1 Einleitung

1.1 Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Arbeitsprozesse und Zusammenarbeit

Was für viele Unternehmen noch vor der Pandemie undenkbar war, ist heute scheinbar zur neuen gelebten Praxis geworden. Die Corona-Krise und die damit zwangsweise einhergehende Notwendigkeit zur Digitalisierung von Arbeitsprozessen haben die Zusammenarbeit radikal verändert. Im Rahmen des zunehmenden Digitalisierungsbedarfes und vor der Herausforderung, Mitarbeitenden die Erledigung ihrer Aufgaben auch flexibel von Zuhause zu ermöglichen, wenn Büros während des Lockdowns geschlossen werden, haben die Diskussionen um neue Arbeitsmodelle ebenfalls stark zugenommen. Immer mehr Unternehmen fragen sich, wie die Neue Arbeit während und nach der Pandemie aussehen kann. Die New Work Bewegung beschäftigt sich daher nicht allein mit der Frage nach dem Sinn der Arbeit, sondern findet auch ganz pragmatische Antworten darauf, wie Arbeitsprozesse in Zukunft gestaltet werden sollen, wie mobiles und flexibles Arbeiten funktionieren kann oder wie Führung in Zukunft gelebt wird.

Durch die Flexibilisierung der Arbeit und die Möglichkeit von mobilem Arbeiten, befürchten viele Unternehmen aber auch einen Kulturverlust. Das ist insbesondere für die Unternehmen eine Herausforderung, die vor der Pandemie eine vorwiegende Präsenzkultur hatten. Das Büro war Ort der Begegnung, des Austauschs und der Zusammenarbeit. Büroräume waren erlebbar, ermöglichten Identifikation und Bindung. Mit der Fragestellung, wie Arbeiten im New Normal gestaltet werden kann, nehmen auch Fragen nach der Gestaltung von modernen Bürowelten zu. Wie gestalten wir die Büros der Zukunft, welche Funktionen müssen sie erfüllen?

Mobiles Arbeiten oder die Zusammenarbeit in Büroräumen kann nur dann erfolgreich gestaltet werden, wenn diese durch optimale Technologien und die richtige digitale Transformation unterstützt werden. Die digitale Transformation ist dabei nicht nur ein technologischer, sondern vor allem ein kultureller Wandel. Wir müssen uns in Zukunft demnach die Frage stellen, welche kulturellen Veränderungen notwendig sind und wie diese durch entsprechende Technologien unterstützt werden können. Wir beobachten in diesem Zusammenhang, dass Unternehmen mit einem ganz unterschiedlichen Ausgangspunkt in die Krise gestartet sind – es gibt die einen Unternehmen, die bereits vor der Pandemie in ihre Digitalstrategie investiert haben, und die anderen Unternehmen, die vor der Pandemie nur wenig für die Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse unternommen haben.

1.2 Hybrides Arbeiten – Das neue Normal?

„Fest steht, dass es für jeden Einzelnen kein ‚back to normal‘ geben wird. Das scheint nicht sinnvoll und auch nicht wünschenswert.“ (Gunkel 2021). Denn die Corona Pandemie hat die Art und Weise, wie wir in Zukunft arbeiten werden grundlegend in Frage gestellt. Laut einer Umfrage von Bitkom, geben 65 % der Erwerbstätigen an, dass sie aktuell mobil arbeiten können, Dreiviertel davon nehmen dieses Angebot auch wahr. Von denjenigen, die aktuell keine Möglichkeit haben, mobil zu arbeiten, wünschen sich 95 % die Möglichkeit für zumindest teilweise mobiles Arbeiten. (Berg 2022).

Weiter geben die Befragten in der oben genannten Studie an, dass sie im Homeoffice produktiver sind, weniger Stress empfinden, Privat- und Berufsleben besser vereinbaren können und mehr zeitliche Flexibilität haben. Berg (2022).

Mit dem Wunsch nach mehr Möglichkeiten für flexibles Arbeiten und den angegeben empfundenen Vorteilen, stimmen über 70 % der befragten Personen zu, dass mobiles Arbeiten in Deutschland zum Standard werden sollte. Berg (2022).

Ein wichtiges Fundament für mobiles Arbeiten sind entsprechende Kommunikations- und Kollaborationstechnologien. Auch wenn Unternehmen teilweise bereits vor der Pandemie in Technologien zur virtuellen Zusammenarbeit investiert haben, hat vor allem Corona dazugeführt, dass Unternehmen noch stärker in geeignete Technologien und Plattformen investieren mussten. (Lindner 2022). Damit die Vorteile, die hybrides Arbeiten birgt, auch lanfristig erhalten werden können, müssen sich zukünftig jedoch auch die Arbeitsweisen grundsätzlich ändern (Schulte 2013). Grundlegende Veränderungen von Arbeitsweisen, Prozessen und Verhalten sind aber nicht einfach, sondern müssen in eine ganzheitliche Transformation eingebettet werden (Vogelsang et al. 2019). Wichtig ist es hierbei auch immer die kulturelle Komponente zu berücksichtigen. (Rump und Eilers 2022).

Dieses Paper beschäftigt sich vor diesem Hintergrund mit der Fragestellung, wie sich die Arbeit in der postpandemischen Zeit gestalten wird. Im Rahmen dieser Forschungsarbeit soll anhand von Interviews mit Unternehmen herausgefunden werden, welche Änderungen durch die Pandemie eingetreten sind. Welche neuen Arbeitsweisen haben sich möglicherweise bereits nach kurzer Zeit verfestigt? Was wird auch nach dem Ende der Pandemie bleiben?

1.3 New Work

Der Begriff New Work geht auf Frithjof Bergmann zurück, der diesen bereits in den 1970er-Jahren prägte. Aber auch 2022 erfreut sich New Work noch immer absoluter Beliebtheit. Bergmann definierte den Begriff der neuen Arbeit ganz konkret als eine Alternative zur vorherrschenden Lohnarbeit in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem. Heute aber definiert der Begriff New Work im Allgemeinen die sich wandelnde Arbeitswelt (Hackl et al. 2017; Lindner 2019).

Die Umwelt, die digitale Transformation, gesellschaftliche Veränderungen und nicht zuletzt die Corona-Pandemie haben die Arbeitsweise und das Verständnis von Arbeit in den letzten Jahren grundlegendend verändert. Wie nie zuvor verändert vor allem die digitale Transformation das Verständnis von Arbeit. Die für die Arbeitswelt damit einhergehenden Veränderungen werden als Arbeit 4.0 (Lindner 2019) oder als New Work (Hackl et al. 2017) bezeichnet.

Auch knapp 50 Jahre nach Bergmann stehen heute immer noch im Zentrum der neuen Arbeit „(Handlungs‑)Freiheit, Freiräume für Kreativität, Entfaltung der eigenen Persönlichkeit, Selbstständigkeit und Teilhabe“ (Jäger und Petry 2018).

Neben der digitalen Transformation sind jedoch auch die gesellschaftlichen Umwälzungen in ihrer Auswirkung auf die Arbeitswelt nicht zu vernachlässigen. Maßgeblichen Einfluss auf die Arbeitswelt haben der demografische Wandel, die Globalisierung und eine neue Werteorientierung. Hackl et al. (2017). Vor allem die Globalisierung ist eng mit der Digitalisierung verbunden, wodurch unterschiedliche Zeitzonen und Distanzen besser überwunden und mehr Flexibilität ermöglicht werden können.

Entscheidenden Einfluss auf die Art und Weise, wie wir in Zukunft arbeiten werden, nimmt laut Hackl et al. (2017) aber insbesondere der sich abzeichnende gesellschaftliche Wertewandel ein. Der Wertewandel ist dabei durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Wertevorstellungen z. B. in Bezug auf unterschiedliche Wünsche zur Arbeitszeitgestaltung oder die Abgrenzung von Arbeits- und Privatleben ausgeprägt.

Um die neue Arbeit noch besser greifbar zu machen, beschreibt Hackl et al. (2017) New Work anhand von drei Dimensionen: Places, People und Tools. (Kraft und Peter 2019) beschreibt die Dimensionen von New Work ähnlich als „Dreiklang von People, Place und Technology“.

Dabei beschreibt die Dimension People alle Maßnahmen zur Weiterentwicklung und Führung von Mitarbeitenden im digitalen Zeitalter durch z. B. Maßnahmen zur Förderung von Kollaboration, digitalem Know-how sowie individuellen Potenzialen.

Unter Places verstehen Kraft und Peter (2019) die räumliche und technische Gestaltung von Arbeitsräumen sowie die Flexibilisierung der Arbeitszeit.

Die dritte Dimension umfasst alle orts- und zeitunabhängigen, zusammenarbeitsfördernden Technologien.

1.4 Die Dimensionen von New Work

1.4.1 Dimension People

Kraft und Peter (2019) fassen in der Dimension People alle die Veränderungen und damit verbundenen Chancen und Risiken zusammen, die auf die Mitarbeitenden im Kontext von New Work einwirken. Dazu zählen ein zunehmend dynamisches Umfeld, der Bedarf nach neuen Führungsstilen, die Nachfrage nach neuen und anderen Kompetenzen sowie neue Kommunikations- und Kollaborationsformen.

Die digitale Transformation wirft Unternehmen in ein sich ständig wandelndes, unsicheres, komplexes und mehrdeutiges Umfeld. Dieses wird allgemein als VUCA-Umfeld beschrieben. V steht für Volatility (Volatilität), U für Uncertainty (Unsicherheit), C für Complexity (Komplexität) und A für Ambiguity (Mehrdeutigkeit) (Rustler 2017). In der Konsequenz werden Veränderungen immer weniger voraussagbar. Unternehmen müssen dem mit agilen Unternehmensstrukturen und Formen sowie einer agilen Führung begegnen, um in Zukunft flexibler auf Veränderungen reagieren zu können.

Den Führungskräften wird im Kontext New Work eine Schlüsselrolle zuteil. Denn mit ihrem Führungsstil beeinflussen sie maßgeblich den Wandel hin zu einer digitalisierten und neuen Arbeitswelt (Cole 2017).

Herausforderungen liegen für Führungskräfte beispielsweise in agiler, virtueller oder generationsübergreifender Führung. Lindner (2019). Führung soll heute weniger hierarchisch sein. Als Servant Leader (Dhiman 2022) sind Führungskräfte Coaches, die ihre Mitarbeitenden unterstützen und in Entscheidungen aktiv einbinden (Partizipation), dabei immer flexibel auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden eingehen. Insbesondere durch die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitswelt, arbeiten Mitarbeitende in Zukunft immer selbstständiger. Daher sollen Führungskräfte ihre Mitarbeitenden fördern und ihnen Freiräume zur maximalen Entfaltung schaffen (Schircks 2017; Frost et al. 2018).

Vertrauen spielt in der Führungskultur der Zukunft ebenfalls eine wichtige Rolle. Wenn in einem hybriden Arbeitsumfeld in Zukunft mehr auf Distanz geführt wird, wird eine starke Vertrauenskultur gebraucht. Cole (2017).

Die digitale Transformation und ein verstärktes Arbeiten mit digitalen Tools bedingt ein neues Skillset bei Führungskräften und Mitarbeitenden. Dazu gehören beispielsweise Teamfähigkeit, Medienkompetenzen, Selbstständigkeit, Beschaffung von relevanten Informationen und Anpassungsfähigkeit. Kraft und Peter (2019). Im Kontext von Hybrid Work wird die Fähigkeit selbstständig und selbstorganisiert zu arbeiten immer wichtiger (Laloux 2015).

1.4.2 Dimension Places

Durch die digitale Transformation im Allgemeinen und durch die Corona-Pandemie im Speziellen erfahren Arbeitsort und Arbeitszeit eine starke Flexibilisierung. Hybrides Arbeiten (Minahan 2022), also die Wahlfreiheit zwischen Arbeit aus dem klassischen Büro oder aus beispielsweise dem Homeoffice bzw. die Zusammenarbeit über verschiedene Orte, ist erst durch Fortschritte in Kommunikations- und Kollaborationstechnologien möglich. Neue Technologien ermöglichen damit die Zusammenarbeit im virtuellen Raum. Das wiederum regt viele Unternehmen an, ihre physischen Arbeitsräume zu überdenken. Die Dimension Places beschäftigt sich in diesem Kontext mit der Gestaltung von Arbeitsräumen. Kraft und Peter (2019).

Heute ist es insbesondere für Mitarbeitende, die Wissensarbeit nachgehen, möglich, von überall zu arbeiten – ob von zu Hause, von unterwegs oder aus dem Büro. Cole (2017). Voraussetzung dafür ist eine optimale mobile Hardware und unterstützende Software. Kraft und Peter (2019). Wenn in Zukunft von überall gearbeitet werden kann, kommt dem klassischen Büro eine neue Bedeutung zu: Es ist jetzt der Ort „des Austausches, der Inspiration und des Netzwerkens“ (Coradi und Schweingruber 2017).

Mit der neuen Rolle des Büros geht oft auch eine Umgestaltung von Büroräumlichkeiten einher. Coradi und Schweingruber (2017) beschreiben ein neues Bürokonzept, welches auf der Idee fußt, dass die Architektur von Arbeitsräumen einen direkten Einfluss auf die Arbeitskultur, Leistungsfähigkeit, Innovationskraft und Wohlbefinden der Mitarbeitenden hat. Schaut man heute in die Büros, verschwinden klassische Einzel- oder Zellenbüros. Dafür findet man nun mehrheitlich offene Räume. Innerhalb der offenen Räume gibt es wiederum einzelne Zonen für unterschiedliche Aufgaben. Beispielsweise gibt es Zonen für konzentriertes Arbeiten, für Meetings oder für lockeren, informellen Austausch. Coradi und Schweingruber (2017).

Wenn Mitarbeitende in Zukunft nicht mehr ausschließlich im Büro arbeiten, führt das folgerichtig zu einem geringeren Bedarf an Büroarbeitsplätzen. Bei den verbliebenen Arbeitsplätzen setzen viele Unternehmen auf Desksharing-Konzepte. D. h. Mitarbeitenden steht nicht mehr ein persönlicher Arbeitsplatz zur Verfügung, sondern sie teilen sich diese mit anderen. Vorteil für Mitarbeitende ist eine höhere Flexibilität in der Wahl des Arbeitsplatzes. Je nach Aufgabe, kann flexibel zwischen unterschiedlichen Arbeitsplätzen im z. B. Ruhebereich oder im Kreativraum gewählt werden. Unternehmen wiederum müssen insgesamt weniger Infrastruktur bereitstellen und können somit Fixkosten einsparen. Coradi und Schweingruber (2017); Lindner (2019).

1.4.3 Dimension Technology

In der dritten Dimension Technology fassen Kraft und Peter (2019) alle die Technologien zusammen, die im Rahmen der digitalen Transformation die Kommunikation und Zusammenarbeit von Mitarbeitenden unterstützen. Um in einem digitalisierten Arbeitsumfeld bestehen zu können, stellen die Integration von geeigneten digitalen Technologien und die Aneignung von entsprechenden Kompetenzen für den richtigen Umgang mit diesen Technologien wichtige Erfolgsfaktoren dar.

Wie bereits im Abschnitt Places beschrieben, braucht hybride Arbeit Technologien zur Vernetzung und zur Zusammenarbeit. Digitale Kollaborationsplattformen ermöglichen Mitarbeitenden die orts- und zeitunabhängige Zusammenarbeit (Brown et al. 2010; Peter et al. 2018).

Auch wenn die Zusammenarbeit auf virtuellen Plattformen mittlerweile zum Alltag vieler Teams gehört, stößt diese auch auf Grenzen. Laut (Hayward 2013) werden Informationen weniger regelmäßig ausgetauscht oder es entstehen häufiger Missverständnisse durch mehr Interpretationsspielraum bei der Deutung der Informationen.

Daher ist es wichtig zu verstehen, dass digitale Technologien nur Werkzeuge zur vernetzten Zusammenarbeit sind. Sie allein sind kein Garant für eine Erfolgreiche Zusammenarbeit. Vielmehr muss eine richtige Adaption dieser Technologien erfolgen. Kraft und Peter (2019).

Peter et al. (2018) definiert die folgenden Kriterien für den Einsatz von digitalen Technologien für eine erfolgreiche Kommunikation und Zusammenarbeit: Offene Unternehmenskultur und die Bereitschaft zum Teilen von Wissen; finanzielle Budgets und entsprechende notwendige Investitionen in die unternehmensgerechte Anpassung von Technologien; eine gestärkte Vertrauenskultur; der Einsatz von geeigneten Plattformen und deren Management; das Vorhandensein von Zielen und die Definition von passenden Prozessen.

Des Weiteren müssen Führungskräfte und Mitarbeitende regelmäßig im Umgang mit diesen neuen digitalen Technogien trainiert werden. Die Führungskräfte selbst benötigen Anpassungsfähigkeit und Lernbereitschaft. Nur dann kann das volle Potenzial von neuen Technologien ausgeschöpft werden. Kraft und Peter (2019).

2 Vorgehensweise

Zur Untersuchung, wie sich die Arbeitswelt nach der Pandemie gestalten wird, stützt sich dieses Paper auf die Führung von qualitativen Interviews. Interviewt wurden Ansprechpartner:innen aus den Bereichen Human Resources, IT sowie Facility Management von insgesamt fünf großen deutschen Unternehmen unterschiedlicher Branchen. Basis für die Interviews ist ein standardisierter Fragebogen mit Fragestellungen zu den vorab beschriebenen Dimensionen von New Work. Die Befragten wurden je durch zwei Interviewer:innen befragt. Die Interviews wurden aufgezeichnet und im Nachgang zur weiteren Auswertung transkribiert. Die Interviewergebnisse werden im Laufe dieses Papers anonymisiert und konsolidiert dargestellt.

Die im Interview verwendeten Fragestellungen zu den Dimensionen People, Places und Technologie leiten sich von dem von der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) Hochschule für Wirtschaft entwickelten Framework zur Arbeistwelt 4.0 ab.

Bereits 2017 hat die FHNW in einer Studie die Treiber, Auswirkungen und Risiken der digitalen Transformation für Unternehmen untersucht. Im Rahmen der Studie hat die FHNW unterschiedliche Handlungsfelder der digitalen Transformation identifiziert. Eines der Handlungsfelder lässt sich in der Auswertung der Ergebnisse als Arbeitswelt 4.0 beschreiben (Peter et al. 2019). 2019 wurde diese Studie ein weiteres Mal durchgeführt. Dieses Mal mit dem Ziel insbesondere die Veränderungen und Fortschritte der Unternehmen in Bezug auf die Arbeitswelt 4.0 zu erheben.

Der Begriff der Arbeitswelt 4.0 kann „als strategische Initiative beschrieben werden, welche die Potenziale von optimierten Prozessen, der Automatisierung, verstärkter Zusammenarbeit und Vernetzung sowie beim Einsatz von Technologien im Kontext von Menschen und besonders Mitarbeitenden freisetzt.“ Peter et al. (2019).

An der Studie haben 1144 Personen aus KMU und Großunternehmen in der Schweiz teilgenommen. Peter et al. (2019). Aus den Untersuchungen der FHNW 2019 ging hervor, dass zum damaligen Zeitpunkt 43,9 % der KMU und 42,6 % der Grossunternehmen noch am Anfang ihrer Entwicklung im Kontext einer Arbeitswelt 4.0 standen. Nur 13,2 % der KMU und 7,7 % der Grossunternehmen schätzen ihre Entwicklung als weit fortgeschritten ein. Trotz des großen Entwicklungspotenzials gaben 62,6 % der KMU und 57,4 % der Grossunternehmen an, (sehr) zufrieden mit der bisherigen Umsetzung der Arbeitswelt 4.0 in ihrem Unternehmen zu sein. Peter et al. (2019).

Im Rahmen dieses Papers sollen anhand der durchgeführten Interviews die Verändeurngen durch die Pandemie im Kontext der Arbeitswelt 4.0 untersucht werden. Dabei beschränken wir uns insbesondere auf den Aspekt des hybriden Arbeitens.

3 Ergebnisse

3.1 Praxisbeispiele für die Dimension People

In den Interviews wurden mit den Befragten die Chancen und Herausforderungen, die hybrides Arbeiten bzw. während der Pandemie insbesondere mobiles Arbeiten mit sich brachten, diskutiert.

Als Chance wurde herausgestellt, dass durch die zunehmende Flexibilisierung sich vor allem die Work-Life-Balance und damit die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben verbessert hat. Auch wurden die Berührungsängste mit mobilem Arbeiten abgebaut. Des Weiteren wurde die gestiegene Zufriedenheit der Mitarbeitenden durch eine höhere Flexibilität und Autonomie als positive Auswirkung hervorgehoben. Die Produktivität wurde durch mobiles Arbeiten in den meisten Unternehmen nicht beeinträchtigt.

Ebenfalls wurde die Zeitersparnis durch weggefallene Reise- und Pendelzeiten als Vorteil genannt.

Die Herausforderungen wurden unterschiedlich beschrieben. Die Unternehmen, die durch die Corona-Pandemie gezwungen waren, von einem mehrheitlichen Büroalltag auf Homeoffice mehr oder weniger über Nacht zu wechseln, stellten insbesondere diese Umstellung und Umgewöhnung als größte Herausforderung dar. Dementsprechend mussten Kommunikation und Arbeitsweisen erst angepasst werden.

Die Unternehmen, die bereits vor der Pandemie mobil gearbeitet haben, sehen Herausforderungen in der dauerhaften virtuellen Zusammenarbeit, wenn es darum geht, Kreativität oder Innovationen zu fördern.

Alle Befragten bewerten das Verschwimmen der Grenzen zwischen Privatleben und Berufsleben als mögliches Gefährdungspotenzial: Stress durch permanente Erreichbarkeit, Vereinsamung durch dauerhaftes Zuhause-Sein oder Überforderung durch zusätzliche Betreuung von Kindern oder Familienangehörigen.

Hybrides Arbeiten verlangt den Mitarbeitenden ein höheres Maß an Selbstorganisation ab. Aber nicht alle befragten Unternehmen haben hier bereits eine dedizierte Strategie, dies bei ihren Mitarbeitenden zu fördern. Bei einigen Unternehmen wird diese Aufgabe wieder bei den Führungskräften verortet: Sie sollen ihren Mitarbeitenden helfen, selbstorganisierter zu arbeiten. Dies erreichen sie beispielsweise durch ergebnisorientiertes Führen. Führungskräfte erfahren in diesem Kontext bei einem Teil der befragten Unternehmen derzeit eine entsprechende Weiterbildung.

3.2 Praxisbeispiele für die Dimension Places

Alle befragten Unternehmen setzen nach der Corona-Pandemie auf ein hybrides Arbeitsmodell. Dabei haben die Mitarbeitenden die Wahlfreiheit, ob sie von zu Hause oder aus dem Büro arbeiten möchten. Die Unternehmen haben dafür entweder bereits eine entsprechende Betriebsvereinbarung verabschiedet oder verhandeln diese aktuell. Dabei unterscheiden sich die Richtlinien von absoluter Wahlfreiheit der Mitarbeitenden, an wie vielen Tagen sie mobil arbeiten möchten, bis hin zu festen Quoten (z. B. 2 Tage pro Woche mobiles Arbeiten, 3 Tage pro Woche Arbeiten aus dem Büro). Ebenfalls gemeinsam haben die Befragten, dass die Regelungen zum mobilen Arbeiten nicht nur das Homeoffice und das klassische Büro umfassen, sondern eine Wahlfreiheit des Arbeitsortes erlauben. Dabei beschränkt sich der externe Arbeitsplatz jedoch meistens auf den Arbeitsplatz zu Hause.

Betrachten wir die Gestaltung der Büroflächen, so konnte bei einem Teil der Befragten festgestellt werden, dass bereits vor der Pandemie neue Bürokonzepte entwickelt wurden. Diese sollten die bisher vorherrschenden Einzel- oder Zellenbüros auflösen und modernen, offenen Arbeitsflächen weichen, die Mitarbeitenden je nach Zweck unterschiedliche Arbeitsplätze anbieten. Diese Befragten gaben weiterhin auch an, dass durch die Pandemie die aktuellen Bürokonzepte erneut überdacht und ggf. angepasst werden sollen. Desk-Sharing setzt sich bei allen Befragten mehrheitlich durch. Ebenfalls gemein haben die Befragten, dass der Bedarf an Büroflächen insgesamt zurückgegangen ist. In Konsequenz werden überschüssige Büroflächen freigemacht und so Kosteneinsparungseffekte genutzt.

Erwähnenswert ist die Rolle, die den Führungskräften in der Ausgestaltung des Arbeitsortes laut einigen Befragten zukommt. Denn sie sind dafür verantwortlich, dass die Gestaltung von hybridem Arbeiten auch auf Team- und Arbeitsebene funktioniert. Die Führungskräfte stimmen sich regelmäßig mit den Mitarbeitenden zum Arbeitsmodell, den Chancen und Herausforderungen ab und entscheiden entsprechend über die Ausgestaltung des jeweiligen Arbeitsmodells.

Zusätzlich wurden in allen Unternehmen entsprechende Schulungsmaßnahmen ergriffen, um die Mitarbeitenden bestmöglich auf mobiles Arbeiten vorzubereiten (z. B. zu geltenden Regelungen oder der Nutzung von Tools).

3.3 Praxisbeispiele für die Dimension Technology

Bei der Befragung zu der IT-Strategie und Technologieausstattung der Mitarbeitenden ergibt sich bei den befragten Unternehmen, wie auch in den anderen Dimensionen, ein sehr ähnliches Bild. Alle Unternehmen statten ihre Mitarbeitenden mit entsprechender Hardware aus, die den Mitarbeitenden mobiles und flexibles Arbeiten ermöglicht. Dabei ist die Ausstattung für die Mitarbeitenden in der Regel standardisiert. Bei der Konfiguration des Standard-Arbeitsplatzes wurden zudem Mitarbeitende aktiv nach ihren Bedürfnissen befragt bzw. Ergebnisse aus Mitarbeiterumfragen miteinbezogen.

Außerdem haben alle befragten Unternehmen entsprechende virtuelle Plattformen zur Kommunikation und Zusammenarbeit eingeführt.

Aber auch die Büroflächen wurden in jüngster Zeit bei einigen der befragten Unternehmen mit neuer Technologie ausgestattet. So wurden die Meetingräume in den Büros mit neuer Technologie ausgestattet, die in Zukunft hybride Meetings ermöglichen können. Des Weiteren erhalten auch Büroflächen neue Technologien, z. B. in Form von Buchungssystemen zur Buchung von Arbeitsplätzen. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass bei Projekten für die Auswahl von neuen Technologien nicht nur die IT-Abteilungen, sondern auch Human Resources, Fachbereichsvertreter, Betriebsrat und Facility Management beteiligt sind.

Einig sind sich alle Befragten, dass die Einführung von neuen Technologien mit einem entsprechenden Change-Management begleitet werden muss. So haben die befragten Unternehmen, z. B. bei der Einführung von Kollaborationsplattformen entsprechende Informationen und Trainings zur Verfügung gestellt. Ergänzt werden diese Maßnahmen teilweise durch Workshops, Communities, zentrale Ansprechpartner oder Service Points.

3.4 Kultur als Erfolgsfaktor für hybrides Arbeiten?

In den Interviews haben wir die Teilnehmer gefragt, ob sie einen negativen Einfluss oder sogar Verlust der Unternehmenskultur durch hybrides Arbeiten fürchten. Hier waren die Antworten sehr unterschiedlich: Ein Teil der Unternehmen beobachtet ein Verlorengehen der Kultur, andere beobachten teilweise negative Beeinträchtigungen auf z. B. den Teamzusammenhalt, und wiederum andere sehen hier keine negativen Einflüsse.

Dennoch stimmen alle befragten Unternehmen darüber ein, dass die Unternehmenskultur bewahrt und gefördert werden muss, insbesondere in einem hybriden Umfeld. Denn durch Distanz befürchten die Unternehmen, dass der Zusammenhalt und das Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeitenden leiden könnte.

Als kulturfördernde Maßnahmen werden in erster Linie eine starke Mitarbeiterkommunikation und Mitarbeiterveranstaltungen angeführt. Diese fanden in der Vergangenheit häufig virtuell statt, sollen aber in Zukunft auch wieder mehr in Präsenz stattfinden, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken.

Ein weiterer fundamentaler Aspekt, der in den Interviews zum Vorschein kam, ist das Zusammenspiel von Kultur und dem Unternehmenszweck (Purpose). Eine klare Unternehmensvision und ein starker Purpose geben den Mitarbeitenden einen Rahmen, der das Mitarbeiterengagement erhöht und sich ebenfalls positiv auf die Zusammenarbeit auswirkt.

4 Diskussion

Aus unseren Interviews konnten wir entnehmen, dass die befragten Unternehmen in Bezug auf hybrides Arbeiten bereits sehr weit sind. Alle Unternehmen konnten zum Beginn der Pandemie schnell Maßnahmen ergreifen, um den Mitarbeitenden einen schnellen Wechsel von den Büros in die Homeoffices zu ermöglichen. Den Unternehmen, die bereits vor der Pandemie flexible Arbeitsmodelle eingeführt hatten, ist der Umstieg in der Pandemie auf ein nahezu komplettes Remote-Modell deutlich einfacher gefallen.

Die erforlgreiche Einführung von mobilem Arbeiten ist den Unternehmen daher erfolgreich gelungen, da sie bereits frühzeitig umfassende Schulungs- und Befährigungsmaßnahmen für die Mitarbeitenden ergriffen haben. Des Weiteren ist in allen befragten Unternehmen den Führungskräften eine wichtige Rolle zugekommen. Sie waren dafür verantwortlich, dass Teams unter den neuen gegebenen Rahmenbedingungen optimal arbeiten konnten.

Ein Großteil der Mitarbeitenden hat sich durch die Corona-Pandemie daran gewöhnt mehrheitlich von zu Hause zu arbeiten. Neben dem Gewöhungseffekt gibt es sogar auf der Hand liegende Vorteile des Homeoffice: Gesteigerte Produktivität, bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatem und eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit.

Mit dem Ende der gesetzlichen Homeoffice Pflicht im März 2022 werden die Weichen für hybrides Arbeiten jedoch noch einmal komplett neu gestellt werden. Alle der befragten Unternehmen haben bereits Richtlinien zur Regelung von hybridem Arbeit eingeführt oder verhandeln diese aktuell. So gibt es in diesen Unternehmen bereits einen Rahmen, der auch nach der Homeoffice Pflicht den Mitarbeitenden Freiheit in der Wahl ihres Arbeitsortes zugesteht. Die Pandemie hat uns gezeigt, dass virtuelles Zusammenarbeiten funktioniert. Warum sollten die Mitarbeitenden nun wieder in die Büros zurückkehren? Die Rolle des klassischen Büros wird sich demnach in Zukunft ändern. Im Büro wird weniger Einzelarbeit stattfinden. Vielmehr werden Büros Räume der Begegnung, des Austauschs und der kreativen Zusammenarbeit werden. Büros werden Raum für die Aspekte geben, die im virtuellen Raum nur bedingt oder gar nicht abgebildet werden können.

Genau aus diesem Grund brauchen Büros auch ein neues Konzept und neues Design. Einige der befragten Unternehmen haben ihre Büros bereits angepasst. Sie stellen jedoch fest, dass die Pandemie die Rolle des Büros noch einmal geändert hat und überdenken dementsprechend ihre Bürokonzepte erneut.

Vor diesem Hintergrund wird sich die Interpretation des Begriffes hybrides Arbeiten in Zukunft verändern. Verbinden wir heute hybrides Arbeiten stark im Kontext des mobilen Arbeitens, wird in Zukunft der Begriff stärker auf die Zusammenarbeit von Menschen aus den Büros und Homeoffices fokussiert sein.

Vielleicht wird das Büro nach der Corona-Krise eine Renaissance erleben. Denn nach der langen Pandemie-Zeit sehnen sich viele Mitarbeitenden und Unternehmen nach persönlicher Begegnung. Denn diese hat in den vergangenen zwei Jahren zu wenig stattgefunden. Das ist einer der Gründe, warum die befragten Unternehmen zum Teil befürchten, dass dauerhaftes hybrides Arbeiten der Unternehmenskultur schaden könne.

Der kulturellen Dimension muss im Kontext des hybriden Arbeitens in jedem Fall ein hoher Stellenwert zugemessen werden. Die Unternehmenskultur ist die Schnittmenge, wenn man so will, der Kleber zwischen den Dimensionen People, Places und Technology. Wenn Unternehmen in Zukunft ihre Arbeitsmodelle grundsätzlich verändern und transformieren wollen, so müssen sie dabei auch immer den kulturellen Wandel berücksichtigen.

Aus den Interviews ging hervor, dass ein Teil der befragten Unternehmen daher dem gemeinsamen Unternehmenszweck, dem Purpose, einen hohen Stellenwert zumessen. Alle Unternehmensaktivitäten, von der Gestaltung von Arbeitsmodellen, Büroräumen, Prozessen und Technologie muss auf diesen Unternehmenszweck einzahlen. Sie geben den Mitarbeitenden Orientierung und schaffen eine Basis für eine wertstiftende Unternehmenskultur.

Die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung in Deutschland einen Schub verpasst, wie kein anderer Umstand zuvor. Die Corona-Krise und damit einhergehende Digitalisierung von Arbeitsprozessen haben die Zusammenarbeit radikal verändert. Was für viele Unternehmen vielleicht vorher noch undenkbar war, ist nicht zuletzt durch die Pandemie das neue Normal geworden. Bei allen von uns befragten Unternehmen wird auch nach Ende der Homeoffice Pflicht und Ende der Pandemie weiter hybrid gearbeitet. Die Unternehmen wollen auch in Zukunft an den Vorteilen, die flexible Arbeitsmodelle bieten, partizipieren. Dafür sind entsprechende Invesitionen in Führung und Weiterbildung von Mitarbeitenden und Führungskräften notwendig. Die bisherigen Arbeitsweisen müssen analysiert, bewertet und angepasst werden. Es müssen entsprechende neue Bürokonzepte angedacht werden und die Rolle des Büros als Ort der Begegnung muss neu gelebt werden. Digitale Technologien bilden das tragende Fundament um orts- und zeitunabhängige Kommunikation zu ermöglichen. Aber es gelingt keine digitale Transformation ohne einen kulturellen Wandel. Daher wird es für Unternehmen umso wichtiger werden, mit der Belegschaft an einem gemeinsamen Purpose und der Unternehmenskultur zu arbeiten.

Die Interviews zeigen, dass durch die Pandemie einige Unternehmen einen deutlichen weiteren Schritt in ihrer Transformation zur Arbeitswelt 4.0 gemacht haben. Die Interviewergebnisse zeigen ebenfalls, dass die Unternehmen in Nuancen einen unterschiedlichen Reifegrad aufweisen. Im Rahmen dieser Forschung ist es daher interessant, die Anzahl der Befragten Unternehmen auszuweiten und konkrete Ableitungen zum Stand der Arbeitswelt 4.0 nach Corona bei Unternehmen in Deutschland zu untersuchen.

Ein weiterer spannender Aspekt wird in Zukunft die Rolle des Büros sein. Wie wird sich diese nach Corona entwickeln? Welche Faktoren begünstigen ein erfolgreiches Bürokonzept? Wie werden die heutigen Bürokonzepte angenommen? Zum heutigen Stand lassen sich diese Fragen noch nicht beantworten, da die Erfahrungszeiträume fehlen.