1 Mensch-Roboter-Zusammenarbeit als Säule der Industrie 5.0

Autonome Roboter und deren Zusammenarbeit mit Menschen sind ein zentraler Baustein der Logistik 4.0 (Winkelhaus und Grosse 2020, Grosse 2023a). In der Intralogistik und insbesondere bei der Kommissionierung in Warenlagern verspricht die Mensch-Roboter-Zusammenarbeit Effizienzsteigerungen und eine körperliche Entlastung für Mitarbeitende (Zhang et al. 2023). So können bspw. körperlich anspruchsvolle Tätigkeiten bei der Kommissionierung, wie das Greifen oder Tragen von schweren Gegenständen, von autonomen mobilen Robotern übernommen werden. Gerade in diesem von starker manueller Materialhandhabung geprägten Tätigkeitsumfeld ist die Entlastung der Mitarbeitenden wichtig, so führen die Arbeitsbedingungen doch häufig zu Rückenschmerzen, Muskelschmerzen in den Armen und Beinen sowie einer allgemeinen physischen und kognitiven Ermüdung (Grosse et al. 2015). In erster Linie sind Muskel-Skelett-Erkrankungen, die in steigendem Alter zunehmen können, die Hauptursache für Arbeitsausfälle (de Kok et al. 2019). Neben dem Gesundheitswesen, dem Handel und dem verarbeitenden Gewerbe gehört die Logistik zu den Branchen mit den meisten Fehlzeiten aufgrund von Muskel-Skelett-Erkrankungen (BLS 2020).

Die starke körperliche Belastung in Verbindung mit niedrigen Löhnen und dem demographischen Wandel verstärkt das Problem für viele Unternehmen, geeignete Fachkräfte für die Intralogistik zu finden (Grosse 2023b). Viele Mitarbeitende verlassen diese Berufe u. a. auf der Suche nach besseren Arbeitsbedingungen – ein Phänomen, das unter dem Begriff „The Great Resignation“ v. a. während der Covid-19 Pandemie sehr deutlich wurde (Birinci und Amburgey 2022). Vor diesem Hintergrund könnte der Einsatz von autonomen mobilen Robotern, die mit Menschen in gemeinsamen Bereichen zusammenarbeiten (auch Cobots genannt) für viele Unternehmen hilfreich sein, die Herausforderungen nachhaltig zu meistern (Winkelhaus et al. 2021). Der reine Fokus auf Logistik 4.0-Schlüsseltechnologien, wie Cobots, ohne Berücksichtigung der Auswirkungen auf den Menschen, stellt jedoch keine nachhaltige Strategie dar (Neumann et al. 2021).

So ist es nicht verwunderlich, dass die die Europäische Kommission in einem Dossier zur Vision einer Industrie 5.0 dazu aufruft, neben technologischen Innovationen v. a. den Menschen stärker in den Mittelpunkt der Betrachtung zu rücken und Arbeitsplätze inklusiver und sicherer zu gestalten (Breque et al. 2021). Der vorliegende Artikel geht daher der Frage nach, welche ökonomischen und ergonomischen Vorteile Cobots in der Intralogistik bringen können. Zunächst werden dafür verschiedene Einsatzszenarien und Auswirkungen von Cobots als Mensch-zentrierte Technologie vorgestellt, wie bspw. geringere Kosten als in vollautomatischen oder manuellen Lagern und körperliche Entlastung von Mitarbeitenden. Des Weiteren werden zur exemplarischen Quantifizierung der Vorteile der Mensch-Roboter-Zusammenarbeit die Ergebnisse eines Simulationsmodells diskutiert und Implikationen für die Unternehmenspraxis reflektiert.

2 Stand der Forschung: Mensch-Roboter-Zusammenarbeit in der Intralogistik

2.1 Konzeptioneller Rahmen

Es gibt verschiedene Einsatzmöglichkeiten von Robotern in der Intralogistik und Robotersystemen in Lagerhäusern sowie unterschiedliche Arten der Mensch-Roboter-Zusammenarbeit. Abb. 1 zeigt einen exemplarischen konzeptionellen Rahmen zur Systematisierung der verschiedenen Robotersysteme. Im Folgenden werden hybride Kommissioniersysteme (HOPS) betrachtet, in Anlehnung an die Terminologie von Winkelhaus et al. (2021) (grau hinterlegt in Abb. 1). HOPS sind Lagersysteme, in denen Menschen und autonome mobile Roboter zusammen in der gleichen Zone kommissionieren und sich Aufträge teilen (Winkelhaus et al. 2021).

Abb. 1
figure 1

Konzeptioneller Rahmen zur Mensch-Roboter-Zusammenarbeit in Lagerhäusern

2.2 Ökonomische Auswirkungen

Die Einführung von Cobots verursacht teils hohe Implementierungs- und operative Kosten. Es fallen dabei nicht nur Systemkosten an, sondern auch Investitionen für das Training der Mitarbeitenden und für Cybersicherheit (Lagorio et al. 2021). Zu den operativen Kosten zählen Aufwendungen für die Wartungen und den Energieverbrauch (Winkelhaus et al. 2022). Dazu kann es vorkommen, dass für die Nutzung des Roboters eine jährliche Lizenz benötigt wird oder leistungsbezogene Kosten anfallen, wie bspw. Kosten pro Pick (Stelter 2019). Autonome mobile Roboter benötigen meist auch mehr Zeit für den Greif- und Ablagevorgang als Menschen und Gänge werden somit länger blockiert, was zu einer Leistungsreduktion führen kann (Winkelhaus et al. 2022).

Dadurch, dass Cobots menschliche Arbeitskräfte entlasten, in dem sie bspw. Artikel aus schwer zugänglichen Lagerplätzen entnehmen, können im Umkehrschluss Kosten eingespart werden, da weniger verletzungs- und krankheitsbedingte Fehlzeiten von Mitarbeitenden entstehen (Neumann et al. 2021). Daneben wurde gezeigt, dass es Szenarien für HOPS gibt, bei denen die Gesamtperformance höher ist als bei einem rein manuellen oder automatisierten System (Winkelhaus et al. 2022). Darüber hinaus ist der Roboter nicht an die Arbeitszeiten der Menschen gebunden, was neue Einsatzszenarien bspw. an Sonn- und Feiertagen sowie für Nachtarbeit eröffnet (Winkelhaus et al. 2022). Roboter arbeiten mit einer konstanten Leistung und gleichbleibender Geschwindigkeit, dementsprechend kann präziser geplant werden (Fager et al. 2019). Durch die Zusammenarbeit zwischen Robotern und Menschen sind Unternehmen nicht gezwungen, das Lager für eine komplette Automatisierung umzubauen, dementsprechend kann der Bestand an Robotern sukzessiv aufgebaut werden (Winkelhaus et al. 2022). Weiter können durch eine Reduktion der Fehlerquote die Kosten für Retouren gesenkt werden (Gajšek et al. 2020), womit zufriedene Kunden, vor allem im E‑Commerce, langfristig an das Unternehmen gebunden werden.

2.3 Entlastung der Mitarbeitenden

Cobots in der Intralogistik können menschliche Arbeit substituieren oder den Menschen bei der Arbeit unterstützen, so dass dieser kognitiv und physisch entlastet wird (Grosse 2023b). Daneben hat die Mensch-Roboter-Zusammenarbeit psychosoziale Auswirkungen auf den Menschen, die berücksichtigt werden müssen (Neumann et al. 2021). Wenn Aufgaben zwischen Menschen und Robotern geteilt werden, kann die kognitive Belastung für den Menschen, die sich in Tätigkeiten, wie Entscheidungen treffen, Artikel und Stellplätze suchen oder mehrere Aufgaben simultan auszuführen, widerspiegelt, reduziert werden (Cimini et al. 2020). Wenn der Mensch von Robotern bei der Kommissionierung begleitet wird, sorgt der Roboter für eine kognitive Entlastung, da er vor dem Zielregal stehen bleibt und somit den Suchaufwand reduziert (Pasparakis et al. 2023). Weiter hilft der Roboter dem Menschen dabei, eine gleichbleibende Geschwindigkeit während des Kommissionierens aufrecht zu halten, damit dieser in einem gleichbleibenden Rhythmus arbeiten kann (Pasparakis et al. 2023).

Daneben gibt es Erkenntnisse über die körperliche Entlastung für die Mitarbeitenden bei der Mensch-Roboter-Zusammenarbeit. Es ist nicht unüblich, dass Mitarbeitende in der Intralogistik innerhalb einer Schicht eine Laufstrecke von 25 km oder mehr zurücklegen (Kudelska und Niedbal 2020). Infolgedessen nimmt die körperliche Ermüdung zu und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden ab, was sich negativ auf die Gesamtleistung auswirken und Verletzungsrisiken des Muskel-Skelett-Systems erhöhen kann (Calzavara et al. 2018). Weitere starke körperliche Belastungen fallen bspw. durch das repetitive Heben und Greifen in ungünstigen Körperhaltungen bzw. von schweren Produkten oder den manuellen Materialtransport mit Handwagen an (Cimini et al. 2020). So wurde bspw. für den Fall, bei dem mobile Roboter Lagerregale anheben und diese zu den Kommissionierern transportieren, gezeigt, dass sich durch Einsortierung der Artikel im Regal im Bereich zwischen Hüfte und Schultern der physiologische Brennwert (menschlicher Energieverbrauch in Kalorien) reduzieren lässt (Zhang et al. 2022). Jedoch können die Regale so weniger Artikel fassen, was die Anzahl der benötigten Regale sowie die Transportzeit erhöht. Daneben existieren Erkenntnisse, dass Mitarbeitende den Arbeitsprozess weniger körperlich anstrengend empfinden, wenn fahrerlose Transportsysteme den innerbetrieblichen Transport der Materialien übernehmen und der Mensch nur noch den Planungs- und Greifvorgang (Boysen et al. 2019). Dadurch kann auch die zurückgelegte Laufstrecke der Mitarbeitenden reduziert werden (Löffler et al. 2021). Zudem gibt es erste Studien, die sich damit auseinandersetzen, dass Roboter Gegenstände greifen und transportieren, um den Menschen körperlich zu entlasten (Sgarbossa et al. 2020). Schließlich wurde gezeigt, dass sich durch die Zusammenarbeit von Menschen und autonomen mobilen Robotern in HOPS und die Aufteilung der Arbeitsaufträge der menschliche Energieverbrauch verringern lässt, was wiederum ein Indikator für eine geringere Arbeitsbelastung sein kann (Zhang et al. 2023). Letzteres wird im folgenden Kapitel in einer Simulationsstudie exemplarisch aufgegriffen und näher untersucht.

3 Simulationsstudie

3.1 Modellaufbau

Das in der Software „Plant Simulation“ implementierte Simulationsmodell ist angelegt an Zhang et al. (2023) und untersucht die Mensch-Roboter-Zusammenarbeit in einem HOPS. Die simulierten Roboter sind dazu fähig, den Kommissionierprozess autonom durchzuführen. Die Funktionalität der Roboter ist vergleichbar mit dem des „Toru“ von Magazino (Magazino GmbH 2022). Daneben sind weitere autonome Kommissionierroboter am Markt verfügbar, wie bspw. „Fetch and Freight Robots“ von Fetch Robotics (Wise et al. 2016).

Das modellierte Lagerhaus besteht aus zehn Gängen mit jeweils 38 Regaleinheiten auf beiden Seiten. Durch einen Quergang wird das Lagerhaus in zwei Zonen (I und II) aufgeteilt. Mit einer Bedarfsverteilung von A: 80 %; B: 15 %; und C: 5 % werden die gelagerten Artikel im Rahmen einer klassenbasierten Lagerplatzvergabestrategie in drei Klassen eingeteilt. Daneben wird das „golden zone“-Konzept bei der Lagerplatzvergabe verfolgt, um ergonomische Arbeitsbedingungen zu gewährleisten (Petersen et al. 2005). Demzufolge liegen die A‑ und B‑Artikel, die häufiger kommissioniert werden müssen, in jeder Regaleinheit mit einer Greifhöhe zwischen den menschlichen Taillen und Schultern (siehe Abb. 2) jeweils in Zone I und II. Aufgrund ihrer geringen Nachfrage und der hohen Bestandsmenge werden C‑Artikel in jeder Regaleinheit außerhalb der „golden zone“ gelagert. Die ökonomische (Kosten pro Pick) und ergonomische (menschlicher Energieverbrauch) Analyse erfolgt jeweils anhand der Marktinformationen (Magazino GmbH 2023) und des Energieverbrauch-Modells von Garg et al. (1978). Am Anfang jeder achtstündigen Arbeitsschicht werden Kommissionieraufträge auf Grundlage der Bedarfsverteilung generiert.

Abb. 2
figure 2

Lagerlayout und Regaleinheiten

Es wird angenommen, dass die gelagerten Artikel standardverpackt werden, so dass sowohl Menschen als auch Roboter die Artikel greifen und ablegen können. Um möglichst praxisnahe Simulationsergebnisse zu erzielen, basieren die weiteren Annahmen des Modells (Tab. 1) auf Zhang et al. (2023) und den technischen Daten eines beispielhaft ausgewählten Roboters (Magazino GmbH 2023). Während der Kommissionierung wird die Schleifenstrategie verfolgt, da diese Routenführung in der Praxis am häufigsten angewendet wird (Masae et al. 2020). Das Modell berücksichtigt Blockiervorgänge während der Kommissionierung (Franzke et al. 2017). Sobald die Kommissionierer und Roboter einander blockieren, haben die Menschen immer Vorrang, so dass die menschliche Arbeit am wenigsten durch Roboter behindert wird.

Tab. 1 Annahmen des Simulationsmodells

3.2 Definition von Simulationsszenarien

Die untersuchten Szenarien setzen an den Ergebnissen von Zhang et al. (2023) an, die gezeigt haben, dass die Zuordnung „A/BC“ sowohl ökonomische als auch ergonomische Vorteile bringt. Dabei sind die Kommissionierer nur für A‑Artikel zuständig, während Aufträge mit B‑ und C‑Artikel den Robotern zugewiesen werden. Auf Basis der Auftragszuordnung „A/BC“ werden die drei folgenden Szenarien bei einem Lagerumschlag, d. h. Quotient aus der Anzahl der gelieferten Artikel und dem maximalen Lagerbestand, zwischen 10 % und 20 % untersucht. Als Benchmark dient ein rein manuelles Kommissioniersystem:

  1. 1.

    Die Teamgröße der Kommissionierer im Benchmark-Szenario wird beibehalten. Wenn sich der Lagerumschlag ändert, zeigt das Modell, wie viele zusätzliche Roboter benötigt werden.

  2. 2.

    Die Teamgröße der Kommissionierer wird angepasst, so dass die gesamten betrieblichen Kosten minimiert werden. In dem Fall wird das menschliche Team verkleinert, so dass ergonomische und ökonomische Vorteile gleichzeitig erzielt werden können.

  3. 3.

    Auf Basis von praktischen Handlungsempfehlungen (BMSGPK 2006) gilt für die Mitarbeitenden eine tägliche Grenze des maximalen Energieverbrauchs (2000 Kcal/Tag). Dieses Szenario untersucht, wie sich die betrieblichen Kosten verändern, wenn die oben genannte Grenze sowohl in einem rein manuellen als auch in einem HOPS nicht überschritten werden darf.

Diese drei Szenarien sind somit geeignet, verschiedene praxisnahe Situationen zu simulieren und die Vorteile der Mensch-Roboter-Zusammenarbeit exemplarisch zu quantifizieren.

3.3 Ergebnisse

Abb. 3 zeigt die prozentualen Veränderungen der Indikatoren im HOPS im Vergleich zum Benchmark-Szenario. In Szenario 1 erhöhen sich die Kosten pro Pick durchschnittlich um 20,10 %, während der tägliche Energieverbrauch pro Person um 27,66 % sinkt. Dies zeigt, dass die menschliche Arbeit durch die Einführung von Robotern erleichtert wird. Wenn aber das ursprüngliche Kommissionierer-Team nicht angepasst wird, erhöhen sich die betrieblichen Kosten. Wenn der Lagerumschlag steigt, erhöht sich der Energieverbrauch leicht. Das liegt daran, dass die Kommissionierer durch ein größeres Roboter-Team häufiger blockiert werden, was ihren Kommissionierprozess verlangsamt. Im Gegensatz dazu zeigt Szenario 2, dass die Kosten pro Pick und der Energieverbrauch jeweils um 4,98 % und 5,14 % reduziert werden können. Die Daten machen aber bei verschiedenen Lagerumschlägen einen relativ schwankenden Trend deutlich, auch aufgrund der Änderung der Teamgröße. Bei kleineren Teamgrößen schwanken die tägliche Arbeitskapazitäten stärker, wenn ein Kommissionierer oder ein Roboter hinzugefügt wird. Wenn anstatt einer Kostenminimierung die tägliche Grenze des Energieverbrauchs zu erreichen ist (Szenario 3), werden im Vergleich zum Benchmark-Szenario durchschnittlich 15,37 % der Kosten reduziert.

Abb. 3
figure 3

Prozentuale Veränderung der ergonomischen und ökonomischen Indikatoren

Wir können daher festhalten, dass sich durch die Mensch-Roboter-Zusammenarbeit potenziell ergonomische und ökonomische Vorteile in einem HOPS erzielen lassen. Dafür spielt die Auftragszuordnung eine wichtige Rolle. Im Folgenden wird die in den Hauptexperimenten durchgeführte Zuordnung „A/BC“ mit den anderen Zuordnungen verglichen und die Dauer der wichtigsten Aktivitäten bei der Kommissionierung (Entnahme und Abgabe der Artikel, Laufen, Blockierung) aufgezeichnet und ihre prozentualen Veränderungen im Vergleich zum Benchmark-Szenario berechnet (Abb. 4). Die Ergebnisse zeigen, dass die Zuordnung A/BC bei allen Lagerumschlägen v. a. die Wegzeit der Kommissionierer reduziert. Im Gegensatz dazu erhöht sich die Dauer der Blockierung deutlich. Daneben ist zu beachten, dass nur das System mit der Zuordnung „A/BC“, „AC/B“ und „AB/C“ einen Lagerumschlag von 20 % ermöglichen kann. Der Grund liegt darin, dass die angenommenen Roboter nur eine beschränkte Arbeitsgeschwindigkeit haben, so dass sie im untersuchten Szenario nicht dafür geeignet sind, Artikel mit hohem täglichen Bedarf (A-Artikel) zu kommissionieren. Schlussfolgernd kann festgestellt werden, dass die ergonomischen und ökonomischen Vorteile von „A/BC“ hauptsächlich auf die reduzierte Wegstrecke der Kommissionierer zurückzuführen sind. Allerdings könnte eine höhere Blockierzeit bei „A/BC“ dazu führen, dass die Arbeitsmotivation sowie die Akzeptanz der Mensch-Roboter-Zusammenarbeit sinken.

Abb. 4
figure 4

Prozentuale Veränderung der Dauer von verschiedenen Aktivitäten

4 Implikationen für die Praxis

Die Auswertung der Literatur zeigt, dass die Mensch-Roboter-Zusammenarbeit in der Intralogistik zu Performanceverbesserungen und zu einer körperlichen Entlastung der Mitarbeitenden führen kann, was u. a. durch die Simulationsergebnisse in diesem Beitrag exemplarisch anhand eines ausgewählten Robotertyps bestätigt werden konnte. Die Ergebnisse des Simulationsmodells könnten auch für weitere am Markt verfügbare autonome Kommissionierroboter referentiell sein. Cobots können daher eine Schlüsseltechnologie auf dem Weg zur Industrie 5.0 sein. Bei Investitions- und Implementierungsentscheidungen in der Praxis sind neben den potenziellen Vorteilen jedoch auch Herausforderungen, v. a. psychosozialer Natur, zu berücksichtigen. Durch den technischen Fortschritt sind die Roboter dazu fähig, immer mehr Aufgaben in der Intralogistik autonom zu übernehmen. Dies führt zu diversen Möglichkeiten der Arbeitsgestaltung (bspw. wer folgt wem in der Kommissionierung? (Pasparakis et al. 2023)), was für Menschen einen Rollenwechsel in der täglichen Arbeit bedeutet. So kann es bspw. sein, dass die kognitive Belastung zunimmt, da Mitarbeitende neben ihren ursprünglichen Tätigkeiten auch neue, ungewohnte Aufgaben, wie bspw. Überwachen, Unterstützen und Warten des Roboters, übernehmen müssen (Rosenfeld 2016), oder den Vorgaben des Roboters untergeordnet werden. Eine weitere Hürde bei der Einführung von Robotern sind Beharrungstendenzen, allgemeiner Widerstand gegenüber Veränderungen und die Angst der Mitarbeitenden durch Automatisierungslösungen ersetzt zu werden (Vogelsang et al. 2019). Wenn Mitarbeitende den Roboter nicht als gleichberechtigtes Teammitglied betrachten, sondern als Konkurrenz, erhöht dies ebenfalls die wahrgenommene Belastung und Stress (Cascio und Montealegre 2016). Das Vertrauen der Menschen leidet ferner darunter, wenn der Roboter einen Fehler macht oder einen Befehl nicht ausführen kann, da Menschen häufig zu große Erwartungen an die Zusammenarbeit mit Robotern haben (Kok und Soh 2020). Je öfter der Mensch „enttäuscht“ wird, weil Fehler auftreten, desto mehr sinkt das Vertrauen in die Technologie (vgl. Langer et al. 2023). Da Roboter mit Sensoren ausgestattet sind, kann des Weiteren bei den Mitarbeitenden ein Gefühl der Überwachung entstehen (Leesakul et al. 2022), was den psychologischen Stress erhöht (Moore 2018). Das gleiche ist der Fall, falls Mitarbeitende bei der Kommissionierung gestört werden, wenn bspw. Roboter langsamer arbeiten, ausfallen oder den Prozess blockieren (Tornbjerg et al. 2021). Dies kann zu einer höheren Frustration und Stress durch Zeitdruck führen.

Daher ist es wichtig, die Einführung von Robotern offen zu kommunizieren und die Vorteile des Systems hervorzuheben, um so Vertrauen bei den Mitarbeitenden zu schaffen (Leesakul et al. 2022). Mit einfachen Mitteln, wie z. B. dem physischen Erscheinungsbild oder der Vergabe eines Namens, kann die Akzeptanz gefördert werden (Tornbjerg et al. 2021; Jacob et al. 2023). Innerhalb der Belegschaft können soziale Interaktionen positive Emotionen auslösen, die das Engagement und die Produktivität der Mitarbeitenden fördern (Oswald et al. 2015). Allerdings können Roboter nicht gleichwertig vertrauenswürdig wie ein Mensch wirken und dementsprechend die menschliche Interaktion nicht vollumfänglich substituieren (Leesakul et al. 2022). Ebenfalls sind Weiterbildungsmaßnahmen wichtig, und es ist hilfreich, die Mitarbeitenden umfassend zu schulen und intensiv bei der Einführung und Nutzung des neuen Systems zu begleiten, da Unternehmen oftmals (noch) nicht in ausreichendem Maße über entsprechende Fachkräfte und Digitalkompetenzen verfügen (Liboni et al. 2019). Dafür ist es erforderlich, dass Mitarbeitende nicht nur das Wissen bezüglich der Technologie ausbauen, sondern auch in Bezug auf das wahrgenommene Sicherheitsgefühl und das Vertrauen in die Roboter (Calitz et al. 2017). So wurde bspw. beobachtet, dass projizierte Pfeile, die den Laufweg der Roboter darstellen, Mitarbeitende ermutigen, einen anderen Weg zu nehmen, was die wahrgenommene Sicherheit erhöht hat (Chadalavada et al. 2020). Zu beachten ist aber, dass Warnhinweise zwar kurzfristig beachtet werden; kommen diese aber zu häufig, ohne dass „etwas passiert“, gewöhnen sich Menschen daran und folgen diesen ggf. nicht mehr (Amran et al. 2018).

Zukünftig sind jedoch v. a. empirische Arbeiten und Feldstudien notwendig, um die genannten Vorteile, Herausforderungen und Lösungsansätze der Mensch-Roboter-Zusammenarbeit in der Intralogistik zu validieren. Dabei sind v. a. Kooperationen zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen vielversprechend.