Im Rahmen des Basisprojekts des IBH-Labs „Seamless Learning“ wurden verschiedene einzelne Entwicklungsprojekte zur Gestaltung, Implementation und Evaluation von Seamless Learning Konzeptionen begleitet (Dilger et al., 2019b). Dies geschah in verschiedenen Verbünden von Hochschulen und Unternehmen im Bodenseeraum. Das Basisprojekt hatte mehrere Ziele. Das erste Ziel war die konzeptionelle Schärfung des Konzepts „Seamless Learning“ und dessen Nutzbarmachung für die weitere Entwicklung von hochschulischen Unterrichtsszenarien. Die Konzeptionen helfen, fragmentierte Lernerfahrungen für Lernende stärker zu integrieren. Ein weiteres Ziel bestand in der konkreten Unterstützung der Entwicklungsprozesse der einzelnen Unterrichtsszenarien. Hierfür wurden Materialien bereitgestellt, eine Workshop-Reihe implementiert sowie Beratungsgespräche durchgeführt. Als weiteres Ziel wurde die Erforschung von Seamless Learning Konzeptionen und die Gewinnung von empirisch erprobten Gestaltungsprinzipien verfolgt. Als eine praktische Zusammenführung dieser verschiedenen Zielsetzungen und der durchgeführten Aufgaben wurde ein toolbasierter Beratungsansatz als konkretes Handlungsziel im Basisprojekt verfolgt. Mit diesem Ansatz sollen, auf die gewonnenen Erfahrungen aufbauend, die weiteren Entwicklungsarbeiten zu Seamless Learning Konzeptionen an Hochschulen unterstützt werden. Erfahrungen und Entwicklungsergebnisse aus dem Begleitprojekt wurden kritisch reflektiert und in Form des toolbasierten Beratungsansatzes für einen weiteren Nutzerkreis webbasiert aufbereitet.

1.1 Funktionen eines toolbasierten Beratungsansatzes im Seamless Learning Basisprojekt

Mit der Entwicklung eines toolbasierten Beratungsansatzes werden verschiedene Funktionen verbunden:

  • Als erstes ist der toolbasierte Beratungsansatz ein Zugang, der die Erfahrungen und Aktivitäten während der Projektlaufzeit in verschiedenen einzelnen Entwicklungsprojekten bündelt und hieraus die zentralen Merkmale und Prozesse für die Arbeit in Seamless Learning Konzeptionen zieht. Im toolbasierten Beratungsansatz kristallisieren sich die zentralen Punkte der Arbeit und der Arbeitsweise im gesamten IBH-Lab Seamless Learning inhaltlich heraus. Zu den wichtigsten Punkten zählen dabei die Beschäftigung mit den Problemen, die entstehen, wenn Lernerfahrungen in fragmentierten Lernepisoden bei Lernenden aufgenommen werden. Diese Probleme entstehen an den Brüchen in und zwischen Lernerfahrungen. Brüche entstehen überall dort, wo in verschiedenen, nicht aufeinander bezogenen Kontexten Wissen erworben wird und dies nicht miteinander verbunden werden kann (wie typischerweise bei den Lernerfahrungen, die als bruchstückhaft zwischen Theorie und Praxis wahrgenommen werden).

  • Ein zweiter zentraler Punkt ist die Auseinandersetzung mit verschiedenen didaktischen Prinzipien, die leitend für die Gestaltung der didaktischen Konzeption in Seamless Learning sind. Solche didaktischen Prinzipien können als eine Art „Leitplanke“ für die Herangehensweise in der Entwicklung des Kurses gesehen werden. In den einzelnen Entwicklungsprojekten wurden verschiedene solcher didaktischen Prinzipien (wie z. B. erfahrungsbasiertes Lernen, problembasiertes Lernen, forschungs- und gestaltungsorientiertes Lernen) genutzt, um die Gestaltung der Lernangebote, welche die verschiedenen Brüche zu überwinden helfen, zu unterstützen.

  • Die dritte zentrale Funktion ist die Unterstützung und Ermöglichung von Seamless Learning Konzeptionen durch die integrative Nutzung von digitalen Tools in Lehr- und Lernprozessen. Diese verschiedenen technologiebasierten Tools helfen, spezifische Funktionen im Lehr- und Lernprozess zu unterstützen und anzureichern. So stellen z. B. Simulationen eine Möglichkeit dar, authentische Tätigkeiten in einem „Modellraum“ erfahrbar zu machen. Die technologiebasierten Tools wurden dabei einerseits in ihrer Reichweite (Unterstützung einzelner Funktionen oder die Unterstützung von verschiedenen Funktionen im Lehr- und Lernprozess) geordnet und andererseits in ihrer Einbindung in verschiedenen Seamless Learning Konzeptionen entwickelt und erprobt. Die Problemidentifikation und die Auseinandersetzung mit den didaktischen Prinzipien sowie mit den technologiebasierten Tools helfen bei der konzeptionellen Klärung und Schärfung des Konzepts von Seamless Learning.

In einem zweiten Schritt ist der toolbasierte Beratungsansatz durch das mehrfache Durchlaufen und Reflektieren von Arbeitsschritten – iterativ inkrementell – erarbeitet worden. Die Aufgabe dieses Ansatzes ist es, die pro Entwicklungsprojekt spezifisch ausgestalteten Entwicklungsschritte hinsichtlich ihrer Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf der Prozessebene zu durchleuchten. Dabei werden die typischen Fragestellungen und Entscheidungen bei der Entwicklung von Seamless Learning Konzeptionen identifiziert und in einen „idealtypischen“ Ablauf gebracht. Damit ist die Idee verbunden, die in der hochschuldidaktischen Landschaft oftmals eher intuitiv verlaufenden Planungsprozesse stärker zu explizieren und diese in ein Prozessschema zu überführen. Dafür wurde die Arbeitsstruktur innerhalb des Seamless Learning Labs und die verschiedenen Unterstützungsprozesse und -materialien aufgenommen und systematisiert. Das Potential solcher, aus den konkreten Entwicklungsprojekten heraus gewonnenen Prozessabläufen ist, dass sie sich stärker in der Handlungspraxis verankern lassen. Von daher hat der toolbasierte Beratungsansatz den Anspruch, auf der Prozessebene die grundlegenden Planungsprozesse für die Entwicklung von Seamless Learning Konzeptionen aus dem jeweiligen Original-Kontext heraus zu de-kontextualisieren und sie für eine mögliche Re-Kontextualisierung in einer weiteren hochschulischen Gestaltungspraxis aufzubereiten. Mit dem zweiten Zugang zum toolbasierten Beratungsansatz ist die Intention verbunden, Entwicklungsprozesse in Seamless Learning Konzeptionen für den Transfer aufzubereiten.

1.2 Zielsetzungen bei der Entwicklung eines toolbasierten Beratungsansatzes

Das Ziel der Entwicklung eines toolbasierten Beratungsansatzes für Seamless Learning Konzeptionen lässt sich aus verschiedenen Motiven heraus begründen: Es ist ein Anliegen des Basisprojekts im IBH-Lab Seamless Learning, die Entwicklungen wie auch die Entwicklungsprozesse einem weiteren Kreis als den direkten Projektpartnern zu öffnen. Damit ist die Perspektive der Dissemination und der Wirkung der vorgenommenen Entwicklungen für einen weiteren Interessentenkreis adressiert. Die konkreten Projekterfahrungen und -materialien werden in einem öffentlich zugänglichen toolbasierten Beratungsansatz aufbereitet und bündeln damit die produkt- und prozessbezogenen Projektaufgaben. Sie werden in einer solchen Weise aufbereitet, dass auch die weitere Öffentlichkeit von diesen Erfahrungen Nutzen ziehen kann. Über den toolbasierten Beratungsansatz werden vorgenommene Entwicklungen dokumentiert und exemplarisch zugänglich gemacht. Durch die dem Beratungstool inhärente Prozessstruktur werden auch Einblicke in die Arbeitsschritte und konkrete Arbeitsweisen für Nutzerinnen und Nutzer zugänglich. Die Dissemination schließt die Prozessebene mit ein und beschränkt sich nicht nur auf entwickelte Ergebnisse. Durch die „Übersetzung“ in einen toolbasierten Beratungsansatz geht hier der Disseminations-Ansatz noch einen Schritt weiter als nur die Verfügbarkeit zu gewährleisten. Mit dem Beratungsansatz können und sollen die vorhandenen Erfahrungen nutzbar gemacht werden. Diese Erfahrungen und Ergebnisse werden damit zur Grundlage für weitere Entwicklungen und zur Basis für die generative Nutzung.

Das Vorhaben der Entwicklung eines toolbasierten Beratungsansatzes schließt an die Diskussionen zu didaktischen Entwurfsmustern (vgl. Baumgartner & Bergner, 2014; Kohls, 2017; Reinmann, 2019) an. Mit dem Vorhaben ist die Intention verbunden, dass unter Nutzung eines didaktischen Entwurfsmusteransatzes die Dokumentation und das Teilen bzw. das Kommunizieren von didaktischen Gestaltungsansätzen verbessert wird. Didaktische Entwurfsmuster stellen systematisierte Beschreibungskategorien dar, mithilfe derer die Grundideen und -prinzipien von didaktischen Konzeptionen möglichst einfach zugänglich und von Dritten nachvollzogen werden können. Und dies soll in ihrem jeweiligen Kontext erfolgen.

„Ein gutes Entwurfsmuster ist konkret genug, um Designentscheidungen und Umsetzungsschritte aufzuzeigen. Gleichzeitig darf die Lösung nicht zu spezifisch oder exemplarisch sein. Denn es handelt sich keineswegs um Rezepte, die sich einfach kopieren lassen. Vielmehr zeigen sie Handlungsspielräume auf und sind flexibel genug, um mit eigenen Ideen angereichert zu werden. Entwurfsmuster lassen sich miteinander und mit eigenen Ansätzen kombinieren, um neuartige Lehrszenarien individuell zu kreieren.“ (Kohls, 2017, o. S.).

Der aus der Architektur, von Christoph Alexander stammende Ansatz der Mustersprache wird dabei in und für das didaktische Design nutzbar gemacht.

„Die Idee für eine gewinnbringende Übertragung, Interpretation oder Übersetzung liegt aus unserer Sicht in einer Isomorphie (Strukturgleichheit) der beiden Gebiete Architektur und Pädagogik begründet: Wenn – so unsere Annahme – beide Berufsfelder es mit Design bzw. Gestaltung zu tun haben, dann sollten gewisse abstrakte Gestaltungsprinzipien sich von einem Fachgebiet in das andere transferieren lassen.“ (Baumgartner & Bergner, 2014, S. 163).

Eine der treibenden Ideen hinter dem Musteransatz ist es, implizites Wissen oder auch „tacit knowledge“ aus der Berufspraxis von Hochschullehrenden zu explizieren und darüber eine Zugänglichkeit und Kommunizierbarkeit zu schaffen. Mit didaktischen Entwurfsmustern sind dabei kategoriale Beschreibungen von didaktischen Konzeptionen gemeint, welche die grundlegende möglichst holistische Sichtweise auf die Konzeption und damit auch das „Gespür“ für die gesamte komplexe Situation zu vermitteln helfen. Didaktische Entwurfsmuster beziehen sich dabei nicht nur auf die methodische Gestaltung oder zeigen Lösungsansätze für spezifische Fragestellungen auf. Sie helfen, ein möglichst umfassendes Bild für eine didaktische Gestaltung zu entwickeln. Dabei steht neben der Beschreibung des Lösungsansatzes insbesondere die Problemsensibilisierung und das Problembewusstsein im Vordergrund. „Entwurfsmuster haben also nicht nur die Funktion, gute Lösungen zu sammeln und zu teilen, sondern auch Probleme überhaupt erst aufzuzeigen“ (Kohls, 2017, o. S.). Didaktische Entwurfsmuster gehen damit über die Beschreibung von didaktischen Methoden oder Kursplanungen hinaus. Sie zeigen auf, wo und warum sie eingesetzt werden sollten. Sie nehmen die Verwendungsperspektive mit auf. Bei der Entwicklung von didaktischen Entwurfsmustern liegt ein besonderer Fokus auf den Zusammenhang von definierten Problemen und gewählten Lösungsansätzen. Die Muster geben weitere Einsichten in Begründungen und in die Zusammenhänge von Problemen und Lösungen. Darüber können Lösungsansätze kontextspezifisch erklärt und die Bedingungen für den Transfer transparent gemacht werden. Mit dieser Sichtweise und der Kernidee der Strukturierung des Beratungsansatzes mit Hilfe von Kategorien didaktischer Entwurfsmuster war im Projekt die Zielsetzung verbunden, Praxiswissen und -erfahrung in seiner Komplexität und in seinen Kontextabhängigkeiten sichtbar zu machen. Dies kann auch für die weitere Entwicklung von neuen Seamless Learning Konzeptionen genutzt werden, indem Lösungsansätze in ihrer Funktionsweise erklärt werden und sich darüber Gestaltungsräume für weitere Entwicklungen öffnen.

1.3 Problemaspekte bei der Entwicklung eines toolbasierten Beratungsansatzes für Seamless Learning Konzeptionen

Die Entwicklung des toolbasierten Beratungsansatzes war ein herausforderndes Projekt für alle Beteiligten. Es wurde im Projektteam als Reflexionsobjekt genutzt, um die Erfahrungen in der Beratung der Einzelprojekte kritisch zu hinterfragen und die wesentlichen Schritte herauszuarbeiten. Mit der Entwicklung des toolbasierten Beratungsansatzes waren auch mehrfache Problemstellungen verbunden:

Die kontextspezifische Ausgestaltung von einzelnen Seamless Learning Konzepten führte zu sehr individualisierten und spezifischen Ausprägungen in einzelnen didaktischen Gestaltungsfeldern und bedurfte auch je eines spezifischen Unterstützungsbedarfs. Diese sehr klare Fokussierung im IBH-Lab „Seamless Learning“ auf die konkreten einzelnen Entwicklungsprojekte in verschiedenen Disziplinen, zu verschiedenen Phasen im Studienverlauf, mit verschiedensten beteiligten Partnern und unterschiedlichen Lernzielen macht jedes einzelne Entwicklungsprojekt zum komplexen Einzelfall, der sehr kontextspezifisch ist. Die beteiligten Akteure gestalten nach ihren Ressourcenmöglichkeiten und wahrgenommenen Handlungsspielräumen und auch aufgrund ihrer didaktischen Kompetenzen die Seamless Learning Konzeptionen sehr unterschiedlich aus. Dabei stellen oft gerade die Kontextbedingungen (z. B. vorab definierte Prüfungsmodalitäten) limitierende Faktoren dar. Für den Beratungsansatz galt es dabei, das Typische und Individuelle im gewählten Ansatz mit geeigneten Kategorien zu strukturieren, damit diese auch als Beispiele und handlungsleitende Idee für weitere Entwicklungen nutzbar sind.

Zur Beschreibung des differenzierten Aufbaus des Beratungsansatzes dienen die Ausführungen im Kap. 2. Diese Strukturierung entlang von drei grundlegenden Prozessschritten und leitenden Fragen, die diese Schritte jeweils differenzieren helfen sollen, wurden in der konkreten Entwicklungsarbeit von einzelnen Entwicklungsprojekten in Teilen auch als hinderlich im Prozess wahrgenommen. Dies liegt insbesondere daran, dass der Beratungsansatz sehr stark auf eine Verbindung von Problemstellungen und Lösungsalternativen baut und eine vertiefte Problemanalyse in didaktischen Entwicklungsprozessen oftmals übersprungen wird zu Gunsten des didaktischen Kreierens oder der Umsetzung einer Idee. Der gewählte systematisierende Ansatz mag von daher in Teilen als künstlich oder auch verlangsamend wahrgenommen werden, wenn zunächst auf eine differenzierte Analyse von Problemlagen eingegangen wird.

Das Konzept von Seamless Learning ist als Grundidee weniger herausfordernd, betont es doch v. a. die Kontextabhängigkeit von einzelnen Lernerfahrungen. Bei den didaktischen Konzeptionen wird sehr viel Wert auf die Gestaltung des Kontexts und dessen Einfluss auf die Lernprozesse gelegt. In der konkreten Ausgestaltung werden Seamless Learning Konzepte jedoch sehr komplex, da sie von der Nutzung verschiedener Kontexte mit je eigener Gestaltung ausgehen und dabei auch noch die Verbindung zwischen den Kontexten als gestaltbar und gestaltungsnotwendig aufzeigen. Damit erhöht sich die Komplexität sprunghaft und die Wechselwirkungen zwischen der Gestaltung der verschiedenen einzelnen Kontexte innerhalb einer Seamless Learning Konzeption sind noch stärker miteinander verknüpft.

Für die Strukturierung und Anleitung wird im toolbasierten Beratungsansatz mit didaktischen Kategorien gearbeitet, die ggf. nicht identisch sind mit der Sprache der Nutzerinnen und Nutzer. Didaktische Konzeptionen nutzen in Teilen fachliche Begrifflichkeiten, die evtl. nicht bekannt sind oder, da sie alltagssprachlichen Begriffen ähnlich sind, auch das Potential zu Fehlinterpretationen haben. Eine dieser didaktischen Kernkategorien stellen z. B. Lehr- bzw. Lernziele dar, insbesondere wenn diese kompetenzorientiert beschrieben werden sollen. Intuitiv können viele Hochschullehrende gut beschreiben, was sie als Lernziele erwarten. Wird jedoch gefordert diese in kompetenzorientierter Form und möglichst prägnant zu formulieren, treten Schwierigkeiten auf. Im toolbasierten Beratungsansatz wird diese Zielformulierung durch zusätzliche Erläuterungen und Informationen unterstützt.

Für die didaktische Gestaltung wird im Beratungsansatz vorgeschlagen, sich an leitenden, didaktischen Prinzipien (wie z. B. dem erfahrungsbasierten Lernen) zu orientieren und diese als Leitplanken für die Gestaltung zu nutzen. Dieses prinzipienorientierte Vorgehen in der didaktischen Gestaltung ist teilweise für hochschuldidaktisch weniger erfahrene Dozierende herausfordernd. Die didaktischen Prinzipien selbst sind mit Leitvorstellungen und Kernideen verbunden, die nicht als Rezept angewandt werden können, sondern der Ableitung von Massnahmen bedürfen, die dem Prinzip gerecht werden, dabei jedoch viele Handlungsspielräume aufweisen können. So gibt z. B. das Prinzip des erfahrungsbasierten Lernens vor, dass eine konkrete Lernerfahrung mit der systematischen fachwissenschaftlich strukturierten Reflexion zu verbinden ist. Ob jedoch der Lernprozess eher mit der konkreten Erfahrung oder mit der Einführung eines abstrakten Modells startet, muss von den entwickelnden Personen selbst entschieden werden.

Mit dem toolbasierten Beratungsansatz soll die didaktische Beratungsleistung personenunabhängiger und materialbasierter erfolgen. Dies beinhaltet die Problematik der erforderlichen Explikation von didaktischer Expertise von Hochschuldidaktikerinnnen und Hochschuldidaktikern. Dabei stellt sich die Herausforderung, das implizite Handlungswissen in eine explizite und für weniger erfahrene Nutzerinnen und Nutzer zugängliche Weise zu übertragen und in Materialien „zu gießen“. Diese „Objektivierung“ und „Materialisierung“ von Prozesswissen ist dabei nicht trivial, insbesondere wenn damit die Zielsetzung verbunden ist, dass mithilfe des Beratungsansatzes zukünftige Nutzerinnen und Nutzer selbst aktiv ihre eigene Konzeption entwickeln können und entsprechende Prozessunterstützung durch den toolbasierten Beratungsansatz zugänglich gemacht wird.

In den Überlegungen zur Gestaltung des toolbasierten Beratungsansatzes sind diese verschiedenen Punkte als Diskussionspunkte und auch als wichtige Reflexionspunkte aufgenommen worden, welche die Ausgestaltung des Beratungsansatzes geprägt haben. Die konkrete Vorstellung des Beratungsansatzes wird im folgenden Abschnitt vorgenommen.

1.4 Die Seamless Learning Plattform – konzeptioneller Teil

Die Seamless Learning Plattform besteht aus nachfolgenden, miteinander verknüpften Bereichen:

  • einem Konzeptionstool, hier werden Seamless Learning Konzepte erstellt bzw. dokumentiert,

  • einer Suchfunktion, wo Nutzerinnen und Nutzer nach bereits dokumentierten Seamless Learning Konzepten suchen können, um sich für die eigene Praxis anregen zu lassen,

  • einem sogenannten Showroom, wo man technische Lösungen zur Unterstützung von Seamless Learning Konzepten ausprobieren kann.

Wie oben beschrieben wurden Kolleginnen und Kollegen des IBH-Labs „Seamless Learning“ in Workshops unterstützt, eigene Seamless Learning Konzeptionen zu erstellen. Die Plattform dient dazu, bereits fertiggestellte Konzeptionen zu dokumentieren und sie anderen zugänglich zu machen. Die Beratung bei der Konzeptionserstellung war jedoch, wie oben beschrieben, sehr ressourcenaufwendig. Aus diesem Grund wurde ein zweiter Teil der Plattform implementiert, der sogenannte „didaktische Wizard“, um diesen Erstellungsprozess toolbasiert über das Web zu unterstützen. Wichtig ist nun, dass dabei jeweils auf bereits vorhandene Konzeptionen zugegriffen werden kann. Man kann z. B. recherchieren, welche bestehenden Konzeptionen im gleichen Fachgebiet erstellt wurden oder ähnliche Brüche adressieren. Mit zunehmender Anzahl gespeicherter Konzeptionen kann daher bei der Neuerstellung einer Konzeption auf bereits vorhandenes Material der Community zugegriffen werden. Es gibt daher viele Verlinkungen bei der Neuerstellung von Konzeptionen auf einschlägige bereits bestehende Konzepte. Dafür wurde eine relativ fein differenzierte Suchfunktion implementiert – sowohl beim Erstellen einer Konzeption als auch bereits einen Schritt vorher bei der Recherche zu bestehenden Konzeptionen.

Bei identifizierten Brüchen im Sinne des Seamless Learning wird oft versucht diese mit technischen Lösungen zu adressieren und zu überwinden, was jedoch Limitationen aufweist (Dilger et al., 2019a). Die Integration von Technologie in die Lehre scheitert oft aus verschiedenen Gründen (Gülbahar et al., 2017). Im sogenannten Showroom der Plattform werden daher verschiedene Tools vorgestellt und man kann sie auch direkt ausprobieren, ohne sich vorgängig um Logins, Infrastruktur etc. kümmern zu müssen. Auch die technische Dimension ist in die oben beschriebene Suchfunktion integriert. Sie wird flankiert von der sogenannten Toolmap. Diese mappt typische Brüche auf Tools – man sieht also welcher Bruch mit welchem Tool in anderen Seamless Learning Konzeptionen angegangen wurde.

Nach dieser kurzen Vorstellung der gesamtem Seamless Learning Plattform wird nun der konzeptionelle Teil des toolbasierten Beratungsansatz (der „didaktische Wizard“) vorgestellt. Für die technischen Aspekte der Umsetzung des „didaktischen Wizards“ als auch der Suche nach bestehenden dokumentierten Konzeptionen ist auf das nächste Kap. 4 verwiesen. Die Seamless Learning Konzeptionen der Einzelprojekte im Seamless Learning Lab wurden jeweils zusammen mit dem Basisprojekt entwickelt. Das Basisprojekt unterstützte dabei die Lehrenden sowohl aus didaktischer als auch aus technischer Perspektive. Der Prozess gliederte sich in vier Schritten (siehe Abb. 1.1). Pro Prozessschritt wurde den Einzelprojekten jeweils eine Arbeitshilfe vorab zur Verfügung gestellt. Diese bestand vor allem aus Leitfragen zur Vorbereitung des jeweiligen Workshops. Im Nachgang wurde das Dokument mit den Ergebnissen des Workshops ergänzt – zum einen zur Sicherung der Ergebnisse, zum anderen um den Vergleich über die Projekte hinweg im Rahmen der Begleitforschung zu unterstützen. Im Rahmen der Projektlaufzeit haben die meisten Projekte ihre Seamless Learning Konzeption nicht nur implementiert und evaluiert, sondern auf dieser Basis noch einmal in einem Re-Designworkshop umgestaltet und erneut implementiert. Dieser letzte Schritt wird im Wizard nicht unterstützt.

Abb. 1.1
figure 1

Prozesslandkarte Beratungsansatz

Im Folgenden wird nun jeder einzelne Schritt kurz vorgestellt, mit Beispielen aus den Projekten illustriert und jeweils die Zielsetzung, konzeptionelle Überlegungen und die Umsetzung besprochen.

1.4.1 Schritt „Anforderungen definieren“

Im ersten Schritt „Anforderungen definieren“ des Wizards wird die Nutzerin oder der Nutzer unterstützt, die Ausgangslage inklusive der bestehenden Probleme zu analysieren und die Ziele zu definieren – „Wo stehen wir? Welche Probleme treten auf? Wo soll die Reise hingehen?“ Zu Beginn werden Eckpunkte der bisherigen Konzeption abgefragt:

  • Wer ist die Zielgruppe?

  • Was ist die Zielsetzung (output- bzw. anwendungsorientiert)? Als Hilfestellung werden mögliche Taxonomiestufen und Beispiele gegeben.

  • Welches ist der Kontext, in dem die Veranstaltung eingebunden ist (Stellung der Veranstaltung im Curriculum)?

  • Welche Methoden, Medien und Techniken werden verwendet?

  • Was sind die vorgesehenen Prüfungsleistungen?

Einen ergänzenden Zugang zu den oben genannten Punkten, die tabellarisch abgearbeitet werden, stellt der Seamless Learning Anforderungs-Canvas dar (Abb. 1.2).

Abb. 1.2
figure 2

Seamless Learning Anforderungs-Canvas: Problem spezifizieren

Er eröffnet nochmals weitere Perspektiven auf das Lehr-/Lernszenario (Dreiteilung von links nach rechts und horizontale Teilung im mittleren Bereich) und ist sehr stark lernerzentriert. Er unterstützt die Visualisierung der verschiedenen Kontexte, in denen Lernen stattfindet. Das erleichtert die Identifikation von Seams in einem späteren Schritt. Die Erfahrung zeigt, dass der Canvas nicht selbsterklärend ist. In der PDF-Version finden sich daher Erläuterungen und Beispiele zu den einzelnen Bereichen. Im Gegensatz zu einer Listenabfrage ergibt sich aber hier eher das Gesamtbild und die Lehrenden werden unterstützt, Verbindungen und Auswirkungen zwischen einzelnen Bereichen zu erkennen. Nutzerinnen und Nutzer des Wizards können den Canvas elektronisch ausfüllen oder ausdrucken, ausfüllen, fotografieren und dann hochladen.

Im nächsten Schritt der Erfassung der Ausgangslage werden andere Perspektiven betrachtet. Das könnte die Sicht der Studierenden sein, die Perspektive von Kolleginnen und Kollegen, die in einem vergleichbaren Kontext unterrichten, Praxispartnerinnen und -partner usw. Entsprechende Daten können aus Evaluationen, Interviews oder Umfragen gewonnen werden. Im Rahmen des Projekts wurden z. B. Fokusgruppen mit Studierenden durchgeführt.

Nach den Eckdaten der bisherigen Konzeption wird der Fokus auf Probleme und den Veränderungsbedarf gelenkt:

  • Wo treten Probleme im Lernprozess auf und woran werden sie erkannt?

  • Was ist an den Problemen ursächlich, zu welchen Konsequenzen führen sie im Lehr-/Lernprozess?

  • Wie entstehen diese Probleme, was könnten Ursachen sein?

  • Auf Basis der oben genannten Problembeschreibung wird in einem nächsten Schritt der Veränderungsbedarf definiert: Worin liegt der Bedarf für die Weiterentwicklung? Welche konkreten Aspekte sollen verändert werden und warum ist dies notwendig?

Die letzte Etappe in diesem ersten Schritt „Anforderungen definieren“ des Wizards ist die Rückbindung der Analyse an das Seamless Learning Konzept. Nutzerinnen und Nutzer werden dabei eingeladen, die zuvor erarbeiteten Probleme in das Modell der zehn MSL-Dimensionen (mobile seamless learning) nach Wong und Looi (2011) einzuordnen (Abb. 1.3). Im Wizard werden die zehn Kategorien kurz erklärt und mit Beispielen angereichert.

Abb. 1.3
figure 3

Modell der zehn MSL-Dimensionen. (Wong & Looi, 2011)

Vor dem Hintergrund werden dann die Ziele der zu entwickelnden Konzeption final definiert und auch erste Überlegungen angestellt, welche Messinstrumente die Zielerreichung sicherstellen.

1.4.2 Schritt „Gestalten und Entwickeln“

Der zweite Schritt im Wizard unterstützt Nutzerinnen und Nutzer dabei, die erhobenen Anforderungen aus dem vorherigen Schritt in eine didaktische Feinplanung zu überführen. Dem im Projekt angewendeten Design Based Research Ansatz (Euler, 2014) folgend beginnt dieser Schritt mit Informationen zur Prototypenentwicklung und dem anschließenden Bau eines solchen. Darauf aufbauend werden Hintergrundinformationen zu didaktischen Prinzipien und den technischen Komponenten einer möglichen Umsetzung gegeben. Aus all den genannten Schritten wird schließlich eine didaktische Feinplanung für das neue Lehr-/Lernszenario entwickelt.

Der Bau von Prototypen hat sich in verschiedenen Bereichen, insbesondere der Softwareentwicklung, als sinnvoll erwiesen (Cohn, 2009). Der Bau eines Prototyps hat eine starke Lenkungsfunktion, er hilft, idealerweise unter Einbezug der zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer, Anforderungen zu definieren, zu priorisieren und zentrale Gestaltungsentscheidungen zu treffen. Beim Bau des Prototyps darf und soll durchaus kreativ vorgegangen werden. Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden ermuntert, „begreifbares“ Material zu verwenden, wie Knete, Playmais, Lego, Bauklötzchen usw. Abb. 1.4 zeigt das Beispiel eines Prototyps für eine Software, die das Verfassen von Abschlussarbeiten unterstützt. Im Wizard werden den Nutzerinnen und Nutzern der Hintergrund zum Bau von Prototypen (Warum Prototypen? Welche Arten von Prototypen gibt es? Wie erstelle ich einen?) bereitgestellt und es sind jeweils Beispiele hinterlegt.

Abb. 1.4
figure 4

Beispiel eines Prototyps

In einem Zwischenschritt auf dem Weg zur didaktischen Feinplanung im Wizard werden vertiefende Informationen zu didaktischen Prinzipien und technischen Umsetzungsmöglichkeiten angeboten. In Bezug auf die didaktischen Prinzipien werden nicht einzelne Methoden in den Fokus gerückt, sondern didaktische Prinzipien (z. B. problem-based learning, situated learning, project-based learning …), die leitend für die Konzeption sein sollen. Da Seamless Learning sich auf die Rolle des Kontexts, in dem Lernen stattfindet, fokussiert, werden in diesem Schritt passende didaktische Prinzipien zur Verfügung gestellt, die sich aus der Literatur und den Erfahrungen im Projekt ergeben. Die didaktische Feinplanung wird wiederum durch Leitfragen und einen didaktischen Canvas (Abb. 1.5) unterstützt. Leitfragen betreffen unter anderem: die Zielgruppe, deren Vorwissen, die Lernziele, den Gesamtaufbau der Veranstaltung inklusive zeitlichem Ablauf, wo und wie und mit welchem Ziel die identifizierten Seamless Learning Brüche adressiert werden sollen und mit welcher Begründung, die Rahmenbedingungen, das Lehrmaterial. Die Intention, auch hier einen didaktischen Canvas zur Verfügung zu stellen, ergibt sich aus den oben beschriebenen Überlegungen. Wenn man ihn entlang der vertikalen Linien faltet und zusammenklappt (dann verschwindet die mittlere Spalte) fokussiert man auf die Grobplanung der Veranstaltung. Im mittleren Bereich wird die didaktische Umsetzung und die Rückbindung ans Seamless Learning fokussiert.

Abb. 1.5
figure 5

Seamless Learning didaktischer Canvas: didaktische Konzeption

In der letzten Etappe des zweiten Schritts im Wizards wird ein chronologischer Ablaufplan (Template didaktische Disposition als Tabelle) zur Verfügung gestellt.

1.4.3 Schritt „Reflektieren und Evaluieren“

Metaphorisch gesprochen soll der dritte Schritt dazu führen, die Ernte einzufahren und noch ungehobene Schätze zu heben. Dafür wird Unterstützung in drei Bereichen angeboten: 1) In einem ersten Schritt wird die Relevanz der Reflexion und Evaluation in der Entwicklung von Seamless Learning Konzeptionen aufgezeigt. Ein zweiter Schritt 2) gibt einen Überblick über mögliche Evaluationsgegenstände. Abschließend 3) werden Nutzerinnen und Nutzer dabei unterstützt, ein eigenes Evaluationsdesign zu entwickeln.

Systematische Reflexionen und Evaluationen wirken:

  • Explorativ: um Informationen darüber zu erhalten, was gelungen ist und wo es Verbesserungspotential gibt.

  • Differenzierend: um genauere Informationen auf die Wirksamkeit und die Wirkweisen von Seamless Learning Konzeptionen gewinnen zu können.

  • Kommunikativ: um mit Lernenden und Lehrenden ein konstruktives Gespräch über die Konzeption und die Weiterentwicklung führen zu können.

  • Perspektivisch: um Informationen aus den verschiedenen Perspektiven einholen zu können.

  • Didaktisch: um das Verständnis von Zusammenhängen und Aspekten wirksamer Lehre zu erhöhen.

Im Projekt erfolgte die Evaluation zu drei Zeitpunkten (pre/während/post) mit quantitativen (Fragebogen) und qualitativen Methoden (Fokusgruppen, Teaching Analysis Poll) (Tab. 1.1):

Tab. 1.1 Evaluationsverfahren

In diesem letzten Schritt werden Nutzerinnen und Nutzer dabei unterstützt, Evaluationsgegenstände und mögliche Indikatoren (Items) zur Erhebung zu definieren. Typische Evaluationsgegenstände in Seamless Learning Konzeptionen sind Indikatoren zum Lernverhalten, zu Anforderungen bzw. Herausforderungen oder zu den Kompetenzen und insbesondere auch zu den bisher wahrgenommenen Problemstellungen beim Lernen, dies sowohl aus Sicht der Lernenden als auch der Lehrenden.

Für die Pre-/Postbefragung werden den Nutzerinnen und Nutzern jeweils Items und konkrete Beispiele aus den Auswertungen der Einzelprojekte des Labs zur Verfügung gestellt. Das qualitative Verfahren „Teaching Analysis Poll“ ermöglicht es, die Sichtweise der Studierenden während des Semesters offen zu legen, zu prüfen, wie das geänderte Design „ankommt“ und wo man ggf. nachjustieren muss. Die leitenden Fragen sind: 1) Was ist für mein eigenes Lernen förderlich?, 2) Was behindert mein eigenes Lernen?, 3) Welche Maßnahmen können ergriffen werden, damit die lernhinderlichen Faktoren abgeschwächt oder beseitigt werden können? Nutzerinnen und Nutzer können Erklärungen und Materialien zur Durchführung downloaden und sich Beispiele aus den Projekten ansehen.

Im letzten Schritt werden Lehrende dabei unterstützt, ein eigenes Reflexions- und Evaluationsdesign zu entwickeln. Es wird ein ähnliches Setting wie bei der Entwicklung der Prototypen vorgeschlagen. Mögliche Leitfragen sind:

  • Welches sind die Spezifika in Ihrer Seamless Learning Konzeption? Worauf soll in der Reflexion und Evaluation ein besonderer Schwerpunkt gesetzt werden?

  • Welche spezifischen Lernziele haben sie in Ihrer Seamless Learning Konzeption definiert? Welche besonderen Brüche wollen sie bearbeiten?

  • Welche Informationen sollen von den Lernenden vor der Durchführung erhoben werden?

  • Welche Informationen z. B. spezifische Bedingungen, besondere Rahmeneinflüsse, … (aber auch eigene Erwartungen und Vorhaben) sind aus der Lehrendenperspektive vor der Durchführung festzuhalten?

  • Welche Informationen sollen von den Lernenden während der Durchführung erhoben werden?

  • Welche zentralen Erfahrungen (Stärken und Schwächen) sind aus Sicht der Lehrenden während der Durchführung festzuhalten? (z. B. was ist besonders gut gelungen, wo gab es Missverständnisse? Wo gab es Korrekturbedarf?)

  • Welche Informationen sollen von den Lernenden nach der Durchführung erhoben werden?

  • Welche Informationen sollen aus der Perspektive der Lehrenden nach der Durchführung festgehalten werden? Was sind die zentralen Erfahrungen über die Wirkungen (Stärken und Schwächen, erwartungskonforme oder auch nicht-erwartete Ergebnisse, beabsichtigte oder nicht-beabsichtigte Wirkungen und Folgen) der eigenen Seamless Learning Konzeption?

Wie auch in den ersten beiden Schritten des Wizards wird ein Evaluations-Canvas (Abb. 1.6) zur Verfügung gestellt, der von der linearen Abfolge der Leitfragen den Blick auf die Gesamtsicht lenkt.

Abb. 1.6
figure 6

Seamless Learning Evaluations-Canvas

Nachdem dieser letzte Schritt abgeschlossen ist, kann das gesamte Design ausgedruckt oder auch geteilt werden.

1.5 Toolbasierter Beratungsansatz – technologische Perspektive

Nach der Hinführung und Erläuterung des konzeptionellen Teils der Seamless Learning Plattform erfolgt nun die Beschreibung der digitalen, webbasierten Umsetzung. Die Ziele der Plattformentwicklung liegen darin, die bisherige manuelle und physische Entwicklung solcher Konzeptionen, unter Einbezug entsprechender Expertinnen und Experten, durch eine digitalisierte Lösung zu vereinfachen und die Lehrenden bei den Entwicklungs- und Beratungsprozessen mithilfe digitaler Werkzeuge zu unterstützen. Gleichzeitig fallen weitere Nutzungsszenarien (siehe Kap. 5) auf, bei welchen eine digitale Plattform unterstützend wirken kann. Durch den dreiteiligen Aufbau der Plattform können diese Aspekte digital bedient werden. Das Basisframework unterstützt die Suche und Erstellung von Seamless Learning Konzepten, der Beratungswizard ermöglicht die digitale Unterstützung bei der Entwicklung entsprechender Konzeptionen. Der Fokus in diesem Abschnitt liegt auf der technischen Umsetzung des Beratungskonzepts. Die im konzeptionellen Teil beschriebenen Schritte („Anforderungen definieren“, „Gestalten und Entwickeln“, „Reflektieren und Evaluieren“) werden in einer digitalen Form als Wizard umgesetzt. Existiert also noch kein abgeschlossenes Konzept, können sich Lehrende mit Hilfe der digitalen Prozessunterstützung helfen lassen und Schritt für Schritt die für den Fachbereich des Lehrenden relevanten Grundlagen erarbeiten (Huff et al., 2020). Die folgende Abb. 1.7 zeigt die Startseite des Wizards. Die Nutzerin oder der Nutzer kann den Wizard von Beginn an durchlaufen oder an einer beliebigen Stelle einsteigen. Mit der Betätigung des Buttons wird der entsprechende Schritt der Beratungsunterstützung gestartet. Darüber hinaus ist es möglich, die eigene Konzeption an einer beliebigen Stelle temporär abzuspeichern und zu einem späteren Zeitpunkt weiterzuführen – der Wizard muss nicht in einer einzigen, durchgängigen Arbeitssession durchlaufen werden.

Abb. 1.7
figure 7

Startseite des Wizards

Das entwickelte didaktische Grundkonzept für den digitalen Wizard ist in allen drei betreffenden Schritten aus technischer Sicht sehr ähnlich und damit einheitlich aufgebaut. Die einzelnen Schritte sind dabei nach dem Design Based Research Ansatz, iterativ und inkrementell, entwickelt worden (Huff et al., 2020). Wie in der folgenden Abb. 1.8 dargestellt, besteht jeder dieser Schritte aus mehreren Unterschritten, durch welche sich mithilfe einer horizontal ausgerichteten Navigationsleiste bewegt werden kann. Diese soll dem Lehrenden einen Überblick über den potenziellen Aufwand pro Unterschritt, sowie die noch zu bewältigende Arbeit geben. Gleichzeitig besteht jeder Unterschritt aus mehreren Fragen, die den Lehrenden gezielt bei der Entwicklung eigener Konzepte unterstützen. Das Fragensystem ist grundsätzlich einheitlich aufgebaut und besteht aus dem Fragetext, einem Textfeld, in welchem die Nutzenden ihre eigenen Ideen einpflegen können und einem Button, um sich vorgefertigte Beispiele ad hoc in der Weboberfläche anzeigen zu lassen. Die eingeblendeten Beispiele geben zusätzliche konzeptionelle Anstöße und Tendenzen für die eigene didaktische Entwicklung.

Abb. 1.8
figure 8

Navigation im Wizard

Neben den standardmäßigen Fragestellungen sind weitere Ausprägungen der Dateneingabe definiert und implementiert. Dropdown-Menüs, Dateneingabefelder und zusätzliche Hilfestellungen helfen bei der Konzeptionierung. Weiterführende Materialien, wie z. B. die verschiedenen Seamless Learning Canvas, können beliebig oft heruntergeladen und ebenfalls bearbeitet werden. Darüber hinaus helfen ausführliche Informationstexte, sowie verschiedene Grafiken bei der Einführung in die Thematik. Ebenfalls sind weitere Unterstützungsmöglichkeiten implementiert, wenn die Lehrenden sich bspw. nicht mit den grundlegenden Eigenschaften (z. B. den Brüchen oder didaktischen Prinzipien) des Seamless Learning Konzepts auskennen – hierbei sind Verlinkungen eingebaut, die zur Übersichtsseite des Basisframeworks leiten und die Grundlagen von Seamless Learning im Detail erläutern. Ebenfalls sind auch die weiteren Tools des Frameworks, wie z. B. die Toolmap und der Showroom, verlinkt, um auch aus technischer Sicht eine passende Entwicklung vorantreiben zu können. Nach dem Abschluss der einzelnen Schritte besteht die Möglichkeit, alle Schritte in Form eines Dossiers zusammenzufügen und auszudrucken – stets mit dem Ziel, den Lehrenden einen Gesamtüberblick über alle Schritte geben zu können. Fallen nach einiger Zeit Punkte auf, die optimiert werden sollen, kann die bis dahin entwickelte Konzipierung einfach bearbeitet werden. Lehrende können durch die dauerhafte Persistierung ihrer Konzepte an mehreren Seamless Learning Konzepten gleichzeitig arbeiten.

Für die Implementierung des vorliegenden Basisframeworks wurden verschiedene aktuelle Technologien eingesetzt. Die mehrstufige Softwarearchitektur unterteilt sich prinzipiell in das Frontend und Backend. Das Frontend wurde dabei mit klassischen Internettechnologien wie HTML, CSS, TypeScript (spezielle Form des JavaScript) und Angular implementiert. Das Spring Backend wurde in erster Linie in der Programmiersprache Java entwickelt. Für die angebundene relationale Datenbank zur Verwaltung der Konzepte aller Lehrenden wird eine Postgres-Datenbank eingesetzt.

Neben dem erläuterten Wizard und den entsprechenden Verlinkungen zur Übersichtsseite, sowie der Toolmap und dem Showroom, sind ebenfalls weitere digitale Unterstützungsfeatures für die Lehrenden in der Plattform realisiert. Speziell nachdem die Konzeptentwicklung mit Hilfe des Wizards durchlaufen wurde, sollte das Konzept erstellt und im Idealfall auf der Plattform veröffentlicht werden, damit auch andere Lehrende von dieser Entwicklung profitieren können. Den Lehrenden ist es möglich, parallel an mehreren dieser Konzeptionen zu arbeiten. Beispielsweise könnte die Übersichtsseite über die eigenen Konzeptionen wie in Abb. 1.9 aussehen.

Abb. 1.9
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Übersichtsseite eigener Konzeptionen im Wizard

Auch für den Schritt der Konzepterstellung und -veröffentlichung bietet die Plattform eine digitale Unterstützung. In der folgenden Abb. 1.10 ist ein Teil des Standardformulars dargestellt, mit welchem die Lehrenden das zuvor entwickelte Konzept in eine standardisierte und aufbereitete Form bringen können.

Abb. 1.10
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Auszug Standardformular für die Konzepterstellung

In Abb. 1.11 ist ein erstelltes Konzept für eine Veranstaltung Software Engineering im Web-Browser der Plattform dargestellt. Neben den grundsätzlichen Informationen (Veranstaltungstitel, Dozierende, Zeit, Ort) sind auch Informationen zu den thematisierten Brüchen, eingesetzten didaktischen Prinzipien sowie den verwendeten Tools aufgeführt. Während auf der linken Seite der Abbildung ein Überblick über das gesamte dokumentierte Konzept dargestellt ist, sind auf der rechten Seite der Abbildung die Ebenen der didaktischen Prinzipien und verwendeten Tools aufgeführt und beschrieben.

Abb. 1.11
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Überblick und Detailinformationen zum Konzept einer Veranstaltung zum Thema Software Engineering

Nachdem die entsprechenden Informationen bereitgestellt wurden, können die Lehrenden entscheiden, ob das Konzept für andere Nutzerinnen und Nutzer öffentlich zugänglich gemacht werden soll. Ist ein Konzept veröffentlicht, kann die Veröffentlichung jedoch wieder rückgängig gemacht werden, um z. B. Änderungen in den eingesetzten Tools im Rahmen einer Veranstaltung vorzunehmen. Jede/jeder Lehrende kann dabei beliebig viele solcher Konzepte erstellen und veröffentlichen (Huff et al., 2020).

Neben der Konzeptentwicklung und -erstellung wird Lehrenden ebenfalls die Möglichkeit geboten, nach bereits bestehenden Konzepten zu suchen. Diese Funktionalität lebt von dem erfolgreichen Durchlaufen der bereits beschriebenen Schritte, da so die Abdeckung verschiedenster Konzeptsuchparametern bedient werden kann. In der „Google-like“ Suchleiste der Plattform können die Anwender – Lehrende, Lernende und fachlich Interessierte – verschiedene Suchbegriffe eingeben, um mögliche, thematisch passende Seamless Learning Konzepte aufgezeigt zu bekommen, wie in Abb. 1.12 aufgezeigt. Darüber hinaus wurde eine intelligente Suche, sowie eine „Amazon-like“ Suchunterstützung auf Basis von Filterkriterien implementiert. Den suchenden Personen werden somit unterschiedliche Möglichkeiten geboten, die Recherche individuell und so präzise wie möglich zu gestalten.

Abb. 1.12
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Suche von dokumentierten Konzepten auf Basis von Filterkriterien

1.6 Nutzungsszenarien

Der vorgängig dargestellte Aufbau der Seamless Learning Plattform ermöglicht unterschiedliche Nutzungsszenarien. Die dreiteilige Struktur in den Inhalten bietet drei Einstiegsmöglichkeiten, die nachfolgend beschrieben werden. Die unterschiedlichen Unterstützungsmöglichkeiten für die Implementation von Seamless Learning Konzepten werden danach beschrieben.

1.6.1 Die dreiteilige Struktur in den Inhalten

  • Szenario 1 : Ein problemorientierter Einstieg über die Brüche

    Wenn ein Problem in der eigenen Unterrichtspraxis vorliegt, z. B. Lernen in unterschiedlichen (Arten von) Kontexten, findet man Informationen und Beispiele, die so aufbereitet wurden, dass man die Probleme in die Seamless Learning Theorie einordnen kann.

  • Szenario 2 : Ein Einstieg über den Wunsch, mit anderen didaktischen Prinzipien zu arbeiten

    Wenn man mit einem bestimmten didaktischen Prinzip („pedagogical approach“) arbeiten möchte, und wissen möchte, welche typische Bruchstellen mit dem didaktischen Prinzip behoben werden können, findet man dazu Informationen und Erfahrungen.

  • Szenario 3 : Ein Einstieg über den Wunsch, mit digitalen Tools zu arbeiten

    Wenn man mit einem bestimmten Tool arbeiten und wissen möchte, für die Behebung welcher Bruchstellen dieses Tools schon (erfolgreich) eingesetzt wurde, findet man dazu Informationen und Erfahrungen.

1.6.2 Unterschiedliche Unterstützungsmöglichkeiten bei der Implementierung von Seamless Learning Konzepten

Diese Arten von Fragestellungen können auf der Webseite unterschiedlich angegangen werden. Erstens können – wie oben beschrieben – allgemeine Informationen zu den Brüchen, didaktischen Prinzipien oder technischen Tools gewonnen werden. Diese Informationen helfen dabei, die Teilaspekte im Rahmen des Seamless Learning zu verstehen. Die Informationen können helfen, ein Problem einem Bruch zuzuordnen oder didaktische Prinzipien und Tools kennenzulernen, welche das nahtlose Lernen unterstützen.

Innerhalb der digitalen Unterstützungsplattform wurde das genannte Szenario durch eine Übersichtsseite (siehe Abb. 1.13) für jeden Lehrenden zugänglich gemacht. Durch ein übersichtliches Design können alle wichtigen Informationen einfach und praktikabel auf einen Blick eingesehen werden. Diese Übersichtsseite kann unabhängig davon, an welcher Stelle sich die Nutzerin oder der Nutzer auf der Plattform befindet, per Navigationsleiste erreicht werden, um den Lehrenden die entsprechenden Informationen zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig wird an relevanten Stellen (z. B. im Verlauf des Wizards) auf die Übersichtsseite verlinkt, um auf die mögliche Unterstützung hinzuweisen.

Abb. 1.13
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Übersichtsseite Plattform

Neben den Informationen zu Seamless Learning können über die Suchfunktion Beispiele gefunden werden (Szenario 4). Diese Funktion wird in Form einer einfachen „Google-like“ Suchunterstützung ermöglicht. Damit ist es möglich, alle veröffentlichten Konzepte aufzufinden. Ebenfalls ist eine intelligente Suchfunktionalität geboten (siehe Abb. 1.14). Dem Lehrenden wird somit über die normale Suche hinaus die Möglichkeit geboten, mittels einer speziellen Anfragesyntax (z. B. name: Programmieren für die Suche nach einer Veranstaltung „Programmieren“) nach spezifischen Schlagworten innerhalb der bisher existenten Konzepte zu suchen und passende Ergebnisse zu erlangen. Die gezielte Suche nach möglicherweise relevanten Seamless Learning Konzepten ist somit durch unterschiedlich komplexe Suchmöglichkeiten gegeben.

Abb. 1.14
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Suchfunktionalität der Plattform

Es können Konzeptionen gefunden werden, welche bestimmte Brüche, didaktische Prinzipien und/oder Tools in Konzeptionen zusammen bearbeitet worden sind. Die Aufbereitung dieser Beispiele dient dem Teilen von Wissen und Erfahrungen. Dies fördert das kollektive Lernen der Community von Forschenden, Didaktikerinnen und Didaktikern und Lehrenden, die das Seamless Learning vorantreiben. Dazu tragen alle bei, die ihre Konzeptionen auf der Webseite verfassen. So können Konzeptionen systematisch dokumentiert und weitergegeben werden (Szenario 5). Innerhalb der digitalen Unterstützungsplattform wurde dies wie in der folgenden Abb. 1.15 umgesetzt. Alle zum Suchbegriff passenden Konzepte werden in einer übersichtlichen Form dargestellt. Die Nutzerin oder der Nutzer ist in der Lage, eine Art Zusammenfassung der einzelnen Konzeptionen auf einen Blick zu bekommen – welche Brüche, didaktischen Prinzipien oder technischen Aspekte wurden z. B. in deren jeweiligen Konzeptionen berücksichtigt. Durch Anklicken eines Konzepts wird dessen ausführliche Version geladen. Darüber hinaus können anhand der Liste die Suchergebnisse weiter verfeinert werden. Ein „Amazon-like“ Suchfilter hilft dabei, die möglicherweise hohe Anzahl an Konzeptionen weiter zu unterteilen und individuell gemäß den eigenen Ansprüchen der Lehrenden zu verfeinern.

Abb. 1.15
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Konzeptsuche auf der Plattform

Um eine neue Konzeption zu entwickeln (Szenario 6), kann das beschriebene Beratungstool verwendet werden. Dieses unterstützt einen systematischen Prozess, um eine Seamless Learning Konzeption für die eigene Unterrichtspraxis zu entwickeln, umzusetzen und zu evaluieren. Über die Nutzung des Tools wird automatisch die oben beschriebene Dokumentation erweitert.

Zusammengefasst bietet der toolbasierte Beratungsansatz:

  • Informationen und Erfahrungsbeispiele, die dabei helfen, Seamless Learning verstehen und anwenden zu können.

  • Die Möglichkeit, eigene Seamless Learning Erfahrungen zu dokumentieren und zu teilen.

  • Die Möglichkeit, mittels technologie-gestützter Beratung eine Seamless Learning Konzeption für die eigene Unterrichtspraxis zu entwickeln.

Darüber hinaus bietet der toolbasierte Beratungsansatz die Möglichkeit, mit anderen Interessierten, Erfahrungsexpertinnen und -experten und der Community in Kontakt zu treten.

1.7 Verwendungsoptionen für den toolbasierten Beratungsansatz

In der Entwicklung des toolbasierten Beratungsansatzes hat das Team vom Basisprojekt verschiedene Verwendungsoptionen für den Ansatz diskutiert. Aus diesen Diskussionen haben sich drei typische Anwendungsszenarien herauskristallisiert. Die erste Option, ein für sich stehendes Beratungstool, erscheint dabei als diejenige, die intuitiv gedacht zunächst zu priorisieren wäre. Die Überlegungen zeigen jedoch, dass die Autorinnen und Autoren hier Einschränkungen sehen und eher die Verwendungsoptionen zwei und drei zur weiteren Implementierung vorschlagen.

1.7.1 Ein für sich stehendes Beratungstool

Die Szenarien, wie oben beschrieben, können von einzelnen Nutzerinnen und Nutzern, z. B. Lehrenden, Didaktikerinnen und Didaktikern oder Bildungsforschenden, direkt verwendet werden. Der Wert der Nutzung hängt dabei stark von der Reichhaltigkeit und der Qualität der Informationen und den Konzepten auf der Webseite ab. Zudem hängt der Wert von der Passung der Informationen und Erfahrungsbeispiele auf das eigene Problem ab (Nutzungsszenarios 1-4). Wenn unterschiedliche Konzepte dokumentiert sind, sind auch unterschiedliche Kontexte abgedeckt, welche die Wahrscheinlichkeit der Passung von einem Beispiel zum eigenen Anwendungskontext erhöhen. Dies verbessert die Auffindbarkeit von relevanten Informationen und erleichtert den Transfer auf die eigene Unterrichtspraxis.

Die Erfahrung zeigt allerdings, dass ein solches Beratungskonzept eine Schwelle der Nutzungszahlen überwinden muss, um eine gewisse Breite an Kontexten und Brüchen abdecken zu können. Diese Breite wird den Wert der Nutzung beeinflussen und Lehrende an die Plattform binden. Erst wenn eine ausreichende Anzahl von Nutzerinnen und Nutzern mit der Plattform arbeitet, ist der Verbreitungsgrad ausreichend, um eine sinnvolle und nutzenstiftende Auswahl und Passung von Informationen bereitzustellen. Nur über das Erreichen der Schwelle kann sich das Konzept zum Selbstläufer entwickeln und als Beratungstool allein Wirkung erzielen. Auch wenn sich diese Verwendungsoption durchsetzt, müssen dennoch Maßnahmen ergriffen werden (z. B. Aktualisierungen, Kontrolle von unstimmigen Informationen), welche die Qualität der Informationen aufrechterhalten. Aus den Ausführungen kann abgeleitet werden, dass der entwickelte toolbasierte Beratungsansatz, worüber insbesondere die Dokumentation sichergestellt werden kann, ein Betriebskonzept und eine redaktionelle Betreuung benötigt. Folgend werden zwei Konzepte vorgeschlagen, welche die Reichhaltigkeit (Breite) und Qualität der Informationen weiter vorantreiben könnten.

1.7.2 Ein integriertes Beratungskonzept

Der toolbasierte Beratungsansatz kann als eine Arbeitsmethode in Aus- oder Weiterbildungen für Lehrende oder Didaktikerinnen und Didaktiker in verschiedenen Bildungsinstitutionen eingesetzt werden. Wo ein nicht betreutes reines Onlineformat Nachteile vor allem hinsichtlich des Austausches und Feedbacks mit sich bringt, kann der toolbasierte Beratungsansatz die didaktischen Trainerinnen und Trainer in Aus- und Weiterbildungen entlasten. Die aufgearbeiteten Informationen können von den Lehrenden teilweise selbst erarbeitet werden. Der Entwicklungsprozess ist vorstrukturiert. Dies kann den Raum für Austausch und Feedback innerhalb der Aus- oder Weiterbildung stärken, was dem Grundgedanken der Flipped Classroom Konzeption entspricht. Darüber hinaus kann auch die individuelle Beratungs- und Begleitungsleistung intensiviert werden.

Die Qualität der entwickelten Konzepte wird über den Austausch und die Betreuung im Rahmen der didaktischen Aus- und Weiterbildungen zunehmen, was wiederum dazu beiträgt, die Plattform mit reichhaltigeren Dokumentationen der Seamless Learning Konzepte zu bestücken. Dies wiederum steigert die Qualität des Gesamtansatzes.

1.7.3 Ein Publikationskonzept

Eine andere Herangehensweise, um die Anzahl der Konzepte und deren Qualität zu erhöhen, ist die Steigerung der Motivation der Nutzerinnen und Nutzer. Noch immer ist für viele Lehrende das Teilen der eigenen Arbeit, und damit auch ein Einblick in die eigene Vorgehensweise, nicht selbstverständlich. Der Austausch von Lehrmaterialien funktioniert nur beschränkt. Einen Anreiz gibt es dafür allerdings auch nur selten. Um den Austausch und die Kollaboration unter Dozierenden zu fördern, kann mithilfe des toolbasierten Beratungsansatzes ein System etabliert werden, das ein Anreiz für die Entwicklung und das Teilen von Lehrkonzepten und Materialien bietet. Analog zu der Publikationslogik in Forschungsprojekten kann das Publizieren (und Teilen) von Lehr-Konzepten unterstützt werden. Der toolbasierte Beratungsansatz bietet hier einen Weg zur Veröffentlichung der eigenen Konzeption. Die vorgegebene Dokumentationsstruktur und das Beratungstool können den Nutzerinnen und Nutzern im Prozess helfen.

Die externe Motivation, ein Konzept zu veröffentlichen, steigert die Qualität der entwickelten Konzepte, dies führt zu mehr dokumentierten Konzepten auf der Plattform.

1.8 Kritische Reflexion

Der toolbasierte Beratungsansatz wurde wie vorgängig beschrieben aus einem analogen, sehr personengestützten Begleit-Forschungsprozess heraus entwickelt. Die Umstellung auf ein technologiegestütztes Format hat komplexe Fragestellungen mit sich gebracht, die vor, während und nach der Implementierung des Beratungstools diskutiert und reflektiert werden müssen. Die Leitfragen, die den Entwicklungsprozess steuern, wurden in begleiteten, analogen Prozessen getestet. Die Veränderung zu einem digitalen Format, welches mit weniger direkter Interaktion (Begleitung) auskommen muss, führt zu einem neuen Kontext. Es müssen folgende Fragen (neu) gestellt werden:

Will man eine möglichst breite Nutzergruppe ansprechen oder fokussiert man sich auf einen spezifischen Anwenderkreis, damit die notwendige Adaption an die Zielgruppe nicht verloren geht? Aus der Theorie ist bekannt, dass die Verarbeitung von Informationen am besten funktioniert, wenn die Informationen für die primär relevante Zielgruppe bzw. Personen (Cooper, 1999) aufbereitet sind. Das heißt z. B., dass auf dem Vorwissen der Zielgruppe aufgebaut wird. Bei einer breiten und somit heterogenen Gruppe wird eine zielgruppenspezifische Aufbereitung erschwert. Wenn die Informationen zu allgemein werden, besteht die Gefahr, dass die Anwendung oder der Transfer auf die eigene Unterrichtspraxis für die Nutzergruppe erschwert (oder sogar verunmöglicht) wird. Mit der Entscheidung, sich auf eine spezifische Zielgruppe zu fokussieren (wie zum Beispiel im Betriebskonzept vorgeschlagen wurde), verliert man die Breite, welche man gerne hätte, um die Lehre so durchgängig wie möglich gestalten zu können. Aufgrund dieses Spannungsfeldes stellen sich weitere Fragen:

  • Wie viele Informationen müssen zu welchem Detaillierungsgrad zur Verfügung gestellt werden, um eine Balance zwischen Zugänglichkeit (Niederschwelligkeit) und Reichhaltigkeit erreichen zu können?

  • Wie kann man Personen „ins Boot holen“, welche Probleme zum Seamless Learning angehen möchten, dieses Konzept aber nicht kennen und sich somit nicht angesprochen fühlen?

  • Wie eng orientiert man sich an dem Konzept Seamless Learning? Da die Auseinandersetzung mit dem komplexen Konzept eine eher aufwendige Einarbeitung verlangt, wird die Zugänglichkeit (Niederschwelligkeit) des Beratungstools negativ beeinflusst.

Die grundsätzliche Überlegung des Projekts ist es, Seamless Learning Konzepte zur Förderung von durchgängigem Lernen zu entwickeln. Dieses Paradigma beeinflusst die Struktur und die Aufbereitung der didaktischen Materialien im Beratungsansatz. Für Lehren und Lernen, das seamless sein soll, ist ein möglichst breites Publikum aus verschiedenen Disziplinen und Kontexten das Ziel. Insofern muss die Übertragung der persönlichen Begleitung bei der Konzepterstellung auf den toolbasierten Beratungsansatz kontinuierlich evaluiert werden, damit es hier nicht zu neuen Brüchen kommt. Nur so kann die richtige Balance in den beschriebenen Spannungsfeldern kalibriert werden und der toolbasierte Ansatz möglichst viele potenzielle Anwender unterstützen.