in Beurteilungsrichtlinien oder Dienstvereinbarungen zur Anwendung kommen. Die einzelfallbezogene Beurteilung stellt dann den konkreten Rechtsakt dar, der mit Bezug auf die übergeordnete Norm gerechtfertigt sein muss.

Abb. 2.1
figure 1

Normenhierarchie am Beispiel der Dienstlichen Beurteilung in Anlehnung an Lorse (2020 S. 90)Footnote

Die schulrechtliche Anpassung der Normhierarchie erfolgte durch Prof. Dr. Peter Füssel.

Eine Schwierigkeit der Recherche der für die schulische Personalentwicklung relevanten Rechtsdokumente besteht darin, dass in den Ländern derselbe Sachverhalt auf unterschiedlichen Ebenen geregelt sein kann. So werden beispielsweise bestimmte Aufgaben der Schulleiterinnen und Schulleiter in einem Land im Schulgesetz beschrieben, in einem anderen Land dagegen in der Dienstordnung oder in einer Verwaltungsvorschrift. Dies verweist darauf, dass in den Ländern unterschiedliche Vorstellungen von der „Wesentlichkeit“ bestimmter Regelungstatbestände existieren (vgl. Kroupa, Tarkian, Füssel, Schewe und Thiel 2019). Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte „Wesentlichkeitstheorie“, die häufig auch unter dem Stichwort Gesetzesvorbehalt bzw. Parlamentsvorbehalt diskutiert wird, verpflichtet den Gesetzgeber, grundlegende normative Fragen selbst zu regeln und die damit verbundenen wesentlichen Entscheidungen nicht an die Verwaltung zu delegieren (BVerfGE 34, 165, 192 f.; vgl. ausführlich zum Prinzip der Wesentlichkeit in der Schulgesetzgebung zur Qualitätsentwicklung: Kroupa et al. 2019). Rechtsverordnungen können dann auf Grundlage eines Gesetzes von der Exekutive erlassen werden. Sie „stellen ein flexibleres Instrument“ als Gesetze dar, da sie „ein sachnäheres, detaillierteres und individuelleres Regeln“ ermöglichen (Kroupa et al. 2019 S. 235). Verwaltungsvorschriften (Verordnungen, Verwaltungsvorschriften, Erlasse, Rundschreiben) dienen der näheren Bestimmung der Organisation und Verwaltung im Rahmen der Gesetze und Rechtsverordnungen. Sie werden nur in Amtsblättern, Rundschreiben oder sonstigen amtlichen Sammlungen bekanntgemacht (Kroupa et al. 2019 S. 236). Durch entsprechende schulische Vorschriften können Rechte und Pflichten der schulischen Akteure begründet und präzisiert werden (ebd.). Wenn also eine bestimmte Aufgabe der Schulleitung in einem Land im Gesetz geregelt ist, dann ist davon auszugehen, dass diese Aufgabe in diesem Land als wesentlich im Sinne der Wesentlichkeitstheorie verstanden wird. In einem anderen Land kann derselbe Sachverhalt auf der Ebene einer Verwaltungsvorschrift geregelt werden, ein Hinweis darauf, dass dieser Sachverhalt in diesem Land nicht als wesentlich betrachtet wird. Die Debatte um Wesentlichkeitstheorie, Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt soll hier nicht weiter vertieft werden. Sie wurde an anderer Stelle am Beispiel der rechtlichen Regelungen zur Qualitätssicherung im Schulwesen ausführlich dargestellt (Kroupa et al. 2019).

Eine Analyse der Regelungen zur schulischen Personalentwicklung kann sich aus den dargestellten Gründen nicht auf die Auswertung der Schulgesetze oder Lehrkräftebildungsgesetze beschränken, sondern muss in jedem Fall die Ebene der Verwaltungsvorschriften und teilweise – wie für den Bereich der dienstlichen Beurteilungen – auch Richtlinien bzw. Verfahrensregelungen einbeziehen.

Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass für Verwaltungsvorschriften keine grundsätzliche Pflicht zur Veröffentlichung besteht (Luthe 2003 S. 68), was die Recherche erschwert.

Für die in diesem Band dargestellte Untersuchung wurden neben den Schulgesetzen und Lehrkräftebildungsgesetzen alle thematisch einschlägigen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften recherchiert und analysiert. Die Übersicht der verwendeten juristischen Dokumente findet sich im Anhang. Zur Recherche der Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften wurden die Dienstleistungsportale der Bundesländer und der Kulturministerien sowie das jeweilige Gesetz- und Verordnungsblatt genutzt, aber auch das Rechtsportal juris und die juristische Fachdatenbank beck-online. Die Dokumentenrecherche wurde zum Stichtag 31.10.2021 abgeschlossen.

Im ersten Schritt wurden die Passagen in den Schul- und Lehrerbildungsgesetzen bzw. in den Besoldungs- und Laufbahngesetzen zu unterschiedlichen Themenbereichen der schulischen Personalentwicklung identifiziert. Im Anschluss wurde nach entsprechenden Verwaltungsvorschriften und Verordnungen bzw. Richtlinien gesucht. Folgende Themenbereiche wurden in den Blick genommen: Einstellung und Beförderung von Lehrkräften, dienstliche Beurteilung, Fortbildung, Instrumente einer individualisierten Personalentwicklung, genauer: Mitarbeitergespräche, Zielvereinbarungen und Anreizsysteme. Wenn für ein Land keine Regelungen zu einem Themengebiet recherchiert werden konnten oder Unsicherheiten über die Vollständigkeit des recherchierten Dokumentenkorpus bestanden, wurde eine Anfrage an das zuständige Ministerium gestellt. Mündliche oder schriftliche Auskünfte zu Regelungen bestimmter Sachverhalte wurden in diesem Fall in die Auswertung mit einbezogen. Trotz dieses sorgfältigen Vorgehens kann nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Regelungen, wie z. B. Erlasse, nicht recherchiert und somit nicht in die Analyse einbezogen werden konnten.

In die Analyse wurden die zum Stichtag jeweils aktuellen Dokumente einbezogen. Teilweise wurden auch ältere Versionen gesichtet, um Veränderungen der Regelungen nachvollziehen zu können.

Für die Recherche zu Dokumenten, die Aufschluss über die Angebote zur Schulleiterqualifizierung geben, wurden die Länderministerien angeschrieben und sie wurden gebeten, konzeptionelle Dokumente zur Ausgestaltung der Qualifizierungsangebote zur Verfügung zu stellen. Außerdem wurde die Darstellung der Qualifizierungsangebote auf den jeweiligen Webseiten der Länder analysiert (vgl. dazu ausführlicher Kap. 9).

2.2 Auswertung der Dokumente

Die inhaltsanalytische Auswertung erfolgte als qualitative Inhaltsanalyse (QIA) nach Philipp Mayring (2015) und wurde technisch weitgehend mithilfe der Analysesoftware MAXQDA 20 umgesetzt (vgl. Kuckartz 2010).

Die Kategorien wurden im ersten Schritt theoriegeleitet-deduktiv ermittelt und im Verlauf induktiv weiterentwickelt. Zunächst wurde in mehreren Workshops ein Kategoriensystem zur Ausgestaltung der jeweiligen Verfahren (z. B. bei der dienstlichen Beurteilung die Regelung des Beurteilungsprozesses) sowie zu den Entscheidungskompetenzen der jeweiligen Akteure (z. B. bei der Besetzung von Funktionsstellen das Zusammenspiel zwischen Schulleitung und Schulbehörde) abgestimmt. Aus den Hauptkategorien wurden Subkategorien entwickelt. Dieses Kategoriensystem diente als Raster für die Analyse der ersten Dokumente und wurde im Verlauf der Auswertung sukzessive ergänzt (vgl. Kuckartz und Rädiker 2020 S. 55–74; Mayring und Fenzl 2014).

Das Verfahren folgt dem bereits in dem Band „Datenbasierte Qualitätsentwicklung an Schulen“ (Tarkian und Thiel 2019) differenziert dargestellten Vorgehen der qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring 2015 S. 97). Zunächst wird eine Kategorie möglichst präzise definiert und in konkreten Begriffen operationalisiert. Dadurch entsteht ein Analyseraster. Anschließend erfolgt die Formulierung einer Kodierregel, die festlegt, wie Textstellen den definierten Kategorien zuzuordnen sind, und schließlich werden im Durchgang durch einige Texte Ankerbeispiele identifiziert, die „die Kategorie prototypisch abbilden“ (Tarkian und Thiel 2019 S. 13).

In einem iterativen Verfahren wurden alle Dokumente im Prozess der Anpassung des Rasters mehrfach analysiert. Für die Analyse der rechtlichen Dokumente wurde die Kodierregel dahin gehend variiert, dass für jede auf der Basis der Analyse eines einzelnen Textes induktiv erweiterte Subkategorie mit allen anderen Texten eine automatisierte Deskriptorenanalyse mit den entsprechenden Begriffen durchgeführt wurde.

Die deduktive Entwicklung eines Kategoriensystems erfolgte durch die gesamte Herausgebergruppe. Die induktive Erweiterung des Kategorienschemas wurde in der Forschungsgruppe ebenso wie die Zuordnung uneindeutiger Textstellen regelmäßig diskutiert. Die (Zwischen-)Ergebnisse der Analysen wurden auf drei Workshops im Herausgeberkreis diskutiert.

Auf der Grundlage der Analysen wurden Tabellen erstellt, die einen Überblick geben, ob und in welcher Form ein Instrument implementiert ist und wie die entsprechenden Entscheidungskompetenzen geregelt sind. Für jeden der untersuchten vier Bereiche – Personalgewinnung und -beförderung, dienstliche Beurteilung, Mitarbeitergespräche, Zielvereinbarungen und Anreize sowie Fortbildung – wurde, was die Regelungen der Einflussmöglichkeiten und Entscheidungskompetenzen von Schulleiterinnen und Schulleitern betrifft, auf der Grundlage der Tabellen über mehrere Indikatoren ein Summenindex gebildet. Anschließend wurden die einzelnen Indizes für jedes Bundesland zu einem Gesamtindex summiert. Sämtliche Werte wurden auf einer einheitlichen Metrik von 1 bis 10 standardisiert. Auf dieser Grundlage wurden Grafiken erstellt. Dieses Vorgehen ermöglicht einen Vergleich zwischen den Ländern über alle untersuchten Bereiche hinweg.