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Im Zuge der schrittweisen Verlagerung von Gestaltungsspielräumen von der Systemebene auf die operative Ebene (Altrichter und Maag Merki 2010; Füssel und Leschinsky 2008) sind auch Aufgaben der schulischen Personalentwicklung in den Verantwortungsbereich der Schulen übergegangen (Buhren und Rolff 2002; Meetz 2007; Brauckmann und Eder 2019). Dienstvorgesetztenfunktion und Weisungsbefugnis gegenüber Lehrkräften wurden in diesem Zusammenhang zwischen Schulbehörde und Schulleitung neu justiert.

Obwohl die Personalentwicklung der Lehrkräfte entsprechend in allen Referenzrahmen der deutschen Länder, die die Indikatoren zur Beurteilung von Schulqualität darstellen, einen herausgehobenen Stellenwert hat (Tarkian und Thiel 2019; Tarkian in diesem Band), sprechen empirische Befunde nicht für eine breite Verankerung einer systematischen Personalentwicklung an deutschen Schulen. Ergebnisse der (wenigen) Studien zu schulischer Personalentwicklung im deutschsprachigen Raum zeigen vielmehr, dass eine gezielte systematische Personalentwicklung in der Verantwortung der Schulleitung bislang nicht weit verbreitet ist (Appius et al. 2012; Böckelmann und Mäder 2018; Meetz 2007; Thillmann et al. 2014). Außerdem scheinen die unterschiedlichen Instrumente zur Personalentwicklung der Lehrkräfte (wie Mitarbeitergespräche, Unterrichtsbeobachtungen, Zielvereinbarungen, Fortbildungsplanung) kaum systematisch in eine Personalentwicklungsstrategie integriert zu werden (Tarkian 2020; Thillmann et al. 2014). Im internationalen Vergleich führen deutsche Schulleitungen einer OECD-Studie zufolge vergleichsweise selten Unterrichtshospitationen durch (Schleicher 2012) und sie nutzen weder Daten der Schülerinnen und Schüler noch Unterrichtsbeobachtungen regelmäßig und systematisch für die Personalentwicklung der Lehrkräfte (Bach et al. 2020; Klemm und Meetz 2008; Senkbeil et al. 2004). Lehrkräfte besuchen in Deutschland auch weniger Fortbildungen als in anderen Ländern (vgl. z. B. im Bereich digitales Lernen Gerick et al. 2019). Dem entspricht, dass die gesetzliche Verpflichtung zur Fortbildung in Deutschland deutlich weniger verbindlich geregelt ist als in anderen Ländern (Gagarina und Saldern 2010).

Dass für eine erfolgreiche Implementation von Personalentwicklungsmaßnahmen nicht nur individuelle Merkmale der Schulleitungen und der Lehrkräfte, beispielsweise Führungsstil oder professionelles Selbstverständnis sowie situative Bedingungen, wie Ausstattung der Schule oder sozialräumlicher Kontext, eine Rolle spielen, sondern auch rechtliche und administrative Rahmenbedingungen, ist offensichtlich. Bislang existieren keine Studien, die Effekte rechtlicher Rahmenbedingungen auf die schulische Praxis systematisch prüfen. Eine Voraussetzung für die Abschätzung von Effekten unterschiedlicher rechtlicher Rahmenbedingungen ist allerdings, dass diese Regelungen differenziert und systematisch erfasst werden. Dazu liegen bislang nur sehr wenige Studien vor.

Stefan Brauckmann (2012) hat in einer international vergleichenden Studie OECD-Daten zu Entscheidungskompetenzen im Schulsystem sowie Daten aus PISA-Schulleitungsbefragungen ausgewertet. Die Befunde machen deutlich, dass nur wenige OECD-Länder den Schulen bzw. den Schulleitungen echte Entscheidungsspielräume im Schulmanagement einräumen (Brauckmann 2012 S. 88). In den meisten Staaten seien „die Ausgangsbedingungen für die Nutzung erweiterter Handlungsspielräume auf einem eher mittleren oder aber niedrigen Niveau einzuordnen“ (ebd.). Was Personalangelegenheiten betrifft, so haben nordrhein-westfälische Schulleiterinnen und Schulleiter, die stellvertretend für die deutschen Länder befragt wurden, im Vergleich mit Schulleiterinnen und Schulleitern aus fünf weiteren OECD-Staaten die geringsten Entscheidungskompetenzen. In Deutschland (NRW) wurden zum Zeitpunkt der Erhebung Entscheidungen über das Personal zum größten Teil durch die Schulbehörden getroffen. Demgegenüber liegt ein Großteil der Entscheidungen über schulische Personalangelegenheiten in den Niederlanden oder England in den Händen der Schulleiterinnen und Schulleiter. Die Studie von Brauckmann hat den Blick für die Notwendigkeit systemvergleichender Untersuchungen der administrativen und rechtlichen Rahmenbedingungen schulischen Handelns geschärft. Allerdings wurde hier, stellvertretend für die deutschen Länder, nur Nordrhein-Westfalen einbezogen. Außerdem wurden die Entscheidungsspielräume nur sehr allgemein und mittels einer Schulleiterbefragung erfasst.

Für Deutschland liegen bislang keine Studien vor, die die rechtlichen Regelungskontexte für die schulische Personalentwicklung für alle 16 Länder der Bundesrepublik Deutschland systematisch und differenziert erfassen. Die Analysen von schulgesetzlichen Regelungen bezüglich der Aufgaben der Schulleitungen von Klaus Hanßen (2011, 2012, 2013) umfassen nur sieben Bundesländer. Auch eine Studie der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (vbw 2010) sowie eine Bestandsaufnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULE-WIRTSCHAFT (Klein 2013) geben nur einen allgemeinen Überblick bzw. sind aufgrund methodischer Probleme nur mit Einschränkung aussagefähig. In der vbw-Studie lag der Schwerpunkt auf der Frage der Schulautonomie; Regelungen zum schulischen Personalmanagement wurden nur sehr allgemein erfasst und die Befunde von Klein (2013) beruhen auf einer Abfrage bei Behörden und Schulleitungen. Dieses Vorgehen ist unter methodischen Gesichtspunkten kritikwürdig, zumal einige Befunde, z. B. zu Zielvereinbarungen, sich nicht mit den in diesem Band vorgestellten Befunden decken.

In der im vorliegenden Band dokumentierten Studie wurden erstmalig die rechtlichen Regelungen zu den zentralen Instrumenten der schulischen Personalentwicklung in allgemein bildenden Schulen für alle Länder der Bundesrepublik Deutschland systematisch vergleichend untersucht.

Eine Analyse rechtlicher Dokumente lässt selbstverständlich keinen unmittelbaren Schluss auf die schulische Praxis zu (Mintrop et al. 2001). Politische Erwartungen und rechtliche Regelungen werden vor Ort nicht selten ignoriert, unterlaufen oder umgedeutet (Oliver 1991). Bisweilen sind diese Vermeidungsstrategien durchaus im Interesse einer Organisation, wenn z. B. eine Umsetzung institutioneller Erwartungen das Commitment der Organisationsmitglieder zu gefährden oder erfolgreich praktizierte Routinen zu irritieren droht. Niklas Luhmann hat diese im Interesse der Ziele der Organisation erfolgenden mehr oder minder bewussten Verstöße gegen formale Erwartungen mit dem Begriff der „brauchbaren Illegalität“ (Luhmann 1964) bezeichnet. Politische Steuerungsstrategien erfahren nie eine unmittelbare Umsetzung. Ihre Brechung, Verzögerung oder Anpassung muss immer in Rechnung gestellt werden. Gleichwohl ist die Analyse von institutionalisierten Regelungen ein Forschungsgegenstand von großem Interesse. Die Rechtssetzung ist neben der politischen Kommunikation und der Zuweisung von Ressourcen das entscheidende Medium politischer Steuerung. Gesetze und untergesetzliche Normen definieren Ziele, Anspruchsberechtigungen, Maßnahmen und Verfahren. Sie haben Veranlassungscharakter und konditionieren praktische Entscheidungen im Unterricht, in den Schulbehörden ebenso wie in der Schulpolitik. Damit stellen sie eine wichtige, wenngleich nicht hinreichende „Voraussetzung für eine koordinierte, zielgerichtete und strategische Entwicklung der Schule und des Unterrichts“ dar (Thiel et al. 2019 S. 314). Durch die systematisch vergleichende Rekonstruktion der schulrechtlichen Regelungen der Länder zu Fragen der Personalentwicklung werden unterschiedliche politische Steuerungsansätze sichtbar.

Personalentwicklung ist ein unscharf definierter Begriff. In der vorliegenden Publikation wird die Definition von Reichard und Röber (2019) zugrunde gelegt, die Personalentwicklung als diejenigen Maßnahmen definieren, „mit denen Beschäftigte gefördert und qualifiziert werden. … Sie umfassen neben der Fortbildung auch den Einsatz von Beschäftigten auf gleich- oder höherwertigen Stellen (Rotation bzw. Beförderung) und basieren auf der Einschätzung des jeweils vorhandenen Entwicklungspotenzials sowie der beruflichen Entwicklungswünsche“ (Reichard und Röber 2019 S. 396). Personalentwicklung wird in der betriebswirtschaftlichen Literatur als Teil des Personalmanagements verstanden, das wiederum „die Gesamtheit der mitarbeiterbezogenen Gestaltungs- und Verwaltungsaufgaben“ (Lindner-Lohmann et al. 2016) umfasst.

Im Zuge der Reformbemühungen des öffentlichen Dienstes wurde Personalentwicklung in den letzten 30 Jahren zunehmend zu einem wichtigen Thema in staatlichen Organisationen. Entscheidende Weichen wurden 1993 mit der Veröffentlichung eines Konzepts der „Neuen Steuerung“ durch die Kommunale Gemeinschaftsstelle (KGSt), mit der Dienstrechtsreform im Jahr 1997 und der Einführung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) im Jahr 2005 gestellt. Das Konzept der KGSt war inspiriert von internationalen Erfahrungen mit dem sogenannten New Public Management. Auf dieser Grundlage wurden nicht nur Vorschläge für die Veränderung von Verwaltungsprozessen im Sinne einer stärkeren Kunden- und Wettbewerbsorientierung formuliert, sondern auch für die Einführung eines modernen Personalmanagements. Die Dienstrechtsreform war nicht zuletzt deshalb ein spürbarer Einschnitt im Beamtenrecht, weil der quasi automatische altersabhängige Aufstieg durch eine stärkere Orientierung an der Arbeitsleistung ersetzt wurde. Der dienstlichen Beurteilung, die die fachliche Leistung, die Eignung und die Befähigung der Beschäftigten feststellt, kommt hierbei eine entscheidende Bedeutung zu. Prinzipiell wurde mit der Dienstrechtsreform auch die Gewährung von Leistungsprämien sowie ein Aufstiegsstopp bei mangelhaften Leistungen möglich.

Im Zuge dieser Reforminitiativen wurden vielfältige Anleihen bei betrieblichen Konzepten des Personalmanagements gemacht, häufig ohne zu beachten, dass sich die Rahmenbedingungen des öffentlichen Dienstes doch deutlich von denen der Privatwirtschaft unterscheiden. „Das öffentliche Personalmanagement orientiert sich weitgehend am tradierten Berufsbeamtentum. Die ‚hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums‘, nach denen gemäß Art. 33 Abs. 5 GG der öffentliche Dienst in der Bundesrepublik zu gestalten und weiterzuentwickeln ist, sind das tragende Leitbild für den gesamten öffentlichen Dienst und strahlen auch in den Tarifbereich der öffentlichen Angestellten aus“ (Reichard 2019 S. 389). Reichard zufolge sind zwar trotz der Schwerfälligkeit der Reformbemühungen einige dynamische Entwicklungen in Bezug auf die Personalentwicklung im öffentlichen Dienst nicht zu bestreiten, gleichwohl ist die Systemdifferenz zur privaten Wirtschaft offensichtlich. Insofern verbietet sich eine einfache Übertragung betrieblicher Konzepte des Personalmanagements auf die Schule.

Möglichkeiten und Herausforderungen der Personalentwicklung an Schulen müssen, entsprechend der bisherigen Ausführungen, immer vor dem Hintergrund der Rahmenbedingungen des öffentlichen Dienstes in Deutschland diskutiert werden. Mit dem Beamtenrecht, insbesondere dem Laufbahn- und Besoldungsrecht, ist auch der Rahmen für schulische Personalentwicklung abgesteckt. So spielt die dienstliche Beurteilung auch für die schulische Personalentwicklung, beispielsweise als anlassbezogene Beurteilung bei der Besetzung von Funktionsstellen oder als regelmäßige Beurteilung hinsichtlich der Identifikation von Fortbildungsbedarfen, eine wichtige Rolle. Auch die Stellung der Schulleiterinnen und Schulleiter bzw. die Übertragung von Dienstvorgesetztenbefugnissen ist entscheidend, wenn etwa Fortbildungen angeordnet werden oder besondere Leistungen durch Anrechnungsstunden honoriert werden sollen. Richtig ist aber auch: Schulen sind keine Behörden. Sie sind vielmehr (semi-)professionelle Organisationen (vgl. Scott 1986; Waters 1989). Ebenso wie in anderen professionellen Organisationen, in denen die organisationale Leistung in der Interaktion mit den Klienten erbracht wird, ist die Erhaltung und Weiterentwicklung der professionellen Kompetenzen die entscheidende Einflussgröße für Qualitätsentwicklung (Mintzberg 1983; Thiel 2008). Dies belegen auch zahlreiche Befunde der Unterrichtsforschung, die zeigen, dass die Qualität des Unterrichts und damit die professionelle Kompetenz der Lehrkräfte, die diesen Unterricht maßgeblich gestalten, für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler maßgeblich ist (Hattie 2009). Schulische Personalentwicklung ist demnach ein entscheidendes strategisches Instrument zur Entwicklung von Unterricht und Schule und eine zentrale Führungsaufgabe von Schulleitungen (vgl. Buhren und Rolff 2002; Meetz 2007). Sie findet ihre Realisierung im Rahmen allgemeiner rechtlicher Regelungen für den öffentlichen Dienst auf der einen Seite und spezifischer schulrechtlicher Regelungen auf der anderen Seite.

Wie sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für schulische Personalentwicklung in allgemein bildenden Schulen zwischen den deutschen Ländern unterscheiden, ist die leitende Fragestellung der hier vorgestellten Studie. Der vorliegende Band umfasst Analysen der gesetzlichen Regelungen der 16 Bundesländer zu folgenden vier Bereichen der Personalentwicklung. bzw. des Personalmanagements und der Personalführung:

  • Personalgewinnung und -beförderung,

  • Dienstliche Beurteilung,

  • Mitarbeitergespräche, Zielvereinbarungen und Anreize,

  • Fortbildung und Kompetenzentwicklung.

Gerahmt werden diese Analysen durch eine vorangestellte Rekonstruktion der Leitbilder der Personalentwicklung, wie sie in den Rahmenkonzepten zur Schulqualität (Referenzrahmen) der Länder ihren Niederschlag finden sowie eine nachgestellte Analyse der Qualifizierungsangebote für (zukünftige) Schulleitungen bezüglich der Anforderungen der Personalentwicklung.

Für die Analysen wurde mehr als 400 Dokumente, d. h. Gesetze, Verwaltungsvorschriften, Verordnungen, Erlasse, parlamentarische Anfragen sowie konzeptuelle Dokumente ausgewertet. Erstmalig wird damit eine umfangreiche und differenzierte Synopse der rechtlichen Regelungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland für die zentralen Bereiche schulischer Personalentwicklung vorgelegt. Diese Synopse erlaubt einerseits jedem Land eine Zusammenschau der einzelnen Instrumente, die teilweise in unterschiedlichen Abteilungen der Schulbehörde konzipiert wurden, und damit die Prüfung von Alignment und Kohärenz im Sinne eines übergeordneten Steuerungsgesichtspunkts. Andererseits kann ein Vergleich zwischen den Regelungen der Länder einen Blick auf unterschiedliche Regulierungs- und Steuerungsansätze eröffnen.

Was die Bildungsforschung betrifft, können die hier bereitgestellten differenzierten Informationen zu diesem zentralen Bereich der schulischen Qualitätsentwicklung ein Anlass sein, kontextinformierte ländervergleichende Fallstudien zur Praxis der Personalentwicklung an Schulen durchzuführen.