1 Hintergrund: Einsamkeit im höheren Erwachsenenalter

Manche Menschen fühlen sich einsamer als andere (Mund et al., 2020). Trotz dieser gewissen Stabilität interindividueller Unterschiede ist das Empfinden von Einsamkeit von individuellen und differenziellen Veränderungen in allen Altersgruppen geprägt (Mund et al., 2020). Einsamkeit stellt einen negativen und stressreichen emotionalen Zustand dar, der aus der Diskrepanz zwischen gewünschtem und aktuellem Ausmaß der sozialen Verbundenheit eines Menschen entsteht (Cacioppo & Hawkley, 2009). Dabei wird die gefühlte Einsamkeit unterschieden von Alleinsein und mangelnder Netzwerkeinbindung (Wohn- und Lebenssituation) oder objektiver sozialer Isolation (Hawkley et al., 2009). Diese können objektiv, von außen beobachtet, müssen jedoch nicht negativ wahrgenommen werden. Alleinsein ist nicht automatisch ein negativer Zustand, sondern kann auch sehr förderlich wirken und selbstgewählt sein. Dagegen ist Einsamkeit ein rein subjektiver Zustand, der durch Unwohlsein bis zum Leidensdruck gekennzeichnet ist und eine funktionale Bedeutung hat: Einsamkeit kann die Funktion haben, Menschen zu motivieren, sich mit anderen Menschen zu vernetzen und die Qualität dieser Beziehungen zu optimieren, sodass sich die Betroffenen (wieder) besser bzw. gut verstanden fühlen und in Resonanz mit anderen Menschen kommen (Cacioppo & Cacioppo, 2018; Damsgaard et al., 2020).

Damit soll Einsamkeit nicht nur als Risiko, sondern genauso als Ressource verstanden werden wie andere persönlichkeitsbezogene Ressourcen (z. B. Schutter et al., 2020). Persönlichkeitsfaktoren und Einsamkeit wurden wiederholt als zusammenhängend gefunden, wobei Extraversion (r = −0,370), Verträglichkeit (r = −0,243), Gewissenhaftigkeit (r = −0,202) und Offenheit (r = −0,107) mit weniger Einsamkeit zusammenhingen und Neurotizismus (r = 0,358) im positiven Zusammenhang mit Einsamkeit stand (Buecker et al., 2020). Dies ist inhaltlich nachvollziehbar, da Menschen, die beispielsweise eine höhere Verträglichkeit aufweisen, stärker in der Lage sind, auf andere Menschen zuzugehen, ihnen positiv und offen zu begegnen und nach Enttäuschungen auch zu verzeihen (Schutter et al., 2020).

Die Evolutionary Theory of Loneliness (Cacioppo & Cacioppo, 2018) erklärt das Erleben von Einsamkeit durch eine Kombination aus Anlage (d. h. Persönlichkeit, Gene) und Umweltfaktoren. Einsamkeit kann als Warnsignal anzeigen, dass soziale Beziehungen gefährdet oder bereits beschädigt sind. Sie hat die evolutionsbiologische Funktion, einsamen Menschen den Impuls zu geben, sich mit für sie bedeutsamen Menschen zu verbinden und Beziehungen (wieder-)herzustellen, zu verbessern oder neu aufzubauen. Damit legt Einsamkeit eine wichtige Grundlage für Verhaltensinitiierung und kann als Risikowahrnehmung eine Änderungsmotivation sein und intentionsbildend wirken.

Gesellschaftlich ist Einsamkeit ein Indikator dafür, dass nicht nur einzelne Menschen ausgeschlossen werden, sondern dass sich ganze soziale Gruppenverbindungen, also der gesellschaftliche Zusammenhalt, auflösen. Finanzielle Ressourcen wie Einkommen können der Einsamkeit entgegenwirken, indem Menschen bspw. an Kulturveranstaltungen teilnehmen (Lippke et al., 2020). Wenn jedoch Bevölkerungsgruppen wie Rentner und Rentnerinnen mit geringen Bezügen sich nicht in der Lage fühlen, an der Gesellschaft zu partizipieren, dann ist dies zum einen eine individuelle, aber auch eine gesellschaftliche Herausforderung (Hajek & König, 2020).

Einsamkeit weist Zusammenhänge mit der Wohn- und Lebenssituation auf: Alleinleben (in einem Einpersonenhaushalt) kann mit psychischen Belastungen und weniger Kontaktmöglichkeiten einhergehen (Gyasi et al., 2020). In einer Studie mit Daten aus England hat sich gezeigt, dass der Wohnort selbst nicht relevant ist, jedoch der Deprivationsscore bzw. die relative Benachteiligung des Wohnumfeldes: Höhere Einsamkeitsniveaus wurden in stärker benachteiligten Gebieten gefunden. Generell ist jedoch der Wohnort weniger von Bedeutung als individuelle Faktoren (Shovestul et al., 2020).

Menschen ohne Kinder und ohne Partner/Partnerin sowie diejenigen, die in einem Einpersonenhaushalt leben, berichten häufiger von Einsamkeit (Beutel et al., 2017; Gyasi et al., 2020). Jedoch können sich Menschen auch mit Partner einsam fühlen: Bei subjektiv eingeschätzter, niedriger Partnerschaftsqualität, z. B. weil es häufig zu Meinungsverschiedenheiten kommt, fühlen sich verheiratete Menschen einsamer als bei hoch bewerteter Partnerschaftsqualität (Hsieh & Hawkley, 2018; Warner & Kelley-Moore, 2012). Partnerschaft kann als protektiver Faktor wirken und scheint nicht durch Freundschaften kompensierbar zu sein (Hsieh & Hawkley, 2018). Eine Studie aus Deutschland konnte zwar zeigen, dass Partnerschaftsstatus und die Zufriedenheit mit dem Alleinsein mit zunehmendem Alter weniger bedeutend waren (Böger & Huxhold, 2020), jedoch bleibt die Frage offen, ob Partnerschaft allgemein negativ mit Einsamkeit korreliert ist oder ob die Qualität der Partnerschaft stärker von Bedeutung ist: Anzunehmen ist, dass eine Partnerschaft nur dann als Ressource wirkt, wenn sie von hoher Qualität und nicht durch häufige Meinungsverschiedenheiten geprägt ist.

Partnerlosigkeit und das Leben in einem Einpersonenhaushalt können mit der Gefahr der Vereinzelung einhergehen, wenn aufgrund von Berentung der gewohnte Kontakt zu Arbeitskollegen entfällt. Auch wenn der Übergang in den Ruhestand nicht automatisch mit einem Anstieg von Einsamkeit verbunden ist, haben Analysen gezeigt, dass die Interaktion aus Ruhestand und Einsamkeit negative Auswirkungen auf die psychische und körperliche Gesundheit nehmen kann (Segel-Karpas et al., 2018). Damit gewinnt Einsamkeit als Risikofaktor in der Übergangsphase in den Ruhestand an Bedeutung.

Gesundheitliche Ressourcen sind eine wichtige Voraussetzung, um Einsamkeit vorzubeugen oder sie zu überwinden: Menschen, die sich als einsam wahrnehmen und darüber hinaus aufgrund von Mobilitätseinschränkungen ihre Wohnung nicht verlassen sowie aufgrund von Sinneseinschränkungen auch nicht technikvermittelt sozial eingebunden sind, laufen Gefahr, dass ihre Einsamkeit bestehen bleibt oder sich sogar noch verstärkt (Smith, 2020). In Deutschland ist jeder zehnte Mensch von Einsamkeit betroffen (Beutel et al., 2017) und dies gleichermaßen vor einigen Dekaden und heutzutage bzw. vor der Covid-19-Pandemie. Einsamkeit zeigt relativ stabile Verläufe, sodass Menschen, die sich über eine gewisse Zeit einsam fühlen, oft längerfristig in diesem Zustand verbleiben (Mund et al., 2020). Unterstützung, um der Einsamkeit entgegenzuwirken, muss aus anderen Lebensbereichen, wie z. B. Familie, bürgerschaftlichem Engagement oder Vereinsstrukturen, kommen (Penninkilampi et al., 2018). Welche spezifischen Konstellationen sich bei Menschen im Übergang in den Ruhestand hinsichtlich Einsamkeit zeigen, hat bisher wenig Aufmerksamkeit erfahren und soll entsprechend untersucht werden, indem insbesondere das Wohnumfeld und die Wohn- und Lebenssituation sowie sozioökonomische Faktoren und Gesundheit im Zusammenhang mit Einsamkeit genauer betrachtet werden.

2 Stichprobe, Fragestellung und Methodik

Die empirische Untersuchung basiert auf den Daten der Panelstudie Transitions and Old Age Potential (TOP). Diese umfasst drei Befragungszeitpunkte im Abstand von jeweils drei Jahren zwischen 2013 und 2019 von Personen der deutschsprachigen Wohnbevölkerung, welche zwischen 1942 und 1958 geboren und telefonisch befragt wurden (Mergenthaler et al., 2021). Einsamkeit wurde erstmals zum dritten Messzeitpunkt erfasst, weshalb die Analysestichprobe die Stichprobe des dritten Befragungszeitpunktes darstellt (N = 1.559).

Die Fragestellung dieses Beitrags bezieht sich auf den Zusammenhang der Wohn- und Lebenssituation mit dem Empfinden von Einsamkeit älterer Menschen. In Bezug auf diese Fragestellung werden zunächst Einsamkeitsgefühle in der Übergangsphase zwischen Erwerbstätigkeit und Ruhestand im Zusammenhang mit potenziellen Einflussfaktoren analysiert. Dazu werden die Einzelitems der UCLA Loneliness Scale-Kurzform (Hughes et al., 2004) und deren Verteilung über vielfältige Indikatoren des Wohnumfelds, der Lebenssituation, von Ressourcen sowie von soziodemografischen Merkmalen mithilfe von Varianz- und Häufigkeitsanalysen untersucht. Im Anschluss wird der Indexwert der UCLA Loneliness Scale als abhängige Variable in einer schrittweisen linearen Regressionsanalyse in fünf Modellen verwendet, um den multivariaten Vorhersagewert derjenigen Variablen zu ermitteln, die sich in der deskriptiven Analyse als aussagekräftig herausgestellt haben.

Die UCLA Loneliness Scale (Russell et al., 1978) setzt sich in der verwendeten Kurzform (Hughes et al., 2004) aus drei Variablen zusammen: soziale Isolation (SI), das Gefühl, außen vor zu sein, (AS) und fehlende Gesellschaft anderer (FG). Die Variable SI ist durch die Frage Wie häufig fühlen Sie sich sozial isoliert? definiert. Die Frage Wie häufig haben Sie das Gefühl, außen vor zu sein? wurde allen Teilnehmern zur Erfassung von AS gestellt, während FG durch die Frage Wie häufig haben Sie das Gefühl, dass Ihnen die Gesellschaft anderer fehlt? erfasst wurde. Tab. 4.1 zeigt die Verteilung der drei Items in der Stichprobe. Aufgrund der geringen Anteile in den Kategorien oft und manchmal wurden diese beiden Kategorien für die deskriptive Analyse zur Kategorie oft/manchmal zusammengefasst. Ähnlich geringe Anteile in diesen Ausprägungen zeigen sich in der Auswertung aktueller Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), in dem ein Großteil der Bevölkerung nur selten oder nie Einsamkeitsgefühle berichtet. Etwa 5 % der Befragten fühlen sich oft sozial isoliert (11 % manchmal). Knapp 7 % berichten, oft das Gefühl zu haben, sich außen vor zu fühlen (etwa 20 % manchmal), während 9,5 % der befragten Personen oft die Gesellschaft anderer fehlt (31,4 % manchmal; Eyerund & Orth, 2019). Betrachtet man ausschließlich Personen über 60 Jahre, zeigen sich kaum andere Muster. Auch in dieser Altersgruppe empfindet ungefähr jeder/jede Zehnte (10,8 %) sehr oft oder oft Einsamkeitsgefühle (Eyerund & Orth, 2019).

Tab. 4.1 Verteilung der Einsamkeitsgefühle SI, AS und FG über Wohn- und Lebenssituation sowie über Ressourcen.

Der Index der UCLA Loneliness Scale wurde als Mittelwert der drei beschriebenen Einzelitems gebildet (vgl. Luhmann & Hawkley, 2016). Dafür wurden den Antworten jeweils die Werte 3 (oft), 2 (manchmal), 1 (selten) und 0 (niemals) zugeordnet. Der Mittelwert des Index für die vorliegende Analysestichprobe beträgt 0,8 (SA = 0,62), was ungefähr der Ausprägung selten entspricht.

Zentrale unabhängige und kontrollierende Variablen. Alter zu T3 ist eine kontinuierliche, nach Panelmortalität gültige Variable zwischen 60 und 77 Jahren (M = 68,4; SA = 4,7). Das Geschlecht wurde von den Interviewern erfasst. Der Frauenanteil der Stichprobe liegt bei 49,8 %. Die Bildung wurde einmal zu T1 anhand der Anzahl der Jahre in schulischer und beruflicher Ausbildung erfragt (M = 13,9; SA = 3,19). Die Haushaltsgröße wurde für die deskriptiven Analysen kategorial und für die multivariaten Analysen kontinuierlich (Spanne: 1 bis 9) verwendet und bezeichnet die Anzahl von Personen, die im eigenen Haushalt dauerhaft leben (M = 1,9; SA = 0,73). Die Anzahl der eigenen Kinder wurde als kontinuierliche Variable verwendet und weist eine Spanne von 0 bis 6 auf (M = 1,8; SA = 1,17).

Für die Erfassung des Einkommens wurde das monatliche HaushaltsnettoäquivalenzeinkommenFootnote 1 verwendet (M = 2.297,21; SA = 1.310,07). Für die deskriptiven Analysen wurde zusätzlich eine Einkommensvariable auf Haushaltsebene mit drei Kategorien gebildet, die jeweils das untere, mittlere und obere Drittel der Verteilung zusammenfasst. Aus den siedlungsstrukturellen Kreistypen (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, 2012) wurde die dichotome Variable Stadt/Land gebildet, die das Wohnen in der Stadt (kreisfreie Großstädte und städtische Kreise; 69,4 %) oder auf dem Land (ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen und dünn besiedelte ländliche Kreise) darstellt. Das Wohnen im westlichen (84,1 %) und im östlichen Landesteil wurde in die Variable West/Ost eingeteilt. Um den sozioökonomischen Status darzustellen, wurde eine Dreiteilung in Armutsgefährdung (10,1 %), mittlere Einkommen (84,2 %) und Reichtum (5,7 %) vorgenommen. Als armutsgefährdet gelten dabei Personen, die ein Einkommen von weniger als 60 % des medianen Nettoäquivalenzeinkommens der Stichprobe (Md = 2.000 €) aufweisen. Von Reichtum wird bei mehr als 200 % des medianen Nettoäquivalenzeinkommens der Stichprobe ausgegangen (vgl. Statistisches Bundesamt, 2020).

Die Einteilung der körperlichen Aktivität wurde nach den Richtlinien des American College of Sports Medicine vorgenommen (Garber et al., 2011). Neben Empfehlungen für Häufigkeit und Umfang wird dabei zusätzlich zwischen den sportmotorischen Fähigkeiten unterschieden. Die Erfassung der körperlichen Aktivität erfolgte in der vorliegenden Studie jedoch nicht fähigkeitszentriert, sondern lediglich nach Häufigkeit und Umfang, anhand der Frage Wie oft sind Sie 30 min oder länger körperlich aktiv, zum Beispiel beim Sport? mit den Antwortmöglichkeiten 1) Weniger als einmal wöchentlich, 2) Ein- bis zweimal wöchentlich, 3) Drei- bis viermal wöchentlich, 4) Fünfmal wöchentlich oder mehr. In Anwendung der Empfehlungen von Garber et al. (2011) wurde eine ausreichende körperliche Aktivität bei einer wöchentlichen Häufigkeit von mindestens drei- bis viermal im empfohlenen und erfragten Umfang angenommen (67,3 %), während eine ein- oder zweimal pro Woche oder weniger durchgeführte Aktivität als unzureichend aktiv gewertet wurde.

Um dem reinen Vorhandensein einer Partnerschaft die Dimension der Partnerschaftsqualität hinzuzufügen, wurde das Item Und wie sehen Sie Ihre Partnerschaft? Wir haben oft Meinungsverschiedenheiten verwendet (Mergenthaler et al., 2021). Dabei wurden Personen, die diese Frage mit 1) Stimme voll und ganz zu und 2) Stimme eher zu beantworteten, einer Partnerschaft mit Meinungsverschiedenheiten zugeordnet (23,2 %), während für die Antworten 3) Stimme eher nicht zu und 4) Stimme überhaupt nicht zu eine Zuordnung zu einer Partnerschaft ohne Meinungsverschiedenheiten vorgenommen wurde (52,2 %). 24,6 % der Stichprobe haben keinen Partner.

Die physische (M = 48,0; SA = 9,88) und mentale (M = 55,8; SA = 8,50) Gesundheit wurden mit dem standardisierten SF12v2 erfasst (Ware et al., 1996). Die Persönlichkeitsmerkmale soziale Verträglichkeit, Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen, Neurotizismus, Extraversion und Gewissenhaftigkeit wurden mithilfe des Big Five Dimensional Circumplex Questionnaires gemessen (Hofstee et al., 1992) und mit jeweils drei Items auf einer 4er-Likert-Skala erfasst. Für die Berechnung der fünf Dimensionen wurde der Mittelwert der jeweiligen drei Einzelitems verwendet.

Die Bildung und Verteilung aller Einzelitems können unter Mergenthaler et al. (2021) eingesehen werden.

3 Ergebnisse

3.1 Einsamkeitsgefühle in der Übergangsphase in den Ruhestand

Die nachfolgenden Analysen sollen klären, welche Faktoren mit der Verbreitung von Einsamkeitsgefühlen zusammenhängen. Hierfür werden verschiedene Indikatoren bezüglich der geografischen und demografischen Wohnsituation sowie Faktoren der Lebenssituation, soziodemografische und -ökonomische Aspekte, Gesundheitszustand und Facetten der Persönlichkeit deskriptiv näher betrachtet. Dazu werden die Gefühle der sozialen Isolation, außen vor zu sein und das Fehlen der Gesellschaft anderer in Bezug zu den genannten Indikatoren gesetzt. Im Jahr 2019 fühlen sich 10,6 % der 60- bis 77-Jährigen oft/manchmal sozial isoliert (SI). Weitere 30,7 % empfinden selten und 58,8 % der Befragten nie dieses Gefühl.

Betrachtet man spezifische Aspekte des Wohnens (Tab. 4.1), lassen sich bezüglich der Wohnregion keine Unterschiede finden: Personen aus Westdeutschland berichten nicht öfters von SI als Personen aus Ostdeutschland. Weiterhin lässt sich kein Unterschied zwischen Personen, die in der Stadt oder in ländlichen Regionen leben, finden. Auch unterschiedliche Haushaltsgrößen stehen nicht mit der Verbreitung von SI in Zusammenhang.

Der Anteil an Personen, die sich sozial isoliert fühlen, unterscheidet sich bedeutsam hinsichtlich unterschiedlicher sozioökonomischer Status. 7,5 % der Personen mit einem Haushaltsnettoäquivalenzeinkommen größer oder gleich 2.501 € geben an, sich oft/manchmal sozial isoliert zu fühlen, während es in der Einkommensgruppe kleiner oder gleich 1.650 € 14,7 % sind (χ2(4) = 16,69; p = 0,002; V = 0,08). Noch deutlichere Unterschiede werden im Hinblick auf extreme sozioökonomische Status erkennbar: Während 6 % der Personen, die in Reichtum leben, oft/manchmal von SI berichten, sind es 19,9 % der armutsgefährdeten Personen (χ2(4) = 18,78; p = 0,001; V = 0,08).

Der Anteil an Personen, die sich sozial isoliert fühlen, variiert ebenfalls beachtlich mit dem Ausmaß an körperlicher Aktivität. SI ist vor allem bei Personen mit einer unzureichenden körperlichen Aktivität verbreitet (χ2(2) = 10,77; p = 0,005; V = 0,08). Ein weiterer bemerkenswerter Unterschied in der Verteilung von SI zeigt sich außerdem bezüglich der Gesundheit: Befragte, die sich oft/manchmal sozial isoliert fühlen, weisen durchschnittlich einen schlechteren physischen wie auch mentalen Gesundheitsstatus auf.

Weiterhin zeigt sich hinsichtlich SI, dass Personen mit einer stärkeren Ausprägung der Persönlichkeitseigenschaften Verträglichkeit (η2 = 0,02), Extraversion (η2 = 0,04) und Offenheit (η2 = 0,01) seltener von SI berichten. Personen, die eine stärkere Ausprägung in Neurotizismus (η2 = 0,04) aufweisen, fühlen sich häufiger sozial isoliert (Tab. 4.1).

Sich außen vor zu fühlen (AS) stellt ein weiteres Einsamkeitsgefühl der Skala dar. 17,8 % der Befragten berichten, oft/manchmal dieses Gefühl zu haben, während 46,8 % der Befragten selten das Gefühl, außen vor zu sein, verspüren. 35,4 % fühlen sich nie außen vor (Tab. 4.1).

Die Verbreitung von AS variiert beachtlich mit der Haushaltsgröße. 24,4 % der Personen, die alleine leben, fühlen sich oft/manchmal außen vor. 15,4 % bzw. 16,3 % der Personen aus Zwei- bzw. Drei- oder mehr Personenhaushalten berichten davon, dieses Gefühl oft/manchmal zu empfinden (χ2(4) = 20,40; p < 0,001; V = 0,08). Bei der Betrachtung weiterer Wohnaspekte zeigt sich kein Unterschied. Ein bedeutsamer Unterschied lässt sich hingegen zwischen verheirateten und nicht verheirateten Personen finden. So fühlen sich 15,3 % der Personen in einer Ehe oft/manchmal außen vor, während 23,4 % der nicht verheirateten Personen dies verspüren (χ2(2) = 15,85; p < 0,001; V = 0,10).

Das Auftreten von AS differiert zwischen Personen unterschiedlicher Einkommensklassen: 22,7 % der Personen mit einem Haushaltsnettoäquivalenzeinkommen unter 1.651 € berichten, oft/manchmal das Gefühl zu haben, außen vor zu sein, während 12,6 % der Befragten mit einem Einkommen größer als 2.500 € sich oft/manchmal außen vor fühlen (χ2(4) = 21,64; p < 0,001; V = 0,09).

Im Hinblick auf körperliche Aktivität zeigt sich, dass sich unzureichend aktive Personen häufiger außen vor fühlen als Personen mit ausreichender körperlicher Aktivität (χ2(2) = 9,91; p = 0,007; V = 0,08). Ebenfalls unterscheidet sich die Verteilung zwischen Personen hinsichtlich der Gesundheit. So weisen Befragte, die oft/manchmal von AS berichten, im Durchschnitt eine schlechtere physische sowie mentale Gesundheit im Vergleich zu Befragten auf, die sich selten oder nie außen vor fühlen.

In Bezug auf die Persönlichkeit variiert das Gefühl AS ebenfalls bedeutsam, indem stärkere Ausprägungen von Verträglichkeit (η2 = 0,01), Offenheit (η2 = 0,01) sowie von Extraversion (η2 = 0,03) mit seltener erlebten Gefühlen des Außen-vor-Seins einhergehen. Personen mit einer stärkeren Ausprägung von Neurotizismus (η2 = 0,03) fühlen sich häufiger außen vor (Tab. 4.1).

Als drittes Einsamkeitsgefühl wurde das Fehlen der Gesellschaft anderer (FG) untersucht. Dieses Gefühl verspüren 27,4 % der Befragten oft/manchmal, weitere 40,7 % selten, während 32 % nie das Gefühl aufweisen, dass ihnen die Gesellschaft anderer fehlt. Die Verteilung von FG variiert hierbei zwischen Befragten, die in Haushalten von unterschiedlicher Größe leben: So fehlt Personen, die alleine leben (38,4 %), häufiger die Gesellschaft anderer als Personen, die in einem Haushalt mit zwei (23,8 %) oder in einem Haushalt mit drei bzw. mehr Personen (23,2 %) leben (χ2(4) = 32,90; p < 0,001; V = 0,10). Die Verteilung von FG zeigt keine Unterschiede zwischen Personen aus West- und Ostdeutschland sowie zwischen Personen aus unterschiedlichen siedlungsstrukturellen Kreistypen.

FG unterscheidet sich jedoch statistisch bedeutsam zwischen verheirateten und unverheirateten Personen. So fehlt 23,9 % der verheirateten Personen oft/manchmal die Gesellschaft anderer, während dies bei unverheirateten Personen um ca. 12 Prozentpunkte höher liegt (s. Tab. 4.1; χ2(2) = 22,63; p = 0,001; V = 0,12). Zudem unterscheidet sich das Auftreten von FG hinsichtlich der Kinderanzahl: Personen, denen die Gesellschaft anderer oft/manchmal fehlt, haben durchschnittlich weniger Kinder als Personen, die selten oder nie von fehlender Gesellschaft anderer berichten (F(2;970,3) = 6,50; p = 0,002; η2 = 0,01). Hinsichtlich der Enkelkinderzahl zeigen sich keine Unterschiede.

Ein weiterer bedeutsamer Unterschied von FG wird zwischen Personen mit unterschiedlichem sozioökonomischen Status erkennbar: 31,5 % der Befragten, die aufgrund ihres Einkommens als armutsgefährdet gelten, verspüren oft/manchmal FG, während lediglich ungefähr halb so viele der Befragten mit hohem Einkommen in dieser Ausprägung davon berichten (s. Tab. 4.1; χ2(4) = 10,05; p = 0,04; V = 0,06). Ebenfalls unterscheidet sich die Verteilung von FG über ausreichend körperlich aktive und unzureichend aktive Personen hinweg, indem 25,3 % der ausreichend aktiven Personen berichten, oft/manchmal FG zu empfinden, während dies 32,3 % der unzureichend aktiven Personen tun (χ2(2) = 11,65; p = 0,003; V = 0,09). Hinsichtlich der Gesundheit zeigt sich, dass Befragte, denen die Gesellschaft anderer oft/manchmal fehlt, von einer geringeren mentalen Gesundheit berichten als Personen, denen selten oder nie die Gesellschaft anderer fehlt (F(2;918,4) = 42,09; p < 0,001; η2 = 0,06). In Hinblick auf die physische Gesundheit zeigt sich kein Unterschied.

Im Bereich soziodemografischer Merkmale besteht innerhalb unterschiedlicher Altersgruppen sowie hinsichtlich des Geschlechts eine lediglich geringe, jedoch statistisch bedeutsame unterschiedliche Verteilung von FG. So berichten 28,6 % der 69- bis 77-Jährigen oft/manchmal von FG, während dies bei den 60- bis 68-Jährigen 26,4 % sind (χ2(2) = 7,34; p = 0,025; V = 0,07). Weiterhin berichten Frauen (30,4 %) häufiger als Männer (24,6 %) oft/manchmal das Gefühl von FG (χ2(2) = 6,88; p = 0,032; V = 0,07).

Über Persönlichkeitseigenschaften hinweg zeigen sich Unterschiede in der Verteilung von FG, indem ein höherer Grad von Verträglichkeit (η2 = 0,02), Offenheit (η2 = 0,01) sowie von Extraversion (η2 = 0,05) mit einem weniger ausgeprägten Gefühl von FG einhergeht. Eine höhere Ausprägung hinsichtlich Neurotizismus ist hingegen mit einem gesteigerten Gefühl fehlender Gesellschaft anderer assoziiert (s. Tab. 4.1; η2 = 0,03).

3.2 Zusammenhänge von Wohn- und Lebensumfeld sowie Ressourcen mit Einsamkeit

Um zentrale Zusammenhänge mit Einsamkeit in der Übergangsphase in den Ruhestand unter Kontrolle eventueller Einflussgrößen zu analysieren, wurden in fünf linearen Regressionsmodellen die Variablenblöcke Wohnen, Leben, Ressourcen und soziodemografische Merkmale in unterschiedlichen Kombinationen als unabhängige und Kontrollvariablen eingesetzt. Als abhängige Variable wurde dabei durchgehend der Index für Einsamkeit der UCLA Loneliness Scale verwendet.

Tab. 4.2 Ergebnisse der linearen Regressionsanalyse (AV: UCLA Loneliness Scale).

Modell 1 zeigt den Zusammenhang von Wohnen mit Einsamkeit unter Kontrolle für die soziodemografischen Variablen Alter, Geschlecht und Bildung (Tab. 4.2). Geografische Aspekte hängen in diesem Modell nicht mit der Einsamkeit zusammen, sodass weder städtisches oder ländliches Wohnen noch das Wohnen in West- oder Ostdeutschland Unterschiede zeigen. Die Haushaltsgröße weist allerdings einen statistisch bedeutsamen Unterschied auf, indem eine Zunahme der Haushaltsgröße mit einer Abnahme des Einsamkeitsindex und damit einer als geringer empfundenen Einsamkeit einhergeht. Die deskriptiven Analysen in Abschnitt 4.3.1 zeigen bereits, dass insbesondere das Alleinleben, also das Leben in einem Einpersonenhaushalt, negativ mit den Einsamkeitsgefühlen zusammenhängt. Dies spiegelt sich in der multivariaten Analyse zunächst wider. Jedoch gilt es zu beachten, dass das Modell 1 nur sehr wenig Varianz aufklärt und statistisch nicht bedeutsam ist (FM1(6;1.550) = 1,811; p = 0,093; R2korr = 0,003).

Für die Analyse in Modell 2 wurde der Block Leben hinzugefügt. Dabei zeigt sich, dass durch die Kontrolle von Partnerschaft und Partnerschaftsqualität sowie der Anzahl eigener Kinder der Zusammenhang zwischen Haushaltsgröße und Einsamkeit verschwindet. In einer Partnerschaft ohne häufige Meinungsverschiedenheiten zu leben, weist gegenüber keiner Partnerschaft einen deutlich verringerten Wert auf der Einsamkeitsskala auf (β = −0,155; p < 0,001). Demgegenüber hat eine Partnerschaft mit häufigen Meinungsverschiedenheiten keinen Vorteil gegenüber dem Zustand, partnerlos zu sein (β = 0,002; p = 0,951). Mit steigender Anzahl an Kindern ist der Zusammenhang mit der Einsamkeitsskala statistisch bedeutsam negativ (β = −0,083; p = 0,001). Dieses Modell besitzt einen signifikanten Aufklärungswert (FM2(9;1.550) = 5,999; p < 0,001; R2korr = 0,028).

Finanzielle, gesundheitliche und persönlichkeitsbezogene Ressourcen wurden in Modell 3 unter Kontrolle für soziodemografische Merkmale analysiert. Personen, die ein Einkommen von unter 60 % des medianen Haushaltsnettoäquivalenzeinkommens aufweisen, zeigen im Vergleich zu Personen mit mittleren Einkommen eine höhere Einsamkeit (β = 0,057; p = 0,017). Das Kriterium für Einkommensreichtum zu erfüllen, weist hingegen keinen Unterschied bezüglich der Einsamkeit im Vergleich zu Personen mit mittleren Einkommen auf. Armutsgefährdung zeigt also im Vergleich zu mittleren und hohen bis sehr hohen Einkommen eine erhöhte Einsamkeitswahrscheinlichkeit. In Bezug auf Gesundheit und gesundheitsförderndes Verhalten resultiert, dass die Ausprägung physischer und mentaler Gesundheit mit den Werten der Einsamkeitsskala zusammenhängt. Insbesondere die mentale Gesundheit ist dabei stark mit Einsamkeit assoziiert (β = 0,300; p < 0,001). Das Ausmaß an regelmäßiger körperlicher Aktivität tritt hinter dem Gesundheitszustand zurück und ist bei gleichzeitiger Kontrolle der anderen Variablen nicht mehr statistisch bedeutsam korreliert mit Einsamkeit. Die Persönlichkeitsmerkmale Extraversion (β = −0,113; p < 0,001) und Gewissenhaftigkeit (β = −0,086; p = 0,002) sind negativ mit der Einsamkeitsskala korreliert, sodass eine stärkere Ausprägung im jeweiligen Persönlichkeitsmerkmal mit geringeren Einsamkeitswerten einhergeht. Neurotizismus (β = 0,151; p < 0,001) ist hingegen positiv verbunden, sodass eine stärkere Ausprägung von Neurotizismus mit einer stärkeren Ausprägung von Einsamkeit einhergeht. Im Bereich der soziodemografischen Merkmale zeigt die Variable Geschlecht, dass Männer durch geringere Einsamkeitswerte gekennzeichnet sind als Frauen. Modell 3 weist eine Varianzaufklärung von 20,9 % auf (Tab. 4.2).

Um zu überprüfen, ob die statistisch bedeutsamen Effekte des Blocks Leben auch unter Berücksichtigung der Ressourcen bestehen bleiben, wurden diese beiden Blöcke in Modell 4 unter Kontrolle von soziodemografischen Merkmalen analysiert. Während sich erwartungsgemäß die Erklärungskraft gegenüber den vorhergehenden Modellen erhöht (R2korr = 0,225), bleibt die Bedeutsamkeit der einzelnen Koeffizienten wie in den Modellen 2 und 3 bestehen. Konkret zeigt sich, dass die Partnerschaftsqualität und die Anzahl an Kindern auch unter Berücksichtigung der Ressourcen einen statistisch signifikanten Zusammenhang mit den Werten der Einsamkeitsskala aufweisen (Tab. 4.2). Die finanziellen, gesundheitlichen und persönlichkeitsbezogenen Ressourcen besitzen außerdem vergleichbare Werte zum dritten Modell. Ein Unterschied zwischen Modell 3 und 4 besteht im Bereich der soziodemografischen Merkmale, indem der Zusammenhang mit Geschlecht durch Hinzunahme des Blocks Leben nicht mehr signifikant ist.

Modell 5 analysiert die simultanen Interkorrelationen von Wohnen und Ressourcen unter Kontrolle für soziodemografische Merkmale. Bei einer Varianzaufklärung von 21,1 % hängt ein Anstieg in der Haushaltsgröße mit reduzierten Werten auf der Einsamkeitsskala zusammen, während geografische Indikatoren keine Korrelation mit Einsamkeit aufweisen. Im Bereich der Ressourcen zeigen Armutsgefährdung (β = 0,064, p = 0,008), physische (β = −0,065; p = 0,008) und mentale Gesundheit (β = −0,296; p < 0,001) sowie die Persönlichkeitsmerkmale Neurotizismus (β = 0,153; p < 0,001), Extraversion (β = −0,115; p < 0,001) und Gewissenhaftigkeit (β = −0,086; p = 0,002) Zusammenhänge mit den Werten der Einsamkeitsskala. Geschlecht korreliert in diesem Modell dahingehend mit Einsamkeit, dass Männer geringere Werte aufweisen als Frauen (β = −0,053; p = 0,034).

4 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse

Die Evolutionary Theory of Loneliness (Cacioppo & Cacioppo, 2018) beschreibt das Auftreten von Einsamkeit als eine Kombination aus Anlage (z. B. Persönlichkeit) und Umwelt (z. B. Partnerschaft) und wurde entsprechend als Grundlage der Untersuchung genutzt. In der vorliegenden Studie konnten wir zeigen, dass theoriekonform Persönlichkeitsmerkmale und weitere vorhandene Ressourcen sowie die Wohn- und Lebensumwelt im Zusammenspiel für das Empfinden von Einsamkeit bedeutsam sind.

Die Analysen weisen darauf hin, dass sich die Rolle der Haushaltsgröße für das Empfinden von Einsamkeit durch das Leben in einer Partnerschaft bzw. durch das Eingebettetsein in eine Familie verringert. Dies überrascht kaum, da Menschen innerhalb Beziehungen selten alleine wohnen und sich bereits dadurch in Gesellschaft anderer befinden. Jedoch zeigt sich hier ein beachtenswerter Effekt: Während Menschen mit seltenen Meinungsverschiedenheiten in der Partnerschaft bedeutsam seltener von Einsamkeit berichten als Menschen ohne Partnerschaft (dazu z. B. auch Hsieh & Hawkley, 2018; Warner & Kelley-Moore, 2012), weisen diejenigen mit häufigen Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Partner keinen Unterschied zu den Partnerlosen hinsichtlich subjektiv empfundener Einsamkeit auf. Dies bedeutet, dass die Qualität der Partnerschaft eine entscheidende Rolle spielt und es falsch wäre anzunehmen, dass jegliche Partnerschaft vor Einsamkeit schützt. Mit anderen Worten: Auch gemeinsam kann man einsam sein (dazu z. B. Hajek & König, 2020; Hsieh & Hawkley, 2018; Pinquart & Sörensen, 2001; Warner & Kelley-Moore, 2012). Nur eine subjektiv auch als qualitativ hochwertig eingeschätzte Partnerschaft bringt also Vorteile mit sich. Dies weist auf die immense Bedeutung der Paarbeziehung, insbesondere in der Übergangsphase in den Ruhestand, hin, in der bereits durch den Verlust der sozialen Rolle des Berufs eine sozioemotionale Umstellung erfolgen muss. Die Beziehung zum Partner rückt dadurch stärker in den Vordergrund und kann dazu beitragen, diese Umstellung erfolgreich zu meistern. Sollten durch den Übergang in den Ruhestand z. B. Gefühle von sozialer Isolation oder des Außen-vor-Seins eintreten, könnte eine hohe Beziehungsqualität eine Pufferwirkung entfalten (Gyasi et al., 2020; Hajek & König, 2020). Bestehen jedoch häufig Meinungsverschiedenheiten, vermag die Partnerschaft das Gefühl der Isolation nicht zu verhindern oder zu beseitigen (Hsieh & Hawkley, 2018; Warner & Kelley-Moore, 2012).

Das Vorhandensein von Kindern trägt darüber hinaus zu einem geringeren Einsamkeitsempfinden bei, auch wenn der Effekt nicht so groß ist wie derjenige der Partnerschaftsqualität. Dies könnte dadurch begründet sein, dass in der Übergangsphase in den Ruhestand die eigenen Kinder bereits selbst erwachsen sind und eventuell durch eine räumliche Distanz nur seltener Austausch besteht. Trotzdem stellt sich das grundsätzliche Eingebettetsein in eine Familie mit Kindern und evtl. auch Enkelkindern (auch wenn dies in der vorliegenden Studie nicht nachgewiesen werden konnte) als Faktor gegen Einsamkeit heraus (van den Beutel et al., 2017; Broek & Tosi, 2020; Gyasi et al., 2020). Der Bereich des Lebens weist gegenüber dem geografischen Wohnen eine übergeordnete Bedeutsamkeit auf, sodass es weniger wichtig erscheint, wo man wohnt als wie man lebt.

Die analysierten Ressourcen weisen eine entscheidende Bedeutung für das Empfinden von Einsamkeit auf. Die finanzielle Ausstattung und die körperliche sowie mentale Gesundheit hängen bereits mit subjektiv erlebten Einsamkeitsgefühlen zusammen. Auch im multivariaten Analysemodell zeigt sich dementsprechend, dass soziale Partizipationsmöglichkeiten offensichtlich stark von finanziellen und gesundheitlichen Gegebenheiten abhängen: Menschen, die hinsichtlich dieser Variablen Einschränkungen aufweisen, sind stärker gefährdet, im Zuge der Entberuflichung einsam zu werden. Dass sich diese Ressourcen wichtiger als das kalendarische Alter herausstellen, spiegelt bisherige Evidenzen wider (z. B. Luhmann & Hawkley, 2016). Außerdem weist dies darauf hin, dass nicht das Älterwerden an sich problematisch ist, sondern dass eine nicht zufriedenstellende Ausstattung mit finanziellen Möglichkeiten, körperlichen und geistigen Fähigkeiten den Aktionsradius von Menschen in der Übergangsphase in den Ruhestand allgemein einschränkt. Handeln zu können stellt die Voraussetzung für das Handeln an sich dar.

Wie wichtig das Handeln für jeden Menschen selbst ist, berichtet bereits die politische Theoretikerin Hannah Arendt in ihrem Werk Vita activa oder vom tätigen Leben, indem sie darauf verweist, dass der Austausch zwischen Menschen in Wort und Tat als höchste Form des Tätigseins zu werten ist (Arendt, 1960). Nur wer handelt und Initiative ergreift, kann aktiv zeigen, wer er ist und schöpft daraus Anerkennung (Arendt, 1960). Eine limitierte Partizipation, ein Nicht-handeln-Können aufgrund eingeschränkter Mittel, führt deshalb vor Augen, wie eine unfreiwillig erlebte soziale Isolation der Person Schaden zufügen kann (Kruse, 2017).

Persönlichkeitseigenschaften als anlagebedingte Ressourcen zeigen außerdem, dass emotional stabile, extravertierte und gewissenhafte Menschen wesentlich seltener von Einsamkeit berichten. Ein Mensch, dessen Wesen es ist, auf andere zuzugehen, sich in neue Situationen zu begeben und sich in diesen einzubringen, weist dementsprechend seltener subjektiv erlebte Einsamkeit auf. Darüber hinaus scheint es außerdem förderlich, ein geringeres Maß an Neurotizismus aufzuweisen, also weniger ängstlich, reizbar und launisch in bestimmten Situationen zu sein. Denn emotionale Stabilität kann helfen, mit Schwierigkeiten umzugehen und der subjektiven sozialen Isolation entgegenzuwirken.

Bemerkenswerterweise zeigt sich in der Analyse, dass diese Ressourcen keinen Ersatz für die Lebensgestaltung hinsichtlich enger Beziehungen darstellen. Selbst mit einer guten Ausstattung an Ressourcen behält der Bereich der Lebensgestaltung seine Bedeutung. Entsprechend kann eine Stärkung von Ressourcen für die Vermeidung von Einsamkeit zwar als wichtig gelten, jedoch das Leben in einer qualitativ hochwertigen Beziehung und das Eingebettetsein in eine Familie keinesfalls ersetzen. Schließlich zeigt sich dazu ergänzend, dass auch beim Vorhandensein von Ressourcen das Alleinwohnen ein für sich stehender Risikofaktor für Einsamkeit in der Gruppe der älteren Erwachsenen ist. Bei der Gestaltung des Übergangs in den Ruhestand sollte also darauf geachtet werden, dass sowohl die finanziellen als auch die gesundheitlichen Ressourcen gesichert werden. Gleichermaßen wichtig erscheint es aber, Wert auf eine qualitativ hochwertige Paarbeziehung und den Kontakt zu den eigenen Kindern zu legen. Dabei offen für und neugierig auf neue Erfahrungen zu bleiben und sich diesen gewissenhaft und positiv zu widmen, kann als Gesamtbasis dabei helfen, Einsamkeit in der Phase der Umstellung auf den Ruhestand zu vermeiden.

5 Ausblick und Empfehlungen

Einsamkeit stellt sich als ein mehrdimensionales Phänomen dar, das vornehmlich dadurch determiniert wird, wie jemand lebt, was er hat und wie er ist. Einsamkeit tritt unabhängig von geografischem Wohnen auf. Es könnte allerdings sein, dass regionale Deprivationskennzahlen einen Zusammenhang mit Einsamkeit aufweisen. Dies konnte in der vorliegenden Studie nicht untersucht werden, stellte sich jedoch bereits in England als Einflussfaktor heraus (Shovestul et al., 2020) und gibt für Deutschland eine weiterführende Fragestellung auf. Unsere Studie konnte lediglich zeigen, dass das Wohnen im städtischen oder ländlichen Raum sowie in Ost- oder Westdeutschland keine Unterschiede hinsichtlich Einsamkeit erkennen ließ. Kleinräumige, sozialraumorientierte Analysen könnten deshalb vielversprechend für die Zukunft sein.

Zur Vermeidung von Einsamkeit in der Übergangsphase in den Ruhestand ist zu empfehlen, die Mehrdimensionalität zu beachten: Der Verlust der sozialen Rolle des Erwerbstätigen kann per se bereits einen Ausschluss aus einem Lebensbereich darstellen. In diesem Übergang scheint es deshalb wichtig zu sein, die eigene Paarbeziehung zu optimieren und in Kommunikation zu einer qualitativ hochwertigen Partnerschaft zu gelangen oder diese zu erhalten. Darüber hinaus sollten gesundheitsfördernde Maßnahmen bzw. ein gesunder Lebensstil dazu beitragen, die eigene Handlungs- und Partizipationsfähigkeit zu gewährleisten, um dadurch an gesellschaftlichen Prozessen teilhaben zu können. Politische Akteure sind dementsprechend dazu angehalten, den öffentlichen Raum so zu gestalten, dass Menschen auch nach dem Übergang in den Ruhestand an und in ihm partizipieren können. Hierbei sollten auch Menschen mit geringen finanziellen Ressourcen berücksichtigt werden, sodass Partizipation keine Frage des Geldes darstellt. Barrierefreiheit für gesundheitlich Eingeschränkte trägt ein Weiteres zur Beteiligung möglichst vieler am öffentlichen Raum bei. Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen, die Menschen im Übergang in den Ruhestand mit notwendigen Informationen und Beteiligungsoptionen versorgen, könnten außerdem dazu beitragen, dass Einsamkeit im höheren Erwachsenenalter handlungsrelevant vermieden werden kann.

In Zeiten der Covid-19-Pandemie sind insbesondere die Partizipationsmöglichkeiten im öffentlichen Raum sowie soziale Kontakte eingeschränkt. Erste Studien weisen darauf hin, dass der persönliche Kontakt Älterer zu wichtigen Personen nur unzureichend durch technische Kontakte kompensiert werden kann. Pavlova und Kliemisch (2020) konnten zeigen, dass Einsamkeitsgefühle nur bei denjenigen Älteren verringert waren, die persönliche und nicht lediglich technologievermittelte Kontakte in der Zeit der Covid-19-Beschränkungen realisieren konnten. Dies verdeutlicht, wie zentral sich der Kontakt zu emotional nahen Personen für die Vermeidung von Einsamkeit darstellt.

Politische Entscheidungsträger sollten dementsprechend darauf achten, dass trotz der gebotenen Regeln zur Beschränkung von sozialen Kontakten die Beziehungen zu wichtigen Menschen persönlich gepflegt werden können und darüber hinaus das Aufrechterhalten von finanziellen und gesundheitlichen Ressourcen in die Überlegungen einfließen und unbedingt Berücksichtigung finden sollten. Die Teilhabe am öffentlichen Raum ist nach wie vor mit gewissen Einschränkungen verbunden. Eine Öffnung sollte jedoch im Lichte der Vermeidung von unfreiwillig erfahrener Isolation und erlebter Einsamkeit mithilfe neuer, kreativer Lösungen optimiert gestaltet werden, sodass Menschen aller Altersgruppen die Teilhabe am öffentlichen Leben (wenn auch in veränderter Form) realisieren können.

Hannah Arendt weist bereits in ihrem oben zitierten Buch darauf hin, dass im Lateinischen Leben „unter Menschen sein“ bedeutet (inter homines esse), während Sterben durch „aufhören unter Menschen zu sein“ (desinere inter homines esse) ausgedrückt wird (Arendt, 1960; Kruse, 2017). So ist zu empfehlen, dass bei aller Schwierigkeit und gebotenen Vorsicht während der Covid-19-Pandemie trotzdem genügend Räume für Beziehung, Entfaltung und Teilhabe geschaffen werden sollten.