Zusammenfassung
Der Beitrag thematisiert unter Bezugnahme auf Bolays anerkennungstheoretische Überlegungen im Kontext von Jugendhilfe und Schule die Frage, inwiefern aus den strukturellen Unterschieden von Jugendhilfe und Schule Differenzen in den pädagogische Anerkennungsverhältnissen resultieren. Dabei werden die strukturellen Differenzen auf der Ebene rechtlicher Grundlegung ausgearbeitet, um anschließend die Notwendigkeit einer stärkeren empirischen Fundierung der Diskussion von Schule und Jugendhilfe als differente Anerkennungskonfiguration zu verdeutlichen. Zu klären ist empirisch vor allem, inwiefern Erfahrungen der bzw. Vorenthaltungen von Anerkennung in pädagogischen Beziehungen durch das schul- bzw. sozialpädagogische Handeln in der Begegnung bzw. inwiefern sie durch den institutionellen Kontext geprägt sind. Damit stellt sich auch die Frage, inwiefern diese Erfahrungen eher Fragen pädagogischer Professionalität als die struktureller institutioneller Unterschiede betreffen. In der Bezugnahme auf die sozialintegrative Funktion von Schule und Jugendhilfe wird dabei ein gemeinsamer Ausgangspunkt für eine heuristische Perspektive auf Schule und Jugendhilfe als je spezifische institutionelle Anerkennungskonfigurationen gesehen, die für eine empirische Klärung der Frage nach den Differenzen der Anerkennungskonfigurationen möglicherweise ertragreich ist.
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Dieser Auseinandersetzung entspringt auch unsere freundschaftliche Verbindung.
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Bereits im Verständnis einer sich als Disziplin etablierenden Sozialpädagogik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts definierte Bäumer (1929) Sozialpädagogik als „alles, was Erziehung, aber nicht Schule und nicht Familie“ ist (ebd., S. 3). Im Zuge der Sozial- und Bildungsreformpolitik der frühen 1970er Jahre wurde vor dem Hintergrund legitimatorischer Absicherung der Eigenständigkeit der Jugendhilfe als Sozialisationsbereich diese von einer „einseitig kognitiv ausgerichteten Schule“ (Peukert und Münchmeier 1990, S. 45) abgegrenzt; schließlich wurde Schule im sozialpädagogischen Bildungsdiskurs der ‚Nullerjahre‘ vor allem als (vermeintlich lebensferner) Ort nur formaler Bildung thematisiert.
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Wiezorek, C. (2016). Anerkennungstheoretische Überlegungen zum Kontext von Jugendhilfe und Schule – revisited. In: Zipperle, M., Bauer, P., Stauber, B., Treptow, R. (eds) Vermitteln. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-08560-5_4
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