1 Idee & Zielstellung

Die Erkenntnis, wissenschaftliches Wissen und Methoden für Forschende, Studierende und Interessierte weltweit frei zugänglich zu machen, rückt zunehmend in den Fokus sozial- und kommunikationswissenschaftlicher Debatten in Fachzeitschriften (bspw. die Agenda for Open Science in Communication von Dienlin et al. 2020 im Journal of Communication) und auf Tagungen (bspw. Open Communication als übergeordnetes Thema der Jahrestagung 2020 der International Communication Association, ICA): Diskutiert werden dabei v. a. die Möglichkeiten und Herausforderungen der Veröffentlichung von a) Analyseinstrumenten (open method), b) Untersuchungssoftware (open science tools), c) gewonnenen quantitativen und qualitativen Daten (open data) und d) Erkenntnissen (open access). Auf diese Art und Weise, so das Kernargument, könne Wissen zugänglich und Forschung nachvollzieh-, replizier- und auch überprüfbar gemacht werden. Damit wiederum könne eine wichtige Voraussetzung für die Legitimation und Beachtung wissenschaftlicher Befunde geschaffen werden (Asendorpf et al. 2013; Nosek et al. 2015). Für die Forschung bedeutet diese Entwicklung einer Open Science-Kultur auch, dass auf der Basis schon bestehender, leicht zugänglicher Erkenntnisse schneller fundierte neue Studien entstehen können, die eine hohe Anschlussfähigkeit haben (Munafò et al. 2017).

Als wir im Winter 2018 erstmals über das vorliegende Handbuch Standardized Content Analysis und die dazugehörige Database of Categories for Content Analysis (DOCA) nachdachten, war uns schnell klar, dass wir diesem Gedanken der Open Science-Bewegung Rechnung tragen möchten: Unser Ziel ist es daher, Wissen über die Anwendungsfelder und die Erhebungsinstrumente der standardisierten Inhaltsanalyse und damit über eine der zentralsten Methoden kommunikationswissenschaftlicher Forschung für WissenschaftlerInnen und Studierende zu sammeln, zu systematisieren, zu reflektieren und im Sinne von open method und open access frei zugänglich zu machen. Denn ganz egal, ob Fragen nach gesellschaftlichen Veränderungen, journalistischen Entscheidungen oder funktionalen und dysfunktionalen Wirkungen von Medien im Fokus der Forschung stehen, die Inhaltsanalyse hilft dabei, Antworten zu finden.

Im vorliegenden Handbuch wird erstens der inhaltsanalytische Forschungsstand verschiedener kommunikationswissenschaftlicher Forschungs- und Themenbereiche aufgearbeitet und online veröffentlicht. In der dazugehörigen Database of Variables for Content Analysis (DOCA) https://www.hope.uzh.ch/doca werden Variablenbeschreibungen für inhaltsanalytische Fragestellungen unter Berücksichtigung von Qualitätsindikatoren (wie bspw. Reliabilitätswerte) zusammengetragen, systematisiert und offen recherchierbar gemacht. Das Handbuch bietet den kontextuellen Rahmen für die Datenbank. Darin erwähnte Konstrukte/Variablen können direkt in der Datenbank gefunden werden.

Das Buch und die Datenbank bieten damit einen Ausgangspunkt für die Operationalisierung inhaltsanalytischer Fragestellungen wissenschaftlicher Projekte von Forschenden und Studierenden. Die Abhängigkeit von einer aufwendigen und nicht immer erfolgversprechenden Recherche nach (unveröffentlichten) Codebüchern in Archiven, Datenbanken oder über persönliche und professionelle Netzwerke wird damit deutlich eingeschränkt. Das Risiko des unnötigen Mehraufwandes, bereits (ähnliche oder identische) bestehende Konstrukte/Variablen immer wieder neu zu entwickeln, wird so vermindert. Damit soll zudem auch eine Grundlage zur Vereinheitlichung (wo möglich und sinnvoll) und damit auch Vergleichbarkeit inhaltsanalytischer Studien geschaffen werden. Das Handbuch und die Datenbank können zudem auch in der Methodenausbildung Verwendung finden. Ferner soll damit ein Beitrag zur Chancengleichheit zwischen ressourcenstarken und -schwächeren Instituten, Universitäten und Ländern in diesem Bereich geleistet werden.

2 Konzept & Vorgehen

Das Handbuch bündelt und systematisiert den aktuellen Forschungsstand inhaltsanalytischer Studien nach relevanten Themenfeldern und -bereichen. Der Fokus liegt dabei auf Forschungserkenntnissen, die anhand von standardisierten (manuellen und – falls Forschung dazu vorliegt – auch automatisierten) Inhaltsanalysen gewonnen worden sind. Wenn sich das jeweilige Forschungsfeld jedoch durch vor allem nicht-standardisierte, qualitative Verfahren auszeichnet oder nur wenig standardisierte Forschung in dem jeweiligen Bereich auffindbar ist, so wurden auch diese berücksichtigt, da diese Informationen für die zukünftige standardisierte Operationalisierung von Relevanz sein können. Als AutorInnen konnten und wollten wir insbesondere WissenschaftlerInnen in der Qualifikationsphase gewinnen, da vor allem diese im Rahmen von Dissertationen und Habilitationen intensiv an Operationalisierungen von Inhaltsanalysen arbeiten. Die ExpertInnen wurden aufgrund ihrer Expertise im jeweiligen Gebiet ausgewählt. Ihnen oblag es, die oftmals breit definierten Forschungsfelder einzugrenzen und die aus ihrer Sicht relevanten Konstrukte und Variablen auszuwählen – nicht aber, die ganze Breite des jeweiligen Feldes abzubilden. Wir haben nicht nur AutorInnen aus dem deutschsprachigen Raum, sondern auch internationale ExpertInnen angefragt. Dies spiegelt sich auch in der Zweisprachigkeit des Handbuchs wider: Ein Großteil der Kapitel wurde auf englisch verfasst und steht somit auch einem größeren LeserInnenkreis zur Verfügung.

Das Handbuch gliedert sich in sechs Teile: In Teil I werden Grundlagen zur standardisierten Inhaltsanalyse, den zentralen Forschungsdesigns (u. a. auch zu mixed method apporaches) und übergreifenden Variablen vermittelt. Hier werden zentrale Begriffe erläutert, die in den nachfolgenden Kapiteln eine strukturierende Funktion übernehmen. Im Anschluss folgen die Kapitel, die sich mit dem Forschungsstand inhaltsanalytischer Studien über Nachrichtenjournalismus befassen (Teil II). Dazu zählen u. a. Kapitel zu News Performance, zur Wahlkampfberichterstattung oder auch zum Wissenschaftsjournalismus. Teil III widmet sich Analysen, die sich mit fiktionalen Medieninhalten (Filme, Satire, Games, …) auseinandersetzen. Der inhaltsanalytischen Forschung zur Kommunikation von professionellen, nicht-journalistischen KommunikatorInnen gilt die Aufmerksamkeit der Kapitel in Teil IV. Dazu zählt bspw. die Forschung zur Public Diplomacy oder Unternehmenskommunikation. Inhaltsanalytische Forschung zu mehrheitlich nicht professioneller Kommunikation ist der Fokus der Beiträge in Teil V, die sich den Themen NutzerInnenkommentare oder auch Verschwörungstheorien widmen. Die zentralen Erkenntnisse und Leistungen des Handbuchs sowie die Identifikation von Forschungslücken, die weitere inhaltsanalytische Forschung anregen soll, erfolgt im abschließenden Fazit (Teil VI). Jeder Beitrag behandelt dabei die im jeweiligen Forschungsgebiet zentralen Fragestellungen, dominierenden theoretischen Perspektiven, Forschungsdesigns und -desiderata. Der Fokus der Beiträge liegt jedoch auf der Darstellung der Hauptbefunde und Trends inhaltsanalytischer Studien unter besonderer Berücksichtigung der verwendeten Konstrukte/Variablen. Konstrukte/Variablen, die in der Datenbank konkretisiert werden, sind unterhalb der jeweiligen Beiträge mit den entsprechenden Links gelistet.

Die Datenbank bündelt, systematisiert und bewertet relevante inhaltsanalytische Variablen der im Handbuch erwähnten Forschungsbereiche und -themen. Die AutorInnen der Kapitel im Handbuch zeichneten sich auch zu einem großen Teil für die jeweiligen Datenbankeinträge verantwortlich. Ausgewählt wurden solche Operationalisierungen, die aktuell, relevant (Indikatoren: Zitationshäufigkeit, ExpertInnenmeinung), zugänglich waren und/oder Qualitätsindikatoren (Reliabilität) berichteten. Die Infrastruktur, das Hosting und die technische Unterstützung wird durch das Team von HOPE – Hauptbibliothek Open Publishing der Universität Zürich zur Verfügung gestellt. Damit kann auch ein dauerhafter Betrieb und damit ein Wachsen der Datenbank ermöglicht werden. Denn die Datenbank soll nicht nur die im Handbuch beschriebenen relevanten Konstrukte/Variablen enthalten. Sie soll vielmehr zu einer umfassenden Recherchedatenbank für Variablen werden. Vorschläge für weitere Variablen können daher jederzeit auf der Datenbank eingereicht werden.

Dank

„Eine Idee muss Wirklichkeit werden können, oder sie ist nur eine eitle Seifenblase“ (Berthold Auerbach). Dass das vorliegende Handbuch und die dazugehörige Datenbank nicht nur Seifenblasen geblieben sind, sondern realisiert werden konnten, ist vor allem der Verdienst der kompetenten und engagierten AutorInnen, die uns nicht nur mit ihrer Fachexpertise, sondern auch beim AutorInnenworkshop 2019 in Zürich mit kritischem Feedback und motivierenden Worten zum Gesamtprojekt unterstützt haben. Ihnen gilt unser größter Dank. Konstruktive Rückmeldungen und Zuspruch erhielten wir auch von unseren zahlreichen, verdienstvollen UnterstützerInnen (in alphabetischer Reihenfolge): Prof. Dr. Mark Eisenegger (Universität Zürich), Prof. Dr. Ines Engelmann (Friedrich-Schiller-Universität Jena), Prof. Dr. Frank Esser (Universität Zürich), Prof. Dr. Andreas Fahr (Universität Fribourg), Prof. Dr. Otfried Jarren (Universität Zürich), Prof. Dr. Hans Mathias Kepplinger (Universität Mainz), Prof. Dr. Julia Metag (Westfälische Wilhelms-Universität Münster), Prof. Dr. Manuel Puppis (Universität Fribourg), Prof. Dr. Mike S. Schäfer (Universität Zürich), Prof. Dr. Philomen Schönhagen (Universität Fribourg), Prof. Dr. Gabriele Siegert (Universität Zürich), Prof. Dr. Werner Wirth (Universität Zürich). Auch ihnen sind wir sehr dankbar.

Die technische Infrastruktur für die Variablendatenbank wird uns freundlicherweise der Universität Zürich zur Verfügung gestellt. Margit Dellatorre und Martin Brändle standen und stehen uns mit technischer Expertise und Know-how bei all unseren Fragen zur Verfügung. Das professionelle Layout für den PDF-Download der Datenbankbeiträge gestaltete Petra Dollinger, Graphic Designer von SIVIC Scientific Visualisation and Visual Communication der Universität Zürich. Das Logo zur Datenbank kreierte Francesca Müller. Miriam Cano Pardo und Mirjam Baumann waren als studentische Redaktionsassistentinnen von unschätzbarem Wert. Ihre Stellen konnten aus Fördergeldern des Fellowprogramms „Freies Wissen“, das von Wikimedia Deutschland, dem Stifterverband und der VolkswagenStiftung, getragen wird, sowie durch die Unterstützung des IKMZ – Instituts für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich finanziert werden. Das Fellowprogramm „Freies Wissen“ half uns zudem unsere Kenntnisse über Möglichkeiten, Herausforderungen und Best Practices von Open Science zu vertiefen. Dem Springer Verlag und insbesondere Frau Emig-Roller danken wir für die Unterstützung und Beratung sowie das Entgegenkommen das Handbuch mit der Datenbank zu verknüpfen. Unsere Herausgeberinnentreffen sowie der AutorInnen-Workshop wurde großzügig vom Graduate Campus der Universität Zürich ermöglicht. Die Open Access Veröffentlichung des Handbuchs wurde durch den Schweizerischen Nationalfonds ermöglicht.